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PERSPEKTIVE BÄUME PFLANZEN

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PFLANZT BÄUME

PFLANZT BÄUME

WEITERGEDACHT –UNSERE PRIVATE INITIATIVE

Um unseren CO2-Abdruck zu kompensieren, müssen wir als erstes klimazertifiziertes Landschaftsarchitekturbüro jährlich knapp 7.800 Bäume pflanzen. Diese Bäume können wir in Peru, Chile oder Asien pflanzen lassen, ohne jedoch die Auswirkungen auf die Natur vor Ort im Detail überprüfen zu können. Wer pflegt die Wälder, wer kontrolliert sie? Werden durch Unkenntnis eventuell wertvolle Naturschutzgebiete verwaldet oder bäuerliche Kleinbetriebe den Waldpflanzungen geopfert? Wir stellen uns viele Fragen, doch die Verantwortung müssen wir international tätigen Klima-Unternehmen übertragen.

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Als Landschaftsarchitekten haben wir immer den Anspruch, den Lebensraum von Menschen, Pflanzen und Tieren auf vielfältige Weise zu verbessern. Und wir wissen: Die Natur ist ein Gesamtmechanismus, der global wirkt – die positiven oder negativen Effekte werden aber durch lokale Eingriffe hervorgerufen. Jede Veränderung hat Folgen. Wenn ich einen Baum fälle, fehlt dem Eichhörnchen