Magazin Klima

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Klima

»global denken und handeln« aus der Perspektive der Landschaftsarchitektur. »lokal lernen und optimieren« das Mikroklima im Fokus von Landschaftsarchitektur und Regionalplanung. »proaktiv die Zukunft gestalten« der Anfang ist gemacht – wir gehen voran.

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Klima steht in großen Buchstaben auf dem Titel unseres Magazins, das Sie jetzt in Ihren Händen halten.

Wie es um unser Klima steht und welche Folgen der Klimawandel mit sich bringt, bewegt momentan die ganze Welt. Auch uns, die Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten der Uniola AG, berührt das Thema ganz persönlich und in unserer täglichen Arbeit.

Angestoßen durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Büros in Zürich, Berlin und Stuttgart haben wir uns auf den Weg gemacht, einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dieser Prozess bringt viel ins Rollen. Ernährungsgewohnheiten und Konsumverhalten werden hinterfragt. Fahrräder oder Elektroautos kommen vermehrt zum Einsatz.

Viele von uns haben einen persönlichen Wandel vollzogen. Ganz aktiv treiben wir gemeinsam den Klimaschutz voran.

Als Landschaftsarchitekten nehmen wir unsere Vorbildfunktion ernst. Unser Unternehmen ist CO2-optimiert und den verbleibenden CO2-Ausstoß kompensieren wir. Stolz macht uns, dass wir als erstes Landschaftsarchitekturbüro überhaupt von ClimatePartner als „klimaneutrales Unternehmen“ zertifiziert wurden.

Dieses Magazin ist ein weiterer Schritt auf unserem eingeschlagenen Weg. Begleiten Sie uns auf eine Exkursion zu Projekten und Themen rund um Klimawandel und Klimaschutz. Unser Ziel haben wir dabei fest im Blick: Priorität für das Klima – jetzt und in Zukunft!

Die Verantwortung für den Klimaschutz liegt in unser aller Händen.

Ihr
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VORWORT
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KLIMA | GOBAL DENKEN UND HANDELN 21

AUF DEN SPUREN PERSPEKTIVE · Prof. Dominik Siegrist DES KLIMAWANDELS DER ALPENWANDERER 11
GLOBALE ERWÄRMUNG WISSENSWERTES 23 KLIMAGERECHTE EDITORIAL REGIONALPLANUNG DIE KLIMAPLANERINNEN 28 PROJEKT REGION OBERSEE 31 WEITERGEDACHT DREI-PUNKTE-STRATEGIE 37 INTERVIEW Prof. Mark Krieger IM ZWEIFEL FÜR DEN BAUM 43 PROJEKT GRÜN- UND FREIRAUMKONZEPT RAPPERSWIL-JONA 51 12 KLIMAPROAKTIVE MASSNAHMEN DIE UHR TICKT 56 PROJEKT BAHNHOFPLATZ ST. GALLEN 58 SMART CITIES –ZUKUNFTSORIENTIERTE INTERVIEW STÄDTE Andreas Binkert Martin Meier Patrick Altermatt 61 KLIMAFREUNDLICH INTERVIEW GESTALTEN Prof. Regine Keller · Annika Sailer · Prof. Silvia Benedito 69 MEHR GRÜN – WISSENSWERTES MEHR ZUKUNFT POSITIVE BEGRÜNUNGEN 75 INHALT Magazin | 01 | Klima

KLIMA | LOKAL LERNEN UND OPTIMIEREN 81

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MIKROKLIMA WISSENSWERTES 83 PROJEKT DACHGÄRTEN LEE ETH ZÜRICH 88 PROJEKT DACHGARTEN PASTEURSTRASSE BERLIN 93 PERSPEKTIVE (T) RÄUME FÜR MENSCHEN 96 PROJEKT QUARTIERSPLATZ SPINELLI MANNHEIM 98 PROJEKT WETZENDORFER PARK NÜRNBERG 102 PERSPEKTIVE · Evi Rothenbühler SO BITTE NICHT! EIN OFFENER BRIEF 106 WISSENSWERTES KLIMATIPPS FÜR DEN GÄRTNER 110 EDITORIAL
INVASIVE NEOPHYTEN WENN PFLANZEN SCHADEN ANRICHTEN 115
Dr. Bianca Saladin

KLIMA | ZUKUNFT PROAKTIV GESTALTEN 123

* Wir verwenden in diesem Magazin genderneutrale Berufsbezeichnungen.

PFLANZT BÄUME PERSPEKTIVE UNSER WEG ZUM KLIMANEUTRALEN BÜRO 124 UNSERE PRIVATE INITIATIVE 130 GREENPASS PROJEKT WOHNBAUPROJEKT SCHWEIZ 138 INTERVIEW Florian Kraus GREENPASS – GRÜNE STÄDTE 142 BEWUSST PERSPEKTIVE Lina Ehlert KONSUMIEREN ERNÄHRT EUCH GESUND! 147 WEITERGEDACHT ZELLULÄRE LANDWIRTSCHAFT 155 KLIMASCHUTZ FÜR DIE ZUKUNFT GEDACHT GEHT ALLE AN ALL DAYS FOR FUTURE 156

ESTER VONPLON

Wieviel Zeit bleibt der Endlichkeit

o. T. Arktis 2016 Polaroid Negativ

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AUF DEN SPUREN DES KLIMAWANDELS

PERSPEKTIVE · Prof. Dominik Siegrist

DER ALPENWANDERER

Von Wien nach Nizza zu Fuß und das gleich zwei Mal – 1992 und 2017 habe ich gemeinsam mit einer Gruppe von Gleichgesinnten die Alpen durchwandert. Beide Wanderungen führten zu Schauplätzen des Klimawandels und zu Menschen, die sich den Veränderungen in der Alpenregion proaktiv stellen. Nun liegt auch die zweite Reise schon ein paar Jahre zurück. Mit dem Buch „Alpenwanderer“ konnte ich unsere Reise dokumentarisch aufarbeiten und die Veränderungen in den Alpen innerhalb eines Vierteljahrhunderts dokumentieren.

Wie schnell die Zeit vergeht! Das ist zurückblickend mein persönliches Fazit der beiden Wanderungen.

Wenn ich ein gesellschaftspolitisches Resümee ziehen darf, dann dieses: Die Veränderungen in den Alpen sind enorm. Kein Wunder, denn die Alpen gehören zu einem der dynamischsten Wirtschaftsräume der Welt – Westeuropa.

Hier ist Wirtschaftswachstum die Messgröße für Erfolg. Das zeigt sich auch in der Alpenregion. Über den Verlauf von 25 Jahren wurde massiv gebaut. Infrastrukturmaßnahmen, der Ausbau der Skigebiete und der Hotellerie sowie Verbauungen für den Naturgefahrenschutz veränderten die Landschaft sichtbar.

Diese wirtschaftliche Entwicklung spiegelt sich auch im Bevölkerungswachstum wider. Seit der ersten Reise ist die Bevölkerung in den Alpen von 11 auf 17 Millionen Menschen gewachsen. Die Zunahme konzentriert sich auf die alpinen Ballungsräume wie das Inntal in Österreich, den südlichen Gürtel von München, das Alpeneinzugsgebiet von Zürich, auf das Rhoneund Rheintal in der Schweiz und auf die Gegend um Chamonix und Grenoble in Frankreich. In anderen Teilen der Alpen geht die Besiedelung dagegen spürbar zurück. Das betrifft vor allem die entlegenen Gebiete in den Südalpen, aus denen sich die Landwirtschaft komplett zurückgezogen hat. Diese Diskrepanz aus Wachstum und Entsiedelung wird künftig weiter zunehmen.

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PERSPEKTIVE · Prof. Dominik Siegrist
Mont Blanc, 1992

Wenn man sich die Projekte und Initiativen in den Alpen einmal näher anschaut, ergibt sich ebenfalls ein differenziertes Bild. Noch immer fördert die Politik Investitionen in große Hotellerie, in den Skitourismus und Straßenbau. Vor allem die Innovationskraft im Tourismus ist aus meiner Sicht viel zu gering. In den Alpen hat der Skitourismus leider einfach keine Zukunft. In 30 Jahren wird man unter 2000 Metern nicht mehr Ski fahren können, auch nicht mit künstlicher Beschneiung. Ich arbeite seit 30 Jahren mit Tourismusregionen zusammen und kann nur empfehlen, sich dem zu stellen, was in Zukunft kommt. Viele Destinationen sind noch zu inaktiv. Sie müssen alte Denkweisen, die immer noch vorherrschend sind, jetzt überwinden.

Auch wenn sich kultur- und naturnahe Ansätze in den Alpen nicht in der Breite verwirklichen konnten, gibt es innovative Leuchtturmprojekte. Die Nischen sind immer noch klein, aber wecken Hoffnung.

In Erinnerung geblieben ist mir ein Beispiel aus der Steiermark: Ein Familienbetrieb hat sich von der unrentablen Milchwirtschaft mit Kühen verabschiedet. Stattdessen hält der Berghof nun Ziegen und produziert Milch, Käse, Fleisch und Kosmetikprodukte. Auch die biologische Landwirtschaft nutzt die Nische als Motor für eine ganze Region wie etwa das Puschlaver Biotal oder die Ramsauer Bioniere. Diese Projekte machen Mut und stehen für einen klimaverträglichen Neuanfang in den Alpen.

Auf den Spuren des Klimawandels
Mont Blanc, 2017
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Trifftgletscher, Gatmental in der Schweiz, 1948 PERSPEKTIVE · Prof. Dominik Siegrist
Auf den Spuren des Klimawandels
Trifftgletscher, Gatmental in der Schweiz, 2014

Für die Zukunft sehe ich schwerwiegende Veränderungen auf die Alpenregion zukommen: Klimaforscher sagen eine Erderwärmung um 1 bis 2 °C voraus.

In den Alpen ist der Temperaturanstieg dabei doppelt so stark wie im globalen Mittel. Dies bedeutet, dass bei der nächsten Alpenwanderung 2042 die Gletscher weitgehend verschwunden sind. Allenfalls die größten Gletscher bleiben möglicherweise als kleine Reste hoch oben am Gipfel sichtbar. Mit Sicherheit werden Naturkatastrophen zunehmen. Stürme, Starkniederschläge, Lawinen, Bergstürze, der auftauende Permafrostboden – das alles führt zu massiven Bedrohungen für die Bewohner der Alpenregion. Auch das berühmte Matterhorn wird durch Permafrost zusammengehalten und dürfte irgendwann in ein paar hundert Jahren in sich zusammenstürzen. Dieser Prozess der Erderwärmung läuft und ist nicht mehr aufzuhalten. Ich bin mir sicher: Was das Klima und die Alpen betrifft, liegen schwierige Zeiten vor uns.

Proaktiv und klimaoptimiert zu handeln, ist also das Gebot der Stunde für uns alle. Ich denke, die Mehrheit der Bevölkerung weiß, wie man seinen ökologischen Fußabdruck verringert. Die Frage ist, ob man das dann wirklich auch tut. Mit meinen Wanderungen möchte ich als Forscher und Lehrer meinen Beitrag dazu leisten und immer wieder auf die Situation in den Alpen aufmerksam machen. Ich denke, wir dürfen an der Hochschule nicht nur auf unseren Studien sitzen bleiben, wir müssen nach draußen gehen und aktiv werden.

Oft bekomme ich die Frage gestellt, was die Zukunft bringen wird. Dazu gibt es immer eine negative und eine positive Antwort.

Ich bin Optimist und vertraue auf die positive Vision. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass ein Leben ohne fossile Brenn- und Treibstoffe ein besseres Leben sein wird. Ich denke, wir alle wären glücklicher und zufriedener, wenn wir den Klimaschutz aktiv in unseren Alltag integrieren würden. Wenn wir mal ganz ehrlich mit uns sind, müssen wir auch nicht ständig konsumieren und um die Welt jetten und brauchen kein rasantes Wirtschaftswachstum. Wenn es uns gelingt, dass die Menschen ein neues Klimabewusstsein entwickeln, dann fliegen sie nicht auf die Malediven, sondern gehen vor der Haustür wandern.

Magazin | 01 | Klima 16 | 17 PERSPEKTIVE · Prof. Dominik Siegrist

Um die Zukunft anzupacken, braucht es Informationen und Innovationsbereitschaft – in Bezug auf neue Technologien und ebenso innerhalb unserer Gesellschaft. Die Welt verändert sich rasant und das nicht nur durch den Klimawandel. Da müssen wir offen für Neuerungen im Denken und Handeln sein.

Mit jedem verstreichenden Jahr rückt auch die für 2042 geplante dritte Alpendurchquerung ein Stück weit näher. Ich habe mir fest vorgenommen, noch einmal dabei zu sein. Auch da bleibe ich optimistisch. Wenn ich mir dafür etwas wünschen darf, dann eine Tour, bei der wir jeden Tag Leuchtturmprojekte besuchen, in denen die neue Philosophie eines nachhaltigen und klimagerechten Lebens in den Alpen erfolgreich umgesetzt wird.

Prof. Dominik Siegrist ist Leiter des Instituts für Landschaft und Freiraum an der Ostschweizer Fachhochschule, OST. Als Prof. Dr. habil. Geografie und Landschaftsplanung hat Dominik Siegrist eine Professur für Naturnahen Tourismus und Pärke inne. Sein Herzensprojekt sind Wanderungen, die den Klimawandel aufspüren.

Auf den Spuren des Klimawandels

ESTER VONPLON Gletscherfahrt

o. T. 2013 – 2015 analog Großformat Polaroid

Klima global denken und handeln
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GLOBALE ERWÄRMUNG

WISSENSWERTES

Die alpinen Gletscher schmelzen. Das Eis an den Polen geht zurück. Der Meeresspiegel steigt.

Überschwemmungen, Stürme und Dürren bedrohen ganze Regionen.

Wälder sterben. Arten verschwinden. Einstmals fruchtbare Landstriche veröden. Unsere Erde wird in Teilen unbewohnbar. Extreme Wetterperioden und Hitze beeinträchtigen das Leben nicht nur in unseren Städten. Der Klimawandel ist da – global und lokal vor unserer Haustür.

Verantwortlich dafür sind wir alle.

Unbändiges Wachstum ist der Treiber des Klimawandels. Damit einher geht ein gigantischer Konsum fossiler Energien.

Rund 80 % der globalen Wirtschaftsleistung beruhen auf fossilen Energiequellen, also Kohle, Erdöl und Erdgas. Seit 1950 haben sich die CO2-Emissionen durch Industrie, Forst- und Landwirtschaft, die Treibhausgase emittieren, versechsfacht.

Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist so hoch wie noch nie in den letzten drei Millionen Jahren. Infolgedessen erwärmte sich die Erdoberfläche im globalen Durchschnitt um ca. 1 °C.

Ohne verschärfte Klimaschutzmaßnahmen wird die Temperatur bis Ende des 21. Jahrhunderts um 4 bis 5 °C steigen –100-mal schneller als bei historisch belegten, natürlichen Klimaveränderungen. Unser blauer Planet heizt sich auf. Die globale Erwärmung ist menschengemacht.

Wissenschaftler sprechen aufgrund der vom Menschen verursachten Veränderungen unseres Klimas bereits von einer neuen, geochronologischen Epoche und geben ihr den Namen Anthropozän. Anthropozän steht als Begriff für das Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Seit etwa 70 Jahren verändern wir

Land, Wasser, Boden und Atmosphäre durchdringend und irreversibel.

Mit der Ausbeutung des Ökosystems Erde explodierte die Weltbevölkerung und mit ihr die Produktivität und der Energiekonsum. Heute leben 8 Milliarden Menschen auf der Erde. Für die Zukunft wird ein jährliches Wachstum der Weltbevölkerung um rund 70 Millionen Menschen prognostiziert. 2050 werden wir fast 10 Milliarden Menschen sein. Wir werden immer mehr und dank Fortschritten in der Medizin und der Technologie auch immer älter.

Jeder einzelne der bald 10 Milliarden Menschen hat Grundbedürfnisse. Er braucht Nahrung und Wohnraum und träumt von einem bestimmten Lebensstandard.

Davon zeugt zum Beispiel eine gigantische Bautätigkeit, die jährlich ca. 27 Mrd. Tonnen Beton verbraucht und Mega-Cities in die Höhe wachsen lässt.

Dies belegen auch die 1,2 Mrd. Fahrzeuge weltweit, die für rund ein Drittel der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sind. Jeder Einzelne hinterlässt mit seinem Lebensstil seinen persönlichen CO2-Fußabdruck.

Sprichwörtlich „mit Füßen getreten“ dürfte sich unsere Erde fühlen, wenn sie mit uns sprechen könnte. Ihr Zustand ist kritisch. Unsere Reaktion darauf: erbärmlich.

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EDITORIAL

Mit unserem Tun zerstören wir die Basis unseres Wohlstandes, unsere Volkswirtschaften, unsere Lebensgrundlagen und Wohnqualität. An das Morgen oder gar das Übermorgen denken wir kaum. Selbst internationale Abkommen und politische Erklärungen zum Klimaschutz oder die weltweite Fridays-for-FutureBewegung wirken oft nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein Erde.

Die durch den Klimawandel hervorgerufene ökologische und soziale Krise trägt bereits einen Namen. Zur Klimakrise meinen Experten wie Bruno Latour: „Krisen werden bewältigt und gehen irgendwann vorbei. Das Ausmaß der ökologischen Krise ist jedoch derart groß, dass sie unser gesamtes Handeln und Denken in Frage stellt.“

Unser Denken und Handeln in Frage stellen – steckt darin nicht alles, was wir brauchen, um die Klimakrise aufzuhalten und das Blatt für unseren Heimatplaneten doch noch zu wenden? Warum definieren wir unseren Wohlstand über ständig steigende Wirtschaftszahlen anstatt über die Lebensqualität? Warum meinen wir immer noch Konsum, wenn wir über Lebensstandard sprechen, statt mit Werten wie gesunde Luft, sauberes Wasser und intakte Natur zu argumentieren?

Wir alle müssen im Großen wie im Kleinen neu denken und aktiv handeln. Wir müssen die globalen und lokalen Umweltbedingungen und ihre Interaktion mit der gebauten Umwelt verstehen.

Wir müssen das verfügbare Wissen zum Klimawandel nutzen und unser Leben und unsere Arbeit auf den Klimaschutz ausrichten. Dann lassen wir aus vielen kleinen Pflänzchen ganz sprichwörtlich einen grünen Wald für den Klimaschutz wachsen.

ILC DESIGN CLIMATE STUDIE

Die Design Climate Studie des International Landscape Collaborative, ILC, erforscht mit einer Umfrage unter Tausenden von Experten, wie Planungs- und Designfachleute weltweit die eigene Rolle und Verantwortung bei der kollektiven Bewältigung der Bedrohungen durch den Klimawandel und beim Aufbau einer ökologisch gerechten Zukunft wahrnehmen wollen. Das ILC versteht sich als unabhängige, international ausgerichtete Denkfabrik, die eine Plattform für Forscher und Praktiker aus der Landschaftsarchitektur, der Stadtund Regionalplanung und einem erweiterten Kreis verwandter Disziplinen bietet. Ziel der Initiative ist es, aktuelle Fragen des Anthropozäns produktiv zu hinterfragen und sich mit anderen Disziplinen konstruktiv und lösungsorientiert auseinanderzusetzen.

Die ersten Ergebnisse der ILC Studie liegen bereits vor: Danach machen 68 % der Befragten menschliches Handeln als Hauptursache für den Klimawandel aus. Fast 90 % sind der Meinung, die Klimakrise ist bereits da, und fordern ein unmittelbares Gegensteuern. 65 % der Befragten wissen, dass bei Stadtentwicklungs- und Bauvorhaben die globale Umwelt stark beeinflusst wird. Eine große Mehrheit von 81 % ist der Meinung, dass der eigene Berufszweig bei der Bekämpfung des Klimawandels eine führende Rolle spielen sollte.

landscape-collaborative.org

Globale
Erwärmung

ESTER VONPLON

Wieviel Zeit bleibt der Endlichkeit

o. T. Arktis 2016 Polaroid Negativ

KLIMAGERECHTE REGIONALPLANUNG

EDITORIAL

DIE KLIMAPLANERINNEN

Ihre Liebe zur Natur und zur Gestaltung haben Monika Schenk und Elisabeth Weber-Thiel zum Beruf gemacht. Die Landschaftsarchitektinnen sind bei der Uniola AG unter anderem für großräumige Schnittstellenprojekte tätig. Ihr persönliches Credo: Nachhaltige Landschaftsarchitektur heißt, das große Ganze im Blick zu haben.

Beide haben wesentlich dazu

beigetragen, dass das Wissen rund um das komplexe Thema Klima frühzeitig bei der Uniola AG aufgebaut wurde.

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Monika Schenk ist Mitglied der Geschäftsleitung bei der Uniola AG in Zürich. Die Landschaftsarchitektin ist gerne in der Natur unterwegs, meist zu Fuß, mit dem Kajak oder zu Pferd. Als sie in jungen Jahren Geologie studierte, waren Waldsterben und Ozonloch omnipräsent. Seither pflegt sie einen nachhaltigen Lebensstil. Sie sagt selbst, dass man dafür früher oft belächelt wurde. Später arbeitete sie langjährig in der Umweltplanung. Ihre Lust, Maßnahmen nicht nur vorzuschlagen, sondern auch gestalterisch umzusetzen, bewegte sie schließlich zu einem Zweitstudium in Landschaftsarchitektur. Nun ist sie genau dort, wo sie immer sein wollte: Nicht nur sagen, was man machen soll, sondern zeigen, wie man Maßnahmen konkret und gestalterisch überzeugend umsetzen kann.

Elisabeth Weber-Thiel ist Projektleiterin bei der Uniola AG in Zürich. Die Landschaftsarchitektin ist bei München aufgewachsen. Obwohl nur 20 Minuten von der Großstadt entfernt, beschreibt sie ihre Heimat als einen Ort voller Natur und Naturerlebnisse. Dass Umwelt auch Umweltschutz bedeutet, hat sie schon früh gelernt. Ihre Eltern engagierten sich langjährig und aktiv für die Gewässerrenaturierung des lokalen Flüsschens Glonn. Lachend erinnert sie sich daran, wie sie oft zu Veranstaltungen mit musste und dadurch schon früh lernte, sich Gedanken über die Auswirkungen des eigenen Handelns für die Umwelt zu machen. Diese prägenden Erfahrungen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sie nicht nur eine Klimaschützerin aus Beruf, sondern aus Berufung geworden ist.

Klimagerechte Regionalplanung

Der Klimawandel und seine Auswirkungen bestimmen zunehmend auch Landschaftsarchitekturprojekte. Deswegen wünschen sich die Landschaftsarchitekten, dass sie bei großen Bauvorhaben künftig von Anfang an beratend in die Planungen einbezogen werden. Ihrer Erfahrung nach kommen ihre Kollegen und sie oft zu spät ins Spiel, nämlich dann, wenn die Gebäude schon geplant sind. Tatsächlich brauchen Bauvorhaben aber eine klimapositive Beratung von Beginn an. Nur so lassen sich zum Beispiel die kühlenden Effekte von Luftbewegungen auf eine Stadt in die Planung von Neubauvorhaben einbeziehen.

Ja, sie gehen sogar noch ein Stück weiter: Wo Architektur sein darf und wo Freiraum sein muss, das sollten künftig die Landschaftsarchitekten als Anwälte für das Klima vorgeben. Schließlich sind Neubauten auf die nächsten 50 bis 100 Jahre ausgerichtet. Allzu oft bleibt es sonst dabei, dass Landschaftsarchitekten nur das Beste aus den Gegebenheiten machen können, anstatt von Grund auf richtig zu planen.

In der Region Obersee verhallt ihr Appell nicht ungehört. Hier legte ein Expertenteam den Grundstein für eine holistische und klimapositive Betrachtungsweise einer gesamten Region. Monika Schenk

und Elisabeth Weber-Thiel sind sich sicher, dass sie es mit Überzeugung und Fingerspitzengefühl geschafft haben, den Gemeinden der Region Freude am Klimaschutz zu vermitteln.

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EDITORIAL

REGION OBERSEE PROJEKT

Die Region Obersee ist geprägt vom oberen Zürichsee. Eingerahmt von den dahinterliegenden Bergen gehen die Orte rund um den See fast nahtlos ineinander über. Mittendrin liegt die größte Gemeinde, die Stadt Rapperswil-Jona.

Doch auch die malerischen See- und Bergpanoramen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Klimawandel in der Schweiz längst präsent ist.

Aufgrund der verdichteten Bauweise und des hohen Versiegelungsgrades sind Siedlungen mit städtischem Charakter am stärksten vom Klimawandel betroffen. Bereits im Jahr 2015 lebten knapp 83 % der Schweizer Bevölkerung in solchen Siedlungsgebieten. Die Situation ist dringlich.

In der Region Obersee streben sieben Gemeinden eine gemeinsame, klimagerechte Regionalplanung von Siedlung, Verkehr und Landschaft an. In Zusammenarbeit mit dem Team um Prof. Dr. Jan Carmeliet an der ETH in Zürich formulierten die Landschaftsarchitekten der Uniola AG um Monika Schenk und Elisabeth Weber-Thiel im Rahmen des Agglomerationsprogramms Obersee drei Strategie- und Maßnahmenschwerpunkte. Theoretische Hinweise wurden über den Verlauf des Projektes zu konkreten

Handlungsempfehlungen: Mehr Grün,

Klimagerechte Regionalplanung

Mehr Grün in Städten und Regionen

Grünflächen sorgen für Aufenthaltsqualität, verbessern das Klima in der Innenstadt und schaffen Lebensqualität für die Einwohner. Städte und Regionen profitieren von zukunftsorientierten Grün- und Freiraumkonzepten.

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PROJEKT Region Obersee

viele Bäume, weniger Asphalt – Dinge, die Landschaftsarchitekten schon immer am Herzen liegen, belegen oberste Plätze auch beim Klimaschutz.

Doch Klima-Resilienz passiert nicht von heute auf morgen. Die Gemeinden werden über Jahrzehnte gefordert sein, die empfohlenen Maßnahmen umzusetzen. In kleinen Schritten denken, lohnt sich auch hier. Neben gestalterischen Maßnahmen mit Vorbildfunktion im öffentlichen Raum braucht es Vorgaben zur Gestaltung privater Außenräume. Verankert werden die Maßnahmen in den kommunalen Bau- und Zonenverordnungen

(z. B. Baumschutz, Anteil unversiegelte Flächen etc.), in Gestaltungsplanvorgaben, Masterplänen, Freiraumkonzepten

oder Sondernutzungsplänen. Über allem muss es das Ziel sein, an der Vision einer klimagerechten Entwicklung der Region festzuhalten. Um auch die Menschen hinter dieser Vision zu vereinen, gilt es, ein Bewusstsein über die Klimaveränderungen in der breiten Bevölkerung zu schaffen. Dazu können Gemeinden in Veranstaltungen informieren oder über Aktionen zur Beteiligung aufrufen. Schließlich kann jeder Einzelne dazu beitragen, klimapositive Anpassungsmaßnahmen umzusetzen, um unseren Lebensraum auch in Zukunft als lebenswert zu erhalten.

Klimagerechte Regionalplanung
Magazin | 01 | Klima 34 | 35 PROJEKT Region Obersee
Klimagerechte Regionalplanung
Magazin | 01 | Klima 36 | 37 PROJEKT Region Obersee

WEITER GEDACHT

DIE DREI-PUNKTESTRATEGIE FÜR

KLIMAANGEPASSTE GEMEINDEN

MEHR GRÜN, WENIGER

GRAU: KLIMAANGEPASSTE UND HOCHWERTIG GESTALTETE AUSSENRÄUME

Wie sieht ein Siedlungsraum aus, der auch mit fortschreitender Klimaveränderung eine hohe Wohn- und Lebensqualität bietet, und welchen Beitrag kann die Landschaftsarchitektur dazu leisten? 1.

Eine Überhitzung des Siedlungsraums entsteht vor allem durch einen hohen Versiegelungsgrad, wenig Vegetation und den Einsatz von wärmespeichernden Materialien, beispielsweise dunklem Asphalt. Sicherlich denkt man dabei zuerst an Zentren, Gewerbe- und Industriegebiete. Doch auch in Wohngebieten ist ein Trend zu weniger „Grün“ und mehr „Grau“ zu erkennen. In vielen Vorzonen sind Bäume zusätzlichen Parkplätzen gewichen und anstelle von Hecken rahmen Steinwände die Gärten der Wohnsiedlungen. In der Region Obersee wurde in einem ersten Schritt der gesamte Siedlungsraum analysiert und in Siedlungstypen eingeteilt. Eine Karte zeigt, welche Maßnahmen in den jeweiligen Siedlungsgebieten besonders sinnvoll sind. Folgende Maßnahmenprinzipien kommen zum Einsatz:

— Weg mit dem Asphalt: Entsiegelung bringt Kühle Um eine Überhitzung des Siedlungsraums zu vermeiden, ist auf einen hohen Anteil

Klimagerechte Regionalplanung

von unversiegelten Flächen zu achten. Jede nicht versiegelte Fläche kann Wasser aufnehmen und durch Verdunstung wieder abgeben. Dadurch entsteht ein kühlender Effekt, der mit der verdunstenden Wassermenge zunimmt. Besonders geeignet sind deshalb Retentionsflächen und offene Vegetationsbereiche. Selbst eine gekieste Fläche kann noch Wasser verdunsten und zur Kühlung beitragen. Wo immer möglich sollten Flächen entsiegelt werden. Das können beispielsweise Schulanlagen, Parkplätze, Hinterhöfe oder auch Straßenräume sein.

— Her mit dem Grün: Bäume sind natürliche Klimaanlagen Verdichtete Siedlungsbereiche und Verkehrsflächen lassen sich durch einen hohen Grünanteil als angenehme Außenräume mit Aufenthalts- und Bewegungsqualität gestalten. Gehölze liefern nicht nur einen kühlenden Schatten, durch Transpiration über die Blätter können sie zusätzlich Verdunstungskälte erzeugen. Dadurch erreicht ein ausgewachsener Baum beispielsweise die gleiche Leistung wie zehn Klimaanlagen mit einer Kühlleistung von 20 bis 30 Kilowatt. Auch durch Fassaden- und Dachbegrünungen kann Einfluss auf die Erwärmung des Gebäudeumfelds genommen werden. Eine Fassadenbegrünung bringt beispielsweise eine Senkung der Lufttemperatur um 1 bis 2 °C.

— Auf die Qualität kommt es an: Materialien mit hoher Rückstrahlwirkung nutzen

Eine entscheidende Rolle spielen auch die Materialisierung und Farbgestaltung der Außenräume. Deshalb sind Materialien zu verwenden, die ein hohes Albedo erreichen. Das hohe Rückstrahlvermögen führt zu einer geringeren Erwärmung und kann beispielsweise bei einer dunklen gegenüber einer hellen Belagsfläche eine Differenz von bis zu 6 °C ausmachen.

2.

FRISCHE LUFT TUT GUT: DURCHLÜFTUNG UND KALTLUFTVERSORGUNG

Erfahrungsgemäß kühlt es am Siedlungsrand am Abend schneller aus als innerhalb von bebauten Gebieten. Die kalte Luft entsteht über Wiesen und Wäldern oder in Hanglagen oberhalb von Siedlungen. Die kühle Luft sinkt in Taleinschnitten über den Hang nach unten, verringert die Temperatur und durchlüftet den Siedlungsraum auf natürliche Weise.

Einen weiteren Kühlungseffekt erzielen Seen. Die Luft kühlt über der Wasserfläche aus und wird durch Windströme landeinwärts in die Siedlungen getragen. Die angenehm erfrischende Brise direkt am Ufer des Sees ist oftmals sogar einige hundert Meter weit in der Siedlung zu spüren. Durch Analysen der ETH Zürich konnten die wichtigsten Kaltluftkorridore und Windströme der Region Obersee in einer Karte ermittelt und entsprechende Maßnahmenprinzipien formuliert werden:

— Durchlüften:

natürliche Kaltluftkorridore nutzen

Natürliche Kaltluftkorridore versorgen Siedlungsbereiche nur mit kühlender Luft, wenn der Lufttransport nicht verhindert wird. Im Bereich von Kaltluftkorridoren ist deshalb besonders auf die Bebauungsstruktur und die Freiraumgestaltung zu achten. Große Bauvolumen parallel zum Hang verhindern den Luftaustausch ebenso wie dicht wachsende Vegetation. Liegt ein Kaltluftkorridor beispielsweise im Bereich eines Grünzuges oder Straßenraums, sollten besser hochstämmige Gehölze gepflanzt werden, da sie die Luft ungehindert unter dem Kronendach hindurchfließen lassen. Häufig sind Kaltluftkorridore auch im Bereich von Fließgewässern anzutreffen. Sofern die Gewässer offen geführt wer-

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38 | 39 WEITER GEDACHT

den, eignen sie sich aufgrund der glatten Oberfläche besonders gut als Leitbahn. Eingedolte Gewässer sollten deshalb wo immer möglich geöffnet werden.

— Platz machen: natürliche Kühlung durch Wind ausbauen An den Seeufern ist auf eine angepasste Bebauungsstruktur zu achten. Dabei sind vor allem die Gebäudeanordnung und -volumen entscheidend. Oft werden am Seeufer lange Gebäuderiegel parallel zum Ufer gebaut. Das ermöglicht zwar allen Bewohnern Seeblick, es verhindert jedoch den Luftaustausch und eine Kühlung der dahinter liegenden Siedlungsbereiche. Empfohlen werden deshalb senkrecht zur Uferlinie ausgerichtete Gebäudereihen oder kleinteiligere Bebauungen.

Größe kommen jedoch in Agglomerationen eher selten vor. Einen wichtigen Beitrag leisten auch landwirtschaftlich genutzte Bereiche oder noch unbebaute Parzellen. Die bestehenden „inneren Landschaften“ sind wertvolle Kälteinseln und müssen vor Überbauung geschützt werden. Zudem sind Hindernisse zu vermeiden, die einen Luftaustausch mit der Umgebung abschwächen.

— Gut vernetzt: viele kleine Freiräume ergeben ein großes Netz an kühlen Freiräumen Auch kleinere Grünanlagen, etwa Spiel- und Sportanlagen oder Aufenthaltsbereiche und Treffpunkte, spielen eine wichtige Rolle als punktuelle, kühle Aufenthalts- und Erholungsräume in unmittelbarer Nähe zum Wohn- und Arbeitsort.

GUT ERREICHBARES

3. FREIRÄUME SCHÜTZEN:

FREIRAUMNETZ

Neben den Kaltluftentstehungsgebieten am Siedlungsrand können auch innenliegende Grün- und Freiräume einen wichtigen Beitrag zur Kühlung von Siedlungsräumen liefern. Vor allem nachts entsteht hier kalte Luft, die bei optimaler Bebauungsstruktur in den Siedlungsraum eindringen und das unmittelbare Siedlungsumfeld kühlen kann. Deshalb wurden auch in der Region Obersee bestehende Grün- und Freiräume ermittelt und in einer Karte mit nachfolgenden Empfehlungen dargestellt:

— Gut gekühlt: innere Landschaften als Kälteinseln erhalten

Die Kaltluftproduktion ist vor allem von der Größe der Flächen abhängig, denn eine „Fernwirkung“ der Freiräume innerhalb des Siedlungsraums lässt sich erst ab einem Hektar nachweisen. Parkanlagen dieser

Wichtig sind die wohnungsnahen Freiräume vor allem für sensible Bevölkerungsgruppen wie Kinder, Senioren oder erkrankte Personen. Für sie ist es von besonderer Bedeutung, dass die Freiräume schnell und bequem erreichbar sind. Deshalb ist eine flächendeckende Versorgung mit Freiräumen anzustreben, um jedem Bewohner ein gutes Wohnumfeld zu garantieren.

In der Arbeit am Agglomerationsprogramm Obersee wurde deshalb Wert auf ein Netz von kühlen, gut gestalteten und öffentlich zugänglichen Freiraumangeboten im Siedlungsbereich gelegt. Die Freiräume sollen innerhalb von wenigen Gehminuten in einem 300-Meter-Radius erreichbar sein. Bestehende Siedlungsfreiräume bilden ein gutes Grundgerüst, das es zu erhalten und rechtlich zu sichern gilt. Insbesondere im Rahmen von Neubebauungen und der Umstrukturierung von Arealen bestehen zusätzlich Chancen, fehlende Freiräume nachhaltig zu entwickeln, um das bestehende Angebot zu ergänzen.

Klimagerechte Regionalplanung

ESTER VONPLON cudesch da visitas

o. T. Ruinaulta, 2009 – 2011 Polaroid

Magazin | 01 | Klima 42 | 43

Im Zweifel für den Baum

Prof. Mark Krieger

unterrichtet als Professor für Pflanzenverwendung an der Fachhochschule der Ostschweiz, OST, den Studiengang Landschaftsarchitektur.

Darüber hinaus ist der studierte Landschaftsarchitekt und Gärtner mit seinem Hamburger Unternehmen

Mark Krieger Pflanzungen europaweit bei der Konzeption und Umsetzung von Landschaftsarchitekturprojekten tätig.

Für die Gemeinde Rapperswil-Jona erstellten

Prof. Mark Krieger und sein Team ein Alleen- und Baumkonzept, welches aufbauend auf ein Grün- und Freiraumkonzept der Landschaftsarchitekten der Uniola AG das Fundament für die grüne Zukunft der schweizerischen Gemeinde am Zürichsee legen soll.

ALLEENKONZEPT RAPPERSWIL-JONA INTERVIEW

Bevor das Interview mit Prof. Mark Krieger in seinem Büro an der Fachhochschule in Rapperswil starten kann, muss er erst einmal das Fenster schließen. Vor dem Gebäude wird ein Baum mit schwerem Gerät geschnitten. So fiel der Einstieg in das Gespräch leicht. Wir waren sofort mitten im Thema.

Prof. Krieger, warum schneiden wir Bäume?

In der freien Natur kann ein Baum, der ein Ungleichgewicht entwickelt, weil er etwa durch Blitzschlag oder Schädlinge angeschlagen ist, über kurz oder lang absterben. Die Natur entledigt sich der Individuen, die sich den Umweltbedingungen nicht gut anpassen können. Dies entspricht dem natürlichen Kreislauf unserer Ökosysteme. Wir Menschen dagegen formen die Natur ganz bewusst nach unseren Vorstellungen. Wir schneiden die Bäume und bringen sie dadurch ins Ungleichgewicht. Wenn wir aktiv in das Baumwachstum eingreifen, müssen wir uns fortlaufend weiter um sie kümmern. Der Baum vor meinem Fenster wird zurückgeschnitten, damit er gut in die Zukunft gehen kann.

Ist das Verhältnis „Mensch – Natur“ ein gutes?

Einerseits ist es so, dass der moderne Mensch eine unendliche Sehnsucht nach der Natur verspürt. Dann geht er raus und freut sich wie verrückt über die Bäume. Das gilt andererseits aber nur so lange, wie der Baum nicht vor der eigenen Haustür steht und als tropfende Linde das Auto verklebt. Oder nehmen wir die Immobilienbesitzer: In der Schweiz haben wir überall See- oder Bergblick, eventuell sogar aus dem Klofenster. Da darf natürlich kein Baum davorstehen, der das Panorama versperrt. Im Sommer muss dann das Haus durch ein elektrisches Gerät gekühlt werden, weil man sonst über 40 °C in der Wohnung hätte. Fazit: Alle wollen zwar eine grüne Umgebung, aber vor dem eigenen Fenster muss der Baum weg. Das finde ich zwiespältig und befremdlich.

Magazin | 01 | Klima 44 | 45
INTERVIEW

Warum ist das so?

Unsere Zeit auf dieser Welt ist kurz. Vor allem im Vergleich mit Bäumen, die über 1.000 Jahre alt werden können, planen wir Menschen nur in Zeiträumen von 30 bis 70 Jahren. In unserer kurzen Lebenszeit wollen wir dann die Welt beherrschen und nach unseren Vorstellungen formen. Die Konsequenz ist katastrophal: Unser Egoismus hat dazu geführt, dass wir zwei Drittel aller Lebewesen, die auf unserer Erde leben, in den letzten 50 Jahren vernichtet haben.

Können Landschaftsarchitekten mit ihrer Arbeit einen positiven Einfluss auf das Klima und die Zukunft nehmen?

Definitiv, ja!

Aber: Landschaftsarchitekten dürfen nicht als romantische grüne Spinner auftreten. Wir brauchen schlagende Argumente gegenüber den Entscheidern in Politik und Wirtschaft. Zu oft glauben wir Landschaftsarchitekten, dass alle das Gute wollen, aber das stimmt nur zum Teil. Bei vielen Menschen siegt der Egoismus. Politiker haben die nächste Wahl im Blick. Die Wirtschaft lenkt die Rendite. Dem müssen wir selbstbewusst entgegnen: Durchgrünte Immobilien und Städte sind wertsteigernd und haben positive Auswirkungen auf die Gesundheit.

Ein Beispiel: An Häuserfassaden misst man bei Sonneneinstrahlung im Hochsommer 65 °C. Durch Überhitzung sterben nachweislich Menschen. Allein im Hitzesommer 2003 waren das europaweit über 70.000.

Fakt ist: Die Konzepte von Landschaftsarchitekten sind jetzt und in Zukunft essenziell für die Gesundheit und Lebensqualität in unserer Gesellschaft.

Klimagerechte Regionalplanung

Sollen wir nun überall Bäume pflanzen?

Nein, denn Bäume auf Teufel komm raus überall zu pflanzen, ist vor allem in der Stadt nicht richtig! Dann kommt es gegebenenfalls auch zu negativen Einflüssen durch Baumpflanzungen. In den Orten rund um den Zürichsee zum Beispiel, wie auch hier in Rapperswil, gibt es Frischluftkorridore, die kühlere Seeluft über Nacht in die umgebenden Orte leiten. Wenn man da alles bepflanzt, kommt dieser wichtige Kühleffekt nicht mehr an. Richtig ist es aber, in einer Region oder Stadt klimabeeinflussende Faktoren zu sammeln und um ein besseres klimatisches Gefüge zu ringen. Weder Baumpflanzungen, Dach- oder Fassadenbegrünungen noch offene Plätze und Parkanlagen alleine helfen, eine Stadt nachhaltig abzukühlen. Nur eine Kombination aller Maßnahmen wird den gewünschten Effekt bringen. Wichtig ist jedoch, dass Baumpflanzungen augenscheinlich und sofort wirksam sind.

Was ist denn die richtige Strategie bei Baumpflanzungen?

Früher prägten in vielen Städten repräsentative Alleen mit großen Bäumen die Straßen. Dafür wurden die Wildformen heimischer Bäume gepflanzt, die in der Krone besonders breit wuchsen. Die Straße war Promenade. Es galt, sich dort zu zeigen und gesehen zu werden. Man denke nur an die Las Ramblas in Barcelona oder an Unter den Linden in Berlin. Auch in der Forstwirtschaft wurden Baumarten gepflanzt, die besonders schnell nachwuchsen. Stark nachgefragtes Bauholz galt als Cash Cow für die Forstwirtschaft.

Heute wird immer noch überall gefordert, wir sollen heimische Bäume pflanzen. Nun ist es aber so, dass wir kein heimisches Klima mehr haben. Heimische Arten wie Fichten, Buchen, Hainbuchen trocknen großflächig

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INTERVIEW

weg und gehen ein. Besonders deutlich sieht man das bei historischen Gartenanlagen. Da sterben uralte Bäume, weil sie die klimatischen Anpassungen nicht mehr hinbekommen. Da kommen Probleme auf uns zu, die wir lösen müssen.

Was meinen Sie, ist die Lösung dafür?

Es gibt eine ganz einfache Lösung: Wie ein Gärtner denken! Ein Gärtner pflanzt nie nur eine Pflanze. Er hat immer mehrere Eisen im Feuer, denn wenn er alles auf nur eine Karte setzt und Schädlinge kommen oder das Wasser wegbleibt, dann ist der Gärtner pleite. Auch wir müssen uns bei all unseren Pflanzungen breit aufstellen. Es gilt aus einer Vielzahl von 200 bis 300 möglichen Baumarten zu wählen und auch neue und exotische Arten zu pflanzen, die anpassungsfähiger sind. Es gibt auch nicht den einen Baum für überall. Es kommt immer auf die richtige Auswahl an. Deswegen erstelle ich Konzepte, in denen wir keine einzelnen Bäume vorschlagen, sondern immer Listen von Bäumen, die sich in ihrer Schattenwirkung, der Blattform, der Wuchsform ähneln. Diese Gruppierungen helfen bei neuen Baumkrankheiten wie dem Ulmen- oder Eschensterben, da wir dann auf andere Bäume der Liste ausweichen können. Die Suche nach dem einen „Klimabaum“ ist vergebens. Das Erfolgskonzept heißt Resilienz.

Warum sind gerade in der Stadt die Bäume so anfällig?

Die Baumbestände in Städten sind deshalb so anfällig, weil wir ihnen zu wenig Platz zum Wachsen geben. Das gilt nicht nur für den Platz über der Erde, sondern vor allem für den Platz im Boden und wie Bäume gepflanzt werden. Es geht um Richtlinien und Grenzabstände, um Bodenqualität und wie viel Beton im Boden das

Klimagerechte Regionalplanung

Wurzelwachstum beschränkt. Sind wir doch mal ehrlich, letztendlich ist ein Glasfaserkabel im Boden mehr wert als eine Baumwurzel. Doch die Wurzeln sind das, was den Baum gesund hält. Die Kraft und das Gedächtnis des Baumes stecken im Boden. Selbst ein gefällter Baum kann am Stamm wieder austreiben. Auch über der Erde ist ein Baum ständigem Stress ausgesetzt. Durch Chemikalien, Abgase, Müll und Hundeurin beeinträchtigen wir seinen Lebensraum. Auch hier geht es wieder um widerstreitende Interessen. Ich denke, wir wollen unseren Lebensraum nicht bedingungslos mit den Bäumen teilen.

Was hat Sie zum Klimakämpfer gemacht?

Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der in den 80er-Jahren das große Waldsterben in Bayern auftrat. Das hat mich persönlich bedroht. Deswegen bin ich als Landschaftsarchitekt in der Pflanzenverwendung gelandet und möchte Lösungen entwickeln, mit denen wir positiv in die Zukunft gehen können. Eine kleine Anekdote am Rande: In meiner Familie gibt es Verweise auf einen Vorfahren, der königlicher Oberforstrat von Mittelfranken war und bereits vor 1900 Baumzusammenstellungen für Wälder vorgeschlagen und robuste Mischwälder propagiert hat. Es liegt also auch in meinen Wurzeln, dass ich Bäume lesen kann und ein Naturfreund bin.

Was kann jeder einzelne von uns tun, um zu mehr Grün beizutragen?

Ich empfehle Guerilla Gardening. Unser Campus hat jetzt schon zwölf Bäume mehr als zu der Zeit, als ich angefangen habe. Man kann auch professionell Bäume spenden. Ein Vorbild wäre Josef Beuys, der 1982 während der documenta 7 der Stadtverwaltung Kassel 7000 Eichen stiftete und die Aktion „Stadtverwaldung“ betitelte.

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INTERVIEW

Städte wie Hamburg bieten heute interaktive Plattformen an, auf denen man Wunschbäume wählen kann, die dann professionell gepflanzt und gepflegt werden. Um in den Kontakt mit der Natur zu kommen, hilft es auch, selbst Hand anzulegen, zum Beispiel, indem man mit den Kindern Bäume gießen geht oder bei Aufforstungsprojekten hilft. Gerade bei Kindern und Jugendlichen ist zudem eine Natur- und Umweltbildung der Schlüssel zu mehr Engagement. Schließlich gibt es für Mutige auch noch die politische Kommunikation. Schablonen mit der Frage „Warum ist hier kein Baum?“ können als gesprühte Botschaften eine aktive Auseinandersetzung mit dem fehlenden Grün im städtischen Raum fördern.

Was wird die Zukunft bringen, Prof. Krieger?

Meine Sorge ist, dass vieles so bleibt, wie es ist. Die Frage ist, ob wir Veränderungen wirklich wollen, und ich glaube, viele wollen das überhaupt nicht. Denn schon heute kostet die Beschäftigung mit dem kleinen Elektrogerät, unserem Smartphone, bis zu sieben Stunden am Tag. Da muss dann keiner mehr rausschauen und die Leute ärgern sich nur, wenn sie keinen Strom und kein WLAN haben. Dann laufen sie Amok. Aber wenn draußen der gesamte Balkon vertrocknet, dann ist das kein Problem. Neulich bekam ich einen Anruf und der Anrufer forderte: „Wir möchten was Grünes, aber es darf kaum Pflege kosten.“ Daraufhin habe ich zum ersten Mal im Leben gesagt: „Da haben Sie sich verwählt.“

Pflanzungen sind ein Kulturgut. Wenn ich mich entscheiden kann, dann im Zweifel für den Baum!

Klimagerechte Regionalplanung
"Künftige Generationen werden es uns danken, wenn wir den Bäumen in der Stadt schon heute den Platz einräumen, den sie verdienen.“
Tanja Zschokke, Stadträtin Rapperswil-Jona
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GRÜN- UND FREIRAUMKONZEPT PROJEKT

Die Stadt Rapperswil-Jona liegt an einem Zipfel des Zürichsees. Eingebettet zwischen Wasser und Bergen war das kleine Städtchen in der Historie durchaus ein streitbarer Gegner der großen Schwesterstadt Zürich. Von Seeschlachten zwischen Rapperswil und Zürich berichten heute nur noch die Geschichtsbücher. Die Gemeinde Rapperswil-Jona zeigt sich zukunftsgewandt. Der Zuzug neuer Bewohner sorgt für städtisches Wachstum und die Stadt erkennt ihre Verantwortung, die Lebensqualität in und um Rapperswil-Jona auch für die nächsten Generationen zu sichern. Dafür braucht es kluge Konzepte für die Nutzung der städtischen Räume, vor allem für die Nutzung von Freiräumen und Grünflächen – eine passende Aufgabe für das Landschaftsarchitekturbüro Uniola AG.

Das Ergebnis der mehrmonatigen Arbeit stimmt zuversichtlich: Die Landschaftsarchitekten bescheinigen RapperswilJona grundsätzlich eine ausreichende Versorgung mit Freiraum. Allerdings ist dieser ungleich auf dem Stadtgebiet verteilt oder gestalterisch nicht immer ansprechend genug. Die rechnerische Auf-

stellung zeigt, dass durch die Schaffung neuer Freiräume ein gutes Freiraumangebot auch dann noch gewährleistet wird, wenn aufgrund des Verdichtungspotenzials die Einwohnerzahl auf bis zu 35.000 Menschen steigen wird.

Das Konzept weist nach, dass die Entwicklung der vorgeschlagenen neuen Freiräume für die Zukunft der Gemeinde von großer Bedeutung ist.

Durch eine Analyse der Grünstrukturen wurde zudem deutlich, dass RapperswilJona keine klar erkennbaren Baumstrukturen aufweist. Der Gemeinde fehlen Alleen und Baumreihen. Im Grünraumkonzept stellen die Landschaftsarchitekten deshalb unterschiedliche Siedlungstypen mit ihren charakteristischen Strukturen dar. Ergänzend dazu erhält die Stadt Handlungsempfehlungen, wie die Stadtbereiche in Bezug auf Grünstrukturen gestalterisch oprimiert werden können.

Klimagerechte Regionalplanung

Begegnungsraum

Verweilraum

Raum für freie Aktivität

Raum für infrastrukturgebundene Aktivität

Multifunktionaler Raum

Raum für lineare Aktivität

Gewässer

Bäume

Gebäude

Im Anschluss an die Erarbeitung des Grün- und Freiraumkonzeptes durch die Uniola AG folgte in einem zweiten Schritt ein Baum- und Alleenkonzept unter Leitung von Prof. Mark Krieger vom ILF, Institut für Landschaft und Freiraum, an der OST Rapperswil. Entstanden ist ein Grundlagenpapier Stadtbäume.

Darin beantwortet wird die Frage, welche klimaangepassten Stadtbaumarten unter

den konkreten Standortbedingungen in der besonderen klimatischen Lage am See auch in Zukunft bestehen können. Bei der Wahl der Arten geht es um Identitätsprägung und um ökologische Gesichtspunkte wie Biodiversität und Vielfalt. Das Ziel: Langlebiger und robuster sollen die neuen Bäume im Straßenbild sein, ohne, dass die Straßen dabei ihr charakteristisches Erscheinungsbild einbüßen. Rapperswil-Jona sieht einer grünen Zukunft entgegen.

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GRÜN- UND FREIRAUMKONZEPT
Freiraumnetz Rapperswil-Jona Erholungsräume

Grün- und Freiraumkonzepte setzen sich intensiv mit den Gegebenheiten im Siedlungsgebiet einer Stadt oder Gemeinde auseinander.

Als Freiraum werden alle unbebauten Bereiche innerhalb einer Siedlung angesehen, die einen gemeinschaftlichen Raum für Freizeitaktivitäten bieten, der den privaten Bereich der Bewohner erweitert. Das Freiraumkonzept zeigt den Bestand sowie Defizite und Potenziale der Flächen auf und definiert den Handlungsrahmen für gestalterische und nutzungsbezogene Aufwertungen sowie für die Schaffung neuer Freiräume. Die Entwicklungsziele werden unter Berücksichtigung ästhetischer, funktionaler, soziokultureller, ökonomischer und ökologischer Themen ausgearbeitet. Im Sinne eines Masterplans zeigt das Freiraumkonzept die Idee des Freiraumnetzes sowie die Funktion und Einbindung der Freiflächen innerhalb der Stadtstruktur. Auch relevante Siedlungsränder werden dabei berücksichtigt. Darüber hinaus wird auf attraktive Langsamverkehrsverbindungen innerhalb der Stadt und zu wichtigen Naherholungsgebieten hingewiesen.

Der Grünraum kann als unbebauter Bereich definiert werden, der weitgehend durch Vegetation bestimmt wird. Dazu gehören sowohl öffentliche und private Grünflächen innerhalb der Stadt als auch Flächen am Stadtrand, die der Land- und Forstwirtschaft angehören. Das Grünraumkonzept befasst sich mit der Frage, inwieweit bedeutender Grünraum innerhalb der Siedlung oder in der Landschaft vorhanden ist und in welcher Weise er geschützt, gestärkt und entwickelt werden kann. Dazu werden konkrete Ziele für die Gestaltung und Entwicklung des Straßenraumes definiert.

Klimagerechte Regionalplanung

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GEBÄUDEAUSRICHTUNG OPTIMIEREN

10 NOTWASSERBEREICHE ERSTELLEN

Versickerungs-undRetentionssystemesowie Notwasserwegeschaffen.Abflusshindernissebeseitigen. Informations-undVerhaltensvorsorgesowie Objektschutzbetreiben.

FreiflächenBebauungsgrenzendefinieren.BebauteFlächenund optimieren.GebäudeausrichtunginderPlanungmodellierenund ZusammenarbeitderPlanungsbereichesicherstellen.

schaffen, erhalten und optimieren.

Frischluftbahnen analysieren,

Kaltluft-, Ventilationsund

KLIMAKORRIDORE SCHAFFEN

ZWÖLF

DIE UHR TICKT klimaproaktive Maßnahmen

9 BEWÄSSERUNGVORSEHEN BodenfeuchtedurchBewässerung erhöhen.AufnatürlicheBewässerung durchNiederschlagswassersetzen.

WASSERFLÄCHENANLEGEN

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Verdunstungsflächen, Retentionsflächen, Wasserspeicheranlegen.GrundwasserÜberschussmengennutzen.

OBERFLÄCHEN OPTIMIEREN

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Geeignete Baumaterialien verwenden und helle Oberflächen mit geringer Wärmespeicherfähigkeit nutzen.

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1 GRÜNFLÄCHENANLEGENNeue Grünflächen anlegen. Bestehende Grünflächen verdichten und optimieren.

2 BÄUMEPFLANZENStraßenundAnlagen neubegrünen.BestehendeBegrünung nachverdichten.

3BODENDECKENDE VEGETATION ANLEGEN BodenflächendurchVegetationbeschatten. FüreineverbesserteDurchwurzelungder oberstenBodenschichtsorgen.

4 DÄCHERBEGRÜNENNeue Grünräume auf Dächern schaffen. Dach15begrünungenmitmindestens cmSubstratanlegen.

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bauen. MaßnahmenErosionsmildernde ergreifen.

Versiegelte Flächen zurück-

OBERFLÄCHEN ENTSIEGELN

FASSADENBEGRÜNENverschattenFassadenbaulichundbegrünen.nachverdichten.BestehendeBegrünung

BAHNHOFPLATZ ST. GALLEN

PROJEKT

Der Bahnhof St. Gallen ist die größte Drehscheibe des öffentlichen Verkehrs in der Ostschweiz und optimal auf die Bedürfnisse von mobilitätseingeschränkten Personen zugeschnitten. 2019 wurde er mit dem Schweizerischen Mobilitätspreis ausgezeichnet. Zugleich ist das Vorzeigeprojekt unter Leitung von Andreas Albrecht, Landschaftsarchitekt, Mitglied der Geschäftsleitung und Büroleiter bei der Uniola AG in Zürich, ein gutes Beispiel für die Umsetzung klimaproaktiver Maßnahmen.

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Kornhausplatz

Der Kornhausplatz ist ein vielschichtig genutzter und beliebter Platz beliebter Platz im Bahnhofsareal. Ein zentraler Bereich zum Aufenthalt und Sitzen ist mit hellem, einheimischem Naturstein belegt. Die neu gepflanzten, bereits großen Linden und Gleditschien beschatten den Platz. Sowohl der helle Belag als auch die Bäume leisten einen wichtigen Beitrag zur Reduktion einer Aufheizung im Sommer und schaffen auch an heißen Tagen ein erträgliches Klima in der Innenstadt.

Poststraße u. Grabenpärkli

Die Poststraße (l.) schafft die Verbindungsachse für Busse und Fußgänger vom Bahnhof zur Innenstadt. Bäume säumen den Weg zwischen Bahnhofpärkli (u.) und Grabenpärkli (r.), zwei parkähnlichen Plätzen, und schaffen so eine auch aus stadtklimatischer Sicht wertvolle grüne Achse.

Bahnhofpärkli

Das Bahnhofpärkli ist eine ruhige, von Linden und Kirschen beschattete, grüne Oase inmitten asphaltierter Straßenräume. Sitzbänke aus einheimischem Holz laden zum Verweilen ein. Ein Brunnen kühlt die grüne Insel.

– Vorreiter –Verwundert schauen wir auf Städte wie Singapur, welche uns mit teils spektakulären Lösungsansätzen um Jahre voraus scheinen. Viele der Beispiele zeichnet ein tiefer Glaube an das technisch Machbare aus, gepaart mit einer guten Portion Risikobereitschaft und dem Willen, Visionen nicht nur zu denken, sondern diese auch zu bauen.

MLA/BSLA

Dr. Christian Tschumi, Landschaftsarchitekt FH/
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Sky Trees, Singapur, Grant Associates Futuristische, beleuchtete und begehbare Super-Bäume, an deren Stahlgerüsten Epiphyten in luftige Höhen wachsen.

SMART CITIES –

ZUKUNFTSORIENTIERTE STÄDTE

Andreas Binkert ist Architekt sowie Partner und Senior Vice President der Nüesch Development AG. Als Dozent an der Hochschule Luzern lehrt er im Bereich Immobilienentwicklung. Sein Credo: Nachhaltigkeit ist das Neue Testament. Martin Meier ist Architekt, Gründer der Raumgleiter AG und der Kugelmeiers AG sowie Mitglied des Stiftungsrates von Greenpeace Schweiz. Darüber hinaus berät er im Bereich Batterie, Solar und Recycling. Seine Themen sind Digitalisierung, Mensch und Umwelt. Patrick Altermatt ist Landschaftsarchitekt und Geschäftsführer der Uniola AG, der er seit 1993 angehört. Für ihn ist die Landschaftsarchitektur ein Transformationsbeschleuniger für den Klimaschutz.

INTERVIEW

Andreas Binkert:

Wie sieht die Stadt der Zukunft aus?

Die Stadt der Zukunft ist eine grüne und dezentrale Stadt, die aus vielen Knotenpunkten und Verbindungswegen zwischen diesen Knoten besteht. Jeder einzelne Knoten ist für mich dabei eine smarte Zelle, in der die Menschen alles finden, was sie essentiell zum Leben brauchen. Viele smarte Zellen bilden ein Netz und formen einen komplexen Organismus. Dieser Organismus ist die Smart City. Mein Fazit: Wenn wir die smarte Stadt wollen, müssen wir mit der smarten Zelle beginnen. Auf dem Reißbrett haben wir eine solche Zukunftsstadt bereits entwickelt. Jetzt wollen wir sie auch realisieren. Dass die Zeit für die Smart City reif ist, zeigt auch die aktuelle Diskussion zur 15-Minuten-Stadt.

Patrick Altermatt:

Die Stadt der Zukunft ist eine Stadt, die den Menschen all das bietet, was sie zum Leben brauchen. Das sind gutes Wasser, gesunde Luft, fruchtbare Erde. Diese Ressourcen haben einen Wert. Die Smart City schützt, bewahrt und optimiert diesen Wert für ihre Bewohner.

Martin Meier:

Die Stadt der Zukunft ist eine Stadt, die ein Gleichgewicht von Mensch und Umwelt schafft. Das bedeutet, die Smart City ist immer auch eine Sustainable City. Für die Zukunft dürfen wir smart jedoch nicht nur als digital definieren, sondern müssen smart auch mit intelligent und einfach übersetzen. Auch für mich als Digitalexperte meint smart nicht automatisch digital. In einer smarten Stadt gibt es beides – Low Tech und High Tech. Alles was wir künftig mit Low Tech lösen können, darf auch so gelöst werden. Alles, was wir digital unterfüttern können, braucht unser volles Bekenntnis für die beste digitale Lösung.

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INTERVIEW

Wie entstehen zukunftsorientierte Städte?

Patrick Altermatt:

Zukunftsorientierte Städte zu planen und zu bauen, ist nicht allein ein lokaler, sondern ein globaler Auftrag. Je globaler wir denken und planen, umso komplexer wird diese Aufgabe. Langfristig müssen wir vor allem für den Platzmangel in unseren Metropolen eine Lösung finden, denn durch Migration werden sich unsere Städte weiter verdichten. Wenn wir keinen Platz in der zweiten Dimension mehr haben, müssen Räume und Freiräume in der dritten Dimension entstehen. Aufenthaltsqualität, Begegnungsmöglichkeiten, Grünräume und sogar eine urbane Grundversorgung mit Lebensmitteln dürfen wir nicht nur zweidimensional denken. Für mich ist übergeordnet wichtig, dass wir die Ernährung der Weltbevölkerung bei zunehmendem Bevölkerungswachstum lösen, denn sonst verstärken sich Migration und Völkerwanderung.

Smart Cities
Dubai, Sustainable City, die nachhaltige Stadt in Dubai Ein 500-Häuser-Komplex außerhalb von Dubai City.

Martin Meier:

Wenn wir Städte zukunftsfit machen wollen, sollten wir uns zuallererst um die Low Hanging Fruits kümmern. Für mich hat die Abschaffung der fossilen Brennstoffe oberste Priorität. Schon jetzt haben wir alle Technologien zur Verfügung, um auf eine nachhaltige Energieversorgung umzustellen. Einzelne Länder wie die Schweiz können hier eine Vorbildrolle einnehmen. Langfristig müssen wir auf der ganzen Welt zukunftsfähige Orte entwickeln, wo die Menschen gerne leben wollen.

Magazin | 01 | Klima 64 | 65
INTERVIEW
Via Quadronno Milano, Angelo Mangiarotti Ein bekannter Klassiker der Fassadenbegrünung.

Andreas Binkert:

Beim Thema Zukunftsfähigkeit müssen wir kurzfristig die bestehenden Städte optimieren. Langfristig kommen wir um den Bau neuer, klimagerechter, CO2-freier Städte auf der grünen Wiese nicht herum. Wenn wir uns fragen, wo die Menschen in 50 Jahren leben wollen, wird relativ klar, dass wir klimabedingte Zuwanderungen in die gemäßigte Zone der nördlichen Hemisphäre sehen werden. Um diesen Zuzug von Menschen aufzufangen, reicht es nicht, die Peripherie der bestehenden Metropolen auszubauen. Nein, wir müssen ganz neue Smart Cities bauen.

Wo entsteht die Stadt der Zukunft?

Martin Meier:

Die Stadt der Zukunft kann heute überall entstehen, denn aufgrund unseres technologischen Fortschritts haben wir die Möglichkeiten, selbst die Wüste zu besiedeln. Ein solches Musterbeispiel ist ein Wohnprojekt mit 400 Wohnungen in Dubai. Obwohl es hier bis zu 45 °C heiß ist, leben die Menschen in diesem Smart City Projekt in einem verkehrsfreien Gebiet mit selbständiger Energieversorgung über Solarzellen und einem geschlossenen Wasser- und Energiekreislauf. Letzten Endes entscheiden wir Menschen, wo wir leben wollen. Mit den klimatischen und geologischen Gegebenheiten vor Ort werden wir uns zunehmend arrangieren können.

Andreas Binkert:

Selbstverständlich können wir heute sogar in der Wüste eine Vision einer smarten City errichten. Ich persönlich bin jedoch der Meinung, dass wir dort bauen sollten, wo wir ganz viel von dem vorfinden, was man braucht, um mit möglichst wenig Aufwand und Energie zu bauen. Ein solches Vorzeigeprojekt ist für mich das Green City Projekt in Zürich. Die erste CO2-neutrale

Smart Cities

Stadterweiterung Zürichs hat Vorbildfunktion, weil sie sich aktuell verdoppelt und sich dennoch an die bereits dort bestehende, ausreichend groß geplante Energiezelle andocken kann. Ihren Namen hat die Green City übrigens nicht vom umgebenden Grün. Für die Zukunft wünsche ich mir aber, dass Grün ein essentieller Bestandteil der smarten Stadt wird.

Wenn man international gute Ansätze im Bereich der Stadtplanung aus der Perspektive der Landschaftsarchitektur sucht, muss man zum Beispiel nach Singapur schauen. Hier entstehen Grünflächen und Freiräume vor allem auch in der dritten Dimension und nicht nur auf Ebene Null. Auch Europa bietet mit Städten wie Kopenhagen oder Wien interessante Ansätze, zum Beispiel für die Trennung von Verkehrsströmen. Ganz klar, wir befinden uns global in einer Transformation. Dabei ist die Theorie der Realität oft weit voraus. Wir alle kennen die Leuchttürme, jetzt müssen wir dafür sorgen, dass ihnen viele gute Projekte folgen.

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INTERVIEW
Patrick Altermatt: Oasia Hotel, Singapur, WOHA Architekten Wolkenkratzer mit grüner Fassade bis ca. 190 m mit zwei etagengroßen Dachgärten.
Smart Cities
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Park Taubenloch, Bad Tölz Gestaltung der Uferzonen

KLIMAFREUNDLICH GESTALTEN

KLIMASCHUTZ DANK LANDSCHAFTSARCHITEKTUR

Prof. Regine Keller, Gesellschafterin und Senior-Partnerin in München, hat ein Faible für die Gestaltung von Freiräumen im historischen Kontext und lehrt als Professorin an der TU München.

Annika Sailer, Gesellschafterin und Standortleiterin in München, plant bevorzugt öffentliche Räume mit hoher Aufenthaltsqualität für Natur und Mensch.

Prof. Silvia Benedito, Expertin für Klimaanpassung in der Landschaftsarchitektur und Senior-Projektleiterin in München, engagiert sich für die Reduktion von durch Hitze verursachtem, thermalem Stress und ist Professorin an der Harvard Graduate School of Design.

INTERVIEW

Annika Sailer:

Was kann die Landschaftsarchitektur für den Klimaschutz leisten?

Als Landschaftsarchitektinnen sind wir Masterplaner für den Klimaschutz und eine klimagerechte Zukunft.

Als Gewerk bringen wir alle Disziplinen und Fachplaner, die Ingenieure und Verkehrsplaner, den Hoch- und Tiefbau zusammen und haben das Wissen und die Kreativität, um alle Beteiligten zu orchestrieren. Ähnlich einem Dirigenten in einem Orchester müssen wir in jedem einzelnen Projekt selbstbewusst, fachlich kompetent, künstlerisch planend, partizipativ und integrativ mit allen Akteuren zusammenarbeiten und gegenüber Kommunen und Bauträgern unseren Anspruch auf eine leitende Rolle durchsetzen. Die ganze Klaviatur, die in unserem Tätigkeitsfeld steckt, spielen wir dann am besten aus, wenn wir die Fäden der Steuerung fest in den Händen halten und uns unsere wichtige Rolle nicht streitig machen lassen. Dazu braucht es den Mut, Verantwortung zu übernehmen.

Prof. Regine Keller:

Die Landschaftsarchitektur hat die Aufgabe, ein Sprachrohr für die Umwelt zu sein, die selbst nicht für sich sprechen kann. Wir müssen daran mitwirken, dass die Natur, ein Baum oder ein Fluss eine Stimme bekommt und wir zu Anwälten von Flora und Fauna werden.

Diese Position gilt es in der Gesellschaft und vor allem gegenüber der nächsten Generation von Landschaftsarchitekten zu vermitteln. Auch wenn dies anstrengend ist und dafür geltende Normen und Regeln infrage gestellt werden müssen. Die Aufforderung lautet: Traut euch, unbequeme Dinge zu denken und zu bauen! Habt die Kraft, die Welt zu verändern!

Magazin | 01 | Klima 70 | 71
INTERVIEW

Die Kraft der Landschaftsarchitektur lässt sich am besten mit der metaphorisch stärksten Referenz, dem „Garten Eden“, beschreiben. Wenn wir es schaffen, ähnlich „paradiesische“, also schützende, stützende, nährende, guttuende Wohlfühlumgebungen zu schaffen, haben wir unsere Mission als Landschaftsarchitekten auch im Sinne des Klimaschutzes nachhaltig erfüllt.

Welchen Appell richten Sie an die Entscheider in Politik und Gesellschaft? Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, um den Klimawandel aufzuhalten?

Bei der Planung unserer Lebensräume braucht es mehr Empathie und Mitgefühl. Es gilt, die Bedürfnisse der Menschen ernst zu nehmen und bioklimatische Umgebungen zu schaffen, die für Lebensqualität stehen und in denen sich junge und ältere Generationen gleichermaßen wohlfühlen.

Prof. Silvia Benedito:
Klimafreundlich gestalten
Prof. Silvia Benedito: Park Taubenloch, Bad Tölz Gestaltung der Parkanlage

Annika Sailer:

Geben Sie der Natur wieder mehr Raum! Bäume sollten in erster Linie erhalten und nicht gefällt werden. Flächenversiegelungen sollten konsequent verringert und nicht weiterhin erhöht werden.

Prof. Regine Keller:

Vor allem anderen geht es darum, Freude am Schutz unseres Planeten zu vermitteln, statt mit dem erhobenen Zeigefinger zu drohen: Freude am Gehen statt am Fahren; Freude an der Pflanze statt am Fleisch; Freude am Lesen statt am Googeln.

KLIMAFREUNDLICHES

Gestalten und Entwerfen …

… muss Räume kontextbasiert und nachhaltig neu denken.

Prof. Regine Keller

… ist multidisziplinär und verfolgt einen Multi-Spezies-Ansatz zum Wohle der Menschen als auch von Flora und Fauna.

Annika Sailer

… erfordert eine Arbeit in den Dimensionen Zeit und Raum und soll dem Wohle des Einzelnen ebenso dienen wie dem des Planeten.

Prof. Silvia Benedito

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INTERVIEW
Klimafreundlich gestalten
Magazin | 01 | Klima 74 | 75

MEHR GRÜN –MEHR ZUKUNFT

Grünflächen

Grünflächen mindern Luftverschmutzung, Umweltlärm und verbessern das Klima durch CO2-Speicherung; sie fördern Artenreichtum und Biodiversität. Grünflächen sind Kaltluftentstehungsgebiete, sorgen für Luftaustausch, Beschattungen und Verdunstungskühle für die Umgebung. Grünflächen ermöglichen Bewegung und Begegnung und wirken positiv auf die Gesundheit der Menschen; ein Aufenthalt von 20 Minuten im Grünen lässt den Cortisolspiegel nachweislich sinken.

Bäume

Ein Baum bindet in den Wurzeln Nährstoffe und Schwermetalle und verzögert den Wasserabfluss.

Bäume sind wertvolle Lebensräume für Vögel und Säugetiere und sorgen für Biodiversität. Die Temperaturunterschiede zwischen baumbeschatteten und besonnten Flächen betragen bis zu 20 °C. Die Lufttemperatur unter einem Baum ist bis zu 8 °C kühler als in der Umgebung. Menschen, die in Gebieten mit Straßenbäumen leben, fühlen sich im Schnitt gesünder und leiden weniger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Bluthochdruck. In Japan ist das „Shinrin-yoku“, also das „Baden im Wald“, Teil der staatlichen Gesundheitsversorgung.

Innenraumbegrünung

Menschen, die in begrünten Innenräumen arbeiten und leben, empfinden 30 % weniger Müdigkeit und fühlen sich 47 % weniger gestresst. Eine 20 % höhere Luftfeuchtigkeit sorgt für 37 % weniger Husten und 23 % weniger trockene, gereizte Haut. Insgesamt lässt sich durch begrünte Innenräume das Wohlbefinden von Menschen um bis zu 93 % steigern. Die Motivation von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in begrünten Innenräumen wird um 29 % gesteigert und die Konzentrationsfähigkeit um 35 %. Insgesamt lässt sich die Produktivität in begrünten Büroräumen um 17 % steigern. Innenraumbegrünungen führen zu 20 % weniger Krankschreibungen.

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ÜBER DIE POSITIVE WIRKUNG VON BEGRÜNUNGEN

Fassadenbegrünung

Begrünte Fassaden reduzieren die Oberflächentemperatur um bis zu 19 °C. Bis zu 80 % der Sonneneinstrahlung werden vom Laubwerk absorbiert. Begrünte Fassaden binden ca. 2,3 Kilogramm CO2 pro m2 und Jahr. Eine Kühlung von bis zu 5 °C ist möglich. Die Luftfeuchtigkeit einer begrünten Fassade ist im Sommer 20 bis 40 % höher. Begrünte Fassaden sparen 26 % an Primärenergie im Vergleich zu konventionellem Sonnenschutz und 49 % bei fehlendem Sonnenschutz.

Begrünte Fassaden sind Lebensraum von Vogel-, Insektenund Fledermausarten.

Dachbegrünung

Begrünte Dächer haben eine CO2-Bindung von 0,375 Kilogramm pro m2 und Jahr und eine Feinstaubbindung von 10 Gramm pro m2 und Jahr. Bis zu 67 % der Wärme werden bei begrünten Dächern nicht wieder an die Umgebung abgegeben; bis zu 75 % des Jahresniederschlages verdunsten über Pflanzen. Die Luftfeuchtigkeit bei einem begrünten Dach ist bis zu 40 % höher; die Kühlenergie der Pflanzen erreicht bis zu 10 °C. Bei intensiver Begrünung finden auf einem Dach bis zu 358 Käferarten Unterschlupf; auf Gründächern konnten 236 Wildbienenarten und 30 Rote-Liste Arten von Käfern nachgewiesen werden.

Mehr Grün – Mehr Zukunft

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o. T. Ruinaulta, 2009 – 2011 Polaroid

80 | 80 Magazin | 01 | Klima

lokal lernen und optimieren

Klima
Magazin | 01 | Klima 82 | 83

Wissenswertes

Mikroklima, auch lokales Klima oder Kleinklima genannt, ist allgemein definiert durch die klimatischen Bedingungen der bodennahen Luftschicht bis etwa zwei Meter Höhe.

Es entsteht durch die Wechselwirkungen zwischen dem Makroklima, also den allgemeinen klimatischen Faktoren wie Strahlung, Wind, Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag, und der lokalen Situation. Zum anderen beschreibt Mikroklima jenes Klima, welches in einem kleinen, räumlich genau definierten Bereich vorherrscht, zum Beispiel in einem Innenhof.

Die örtlichen Gegebenheiten, wie die Art und Dichte der dort wachsenden Pflanzen, die Art und Beschaffenheit des Bodens, die bodennahen Luftbewegungen sowie die vorherrschenden Lichtverhältnisse sind Einflussfaktoren für das Mikroklima.

MIKROKLIMA

MIKROKLIMA UND MENSCH

In dicht besiedelten Gebieten, etwa in einer Stadt, haben vor allem die von Menschen geschaffenen Bauwerke enormen Einfluss auf das Mikroklima. So sind die Temperaturschwankungen im Bereich von befestigten Flächen, Mauern und Fassaden größer als in begrünten Bereichen, was durch die gewählten Baumaterialien und die veränderten Wind- und Lichtverhältnisse begründet werden kann. Je nach Stellung der Bauten kann es so in einem bestimmten Bereich völlig windstill sein, wohingegen nur wenige Meter weiter starker Wind herrscht, bedingt etwa durch die Verengung zweier Bauten. Die Sonnen-SchattenSituation ist ebenso wichtig für das Mikroklima. Sie wird zusätzlich befeuert durch die Sommer- und Winterextreme. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass sich ein Mikroklima in kleinen Abständen stark ändert, wenn unterschiedliche Faktoren zusammentreffen.

MIKROKLIMA UND LEBENSRAUM

Mikroklimate umfassen Gebiete von wenigen Metern bis hin zu einigen Kilometern. Beispiele hierfür sind ein bestimmter Raum, ein Feld, ein Park, eine Straße oder ein Teil einer Straße wie der Platz zwischen zwei Gebäuden. Die Menschen sowie die meisten Tiere und Pflanzen finden ihren Lebensraum im mikroklimatischen Bereich. Aus diesem Grund ist das Mikroklima von entscheidender Bedeutung für ihre Lebensqualität. Auch in der Land- und Forstwirtschaft spielen die mikroklimatischen Gegebenheiten der Äcker

WISSENSWERTES

eine bedeutsame Rolle. Durch die Untersuchungen in der Bioklimatologie, Forst- und Agrarklimatologie, zum Beispiel der Strahlungsund Wärmehaushalte von Pflanzen und Blattoberflächen, sind viele Erkenntnisse heute schon vorhanden. Dabei werden spezielle mikroklimatische Messtechniken eingesetzt: Ausgehend vom Strahlungshaushalt und den Wärmeflüssen untersucht man die oberflächennächsten Temperatur- und Feuchtefelder sowie die Austauschverhältnisse in der bodennächsten Luftschicht. Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen fließen heute aber nicht nur in die Landwirtschaft ein, sondern auch in die Anlage und Pflege von Stadtquartieren.

MIKROKLIMA UND EINFLUSSFAKTOREN

Für die Bildung des Mikroklimas lassen sich drei entscheidende Punkte ausmachen: Energie durch Sonneneinstrahlung, Wasser- und Lufthaushalt. Alle drei Faktoren sind abhängig von übergeordneten Rahmenbedingungen wie der topographischen Lage, den Nachbarbauten, der Dichte der Bauten, der allgemeinen Luftqualität etc. Die gute Nachricht ist: Wir können durch die Wahl von Oberflächenmaterialien – hierzu zählen auch Pflanzen – die mikroklimatischen Bedingungen klimaproaktiv steuern.

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Treffen Sonnenstrahlen auf Gebäudeoberflächen oder Wegflächen, kommt es zu verschiedenen Prozessen. Diese sogenannte Globalstrahlung kann je nach Materialeigenschaften und Aufbau in einen Körper eindringen oder reflektiert werden. Dringt sie ein, erwärmt sich die Oberfläche und demzufolge ihre Umgebung. Diese Wärme wird als fühlbare oder „sensible“ Wärme bezeichnet. Je wärmer eine Oberfläche, desto mehr langwellige Strahlung emittiert diese. Hohe Oberflächentemperaturen lösen beim Menschen „thermisches“ Unbehagen aus, welches Stress und Kreis laufbeschwerden verursachen kann. Im städtischen Kontext führen diese Eigen schaften zu Überhitzung und soge nannten städtischen Wärmein seln, den „Urban Heat Islands“. Betroffen von diesem Phäno men sind vor allem dicht verbaute, stark versiegelte Stadtteile mit geringem Grünanteil.

Natürliche Kühlung erfolgt durch Regen. Das Wasser trifft auf warme Oberflächen und entzieht diesen durch Verdunstung Energie. Fehlt das Wasser, kann die Kühlung künstlich erfolgen oder aber die Wahl der Oberfläche muss bewusst justiert werden. Wegflächen sind als Verkehrsflächen meist in Asphalt oder Beton ausgeführt. Kann hiervon nicht abgewichen werden, muss über eine hellere Farbgebung optimiert werden. Gehund Radwege, Innenhöfe und Sitzplätze lassen sich durch weiche oder durchlässige Beläge klimatisch wertvoller umsetzen, denn solche Beläge können Wasser aufnehmen und durch die Verdunstung kühlend abgeben. Bei starken Niederschlägen wirken sie zudem als Puffer, der das Wasser langsam versickern lässt. So entlasten sie zugleich das städtische Kanalsystem. Außerdem bringen diese Oberflächen Sauerstoff in den Boden ein, was sich im Umfeld von Gehölzen entscheidend auswirkt.

Sonne Wasser

Mikroklima

Im Gegensatz zu diesen „urbanen“ Oberflächen, wie Fassaden oder Wegflächen, reagieren Pflanzenflächen aktiv auf die vorherrschende Witterung. Treffen Sonnenstrahlen auf eine Pflanze, beginnt sie mit der Photosynthese. Um diese betreiben zu können, nimmt sie CO2 auf, gibt Sauerstoff ab und transpiriert Wasser. Das so verdunstete Wasser wird an die

Umgebung abgegeben. Dieser Prozess entzieht dem Umfeld Energie und es kühlt sich ab. Die Pflanze kühlt sich so aber auch selbst. Die Kühlung und die erhöhte Luftfeuchtigkeit tragen zu unserem Wohlbefinden bei. Und diese Kühlung erfolgt eben auch, wenn der Regen ausbleibt und die Pflanze das Wasser aus dem Untergrund beziehen muss.

Der Lufthaushalt unterstützt oder stört die oben erwähnten Punkte. Er kann als ange nehm oder nachteilig empfunden wer den. Daher ist nicht nur seiner Inten sität, sondern auch seiner Qualität Rechnung zu tragen. Neben der Stellung der Gebäude ist die Stellung und Dichte der Bepflanzung wichtig. Das richtige Maß kann heute über Simulationen gefunden werden. Die Qualität muss über die Masse und Art der Bepflanzung fein gesteuert werden.

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WISSENSWERTES
Luft
Mikroklima

„Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen.“

DACHGÄRTEN LEE ETH ZÜRICH

PROJEKT

An der ETH Zürich, einer der renommiertesten Hochschulen weltweit, findet sich ganz selbstverständlich beides. Die ETH-Bibliothek ist die größte, öffentliche, naturwissenschaftliche und technische Bibliothek der Schweiz; die Dachgärten fungieren als attraktiver Begegnungsund Erholungsort für Studierende und Forschende der Universität und sind Teil des neuen Gebäudes LEE.

Auf den Terrassen der Seitenflügel des LEE platzieren sich die von der Uniola AG konzipierten Dachgärten als betont exotisch und fremdländisch anmutende

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„Secret Gardens“, die man an diesem Ort nicht erwartet. Ihre südländische Vegetation, die offene Gestaltung und die deutlich spürbare Lage über den Dächern Zürichs prägen sie eindrücklich. Sukkulenten, Zitruspflanzen und verschiedene steppen- und prärieartige Gewächse, die ihren Ursprung in anderen Gefilden, beispielsweise in der Mittelmeerregion, in den südlichen USA oder in Afrika haben, beeindrucken mit mediterranem Flair und sind zugleich trockentolerant und robust.

Die Struktur der Dachgärten des LEE wird bestimmt durch zusammenhängende Kies- und Pflanzflächen sowie Technikaufbauten, die von Natursteinbelag umrahmt sind.

Der Natursteinbelag definiert einzelne Bereiche entlang der Fassaden, die zum Diskutieren und Verweilen einladen, aber auch als Ort für kleinere Anlässe und Events zur Verfügung stehen. Die innenliegende, weichere Fläche ist in verschiedene Stufen unterteilt: Vom Ausgang aus dem Gebäude kommend, begegnet dem Nutzer eine zuerst niedere, vorwiegend grasartige und sukkulente Vegetation. Verschiedenste Arten von Gräsern bewegen sich im Wind, trotzen Hitze und Trockenheit, aber auch der Kälte. In jedem weiteren Bereich nehmen die Höhe und Intensität der Bepflanzung zu. Zahlreiche Kräuter und Gehölze ergänzen das stimmige Gesamtbild.

Der Eindruck eines mediterranen Gartens ist nicht fremd für die Kenner des Zürichbergs. Begünstigt durch das milde Seeklima hat sich dort bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine mediterrane und exotische Vegetation ihren Platz erobert. Die beliebten exotischen Pflanzen kamen mit Beginn der Landschaftsgartenbewegung nach Zürich und zogen als Zierelement in die Villengärten, aber auch in die wissenschaftlichen Sammlungen der Universität und Pflanzenforscher ein. Bedeutende Gartenkünstler hatten damals enge Beziehungen zu den Hochschulen. Evariste Mertens war einer von ihnen. Er wurde 1885 Dozent für Obstbau an der ETH Zürich und gestaltete zusammen mit Otto Froebel das Arboretum am Zürichsee, eine Sammlung verschiedenartiger, mitunter exotischer Gehölze.

Die Hauptakteure in der Bepflanzung sind zwei Arten von Felsenbirnen, die kompakte und kleinwüchsige ‚Helvetica‘ und die größere, herbstbunte Kupfer-Felsenbirne.

Letztere lässt uns den Verlauf der Jahreszeiten intensiv miterleben: Im Frühjahr zeichnet sie sich durch ihre zahlreichen weißen, sternförmigen Blüten aus. Ein schöner Kontrast ergibt sich durch die gleichzeitig austreibenden Blätter, die anfangs kupferfarben sind und der Pflanze den Namen geben. Nach der Blüte erscheinen die ersten, von Vögeln geliebten

Mikroklima

Früchte, blauschwarz bis dunkelpurpur, je nach Art. Im Herbst verfärben sich die Blätter leuchtend gelb bis kupferorangerot. Wurde die Felsenbirne im 19. Jahrhundert von den Bauern ihrer süßen Früchte wegen noch als Obstgehölz angepflanzt, verwilderte sie später vielerorts, da ihr die klimatischen Bedingungen im nordwestlichen Europa zusagten. So entstanden Kreuzungen unter den Arten, die unter anderem zu Selektionen von gärtnerischen Sorten führten. Aus dieser Kultur entsprang auch die kleinwachsende Sorte ‚Helvetica‘, die hier das Bild der Stadtgärten mitprägt.

Korrespondierend dazu unterstützt die Kleeulme, ein Zitrusgewächs, das jahreszeitliche Spiel von Farben und Früchten, variieren doch die Blätter von glänzend dunkelgrün im Sommer über grüngelb bis zu leuchtend gelb im Herbst.

Die geflügelten Nüsschen, die mit ihrer gelbbraunen Farbe bis in den Winter hinein sehr dekorativ wirken und an die Früchte der Ulmen erinnern, haben dem Strauch den Namen verliehen. Auffällig sind die hellgelben bis hellgrünen Blüten im Juni zwar nicht, sie duften aber besonders in den Abendstunden und erinnern an Orangenblüten aus mediterranen Ländern. Mit etwas Glück erfreut die Kleeulme im August mit dem spektakulären Phänomen der Nachblüte.

Neben der Kleeulme mit ihren Blüten und ihrer aromatisch duftenden Rinde enthalten auch einige der Kräuter ätherische Öle und verbreiten dadurch in den Stadtgärten eine spezielle Note. Verwendung findet die bittere Rinde der Kleeulme in der Homöopathie und in der Kräutermedizin der amerikanischen Ureinwohner. Auch die Bestandteile von Fingerhut, Wiesenknopf, Schafgarbe, Brandkraut und anderen dienen als Heilkräuter und Arzneimittel. Nicht nur der Mensch schätzt diese Gaben der Natur, auch Insekten, Vögel und andere Kleinlebewesen profitieren vom Pflanzenreichtum der Stadtgärten.

Wie sich die Felsenbirne in den letzten Jahrzehnten an das mildere Klima angepasst hat, hat es die Feige ihr gleichgetan. In den Gärten des Zürichbergs schon lange etabliert, verbreitet sich die Feige als Gartenpflanze täglich ins weitere Umfeld. Wurden mediterrane Pflanzen wie Palme, Steineiche, immergrüne Magnolie oder Erdbeerbaum lange nur als Kübelpflanzen gehalten, welche aufwändig in einem Gewächshaus überwintert werden mussten, kann man es heute wagen, sie ohne Winterschutz im Freien zu belassen.

Verantwortlich dafür ist ein gutes Mikroklima, wie es am Zürichberg und am Zürichsee zu finden ist. Das üppige, mediterrane Ambiente lässt nur einen Schluss zu: Zürich rückt ans Mittelmeer.

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DACHGÄRTEN LEE ETH ZÜRICH
Mikroklima

Wer einen Garten pflanzt, pflanzt Glück.

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DACHGARTEN PASTEURSTRASSE BERLIN PROJEKT

EIN GARTEN IN DER STADT IST DER TRAUM ALLER GROSSSTADTBEWOHNER.

Doch Platz ist knapp und muss für die Wohnbebauung vorgehalten werden.

Wie es dennoch möglich ist, Wohnbebauung und gemeinschaftliches Grün zu kombinieren, beweist das Dachgartenprojekt Pasteurstraße auf eindrucksvolle Weise. Mitten im belebten Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg realisierte das Berliner Büro der Uniola AG eine Oase des urbanen Wohnens mit einer gemeinschaftlich genutzten, großzügig bepflanzten Dachfläche.

Mikroklima

Im Zentrum des Dachgartens befindet sich ein offener Treffpunkt mit Grill und Nachbarschaftstisch sowie eine attraktive Spielfläche.

Das Pflanzkonzept für den Dachgarten beinhaltet eine Flächenpflanzung aus Stauden, Gräsern und Kiesarealen mit eingestreuten Sträuchern und vereinzelten Kleinbäumen. Strauch- und Heckenpflanzungen entlang der angrenzenden Innenhöfe bilden den angenehm grünen Hintergrund für die Spiel- und Aufenthaltsbereiche.

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DACHGARTEN PASTEURSTRASSE BERLIN

Das Konzept erkundet die landschaftsarchitektonischen Potenziale dieser urbanen Wohnform und beruht auf einer spannungsreichen Wegeführung mit Verengungen und Aufweitungen. Diese sehen neben den notwendigen Verbindungen zu den Wohnungszugängen auch einen Rundweg und Aufenthaltsbereiche vor.

Der größte Anteil der durch die Wohnungsbebauung entstehenden Versiegelung ist mit begrünten Dachflächen ausgestattet. Auf den oberen Dachflächen werden durch eine klassische, extensive Begrünung etwa 70 % des Niederschlagswassers aufgenommen. Die Verdunstung über die Vegetation sorgt für eine Abkühlung der direkten Umgebung und reduziert den Wasserabfluss in die bestehen-

den Kanalleitungen. Aufbauhöhen von bis zu einem Meter schaffen erhöhten Speicherraum für Niederschlagswasser. Dies ermöglicht die Pflanzung von größeren, nachhaltig ökologisch wirksameren Gehölzen und Stauden, die einer ungünstigen lokalen Erwärmung spürbar entgegenwirken. Das ist nicht nur gut fürs Mikroklima, sondern schafft auch Mikrohabitate für Fauna und Flora.

Dieser Garten ist für alle ein Gewinn. Er hat Symbolcharakter für einen klimatologisch wirksamen Beitrag im urbanen Umfeld.

Mikroklima

(T) RÄUME FÜR MENSCHEN

Als Landschaftsarchitekten tragen wir bei unseren Projekten eine hohe Verantwortung. Unser klimaproaktives Handeln in Bezug auf jedes einzelne Vorhaben und jeden einzelnen Standort bestimmt darüber, ob wir der Welt ein gutes, weil nachhaltiges Projekt übergeben oder eben nicht.

PERSPEKTIVE · Andreas Kotlan
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Unser Beruf gibt uns die Möglichkeit, Klimaschutz in unsere tägliche Arbeit zu integrieren – sei es über das persönliche Engagement und über Fortbildungen oder über unsere Überzeugungsarbeit in Richtung Bauherren und Auftraggeber. Es ist wichtig, dass wir das Thema Klimaschutz gemeinsam angehen und vermehrt in das Bewusstsein von uns allen bringen.

Dafür braucht es auch Regularien, denn Appelle allein reichen nicht aus. Appelle greifen bei Menschen, die bereits ein Herz für den Klimaschutz haben. Wenn wir aber noch wirksamer werden wollen, brauchen wir auch die Durchsetzungskraft von Gesetzen.

Darüber hinaus wünsche ich mir für unseren Berufsstand der Landschaftsarchitekten, Architekten und Stadtentwickler, dass wir noch enger zusammenarbeiten, mutiger unseren Auftraggebern gegenüber werden und auch in der Gesellschaft mehr Reflexion erfahren. Wir sollten Neues wagen und ausprobieren, innovativ denken und unseren Blick über den Tellerrand hin zu globalen Vorbildern richten. Bei jedem einzelnen Projekt müssen wir uns die Frage stellen, was die beste Lösung für die Menschen und die Umwelt ist. In diesen Abwägungsprozess fließt der Klimaschutz fast automatisch mit ein.

Nicht nur in meiner Wahlheimat Berlin wünsche ich mir, dass wir bei Projekten

Andreas Kotlan ist Mitglied der Geschäftsleitung und Büroleiter des Berliner Büros der Uniola AG. Der direkte Draht zur Natur liegt in seinen Genen. Die Großeltern bewirtschafteten einen Bauernhof in Südtirol. Obwohl der Landschaftsarchitekt seine Kindheit und Jugend in der Natur und den Bergen verbrachte, fühlt er sich heute wie ein richtiger Berliner.

vom überholten Fokus auf Verkehr und Autos wegkommen. Wenn ich mir die Proportionen in unseren Städten anschaue, ist da noch alles zu stark auf das Auto ausgerichtet. Natürlich bin ich kein Fantast. Ich sage nicht, alle Autos müssen raus aus der Stadt. Das ist noch nicht realistisch. Aber wir müssen für die Lebensqualität der Menschen in der Stadt ein neues Kapitel aufschlagen. Mobilität und Infrastruktur haben sich dem Wohlbefinden der Stadtbewohner unterzuordnen. Ich bin definitiv ein Befürworter von Quartieren, bei denen der gemeinschaftliche Raum kein Straßenraum, sondern ein Lebensraum ist. Sind wir in diesem Punkt erfolgreich, erhöhen wir auch in der Landschaftsarchitektur proaktiv den Wirkungsgrad für den Klimaschutz.

Mikroklima

QUARTIERSPLATZ SPINELLI MANNHEIM

PROJEKT

Franz Damm ist Landschaftsarchitekt, Stadtplaner sowie Mitgesellschafter und Geschäftsführer. Er arbeitet am Standort in München. Für den Auftraggeber, die städtische Entwicklungsgesellschaft MWSP, betreute er die Planung und Realisierung des zentralen Quartiersplatzes SPINELLI in Mannheim. Neben der Entwicklung eines Gestaltungskonzepts und der Schaffung von Aufenthaltsqualität ging es im Projekt maßgeblich um die Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen durch Baumrigolen, ein innovatives Speicherund Bewässerungssystem für Stadtbäume.

Befragt man Franz Damm zu seinem Herzensprojekt, ist die Antwort eindeutig: Der 4.500 Quadratmeter große Platz in der Mitte des neu entstehenden Quartiers SPINELLI, der zur grünen, kühlenden Mitte entwickelt wird. Fertiggestellt zur Eröffnung der BUGA 2023 bietet der Platz der Nachbarschaft und ihren Gästen einen zentralen Treffpunkt und viel mehr als einen urbanen Stadtwald. Verborgen unter der Oberfläche birgt der Platz ein „blau-grünes Geheimnis“, auf das der Landschaftsarchitekt und Stadtplaner zu Recht stolz ist.

SCHWAMMSTADT-PRINZIP

Dem von Franz Damm und Kollegen entwickelten Konzept für das Wassermanagement liegt das Prinzip der „Schwammstadt“ zugrunde. Vereinfacht gesagt, geht es darum, Wasser lokal aufzunehmen, anstatt es abzuleiten. Möglich wird dies durch die beim Ausbau des Platzes im Untergrund installierten Baumrigolen. Ein erklärendes Bild für diese Rigolen ist das eines gigantischen, unterirdischen Übertopfes: Er bietet genug Platz für die Wurzeln und das Wachstum der Bäume, er speichert nachhaltig nutzbares Regenwasser für die Pflanzen und besitzt eine Überlauffunktion, sodass ein Zuviel an Wasser im Erdreich versickert.

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Der positive Effekt der unterirdischen Baumrigolen sorgt für sichtbar gesündere Stadtbäume, ein besseres Stadtklima und ist zugleich Vorsorge bei Starkregen und Extremhitze.

VIELE VORTEILE

Keine Frage – Baumrigolen anzulegen, kostet. Doch obwohl Baumrigolen in der Anschaffung etwas kostspieliger sind als eine Gestaltung ohne diese Neuerung,

macht sich die Investition für die Kommunen und kommunalen Projektträger langfristig mehr als bezahlt. Stadtbäumen ohne Baumrigole fehlt oftmals ein durchwurzelbarer Raum und die natürliche Bewässerung. Sie haben unter der Erde schlichtweg keinen Platz, um sich zu entfalten und müssen aufwendig künstlich bewässert werden. Infolgedessen erhöhen sich die Kosten für ihren Unterhalt. Oft richten sie sogar Schaden

Blau-grüne Infrastruktur

an, wenn ihre Wurzeln magisch durch die lockere Erde von Spatentrassen angezogen werden und in Versorgungsleitungen hineinwachsen. Schließlich sieht man die Folgen der Misere unter der Erde auch sichtbar an der Oberfläche: Bäume kümmern oder gehen ein und fallen als „grüne Vegetationsklimaanlage“ für die Stadt aus.

BAUMRIGOLEN –

URBANE KLIMAANLAGE

Baumrigolen sind unterirdische Retentionsräume über die das oberflächlich anfallende, Regenwasser gezielt zurückgehalten und im Anschluss den durchwurzelbaren Räumen zugeführt wird. Über eine Verteilerebene aus horizontalen Sickerrohren, die zugleich Belüftungsebene ist, gelangt das Oberflächenwasser aus Straßeneinläufen über ein verzweigtes Rohrleitungssystem gleichmäßig in den gesamten Schwammkörper und wird so großflächig in die Wurzelebene eingebracht. Baumrigolen können in Neubauprojekten und auch nachträglich im Bestand verbaut werden. Dies geschieht in verschiedenen Schritten, bei denen zunächst der Boden ausgehoben und die Aushubsohle auf Wasserdurchlässigkeit geprüft wird. Im Anschluss werden zwei bis drei 30 cm hohe Schichten für den Schwammkörper aufgebaut, welche aus grobem, verdichtetem Schotter bestehen und mit Schlämmsubstrat verfüllt werden. Darüber befindet sich der Verteilkörper aus Rohren in einem feineren Kiesbett. Abschließend wird ein trennendes Filtervlies zum Oberbau der Belagsoberfläche, z. B. wassergebundene Decken, Bodenplatten oder Asphalt, eingebaut.

MEHR RESILIENZ

Mit „artgerechter Haltung für Bäume in der Stadt“ ließe sich das Prinzip der Baumrigolen deshalb auch beschreiben. Ein Siegel, welches hoffentlich in immer mehr Städten bei der Gestaltung von Plätzen mit Stadtnatur zum Einsatz kommt.

Franz Damm ist optimistisch und überzeugt, dass der Einsatz von Baumrigolen in wenigen Jahren in unseren Städten Standard sein wird. Schließlich ist Klimaresilienz das Credo für moderne Stadtplanung. Hierfür braucht es eine Zusammenarbeit vieler Disziplinen und das Bewusstsein, dass allein klimafreund-

„In der Stadtplanung müssen wir künftig noch stärker den Fokus auf die Gestaltung der öffentlichen Räume richten. Sie müssen nicht nur multifunktional nutzbar sein, sondern auch den sich ändernden klimatischen Verhältnissen Rechnung tragen. Dafür braucht es gute Konzepte wie für den Quartiersplatz SPINELLI, die langfristig auf Klimaresilienz und damit verbundene hohe Aufenthaltsqualität ausgerichtet sind.“

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QUARTIERSPLATZ SPINELLI MANNHEIM
MEHRWERT FÜR DIE STADT
spinelli-mannheim.com mwsp-mannheim.de

Blau-grüne Infrastruktur

liches Gestalten und Planen der Schlüssel für mehr Lebensqualität in urbanen Räumen ist. Landschaftsarchitekten und Freiraumplaner wie Franz Damm arbeiten schon immer in und mit der Natur. Technische Entwicklungen wie die Baum-

rigolen helfen ihnen dabei, die Natur im urbanen Umfeld noch besser zu stützen und zu schützen. So hat die Natur mehr Spielraum und die Stadtbäume können ihr Potenzial zum Nutzen aller voll entfalten.

QUARTIERSPLATZ SPINELLI, MANNHEIM Lageplan

WETZENDORFER PARK NÜRNBERG

PROJEKT

Annika Sailer ist Gesellschafterin und Landschaftsarchitektin am Standort München. Im Projekt Wetzendorfer Park, einem Pilotprojekt der Stadt Nürnberg, haben es Annika Sailer und ihr Team mit Wasser in all seinen Daseinsformen zu tun, welches komplex gemanagt werden muss. Darüber hinaus kämpft sie seit 20 Jahren leidenschaftlich für ein Plus an Lebensqualität im urbanen Raum. Ihr Credo: Das Beste für die Stadtnatur im Einklang mit den Bedürfnissen ihrer Nutzerinnen und Nutzer aus jedem Projekt herausholen.

Wassersensible Stadtgestaltung ist die Profession von Annika Sailer. Im Dialog mit Stadtplanern, Bauherren und Kommunen leistet sie täglich Überzeugungsarbeit, um technische Neuerungen für eine ausgewogene, blau-grüne Infrastruktur in den Einsatz zu bringen.

WASSER MANAGEN

Annika Sailer plädiert offen dafür, dass sinnvolles Wassermanagement das A und O jeder Stadtplanung sein muss, so wie auch im Neubaugebiet Wetzendorfer Park in Nürnberg. Gemeinsam mit dem Büro Björnsen Beratende Ingenieure, Speyer, arbeitet der Münchner Standort an der städtebaulichen Erschließung des 34,5 Hektar großen Planungsgebiets inklusive 15 Hektar Park und Grünverbindungen ins Wohngebiet. Die Ausgangslage im Wetzendorfer Park in Bezug auf das Wassermanagement ist dabei denkbar komplex: Einerseits gibt es am und im Boden zu viel Wasser, der Grundwasser-

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stand ist extrem hoch und Fließgewässer queren das Gebiet und führen saisonal Hochwasser; andererseits kommt es aufgrund des ariden, örtlichen Klimas zu nur wenig Regen, gleichzeitig ist aber die Luft im Sommer sehr schwül. Mit der Entwicklung des Wohngebietes muss zudem Wasser von den Grundstücken und der Erschließungsstraße an den Wetzendorfer Landgraben abgeleitet werden.

BLAU-GRÜNE INFRASTRUKTUR

Im Pilotprojekt kommen deshalb Baumrigolen als neue „blau-grüne Infrastruktur“ zum Einsatz. Begleitend zur Straße wird dafür im Wurzelbereich der Bäume eine Schicht aus grob gebrochenem Schotter eingebaut. In deren Porenvolumen sammelt sich das über die Baum-

scheiben zugeleitete Niederschlagswasser. Bis zu einem definierten Stand wird das Wasser in dieser Schicht angestaut und so den Straßenbäumen in Trockenperioden verfügbar gemacht. Wasserreservoir und Regenwasserrückhalt funktionieren über kleine unterirdische Dämme, die rechtwinklig zum geneigten Straßenverlauf angelegt sind. So steht das Wasser den Baumwurzeln über einen längeren Zeitraum zur Verfügung. Neben einem optimalen Wachstum und einer hohen Vitalität der Bäume bewirkt die maximierte Verdunstung auch einen abkühlenden Effekt und fungiert als ökologische Klimaanlage mitten im Wohngebiet. Gleichzeitig dienen die Rigolen als zusätzliche Retentionskörper für Oberflächenwasser innerhalb der Bebauung.

Blau-grüne Infrastruktur

WETZENDORFER PARK, NÜRNBERG Regenereignisse

Steigt das Wasser darüber hinaus, fließt es im Überlastfall in den Regenwasserkanal ab.

NATURNAHE LANDSCHAFT

Zusätzlich zu den technischen Neuerungen überzeugt das Projekt durch eine besondere landschaftsarchitektonische Ästhetik in einer parkähnlichen, naturnahen, an das Wohngebiet angrenzenden Landschaft. Geplant sind die Re -

naturierung eines Bachlaufs und die Verbindung zweier Biotope, die sensible Wahl von Bepflanzung, die eine ganzjährige Nutzung des Parks ermöglicht und auch im Winter durch immergrüne Gehölze vor scharfem Wind schützt, die Schaffung einer starken Topografie, die die gewünschte intensive oder extensive Nutzung steuert, die Schaffung neuer Habitatsstrukturen für schützenswerte Flora und Fauna und schließlich ein aus-

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WETZENDORFER PARK NÜRNBERG
Mücken

gefeiltes Vegetationskonzept, welches auf Basis klimatischer Analysen Bepflanzungen so ausrichtet, dass kühlende Luftströme des nahen Reichswaldes weiterhin nachts in die Stadt einfließen können und tagsüber die hohe Luftfeuchtigkeit über die örtlichen Winde ausgeglichen wird. Rad- und Wanderwege, Spielplätze und Aufenthaltszonen runden das ganzheitliche Angebot ab.

geeigneteWiesen ,FelderundWaldbeständeinderNähe

MULTI-SPEZIES-ANSATZ

Auch wenn bis zur Eröffnung 2027 noch viel Arbeit zu tun ist, bleibt Annika Sailer optimistisch. Dank enger Abstimmungen mit den Bauherren und der Stadt kommen die landschaftsplanerischen Tätigkeiten gut voran. Selbst flächende -

ckende, archäologische Grabungen auf den höher gelegenen bronzezeitlichen Siedlungsplätzen oder die Sichtung der seltenen Knoblauchkröte durch das Umweltamt werden das Projekt nicht aufhalten, denn immer findet die Landschaftsarchitektin Antworten auf die Problemstellungen. Was ihr hilft, ist der ganzheitliche Multi-Spezies-Ansatz ihres Büros. Geplant wird grundsätzlich biodivers – für Flora und Fauna und den Menschen. Die besondere Wertschätzung gegenüber dem Miteinander von Mensch und Natur spiegelt sich in allen Projekten des Büros wider. Sozial, ökologisch, wassersensibel und klimaresilient gilt als Prädikat selbstverständlich nicht nur für das Projekt Wetzendorfer Park.

„Das Projekt Wetzendorfer Park ist ein Pilotprojekt für die Stadt Nürnberg. Mit den Baumrigolen setzen wir bei der Neugestaltung des Parks auf eine Innovation, die einen wertvollen Beitrag für eine klimaangepasste, lebenswerte Stadt leisten kann und in Zukunft vermehrt im Stadtgebiet zum Einsatz kommen soll.“

Christian Vogel, Bürgermeister der Stadt Nürnberg und Erster Werkleiter des Servicebetriebs Öffentlicher Raum Nürnberg

PILOTPROJEKT FÜR STADTNATUR
Ei Larve Fische Schwimmkäfer Eidechse Amphibien Vögel Fledermäuse Libellen Libellenlar ven Imago Puppe Männchen 10 Tage We bchen 21 Tage Frühl ng Sommer Herbst Winter
vielfältigeGewässerstruktur , Blau-grüne Infrastruktur

SO BITTE NICHT! EIN OFFENER BRIEF

Liebe Hausbesitzer und Grundeigentümer, Liebe Architekten und Landschaftsarchitekten, Liebe Gartengestalter und Gärtner,

dieser Brief ist ein Plädoyer an Ihr Gewissen. Sollten Sie einen Garten planen, der überwiegend aus Steinen und Kies besteht, möchte ich Ihnen davon abraten. Sollten Sie beim Blick aus dem Fenster feststellen, dass Sie so einen Schottergarten Ihr Eigen nennen, werden Sie aktiv. Der Handlungsauftrag: Weg mit dem Schotter!

Gerade im suburbanen und ländlichen Raum rund um neugebaute Einfamilienhäuser verstärkt sich ein Trend, der mir Angst macht. Gartenflächen rund ums Haus werden statt mit Blumen und Sträuchern mit Schotter und Kies „bepflanzt“. Der Trend zum Grau hat vor allem einen Grund: Bequemlichkeit. Schotterliebhaber preisen die Vorzüge ihrer zugeschütteten Gärten oftmals falsch mit Argumenten wie „pflegeleicht und kostengünstig“. Dem ist nicht so. Ganz im Gegenteil!

Wer einen Schottergarten anlegt, muss zunächst die Bodenoberfläche ausheben und mit einer Folie bedecken, die vor nachwachsendem Unkraut schützen soll. Unten Folie, oben Kies oder Schotter – was entsteht, ist eine versiegelte Fläche. Spätestens nach zwei bis fünf Jahren entwickeln die Steine Algen- oder Pflanzenaufwuchs, der im ungünstigsten Falle durch regelmäßige Reinigung oder Pestizide bekämpft wird. Das Fazit: Schotter- gärten kosten nicht nur bei der Anschaffung, sondern sind auch teuer in der Pflege. Zudem schädigen Pestizide Lebewesen. Zu den Lebewesen zählt auch der Mensch. Schotterfreunde sollten wissen, dass sich die Verschotterung auch nachteilig auf die Wohnumgebung auswirkt. In heißen Sommern strahlt die Sonne auf den Stein und heizt ihn gnadenlos auf. Weil dort keine Pflanzen wachsen, wird auch keine Verdunstungskühle produziert. Stattdessen verstärken sich Feinstaubbelastung und Straßenlärm und es ist heiß wie auf Asphalt. Selbst der obligatorische Riesenbonsai wird in Schottergärten förmlich gegrillt. Das Fazit auch hier: Schottergärten sind nachteilig fürs Mikroklima und für Flora und Fauna ein ökologischer Totalausfall.

Zu guter Letzt, liebe Schottergärtner, appelliere ich an Ihr ästhetisches Empfinden. Auch wenn sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten lässt, gewinnen Schotter- gärten keinen Blumentopf! Nicht umsonst werden sie als „Gärten des Grauens“ bezeichnet. Das Grau in Grau bleibt monoton im Jahresverlauf. Die tote Fläche mutet trostlos an - ein wertvolles Stück Natur, vollgekippt mit Kies und Steinen.

Schottergärten abschaffen und verbieten ist deshalb die einzig richtige Schlussfolgerung! Immer mehr Kommunen stoppen bereits per Gesetz den Schotterunsinn als biodiversitäts- feindlich und nachteilig fürs Mikroklima.

Es ist an der Zeit für eine klare Botschaft: Weg mit dem Schotter! Machen Sie mit!

Es danken Ihnen das Klima und Ihre Evi Rothenbühler

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PERSPEKTIVE
· Evi Rothenbühler

Evi Rothenbühler ist studierte Geografin. Während ihres Studiums an der Universität Bern durfte die junge Wissenschaftlerin an einer Studie der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz zu Schottergärten mitwirken. Ihre Arbeit ist ein Plädoyer gegen die Verschotterung der Vorgärten.

ESTER VONPLON cudesch da visitas

o. T. Castrisch, 2009 – 2011 analog s/w Großformat

Hier wurde das Originalbild der Künstlerin dupliziert und auf der rechten Seite gespiegelt.

Klimatipps

FÜR DEN GÄRTNER

Wer einen Garten hat, darf sich glücklich schätzen. Egal ob groß oder klein, ein Garten fordert den Gärtner als schöpferischen Gestalter eines Ökosystems und unterwirft ihn zugleich den Launen der Natur. Gärtnern macht also gleichzeitig glücklich und demütig.

Allerorts wächst die Lust am Gärtnern und selbst das kleinste Fleckchen Erde wird zu einem Stück vom Paradies, wenn wir es „unseren Garten“ nennen dürfen. Für alle Gärtner und solche, die es werden wollen, haben wir Tipps für einen noch „grüneren Daumen“.

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MIKROKLIMA

Wer das Mikroklima aktiv beeinflussen möchte, um wärmeliebende Pflanzen anzupflanzen, sollte erhöhte Beete aus Steinen anlegen, denn diese speichern Wärme und sind früher frostfrei. Ebenso erfolgreich ist es, empfindliche Pflanzen direkt an die Fassade zu pflanzen, um die Strahlungswärme der Hauswand zu nutzen.

DÜNGER

Wer seinen Garten nachhaltig pflegen möchte, verzichtet auf Kunstdünger. Dieser ist leichtfließend und wird durch Niederschläge schnell ins Grundwasser ausgewaschen. Damit steht er den Pflanzen nicht mehr zur Verfügung aber überdüngt gleichzeitig das Grundwasser, Bäche und Seen. Er ist nicht nur wegen der energieintensiven Herstellung tabu, sondern auch, weil er nicht zur Humusbildung und einem besseren Bodengefüge beiträgt. Besser ist es, die Mikroorganismen im Boden zu unterstützen. Diese machen die im Boden gespeicherten Nährstoffe für die Pflanzenwurzeln verfügbar, erhöhen den Humusgehalt und so auch die Bodenfruchtbarkeit. Der nachhaltige Gärtner setzt auf humusbildende Düngeralternativen wie Kompost, Hornspäne, Gesteinsmehl oder aktivierte Pflanzenkohle. Letztere wird unter Sauerstoffabschluss hergestellt, bindet Kohlendioxid abbaustabil im Boden und dient damit dem Klimaschutz.

TORF

Auf den Einsatz von Torf sollten Gärtner ganz verzichten, da Moore große Mengen an Kohlendioxid speichern, die mit jedem gestochenen Torfballen wieder frei werden. Der Torfeinsatz im Garten beschleunigt den Klimawandel. Torf darf ganz nachhaltig durch Kompost oder Torfersatzprodukte, hergestellt aus Holzfasern oder Schafwolle, ersetzt werden.

HANDARBEIT

Laubsauger haben ausgedient. Sie schaden dem Bodenleben, denn mit dem Laub werden zugleich darin lebende Kleintiere und Insekten abgesaugt sowie die obere Humusschicht abgetragen. Der Griff zu Besen, Harke oder Rechen schont nicht nur die Umwelt, sondern erspart auch den Gang ins Fitnessstudio.

SOLARSTROM

Wer seinen Garten in Szene setzen will, kann dies klimaneutral mit solarbetriebenen Springbrunnen oder Solarleuchten tun. Diese laden sich tagsüber auf und nutzen den gespeicherten Strom bis in die Nachtstunden. Wer an nachtaktive Insekten denkt, sollte die Beleuchtung dennoch nicht die ganze Nacht brennen lassen.

KOMPOSTIEREN

Ein Komposthaufen verwertet Reste im Garten sinnvoll. Humus hilft dabei, die Bodenqualität zu verbessern. Er speichert Wasser und Nährstoffe für Pflanzen und verbessert deren Wachstum. Die Pflanzen wiederum speichern vermehrt Kohlendioxid in ihren Blättern. Im Herbst werden die Blätter wieder kompostiert. Es entsteht ein autarker Kreislauf, welcher Geld, Energie und somit auch Kohlendioxid einspart. So kann man auf Torf und andere Zusatzstoffe getrost verzichten.

PFLANZENWAHL

Wichtig ist es, auf die richtige Pflanze am richtigen Standort zu setzen. Mischpflanzungen sind Monopflanzungen immer vorzuziehen. Regionale Pflanzen können sich oftmals besser an Boden- und vorherrschende Klimaverhältnisse anpassen und sind somit widerstandsfähiger und wüchsiger. Sie kommen in der Regel gut mit Wind, Bodenverhältnissen und Temperaturen vor Ort zurecht. Viele zertifizierte, ökologisch arbeitende Betriebe beraten gern und achten zudem darauf, Anbau und Vertrieb möglichst klimafreundlich zu gestalten.

MISCHKULTUR

Nach dem Vorbild der Natur wachsen Gemüse, Kräuter und andere Pflanzen am besten gemeinsam. Sie schlüsseln sich die Nährstoffe auf, bringen Wasser aus tieferen Schichten hervor oder halten ungebetene Gäste wie Schädlinge in Schach. Eine gelungene Mischkultur spart Wasser, Arbeit und fördert ein gesundes Wachstum.

BÖDEN

Gartenböden müssen meist keine schweren Lasten tragen und können daher auch unbefestigt bleiben. Kies anstelle von Betonplatten oder auch mal einen Rasenweg sind für wenig genutzte Wege eine ideale Wahl.

GRÜNDÜNGUNG

Bedeckte Böden vermindern die Wasserverdunstung aus dem Boden, durchlüften verdichteten Boden, binden Nährstoffe, schützen vor Erosion und vor ungebetenen Wildkräutern. Es empfiehlt sich, eine Gründüngung zu säen, wenn offene Bodenflächen nicht genutzt werden oder eine Bodenverbesserung notwendig ist.

BODENBEARBEITUNG

Statt den Boden im Garten jährlich tief umzugraben, sollte man ihn nur oberflächlich lockern. Dann kann Regenwasser besser eindringen, steht den Pflanzenwurzeln zur Verfügung und läuft nicht oberflächlich ab. Zudem bleibt die wertvolle, krümelige Bodenstruktur erhalten.

REGENWASSER

Der vorausschauende Gärtner sammelt Regenwasser während regenreicher Zeiten. Eine unterirdische Zisterne fasst einige Kubikmeter Wasser, die in regenarmen Zeiten zum Gießen genutzt werden können. Regenwasser kann auch in einem Teich gesammelt werden, der vielen Tieren und Insekten zugleich als Tränke oder Nahrungsquelle dient.

TEICH

Ein Teich oder ein Sumpfbeet im Garten ist die perfekte Klimaanlage. Sumpfpflanzen und die Wasserfläche des Teiches verdunsten kontinuierlich Wasser. Diese Verdunstungskälte sorgt besonders nachts für eine angenehme Kühle.

BIODIVERSITÄT

Mit einer bunten Mischung standortangepasster Pflanzen ist man auch bei Trockenheit auf der sicheren Seite. Die Vielfalt der Arten macht es der Natur möglich, durch Versamung und neue Kreuzungen dauerhaft auf Umweltveränderungen zu reagieren. Eine hohe Artenvielfalt im Garten ist ein Garant für eine üppige und widerstandsfähige Pflanzengesellschaft.

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HÜGEL

Einen flachen Garten anzulegen, war lange Zeit gängige Praxis. Jetzt muss umgedacht werden, denn ein leicht welliges Profil mit Hügeln und Senken schützt den Garten optimal vor Wind und der damit verbundenen Austrocknung und Erosion sowie vor Überschwemmung. Die Hügel leiten das Wasser in die Senken. Dort kann es sich sammeln und langsam versickern.

PLANUNG

Hohe Bäume spenden Schatten und kühlen. Sträucher und kleine Gehölze nutzen den Raum darunter und kühlen ebenfalls die Umgebung. Stauden, Bodendecker und Wiesen profitieren von der schattigen Lage. Es entsteht eine fein aufeinander abgestimmte Pflanzengesellschaft. Nicht jeder Hobbygärtner hat das Wissen oder die Zeit, diese Auswahl zu treffen. Hier helfen Fachleute weiter. Sonderfragen werden gern beantwortet, z. B. welcher Baum die meiste Kühle bringt oder welcher die größte Kohlendioxid-Speicherfähigkeit aufweist.

BAUMATERIALIEN

Ein nahegelegener Steinbruch, Findlinge beim Nachbarn oder das Feld eines Bauern um die Ecke – es gibt viele Möglichkeiten, regionale Materialien ausfindig zu machen und im eigenen Garten zum Einsatz zu bringen. Das spart nicht nur Kosten, sondern auch Kohlendioxid für den Transport.

SECONDHAND

Der Trend geht zum Upcycling und es empfiehlt sich die Nachnutzung von Materialien vom Abbruch nebenan oder aus zweiter Hand. Wenn es doch mal neu sein muss, sollten die Materialien langlebig, aber auch nachhaltig produziert sowie recyclingfähig sein.

SELBSTVERSORGER

Es ist ein guter Anfang, regional zu kaufen. Dabei werden Transportwege eingespart und der regionale Anbau unterstützt. Noch besser ist es, auch saisonal zu kaufen, also Gemüse danach auszuwählen, ob es im unbeheizten Gewächshaus oder sogar im Freiland bei uns wächst. Optimal ist der Anbau im eigenen Garten oder auf dem Balkon. Dann fallen Transport und Heizkosten weg. Frischer geht es nicht!

MOTORBETRIEB

Motorrasenmäher, Freischneider und Laubbläser machen nicht nur Lärm, sondern stoßen auch klimaaktive Gase aus. Eine bessere Alternative sind effiziente, akkubetriebene Geräte von guter Qualität. Sie halten lange und können auch mal geteilt werden.

GARTENABFÄLLE

In vielen Gärten wird Schnittgut verbrannt. Doch das Verbrennen setzt im Pflanzenmaterial gespeichertes Kohlendioxid frei. Viel besser und sinnvoller ist es, Schnittgut im Garten verrotten zu lassen, etwa als Totholzhaufen. So entstehen neue Lebensräume für Insekten und andere Tiere.

Mikroklima
114 | 114 Magazin | 01 | Klima

INVASIVE NEOPHYTEN EDITORIAL

WENN PFLANZEN SCHADEN ANRICHTEN

Sie tragen so klangvolle Namen wie Schokoladenwein, Kirschlorbeer, Henrys Geissblatt, Wasserhyazinthe, Sachalin-Staudenknöterich, Riesenbärenklau, Robinie, Sommerflieder, Hanfpalme, Columbusgras, Kopoubohne oder Kudzu. Man begegnet ihnen in Vorgärten, Parks und selbst im Wald. Sie alle scheinen sich hier heimisch und äußerst wohlzufühlen.

Doch der Schein trügt.

Oft steht Absicht dahinter, so wie etwa beim Staudenknöterich, denn diese Pflanze gilt als Wunderwaffe für den Biomasseanbau und wächst auch jenseits der Felder so dicht, dass sie alles überwuchert. Ein anderer Fall ist der Kirschlorbeer, der Fans bei den Hausbesitzern hat, die ihn als „immergrünen Heckentraum“ loben. Kirschlorbeer, auch Lorbeerkirsche genannt, stammt aus Südosteuropa. Als die Zierpflanze vor 100 Jahren eingeführt wurde, machte sie keine Probleme, denn ihre Triebe starben im Winter ab. Jetzt, wo es nicht mehr so kalt wird, kann sich die Pflanze in Wäldern ungebremst verbreiten. Natur-

schützer beschreiben die Lorbeerkirsche als „hochgiftige, ökologische Pest“, denn nicht einmal Mikroben wagen sich an die giftigen Blätter heran.

Manchmal ist es schlicht auch einfach Unwissen, wenn etwa Gartenbesitzer Sommerflieder in der Hoffnung pflanzen, zur Insektenvielfalt beizutragen. Der vermeintlich viele Schmetterlinge anlockende Strauch veranlasst Schmetterlinge zwar zur Eiablage, die später geschlüpften Raupen können sich aber von den Blättern des Sommerflieders gar nicht ernähren und müssen schließlich elendig verhungern.

Abschneiden, ausgraben, einsammeln – im Kampf gegen die Ausbreitung der invasiven Neophyten kommen schweres Gerät, Spaten und Harke zum Einsatz.

Dr. Bianca Saladin kennt die beste Methode, wie den ungeliebten Gewächsen beizukommen ist. Ihr Wissen teilt sie unermüdlich mit Gemeinden, Gartenbesitzern und allen Wirtschaftszweigen, die mit dem Ausbringen von Pflanzen befasst sind.

RIESENBÄRENKLAU

Die gebietsfremden Neophyten werden also immer dann zum Problem, wenn sie negative Auswirkungen entfalten. Ihr Schaden ist beträchtlich: Zum einen können sie die Biodiversität schädigen, indem sie heimische Arten verdrängen. Zum anderen schaden sie der Gesundheit von Menschen und Tieren, etwa durch ihre Giftstoffe. Und schließlich kann auch die Infrastruktur Schaden nehmen, weil ihre Wurzeln und Triebe Beton und Fundamente sprengen. Ist ein Neophyt als in-

vasiv kategorisiert worden, sollte man ihn bekämpfen.

Wenn das der Fall ist, kommt Frau Dr. Bianca Saladin zum Einsatz. Ihre Arbeit ist so wichtig, weil der Schaden von Arten außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes weltweit als wichtige Ursache für den Verlust biologischer Vielfalt gilt, die durch den Klimawandel zusätzlich verstärkt wird. „Viele Menschen sind der Meinung, dass ein üppiges Pflanzenwachs-

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WENN PFLANZEN SCHADEN ANRICHTEN

KUDZU

HENRYS GEISSBLATT

tum ein Zeichen für Biodiversität ist. Bei den invasiven Neophyten ist dieser Ansatz falsch, denn die dominanten Pflanzen breiten sich weltweit aus und verdrängen einheimische Arten. Dadurch sinkt in der Summe global die Artenvielfalt“, sagt die Expertin.

Ein invasiver Neophyt, den Dr. Bianca Saladin besonders im Auge behält, ist Kudzu oder auch die Kopoubohne genannt. Während die Pflanze in Asien von zahlreichen Insektenarten geliebt wird und ihnen als Nahrungsquelle dient, gibt es in Europa dafür weder Fressfeinde noch Schadorganismen. Ähnlich verhält es sich auch mit Henrys Geißblatt, einer immergrünen Kletterpflanze, die zwar schön blüht, gerne aber auch einheimische Wälder überwächst.

Invasive Neophyten kann niemand stoppen, außer der Mensch. „Wenn man invasive Neophyten nicht rechtzeitig und nachhaltig bekämpft, hat man keine Chance!“, weiß die Wissenschaftlerin aus Erfahrung.

Oftmals ist die Bekämpfung ein mehrjähriger Prozess, der keine Schluderei erlaubt. Erst wenn die letzten Wurzelaustriebe ausgegraben sind (Hanfpalme, Essigbaum, Kirschlorbeer) und der letzte Samen abgetragen wurde (Goldrute), hat man wieder Ruhe, und der heimische Bestand kann sich erholen. Bei besonders hartnäckigen Arten wie dem Riesenbärenklau dauert der Prozess bis zu vier Jahre und geht nur,

Mikroklima

wenn man dem ätzenden Strauch mit einem Schutzanzug zu Leibe rückt.

Bei so viel Aufwand freuen sich die Neophyten-Jäger natürlich über Hilfe. Regelmäßig rufen Naturschutzverbände und Gemeinden zu Säuberungsaktionen auf.

VERWILDERTE HANFPALMEN überwuchern ganze Wälder und Naturschutzgebiete im Tessin.

Jede helfende Hand – von Schulklassen bis Privatpersonen – ist da willkommen. Die beste Art, das Problem in den Griff zu bekommen, ist immer noch die Prävention. Wer das Wissen um die Gefahr hat, die von gebietsfremden Pflanzen ausgeht, kann sich ganz bewusst für eine einheimi-

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WENN PFLANZEN SCHADEN ANRICHTEN

sche Pflanze entscheiden. Frau Dr. Bianca Saladin appelliert deswegen ganz besonders an alle Architekten und Landschaftsarchitekten, Landschaftsgärtner und Gartenbesitzer, sich gründlich zu überlegen, ob eine gebietsfremde Art wirklich zum Einsatz kommen muss.

Dr. Bianca Saladin wollte schon immer die Natur in ihrer Einzigartigkeit verstehen. Heute ist die promovierte Biologin wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kanton Zürich. Sie arbeitet in der Sektion Biosicherheit im Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) und hilft Gemeinden und der „Grünen Branche“ im Management und in der Bekämpfung von invasiven Neophyten.

FLORETIA:

GÄRTNERN OHNE INVASIVE PFLANZEN:

PROBLEMPFLANZEN UND IHRE HEIMISCHEN ALTERNATIVEN

Norbert Griebl stellt 70 Gartenpflanzen vor, die entweder schon aus den Gärten entwischt sind und Schäden verursachen oder die das Zeug haben, zu einem Problem für unsere Natur zu werden. Ein Aufruf und Ratgeber an alle Gärtnerinnen und Gärtner, denen unsere biologische Vielfalt am Herzen liegt! Naturschutz beginnt im eigenen Garten.

Norbert Griebl, Haupt Verlag 2018

Floretia ist eine digitale Ökologin, die Tipps für die passenden einheimischen Wildpflanzen, Samenmischungen und Strukturen für Garten oder Balkon hat. So einfach geht’s: Geben Sie Ihre Postleitzahl sowie ein paar Details zum Standort ein. Schon sehen Sie, mit welchen Wildpflanzen Sie die Biodiversität am besten fördern können. Sie erfahren auch gleich, wie man sie pflanzt und pflegt, welche Tiere von ihnen profitieren, und wo Sie Wildpflanzen und Saatgut aus Ihrer Region erhalten.

floretia.ch

Mikroklima
DIE DIGITALE ÖKOLOGIN

ESTER VONPLON cudesch da visitas

o. T. Castrisch, 2009 – 2011 analog Mittelformat

Hier ist ein Ausschnitt des Originalbildes der Künstlerin zu sehen.

122 | 122 Magazin | 01 | Klima

proaktiv die Zukunft gestalten

Klima

PFLANZT BÄUME

Der Landschaftsarchitekt Pascal Posset hat als Partner, Mitinhaber und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Uniola AG die Zertifizierung des Büros als klimaneutrales Unternehmen gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aktiv vorangetrieben.

PERSPEKTIVE UNSER WEG ZUM

KLIMANEUTRALEN BÜRO

Wir alle merken es in unserem Alltag: Die Sommer werden immer heißer, starke Unwetter und Stürme häufen sich und Meldungen von Waldbränden oder Erdrutschen finden sich auffallend oft in den Nachrichten. Schien noch vor Jahren der Klimawandel ein Phänomen zu sein, das vor allem Wissenschaftler beschäftigt, ist er heute für uns alle nicht zu leugnende Realität. Vom Kyoto-Protokoll bis zu den Fridays-for-Future-Demonstrationen –der Klimawandel ist zur zentralen Fragestellung unseres Lebens avanciert.

Was kann ich selbst – ganz persönlich –gegen den Klimawandel tun? Kann ich überhaupt einen sinnvollen Beitrag leisten oder ist mein Handeln nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Ist die Dynamik des Klimawandels nicht vielmehr ein globales Phänomen, auf das der Einzelne sowieso keinen Einfluss hat? Die gute Nachricht: Das große Ganze ist immer nur eine Summe der kleinsten Teile. Vor dem Hintergrund dieser Überlegung sollte jeder Einzelne seinen Beitrag zum Schutz des Klimas leisten. In der Summe wirken selbst marginale, das Klima schützende Verhaltensänderungen positiv auf den Klimawandel als Ganzes. Die Schlussfolgerung lautet: Tu was!

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Auch wir als Uniola AG tun was: Im Herbst 2019 fiel bei uns die Entscheidung, den Energiehaushalt für das gesamte Büro mit seinen 50 Mitarbeitenden zu ermitteln und die von uns verbrauchten CO2-Emissionen zu kompensieren. Unser erklärtes Ziel ist es, unseren energetischen Footprint zu ermitteln, diesen als gemeinschaftliche Aufgabe zu optimieren, einen ressourcenschonenden Arbeitsalltag zu pflegen und insgesamt unseren Beitrag zur Verbesserung des Klimas zu leisten.

DAS BOTTOM-UP PRINZIP

Auf unserem gemeinsamen Weg haben wir nicht nur wichtige Erkenntnisse gewonnen, sondern sind auch grundsätzlich ins Handeln gekommen.

Um in der Klimafrage Fortschritte zu erzielen, braucht es eine ganzheitliche Herangehensweise: die globale Perspektive („Top-down“) und gleichberechtigt hierzu auch den Blick von unten nach oben („Bottom-up“). Mit dieser Idee im Hinterkopf haben wir uns einen Partner gesucht, der uns sowohl bei der Frage der Energiebilanz als auch auf dem Weg zum klimaneutralen Büro begleitet hat. Mit ClimatePartner sind wir fündig geworden und erstellten Ende 2019 eine erste Energiebilanz. Die ausgeführte Datenerfassung hat ergeben, dass wir insgesamt 97.300 Kilogramm CO2 im Laufe eines Jahres verbraucht haben. Dieser Verbrauch verteilt sich auf drei unterschiedliche

48 %

38 %

13 %

allem die Frage interessant, auf welche Weise jeder Einzelne von uns mit seinem Verhalten zur Reduzierung des Energieverbrauchs im Büro beitragen kann. Wir haben diese Frage als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden, bei der jeder Verantwortung trägt. Der soziale Mehrwert der Gemeinschaft kann im „Mikrokosmos Büro“ auf diese Weise seine volle Wirkung entfalten. Die hierbei diskutierten Fragestellungen reichen von „Wie komme ich zur Arbeit?“ (z. B. öffentlicher Nahverkehr, E-Bike oder Mitfahrgelegenheit), „Kann ich auch im Homeoffice meine Aufgaben erfüllen?“, bis hin zu einfachen Dingen wie „Müssen Dokumente immer ausgedruckt werden?“.

Bereiche, genannt Scopes: Wärme und Fuhrpark (Scope 1: 38 %), Strom (Scope 2: 13 %), Fahrten und Büromaterial (Scope 3: 49 %). In Sachen Energieverbrauch ließen sich zwei große Treiber identifizieren: die Mobilität und die Heizungen unserer Bürostandorte. Damit war klar, in welchen Bereichen wir ressourcenschonende Maßnahmen der energetischen Optimierung anzusetzen haben.

VERANTWORTUNG FÜR SEIN

EIGENES HANDELN ÜBERNEHMEN

Neben der rein numerischen Messung des eigenen energetischen Verbrauchs als statistisch-informativer Wert ist vor

WARUM KOMPENSATION SINNVOLL IST

Egal was man tut und wie man es tut, der Mensch verbraucht Energie. Wie kann man also die einmal verbrauchte Energie wiedergewinnen? Das Zauberwort heißt: Kompensation. Wir kümmern uns darum, dass die von uns verbrauchte Energie an anderen Stellen wiederhergestellt wird. Dies tun wir, indem wir zertifizierte Klimaschutzprojekte im Inland und Ausland unterstützen. Im Rahmen dieser Projekte werden die von uns im Büroalltag verbrauchten Ressourcen zurückgewonnen. In der Schweiz ist dies konkret die Stiftung Schweizer Bergwald (www. bergwaldprojekt.ch), die sich für den

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PERSPEKTIVE · Pascal Posset

Wald in der Schweiz als Lebensraum einsetzt. Auch in Deutschland fördern wir die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (www.sdw.de). Ein Teil der Kompensation fließt außerdem in die Wiederherstellung von Regenwald. Ganz bewusst haben wir uns für den Baum als energetisches Thema entschieden. Wir glauben fest daran, dass Bäume eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen werden und wir auch auf globaler Ebene auf Baumschutzmaßnahmen und Wiederaufforstungen angewiesen sind.

WIR PFLANZEN EINEN WALD

Im Rahmen der von uns gewählten Klimaschutzprojekte zur Kompensation unseres optimierten Energieverbrauchs

kann sich jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin ganz persönlich einbringen. Innerhalb von organisierten Waldschutzmaßnahmen werden gemeinsam Bäume gepflanzt oder der Wald gepflegt. Damit erhält die abstrakte Fragestellung des energetischen Verbrauchs eine reale Projektionsfläche, die zum eigenen Handeln auffordert. Unser Motto:

Wenn wir das Klima verbessern wollen, brauchen wir mehr Bäumealso lasst uns Bäume pflanzen!
Pflanzt Bäume Urkunde Partner im Klimaschutz
Partner AG Klimaneutrales Unternehmen 2020
Urkunde bestätigt die Kompensation von Treibhausgasemissionen durch zusätzliche Klimaschutzprojekte.
Diverse Projekte ClimatePartner-ID
Über folgende URL erhalten Sie weitere Informationen über die Kompensation und das unterstützte Klimaschutzprojekt: climatepartner.com/14346-2003-1001
Hager
Diese
CO₂-Äquivalente 107.032 kg Unterstütztes Klimaschutzprojekt
14346-2003-1001

MEIN PERSÖNLICHES FAZIT

In der Summe führt der von uns eingeschlagene Weg zu einer Bewusstseinsbildung, ohne die der Klimawandel nicht zu beeinflussen ist. Wir übernehmen als Arbeitsgemeinschaft Verantwortung für unser Handeln und reflektieren unser energetisches Verhalten gemeinsam. Neben der Tatsache, dass wir lernen, bewusster mit vorhanden Ressourcen umzugehen, ist der wohl größte Mehrwert, dass wir als Gruppe fähig sind, einem Ideal zu folgen, welches für eine größere Zielsetzung steht. Ein neues, motivierendes „Wir“ ist gewachsen. Die scheinbar so weit entfernte, globale Klimafrage erhält eine ganz konkrete, menschliche und für uns alle messbare und erfahrbare Ebene.

CLIMATEPARTNER

ClimatePartner bietet Unternehmen Lösungen für den Klimaschutz und hilft dabei, CO2-Emissionen zu berechnen und zu reduzieren, Klimaschutzstrategien umzusetzen und CO2-Emissionen durch Klimaschutzprojekte auszugleichen. So können Unternehmen und ihre Produkte klimaneutral werden. Klimaschutzprojekte sind Projekte, die anderen Menschen auf dieser Welt zu einem würdigeren Leben verhelfen und gleichzeitig nachweislich Treibhausgasemissionen einsparen und somit das Klima schützen.

www.climatepartner.com

UND IN ZUKUNFT?

Künftig wollen wir auch in unserer planerischen Arbeit die Frage nach mehr Klimaschutz stellen und Lebensräume schaffen, die Ressourcen schonen und lebenswert für Mensch und Tier sind. Die Voraussetzung hierfür ist mit dem Label des ersten klimaneutralen Landschaftsarchitekturbüros gegeben.

ES TUT SICH WAS

Myclimate.org war eine der ersten Organisationen für freiwillige CO₂-Kompensationsmaßnahmen. Die 2006 gegründete Stiftung mit Sitz in Zürich unterstützt weltweit Klimaschutz- und Entwicklungsprojekte höchster Qualität. „Tree by Tree“ lautet das Credo des Schweizer Fashionlabels nikin.ch. Seit Gründung 2016 hat nikin mit seiner Community schon über eine Million Bäume gepflanzt. Für jedes verkaufte Produkt wird ein Dollar in Baumpflanzprojekte von One Tree Planted, einer global aktiven, gemeinnützigen Organisation aus den USA investiert. Eine andere Art von Klimaschutz betreibt climeworks.com

Im Jahr 2011 wurde das Unternehmen als ETH-Spin-off mit Sitz in Zürich gegründet. Per Direct-Air-Capture-Technologie (DAC) wird CO₂ aus der Umgebungsluft herausgefiltert, für industrielle Zwecke verwendet oder zu Stein umgewandelt. Und endlich werden wieder mehr Nachtzüge eingesetzt. Statt zu fliegen, können wir klimafreundlich mit nightjet.com durch Europa schaukeln.

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PERSPEKTIVE · Pascal Posset
Pflanzt Bäume

Der Landschaftsarchitekt Guido Hager legte nach einer Lehre als Landschaftsgärtner und Florist sowie seinem Studium 1984 den Grundstein für das Landschaftsarchitekturbüro Uniola AG mit Standorten in Zürich, Berlin und Stuttgart.

PERSPEKTIVE BÄUME PFLANZEN

WEITERGEDACHT –UNSERE PRIVATE INITIATIVE

Um unseren CO2-Abdruck zu kompensieren, müssen wir als erstes klimazertifiziertes Landschaftsarchitekturbüro jährlich knapp 7.800 Bäume pflanzen. Diese Bäume können wir in Peru, Chile oder Asien pflanzen lassen, ohne jedoch die Auswirkungen auf die Natur vor Ort im Detail überprüfen zu können. Wer pflegt die Wälder, wer kontrolliert sie? Werden durch Unkenntnis eventuell wertvolle Naturschutzgebiete verwaldet oder bäuerliche Kleinbetriebe den Waldpflanzungen geopfert? Wir stellen uns viele Fragen, doch die Verantwortung müssen wir international tätigen Klima-Unternehmen übertragen.

Als Landschaftsarchitekten haben wir immer den Anspruch, den Lebensraum von Menschen, Pflanzen und Tieren auf vielfältige Weise zu verbessern. Und wir wissen: Die Natur ist ein Gesamtmechanismus, der global wirkt – die positiven oder negativen Effekte werden aber durch lokale Eingriffe hervorgerufen. Jede Veränderung hat Folgen. Wenn ich einen Baum fälle, fehlt dem Eichhörnchen die direkte, gewohnte Verbindung auf seinem täglichen Streifzug. Wenn ich einen Baum

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pflanze, kann die Trockenwiese nicht mehr in der gewohnten Weise blühen und den auf dieses Biotop spezialisierten Insekten wird die Lebensgrundlage entzogen. Indem ich abschätze, was eine Änderung bewirkt, kann ich die positiven Effekte verstärken. Anders gesagt: Nicht jeder gepflanzte Baum ist per se richtig.

STANDPUNKT

Die Überlegungen ließen uns nachdenklich werden und es folgte die Frage, was es bedeuten würde, die Bäume ausschließlich in der Schweiz zu pflanzen. Sicher, in der Schweiz ist so ein Vorhaben ungleich teurer und langwieriger, aber eben auch mit Erfolgsgarantie, weil wir die politischen Möglichkeiten, das rechtliche Umfeld und die Akteure kennen.

Unser Ziel ist es, für unsere heimische Landschaft das Potenzial für Baumpflanzungen als Beitrag zur Reduzierung der Klimaerwärmung aufzuzeigen. Dabei sollen die historischen, ökologischen (besonders unter dem Gesichtspunkt der Biodiversität) und ästhetischen Gesichtspunkte berücksichtigt sowie die nötigen Ressourcen und zu erwartenden Kosten benannt werden. Unser kleines Fallbeispiel soll die Komplexität eines solchen Vorhabens aufschlüsseln. In einem nächsten Schritt kann überprüft werden, ob sich das Modell auf größere Gebiete übertragen lässt. Aber so weit sind wir noch nicht.

Unser Vorhaben ist anspruchsvoll und muss dem komplexen Zusammenspiel der gewachsenen Landschaft gerecht werden, die als Landwirtschaftsland einen wertvollen Beitrag zur Versorgung liefert, die als Wohn- und Erholungsort vielfältigen Ansprüchen unterworfen ist und deren Wälder und Bäche den Naturhaushalt regulieren und stabilisieren. Kurzum: Wir wollen eine Landschaft fördern, in der Geschichte, Natur und Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen gleichermaßen respektiert werden! Schließlich sollen die Kosten für diese Umverteilung in der Landschaft –von der industriellen Landwirtschaft hin zur Pflanzung von mehr Bäumen – über die Klimazertifizierung bezahlt werden.

HERANGEHENSWEISE

Knapp 7.800 Bäume müssen wir jährlich pflanzen, um unseren CO2-Verbrauch zu kompensieren. Wald aufzuforsten, ist in der Schweiz aber nicht ganz einfach, da es schon recht viel Wald gibt, der sehr gut geschützt ist. Zudem verganden viele Alpweiden mangels Bewirtschaftung, statt dass sie für Wildtiere offen bleiben. Für manch bedrohte Tierart sind aber offene, strukturierte Landschaften wertvoller als Wald, weil sie zunehmend seltener vorkommen. Auch hier zeigt sich wiederum die Komplexität des Themas.

Die Ausgangsfrage bleibt: Wie viel Boden wird benötigt, um 7.800 Bäume langfristig

Pflanzt Bäume

und ökologisch sinnvoll zu pflanzen –und wie müssen sie gepflegt werden? An einem ersten Beispiel versuche ich, die Mechanismen von Baumpflanzungen in der Landschaft darzulegen. Die Ergebnisse sollen in einem nächsten Schritt auf weitere Landschaftstypen adaptiert werden.

Wir fangen mit unseren Überlegungen bewusst bei einer kleinen Gemeinde an. In einem begrenzten Gebiet sollen nur jene Flächen umgewidmet werden, die als künftige Baumstandorte sinnvoll sind. Die Baumpflanzungen müssen in Kooperation zwischen unserem Büro mit den CO2-Ersatzzahlungen, den zuständigen Ämtern, in erster Linie dem Amt für Landwirtschaft, sowie mit den Eigentümern und Pächtern auf freiwilliger Basis erfolgen. Durch private Initiative soll das Gemeinwohl gestärkt werden. Der finanzielle Anreiz muss dabei so hoch sein, dass der Ausfall an landwirtschaftlichen Produkten wettgemacht werden kann. Das bedeutet, dass nicht der Boden erworben wird, sondern dass er wie bei einem Naturschutzgebiet umgewidmet wird und die Direktzahlungen den wirtschaftlichen Verlust kompensieren.

Als Gemeinde wähle ich Fürstenau GR im Tal des Hinterrheins, die „kleinste Stadt der Welt“, zwischen Thusis im Süden und Chur weiter im Norden. Dort wohne ich und kenne das Umland recht gut vom

täglichen Spaziergang. Ich lebe unter den Bauern, die das Land bewirtschaften. Dadurch sind die zu erwartenden Gespräche „nachbarschaftlich“ direkt.

Das Domleschg ist ein Tal, das im Vergleich zu anderen Tälern der Schweiz wenig zersiedelt ist. Die flacheren Bereiche werden landwirtschaftlich noch in relativ kleinen Strukturen genutzt. Im Vergleich zu anderen Abschnitten des Rheintals oder zum Mittelland ist auch die Intensität der Bewirtschaftung noch relativ bescheiden. Aber auch im Domleschg nehmen die Industrialisierung der Landwirtschaft und der Siedlungsdruck markant zu.

Die Akzeptanz der Bauern für mehr Baumpflanzungen ist unabdingbar. Die Kompensationszahlungen für die wirtschaftlichen Ausfälle sind bestimmt ein wichtiges Argument. Allerdings sind es die Bauern von der Ausbildung her gewohnt, primär „produktiv“ für die Nahrungsmittelproduktion zu arbeiten und nicht als „Landschaftsgärtner“ für eine erhöhte Biodiversität zu sorgen. Deshalb ist die Freiwilligkeit in einem ersten Schritt enorm wichtig. Freiwilligkeit bedeutet, dass der Bauer den Mechanismus und den Sinn der Umwidmung der Landschaft versteht und mittragen möchte.

Doch der Zeitpunkt für ein Umdenken ist günstig: Zum einen wird der Klima-

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PERSPEKTIVE · Guido Hager

wandel immer greifbarer und die Dringlichkeit immer weiteren Personenkreisen auf der ganzen Welt klar.

Zum anderen gab es in Mitteleuropa die beiden Dürresommer 2018 und 2019, die insbesondere dem Wald stark zugesetzt haben. Der medienwirksame Begriff „Waldsterben” ist wieder da und für alle sichtbar und nachvollziehbar. Schließlich beschleunigt die Corona-Krise ein Umdenken und die Menschen besinnen sich auf ein nachhaltiges Leben und „die Werte, die wirklich wichtig sind”. „Zurück aufs Land“ hat die Chance, zu einer neuen Bewegung zu werden.

LANDSCHAFT

Um eine Landschaft ganzheitlich zu erfassen, muss das komplexe Zusammenspiel verstanden werden, das sie formt. Wichtige Faktoren sind die politischen und rechtlichen Voraussetzungen, die Dichte der Einwohner, die soziale Zusammensetzung der Bewohnerschichten und ihrer Arbeitsfelder, die Verkehrswege, die Mobilität, die Infrastrukturen, Energie, Wasser, Glasfasernetz, 5G, bis hin zur Religionszugehörigkeit der dort lebenden Menschen. Dann gilt es auch, die historischen Landschaftsbilder zu finden, die Topografie und die Bodenqualität zu kennen, die Eigentumsverhältnisse, das Siedlungsgebiet und die Siedlungsstruktur, die Wasserwirtschaft, die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft,

die Naturschutzgebiete und die wertvollen Landschaftselemente. Viele dieser Grundlagen sind vorhanden und über die GEO-Portale abrufbar. In unserem Zusammenhang ist es wertvoll, jene Bereiche zu lokalisieren, wo Baumpflanzungen alle die oben genannten Merkmale am besten fördern.

BAUSTEINE

Jeder Landschaftstyp ist unterschiedlich. Doch interessant ist die Frage, wie viele CO2-Punkte es für die Kompensationsflächen gibt und wie viel Quadratmeter Fläche für jeden neu gepflanzten Baum benötigt werden. Zwar gehen wir primär von Bäumen aus, doch was bedeutet das für den Wald in der Ebene, am Hang oder im Gebirge, was für den Schutzwald, was für die Auen? Werden für extensive Wiesen, für Trocken- oder Feuchtwiesen, für extensive Mähstreifen auch CO2-Punkte vergeben? Einfacher ist die Frage zu beantworten, wenn es um Feldhecken, lineare Feldgehölze, Alleen, Einzelbäume in der Agrarlandschaft, Streuobstwiesen oder Feldhaine geht.

LANDSCHAFTSBILD

Ein „Mehr“ an Bäumen erzeugt selbstverständlich ein anderes Landschaftsbild. Doch tendiert dieses Bild Richtung „Bewahren“ und „Wiederherstellen“ von alten Bildern und Karten bekannter Landschaften? Oder akzeptiert man die Tendenz, dass die Landwirtschaft immer

Pflanzt Bäume

Gedankenexperiment

Wir betrachten einen Bereich von Fürstenau, der heute als zusammenhängende Landschaftskammer wahrgenommen wird und sich in Richtung Scharans entwickelt. Wenn wir ganz grob die Struktur der Feldhecken nachzeichnen, wie sie früher vorhanden waren und in östlicher Richtung bergwärts immer noch vorhanden sind, dann können im optimalen Fall 6.000 Laufmeter Feldhecken oder 3.000 Bäume gepflanzt werden. Die neuen Strukturen, wenn sie denn freiwillig realisiert werden, haben einen Platzbedarf von 48.000 m2. Die Folgekosten und den Verteilschlüssel zwischen den kantonalen Stellen und den privaten Initianten gilt es noch zu besprechen.

Feldhecken

Wald

offenes Landwirtschaftsgebiet

Bewirtschaftungseinheiten (landwirtschaftliche Parzellen)

Perimeter landwirtschaftliche Nutzfläche und Sömmerungsflächen

Siedlungsgebiet

Freistehende Gehölze, Obstbäume

Gemeinde Fürstenau

Landwirtschaftliche Betriebsstandorte

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PERSPEKTIVE · Guido Hager

größere, zusammenhängende Flächen für immer größere Maschinen ohne schattenwerfende Bäume oder strukturierende Topografien verlangt? Akzeptiert man, dass Landschaft und Natur sich stetig verändern und einem dynamischen Prozess unterworfen sind, den der Mensch beeinflusst und immer mehr beschleunigt? Inwieweit wollen wir Veränderungen der Landschaft mitberücksichtigen, die beispielsweise durch den Bau von Windrädern zur Energiegewinnung dienen, um den Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung zu ermöglichen, die aber beim Menschen negative Emotionen auslösen und für Vögel tödlich sein können. (Auch die Windräder der Mühlen waren einst gefürchtet und stehen heute unter Denkmalschutz.)

MASSNAHMEN

Für die Region Fürstenau im Domleschg sind wegbegleitende Feldhecken und Streuobstwiesen sowie kleine Waldstücke typisch. Inwieweit können diese im Rahmen der CO2-Diskussion ergänzt werden? Um eine Größenordnung zu bekommen, wie viel wir pflanzen müssen, haben wir folgendes Denkmodell aufgestellt: Bei einer Feldhecke bleibt im Durchschnitt alle zwei Meter ein Baum stehen. Bei einem Bedarf von 7.000 Bäumen ergibt das 14.000 Laufmeter Feldhecke. Ein Wiesenstreifen entlang eines Feldwegs hat heute eine Breite zwischen einem und etwa fünf Metern. Das er-

gibt einen Flächenbedarf von 14.000 bis 70.000 m2. Im optimalen Fall muss bei einer Feldhecke direkt am Weg ein Wiesenstreifen von einem Meter verlaufen, gefolgt von einer Hecke von etwa einem Meter Breite und einem feldnahen Wiesenstreifen von etwa sechs Metern Breite, damit der Traktor, der heute auf dem Feldweg wendet, zukünftig genügend Manövrierfläche hat. Das ergibt einen Flächenbedarf von 112.000 m2. Diese Flächen können als Öko- bzw. Biodiversitätsflächen bereitgestellt werden.

FAZIT

Ob die Bauern die Umwidmung der landwirtschaftlichen Flächen hin zu mehr Biodiversität mitmachen und ob das Landwirtschaftsamt sich auf einen solchen Vorschlag einlässt, ist offen. Ich bin überzeugt: Einen Versuch, dafür zu kämpfen, ist es allemal wert!

Pflanzt Bäume

ESTER VONPLON

o. T. Riein, 2013 Polaroid

WOHNBAUPROJEKT SCHWEIZ

PROJEKT

Clemens Kluska, Landschaftsarchitekt und ehemaliger Team- und Projektleiter bei der Uniola AG, berichtet als zertifizierter Urban Climate Architect über ein Wohnbauprojekt, welches mit GREENPASS® klimaoptimiert geplant wurde.

HINTERGRUND

Für ein aktuelles Wohnbauprojekt in der Schweiz hat sich unser Auftraggeber, ein institutioneller Anleger, dazu entschieden, die aus den 70er-Jahren stammende Überbauung durch Ersatzneubauten zu ersetzen. Das Ziel ist es, die Siedlung für die nächsten 50 Jahre fit zu machen und ihre Wohnfläche dem aktuellen Baugesetz anzupassen. Eine Verdichtung und der damit einhergehende haushälterische Umgang mit dem Boden ist die von der Landesregierung geforderte, oberste Priorität. Für die Uniola AG erwuchs daraus die Aufgabe, die heutige örtliche Qualität trotz der Verdichtung zu bewahren und weiter zu verbessern.

STANDORT

Die Herausforderungen bei der Wohnüberbauung liegen auf der Hand. Die neue, enge Stellung der Gebäude beeinflusst das Mikroklima. Insbesondere zwischen den Fassaden und auf den Wegen und Platzflächen erwärmt sich die Luft im Sommer überdurchschnittlich. Das hat Einfluss auf die dort befindlichen Aufenthaltsbereiche Kinderspielplatz und Quartiersplatz. Mit einem Wasserspiel und einer Pergola kann der Erhitzung auf einfache Art entgegengewirkt werden. Zusätzlich gilt es, die Ausrichtung der Gebäude, die

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Materialien der Fassade, die Pflanzen und ihre Anordnung, die Mikrotopographie und den Wasserhaushalt im gegenseitigen Zusammenspiel zu optimieren. Unser Ansatz für diese Siedlung setzt auf eine sehr kleinteilig strukturierte Umgebung. Die vielen Erhebungen und Senken ergeben unterschiedliche Standorte für zahlreiche Pflanzen, die für eine hohe Biodiversität sorgen. Das Wasser der Dächer wird in Mulden versickert und verdunstet, sodass sich die Umgebung nachhaltig abkühlt. Auch die Körnung der Gebäude muss die Luft zirkulieren lassen, sodass insgesamt die Wohnhygiene sichergestellt ist.

VORGEHEN

Um in einem GIS-basierten Programm ein 3D-Modell für die Simulation zu erstellen, mussten wir zunächst die Daten des Projekts im Planungsstand Vorprojekt aufbereiten. Dafür ist es notwendig, das Gebiet in zwei Bereiche zu unterteilen. Der erste Bereich ist das eigentliche Planungsgebiet, auf dem wir mit einer Größe von 1,7 ha planen. Hinzu kommt ein Betrachtungsperimeter, der das Planungsgebiet umschließt, mit einer Größe von 7,5 ha. Wichtig sind diese Flächendefinitionen, damit in der Simulation die klimatischen Wechselbeziehungen zwischen dem Planungsgebiet und der Umgebung

nachgewiesen werden können. In einem weiteren Arbeitsschritt wird die Planung auf die wirksamen Elemente wie etwa Baumgrößen, Vegetationsflächen, Oberflächenmaterialien mit Farbe fokussiert. Befestigte, versiegelte Oberflächen und begrünte Oberflächen müssen klar unterschieden, alle Beläge und Oberflächen flächenscharf dargestellt werden. Wenn keine Flächenüberschneidungen mehr vorhanden und alle Materialien inklusive der Fassaden- und Dachmaterialien sowie Gebäudehöhen bestimmt sind, kann das 3D-Modell erstellt und die Simulation gestartet werden.

PRÜFUNG

Der Urban Climate Architect erfasst mit fünf Themenfeldern Klima, Wasser, Luft, Biodiversität und Energie die örtliche Situation. Die Bewertung im Rahmen der GREENPASS-Pre-Certification basiert auf numerischen Schlüsselindikatoren. Die Planung und Optimierung erfolgt mit den makro- und mikroklimatischen Faktoren Thermischer Abluftstrom, Thermischer Komfort, Thermische Speicherfähigkeit, Abflussbeiwert, CO₂-Speicherung, Thermische Performanz, Strahlung, Albedo, Evapotranspiration, Beschattungsfaktor, Blattfläche und Wind. Diese Indikatoren machen eine maßgeschneiderte

Pflanzt Bäume

Die Simulation zeigt die fühlbare Temperatur (PET, psychological equivalent temperature) an einem Sommernachmittag um 15 Uhr.

Die faktenbasierten Werte der Simulation bilden die Entscheidungsgrundlage für eine Optimierung der Planung und die entsprechenden Klimawandelanpassungsmaßnahmen.

Gebäude

lokalisierte Hitzeinseln im planbaren Wohngebiet

fühlbare Temperatur 47 bis 53 C° super heiß

fühlbare Temperatur 41 bis 47 C° sehr heiß

fühlbare Temperatur 35 bis 41 C° heiß

fühlbare Temperatur 29 bis 35 C° warm

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WOHNBAUPROJEKT SCHWEIZ

Analyse und Optimierung der Planung möglich. Die Ergebnisse werden auf Basis von einer oder mehreren 3D-Simulationen mit Materialannahmen generiert und im Anschluss mit Hilfe von multiparametrischen Analysen ausgewertet. Die Simulationen basieren auf den Expertensystemen ENVI_MET und Rheologic.

RESULTAT

Mit der Simulation haben wir für das Projekt Erkenntnisse für folgende Fragen

gewonnen: Wo treten Hitzeinseln auf?

In welchem Bereich ist der Thermische Komfort am höchsten? Wie steht es um die Durchlüftung des Gebietes und wie ist der Abflussbeiwert?

Das Gesamtresultat aus der Simulation für unsere Planung war absolut positiv. Durch die ausgefeilte Planung, und noch ohne Optimierungen, weisen großflächige Bereiche des Planungsgebietes einen hohen Thermischen Komfort auf. Es wurde über den Thermischen Abluftstrom (TLS) sogar eine Abkühlung der Umgebung nachgewiesen. Die Umgebung wird durch die Neuplanung an einem Hitzetag um 0,23° C abgekühlt. Der Aufenthalt im neu geplanten Gebiet ist damit kühler und angenehmer als in der Umgebung und die Neuplanung trägt zusätzlich dazu bei, die Umgebung abzukühlen. Ein weiteres wichtiges Resultat war, dass es nur ganz wenige Hitzeinseln im Planungsgebiet (1,99 % der Fläche) mit einer fühlbaren

Temperatur im unangenehmen Bereich gibt. Und auf nur 20 % der Fläche wird an einem typischen Sommernachmittag die Temperatur als sehr heiß wahrgenommen.

Die Ergebnisse dienen zugleich als wirkungsvolles Instrument der Öffentlichkeitsarbeit und zur Kommunikation der vielen positiven Wirkungen von grüner und blauer Infrastruktur sowie weiterer klimasensitiver Maßnahmen an Behörden, Kunden und Anrainer.

OPTIMIERUNG

Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse konnten wir unsere Planung des Wohnbauprojektes klimaoptimiert anpassen. Die wenigen Bereiche, die sich auf Basis der Simulation überdurchschnittlich aufheizen, werden durch zusätzliche Maßnahmen abgekühlt, sodass der Thermische Komfort einen Aufenthalt im Freien auch an einem heißen Tag erträglich macht. Darüber hinaus ist eine Erweiterung der Beschattung vorgesehen. Mit zusätzlichen Bäumen etwa an Parkplätzen kann die Aufheizung der befestigten Flächen verringert werden. Auch eine Vergrößerung des Sonnensegels im Bereich der Spielflächen macht den Thermischen Komfort in diesem Bereich wesentlich angenehmer. Mit all diesen Maßnahmen wird zukünftig insgesamt eine Erhöhung der Lebensqualität der Bewohner und Bewohnerinnen erreicht.

Pflanzt Bäume

GREENPASS –GRÜNE STÄDTE INTERVIEW

Was macht GREENPASS genau?

GREENPASS ist das erste, international anwendbare, all-in-one Software-as-a-Service Planungs-, Optimierungsund Zertifizierungstool für klimaresiliente Stadtplanung und Architektur. Unser Ziel ist es, einen weltweiten Standard für Klimawandelanpassungen in Städten zu schaffen. Dafür analysieren, optimieren und zertifizieren wir die Auswirkungen von Gebäuden, Materialien und Pflanzen in den sechs urbanen Themenfeldern Klima, Wasser, Luft, Biodiversität, Energie und Kosten. Mit einem wachsenden Netzwerk an Partnern, die von GREENPASS zu Urban Climate Architects (UCA) ausgebildet werden, konnten bereits mehr als 80 Projekte weltweit realisiert werden. Unser Vorzeigebeispiel ist das weltweit erste, Platinum-zertifizierte GREENPASSProjekt, der neue IKEA City-Store (Seite 127) am Westbahnhof in Wien mit 160 Bäumen direkt am Gebäude.

Was treibt Sie bei GREENPASS an?

Städte sind überproportional von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Gerade in den Sommermonaten wird es vielerorts extrem heiß. Wir Menschen leiden unter dieser Hitze. Unser Ziel ist es, den urbanen Raum auf die Klimaveränderungen hin anzupassen und für uns Menschen auch in Zukunft lebenswert zu gestalten. Deshalb forschen wir fortwährend und setzten auch auf Künstliche Intelligenz, um die neuesten Erkenntnisse unserer wissenschaftlichen Arbeit optimal für die Praxis und den Anwender nutzbar zu machen.

Wer gehört zur Zielgruppe von GREENPASS?

Unser standardisiertes Bewertungs- und Zertifizierungssystem richtet sich an Städte, Planer und Bauträger.

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Städte

Dabei ist unsere Anwendung denkbar einfach, denn die GREENPASS-Software ermöglicht das einfache Modellieren üblicher Architekturpläne verbunden mit Expertensimulationen. Mit Hilfe von Algorithmen wollen wir die Effekte der sogenannten Ökosystemdienstleistungen von Pflanzen aufzeigen und für die Planung nutzbar machen. Mit GREENPASS liefern wir die Argumente für mehr Grün im urbanen Kontext. Wir geben urbanem Grün einen Wert und eine Wertigkeit. Mit unserer GREENPASS-Heatmap überzeugen wir sogar skeptische Bauherren. Wenn die Daten vorliegen, fragt keiner mehr, ob wir einen Baum einsparen können, vielmehr wird gebeten, einen zusätzlichen Baum einzuplanen. Dass unsere Arbeit fruchtet, sehen wir zum Beispiel auch an Entwicklungen, wie dem vermehrten Einsatz von Fassadenbegrünung sowie einem verpflichtenden Qualitätsnachweis in Form einer GREENPASSZertifizierung im sozialen Wohnungsbau in Wien.

Was ist Ihre persönliche Vision für GREENPASS?

Die Stadt als Dschungel – das ist meine persönliche Vision. Ich möchte Städte begrünen. Für mich ist es ein Paradox, wenn wir in unserer Freizeit raus aufs Land ins Grüne fahren. Ich möchte diesen Erholungswert in der Stadt verankern. Grün ist kein Luxusgut, sondern sollte für jedermann jederzeit zugänglich sein.

Florian Kraus plant lebenswerte und steht als Landschaftsarchitekt dem von ihm mitgegründeten Start-up GREENPASS aus Wien als CEO vor.

ESTER VONPLON cudesch da visitas

o. T. Ruinaulta, 2009 analog s/w Großformat

Hier ist ein Ausschnitt des Originalbildes der Künstlerin zu sehen.

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BEWUSST KONSUMIEREN

PERSPEKTIVE · Lina Ehlert

ERNÄHRT EUCH GESUND!

Warum wir alle Hafermilch trinken und das Klima durch pflanzliche

Ernährung retten sollten.

Von der Gesellschaft werden Veganerinnen und Veganer oft belächelt. Dabei ist doch schon lange klar: Alles, was bei uns auf dem Teller landet, hat einen enormen Einfluss auf das Klima.

Ernährung

„Soll ich nochmal eine Sechser-Packung

Hafermilch besorgen?“, erklingt die Stimme meiner Mitbewohnerin aus ihrem Zimmer, während ich in der Küche stehe und Salat rüste. Der cremig-süßliche Geschmack der Hafermilch kommt mir in den Sinn. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und ich rufe zurück: „Ja mach das, die war richtig gut!“ Tatsächlich kann ich mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal eine „normale“, also tierische Milch gekauft habe.

Die vegane Küche hat auch in unserer Wohngemeinschaft schon seit einiger Zeit ihren Platz gefunden. Und wir sind begeistert! Doch was steckt überhaupt hinter dem Trend zur pflanzlichen Ernährung? Und was hat Veganismus mit dem Klimawandel zu tun?

Um diese Fragen zu beantworten, reisen wir dorthin, wo unsere Lebensmittel hergestellt werden: auf die Felder und Äcker der Landwirtschaftsbetriebe. Leider ist es nämlich so, dass die Landwirtschaft laut Weltagrarbericht für rund 24 Prozent der Treibhausgasemissionen auf der

Erde verantwortlich ist. Dabei spielen sowohl Viehzucht als auch Ackerbau eine tragende Rolle.

Kuhfürze sind seit der Industrialisierung einer der größten Klimakiller überhaupt und fallen noch mehr ins Gewicht als die Emissionen von Autos. Damit die vielen Kühe und Schweine aus der Massentierhaltung genügend Futter haben, müssen immense Flächen für den Anbau von Soja, Mais und weiteren Getreidearten bereitgestellt werden. Was uns sogleich zum Ackerbau bringt.

Kühe und Schweine stoßen im Durchschnitt alle 40 Sekunden Gas aus. So produziert eine Kuh ca. 500 Liter Methan pro Tag.

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PERSPEKTIVE · Lina Ehlert
0,5 m3 CH4 | Tag
Magazin | 01 | Klima

Der Anbau von Monokulturen auf gerodeten Grünflächen und der Einsatz von Pestiziden, wie dem potenziell krebserregenden Glyphosat, trägt zum Phänomen der „Desertifikation“ bei, auch „Wüstenbildung“ genannt. Damit ist eine Verschlechterung der Bodenqualität durch Erosion und Übernutzung gemeint. Ganze Landstriche verwandeln sich in unfruchtbare Trockengebiete und jährlich kommt ein Gebiet der Größe des Bundeslandes Bayern dazu. Seit 1970 hat die Menschheit durch falsche Anbaumethoden ein Drittel des Bodens der Erde verloren. Dabei hätten unsere Böden ein immenses Potenzial, die Menschheit vor den verheerenden Auswirkungen des Klimawandels zu retten.

Das Prinzip der „Bio-Abscheidung“ könnte das Ruder im Klimawandel herumrei-

ßen. „Bio-Abscheidung“ beschreibt die Fähigkeit von Pflanzen, das schädliche Kohlenstoffdioxid in unserer Atmosphäre durch den Prozess der Fotosynthese im Boden durch ihre Wurzeln abzulagern. In den Böden der Erde könnte theoretisch mehr Kohlenstoffdioxid gespeichert werden als in Wasser, Bäumen und Pflanzen zusammen. Ausschlaggebend dafür sind eine möglichst hohe Biodiversität, die richtigen Bewirtschaftungsmethoden und -geräte, eine lange Regenerationszeit der Böden und der Einsatz von mensch- und umweltverträglichen Düngemitteln wie beispielsweise Kompost. Es handelt sich um eine regenerative Landwirtschaft, bei welcher die Böden durch das biodiversifizierte Anbauen eine höhere Resilienz gegen Schädlinge aufbauen und somit auch weniger Pestizide verwendet werden müssen.

Monokulturen belasten unsere Böden und führen zu Wüstenbildung. Mit unserer Ernährung haben wir darauf einen direkten Einfluss.

Doch wie hängt nun die pflanzliche Ernährungsweise mit der regenerativen Landwirtschaft zusammen?

Fakt ist: Wer sich vegan ernährt, braucht eine viel weniger große Fläche an Ackerboden, um seinen Bedarf an Lebensmitteln zu decken.

Da der Konsum von Fleisch, Milch und Eiern wegfällt, muss auch kein Boden an die Produktion von Tierfutter und für Weideland verschwendet werden. Diese freigewordenen Flächen können wieder an die Natur zurückgehen, wo sie mittels Bio-Abscheidung Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden.

Fazit: Veganes Essen ist klimafreundliches Essen. Dies bestätigen auch Wissenschaftler der Oxford University in Großbritannien. Der Ökologe Joseph Poore berechnete den ökologischen Fußabdruck eines Veganers und kam zum Schluss, dass der Verzicht auf tierische Produkte jährlich zwei Tonnen CO2 einspart. Das entspricht ungefähr so viel wie acht Economy-Flügen zwischen Berlin und London. In seinem Paper zeigt Joseph Poore sogar auf, dass selbst Tierprodukte mit einer verhältnismäßig

guten Ökobilanz (wie beispielsweise Eier und Geflügel) die Umwelt stärker belasten als Pflanzenkost.

Auch die Politik sieht derweil nicht tatenlos zu: Im Oktober 2020 hat sich das Europaparlament auf eine 400 Milliarden schwere Reform der Agrarwirtschaft geeinigt und feiert diese als ökologischen Durchbruch. Diverse Umweltorganisationen sehen das kritisch: Die Ziele zum Tierwohl sind zu vage formuliert, es gibt keinen erkennbaren Mindeststandard zum Umweltschutz, Massentierhaltung wird weiterhin gefördert und allein schon minimale Verbesserungen werden belohnt. Wettbewerbsfähigkeit wird im Reformpapier wohl immer noch höher gewichtet als Umweltschutz.

Ich persönlich möchte nicht warten, bis die Politiker endlich auf einen „grünen Zweig“ gekommen sind. Deswegen stelle ich mir ganz bewusst die Frage: Was kann ich persönlich gegen den Klimawandel tun? Welches Verhalten ist förderlich? Und was ist überhaupt in meinem Alltag für mich umsetzbar? Drei Jahre lebte ich – vorher bekennende Fleischesserin, die nichts mehr liebte, als in den fettig-triefenden Burger zu beißen – vegetarisch; seit einem Jahr präferiere ich eine vegane Ernährung.

Veganismus ist für mich als Endverbraucherin der ideale Weg, einen positiven Einfluss auf unser landwirtschaftliches Sys-

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PERSPEKTIVE · Lina Ehlert Magazin | 01 | Klima

tem auszuüben, denn der wirtschaftliche Kreislauf fängt beim Konsumenten an: Sinkt die Nachfrage nach tierischen Produkten, müssen sich die Anbieter zwangsläufig neue Produkte suchen, die sie verkaufen. Somit kann ich als Konsument die Nachfrage bewusst steuern, und in der Summe wird dies hoffentlich das System positiv verändern.

Mit Veganismus tue ich nicht nur der Umwelt, sondern auch meiner Gesundheit etwas Gutes.

Eine pflanzliche Ernährungsweise senkt nachweislich das Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aufgrund des hohen Anteils an Gemüsen und Früchten ist der Körper außerdem sehr gut mit entzündungshemmenden Stoffen versorgt.

Aufpassen sollte man aber auch bei der veganen Ernährungsweise. Mittlerweile gibt es nämlich viele Ersatzprodukte wie „Veggie-Burger“ oder „vegane Wurst“, die nicht nur einen hohen Salzgehalt und chemische Zusatzstoffe enthalten, sondern auch klimatechnisch eine schlechtere Bilanz aufweisen als das Fleisch vom Wochenmarkt. Zusätzlich sollte man als Veganer oder Veganerin Mikronährstoffe wie Vitamin B12, Kalzium, Jod und Selen im Blick haben, da diese nur vermindert in pflanzlicher Kost vorhanden sind. Jedoch lässt sich mit der richtigen Auswahl

an Lebensmitteln auch dieser Bedarf rein pflanzlich decken.

Ich persönlich habe in der veganen Ernährungsweise meinen Beitrag für Mensch, Tier und Umwelt gefunden. Falls Sie, lieber Leser, liebe Leserin, auch einmal die vegane Ernährung ausprobieren möchten – sei es aus klimafreundlichen oder gesundheitlichen Gründen – empfehle ich Ihnen beim Veganuary mitzumachen. Über eine Million Menschen weltweit stellen sich beim Veganuary der Herausforderung, im Januar die vegane Ernährungsweise auszuprobieren. Als Mitglied erhält man regelmäßig Kochund Backrezepte sowie Ernährungstipps. Es lohnt sich!

Meine Mitbewohnerin und ich schlürfen nun genüsslich unsere Hafermilch im Kaffee und im Kühlschrank stehen auch schon die veganen Schoko-Cupcakes für die WG-Party heute Abend parat. Die Umwelt freut es und unsere hungrigen Mägen umso mehr. En Guete!

Ernährung
Lina Ehlert ist Kommunikationsstudentin in Zürich.

ESTER VONPLON

Wieviel Zeit bleibt der Endlichkeit

o. T. Arktis 2016 analog Großformat

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WEITER GEDACHT Zelluläre Landwirtschaft

FLEISCH AUS DEM LABOR

Bis 2050 werden etwa zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben, etwa zwei Milliarden mehr als jetzt. Wissenschaftler schätzen für das Jahr 2050 eine Fleischproduktion von 470 Millionen Tonnen – fast 50 Prozent mehr als im Jahr 2013. Sechs Millionen Quadratkilometer neue Agrarflächen müssten dafür geschaffen werden – eine Fläche so groß wie Europa ohne Russland, so die Studie der Leopoldina, Deutschlands Nationaler Akademie der Wissenschaften.

Um die Menschheit sicher mit Nahrungsmitteln und auch Fleisch zu versorgen, tüfteln Start-ups weltweit an der Produktion von Fleisch im Labor. Folgt man den Innovatoren in der zellulären Landwirtschaft, sind vegane Fleischersatzprodukte nur eine Übergangsphase auf dem Weg zu Fleisch aus Zellkulturen, für die kein Tier sterben muss.

Studien von Wissenschaftlern der University of Oxford und der Arizona State University errechneten, dass Rindfleisch aus Zellkulturen 95 % weniger Fläche braucht und Fleisch aus dem Bioreaktor bis zu 87 % weniger Klimagase erzeugt als echte Rinder.

Forscher schätzen, dass 2040 schon 60 % des Fleischs aus pflanzlichen Ersatzprodukten und Zellkulturen stammen. Laborfleisch ist gut für das Klima und für den Menschen: Im Bioreaktor aus Stammzellen gezüchtetes Fleisch ist Fleisch ohne Antibiotika, Schlachtung, Massentierhaltung, Keime oder Wasserverschwendung.

FLEISCH AUS DEM DRUCKER

Die angestoßene Entwicklung hört beim Fleisch nicht auf. Viele Nahrungsmittel könnten in den nächsten Jahrzehnten aus dem Labor kommen – von Eiern über Fisch bis hin zu Hühnchen, Rinderhack, Steak und Milch. Schlaue Entwickler haben bereits eine neue Vision: Fleisch aus dem 3D-Drucker. Statt Fleisch um die halbe Welt zu karren, könnten Läden und Restaurants das Alternativprodukt direkt vor Ort drucken. Die Konsequenz: Nahrung könnte zu einem Softwaregeschäft werden. Wer das beste Rezept und die passende Druckvorlage entwickelt, kann sich am Markt optimal durchsetzen. Sogar künstliche Intelligenz kommt bereits zum Einsatz, um pflanzliche Proteine den tierischen anzupassen und schmackhafte Rezepturen zu entwickeln.

Ernährung

KLIMASCHUTZ GEHT ALLE AN FÜR DIE ZUKUNFT GEDACHT

ALL DAYS FOR FUTURE

Wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Uniola AG, engagieren uns jetzt und in Zukunft aktiv für den Klimaschutz.

Machen Sie mit – unser Klima wird es Ihnen danken!

156 | 157 Magazin | 01 | Klima

GESUNDE MOBILITÄT

Ich plädiere für einen Ausbau der Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer. Besonders in den Sommermonaten können temporäre Pop­up­Radwege mehr Menschen zum Radfahren bewegen und so den öffentlichen Nahverkehr und das Stadtklima entlasten.

ANNA BUCHWALD

RE- UND UPCYCLING

In der Landschaftsarchitektur müssen wir künftig verstärkt auf Recycling und Upcycling setzen. Abbruchmaterialien lassen sich wiederverwenden oder in einer Materialtauschbörse zum Tausch oder Wiederverkauf anbieten.

FABIAN FIEWEGER

WEG MIT DEM MÜLL

Klimaschutz geht alle an und braucht ein gesamtgesellschaftliches Engagement. Wer sich an Aufräumaktionen in Parks und in Stadtbezirken beteiligt und gemeinsam Müll sammelt, schafft eine saubere Stadt für alle.

URBAN GARDENING

Auch ohne eigenen Garten darf man in der Stadt zum Gärtner werden. Baumpatenschaften oder Baumgießaktionen machen Spaß und helfen dem lokalen Mikroklima. Wer noch mehr tun will, kann Baumscheiben bepflanzen oder mit Pflanzenbomben Wildblumen säen.

ANNE RAUSSENDORF

VORFAHRT FÜR VELOS

Ich wünsche mir einen reduzierten Autoverkehr in den Städten. Straßen und Autoparkplätze werden in Velowege umgewandelt. Auf Flachdächern und ungenutzten Flächen entsteht Permakultur.

OLIVER BÜTIKOFER

INSEKTENSCHUTZ

Wer Teil einer Hausgemeinschaft mit Grünfläche oder Dachgarten ist, kann mit Insekten­ oder Wildbienenhotels maßgeblich zum Arten­ und Klimaschutz beitragen. Lokale Imker unterstützen fachgerecht bei der Honigproduktion mit eigenen Bienen.

ANDREAS KOTLAN

MEHR GRÜN

Die Verdichtung der Städte muss im Einklang mit dem Klima gedacht werden. Städte brauchen mehr Grün. Urban Gardening sorgt für eine lokale Nahrungsproduktion und bringt Menschen wieder in Kontakt mit der Natur.

SIMON PAULAIS

VERZICHT ÜBEN

Wir alle müssen unsere persönliche Ökobilanz erstellen und unser Handeln grundlegend überprüfen. Dazu gehört es, das Konsumverhalten zu überdenken, Verzicht zu üben sowie den Fleischkonsum drastisch einzuschränken.

KAREN NEESER

AUFFORSTEN

Mein Traum wäre eine Arche Noah im Regenwaldgürtel der Erde, die den Regenwald unter Schutz stellt und die Aufforstung verlorener Regenwaldflächen zum Ziel hat.

EVA KREILEDER

WENIGER PLASTIK

Wir alle können beim Einkaufen darauf achten, unverpackte oder nur wenig verpackte Dinge zu kaufen.

HANNAH WISMER

FLEISCHKONSUM REDUZIEREN

Alle Verbraucher sollten angehalten werden, kein Billigfleisch mehr zu kaufen. Deswegen bin ich auch für eine Fleischsteuer, vergleichbar mit der Steuer für Alkohol und Tabak.

NICOLAS SAUTER

BIO BEVORZUGEN

Meine Maßnahme für den Klimaschutz: Ich bevorzuge biologische, saisonale und regionale Produkte und kaufe gerne auch Second Hand, denn das ist die beste Art des Recyclings.

LÖRINC MARTON

GRÜNE GÄRTEN

Ich wünsche mir ein Verbot, Gärten zu verschottern. Jeder Garten sollte zu einem gewissen Anteil bepflanzt werden müssen – am besten natürlich gleich mit Obst und Gemüse für die Eigenversorgung.

NINA ZIEGLER

158 | 159 Magazin | 01 | Klima FÜR DIE ZUKUNFT GEDACHT

KLIMASCHÄDLICHE PRODUKTE VERBANNEN

Ich bin dafür, klimaschädliche Produkte aus dem Handel zu verbannen. Wo es kein Angebot gibt, kann auch nicht konsumiert werden!

ANJA AMACHER

ENERGIEPASS FÜR ALLE

Ich befürworte die Einführung eines persönlichen „Energiepasses“ für jeden Bürger und jede Bürgerin, um mehr Anreize für klimapositive Verhaltensweisen zu schaffen.

PASCAL POSSET

MIT FREUDE NACHHALTIG

Wir brauchen ein neues Nachhaltigkeitsverständnis: Nachhaltigkeit als Verantwortung mit Lebensfreude und nicht als Spaßbremse.

EMISSIONEN EINSCHRÄNKEN

Jede Bürgerin und jeder Bürger sollte ein Emissionsrecht bekommen. Auch die Industrie muss gezwungen werden, Emissionen aktiv zu reduzieren und mehr ethische Investitionen zu tätigen.

RÉMI PERNET-MUGNIER

VERKEHR ENTZERREN

Für unsere Städte wünsche ich mir mehr Grün. Heute sind viele Plätze in der Stadt zu stark nur Verkehrsknoten. Wir brauchen mehr Bäume und eine Entsiegelung der Flächen.

PAOLO GREMLI

GRÜNE DÄCHER UND FASSADEN

Gerade wenn gebaut wird, müssen wir auf begrünte Fassaden und Dächer setzen und Bauherren von klimaproaktiven Maßnahmen wie einem Regenmanagement überzeugen. HEIKE OHLENDORF

WENIGER AUTOS

Wenn ich könnte, würde ich die Stadtzentren von Autos befreien und mit grünen, fußgängerfreundlichen Freiräumen ausstatten.

INÈS JOMNI

Mitarbeiterstimmen

ESTER VONPLON

Wieviel Zeit bleibt der Endlichkeit

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Magazin 01 | Klima

Unser Dank gilt

Andreas Binkert · Lina Ehlert · Prof. Mark Krieger · Martin Meier

Evi Rothenbühler · Dr. Bianca Saladin · Prof. Dominik Siegrist

Ester Vonplon, deren Werke unser Magazin auf besondere Weise bereichern –sie sind eine künstlerische Auseinandersetzung mit Klima und Klimawandel.

Impressum

HERAUSGEBER: Uniola AG

Verantwortlich für den Inhalt: Patrick Altermatt, Bergstrasse 50, CH-8032 Zürich

Crellestraße 29-30, D-10827 Berlin | Kronenstraße 36, D-70174 Stuttgart

Lothstraße 19, D-80797 München | ch. Malombré 5, CH-1206 Genf

CREATIVE DIRECTION & TEXT: dan pearlman, Diana Bennewitz

ART DIRECTION & GESTALTUNG: RadiCon | Berlin, Kerstin Conradi

DRUCK-PRODUKTION: produtur, Berlin

DRUCK: Druckhaus Sportflieger, Berlin

STAND: April 2023 · 2. Auflage | 1.500 Exemplare

COPYRIGHT: Nachdruck nur mit Genehmigung

Abbildungsnachweise nach Kapiteln

· DER ALPENWANDERER: Foto von Prof. Dominik Siegrist: Urs Matter, HSR, S. 14/15: Sammlung Gesellschaft für ökologische Forschung

GLOBALE ERWÄRMUNG: S. 22: Unsplash/John Cobb

· GRÜN- UND FREIRAUMKONZEPT: S. 53: GettyImages/Michaela Mugnai/EyeEm

SMART CITIES: S. 60: Unsplash/Nick Fewings, Foto Martin Meier: Visualisierung Raumgleiter AG, S. 63: The Sustainable City, S. 64: blog.urbanfile.org, S. 67: Unsplash/David Kubovsky

· KLIMAFREUNDLICH GESTALTEN: S. 68–73: Uferzonen/Foto: Laura Loewel, Parkanlage/Foto: Laura Loewel

· MEHR GRÜN – MEHR ZUKUNFT: S. 74–77: GettyImages/SireAnko

· MIKROKLIMA: S. 82: GettyImages/Mike R Turner, GettyImages/Hildegarde, GettyImages/Peter Cade

· (T)RÄUME FÜR MENSCHEN: S. 96: GettyImages/Kathrin Ziegler

· OFFENER BRIEF: S. 107: GettyImages/Kilito Chan, GettyImages /James Osmond, IMAGO / Manfred Ruckszio

· INVASIVE NEOPHYTEN: S. 118: verwilderte Hanfpalmen: Brigitte Marazzi

PFLANZT BÄUME: S. 129: GettyImages/Ngampol Thongsai/EyeEm

BEWUSST KONSUMIEREN: S. 146: GettyImages/FilippoBacci

· ZELLULÄRE LANDWIRTSCHAF: S. 154: GettyImages/TEK IMAGE

ALLE ANDEREN FOTOS: Uniola AG

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Dieses Magazin wurde gedruckt auf Recyclingpapier aus 100 % Altpapier, FSC zertifiziert, ausgezeichnet mit dem Blauer Engel Umweltzeichen und dem EU Öko-Label. Der Druck wurde klimaneutral und mit Biofarben realisiert.

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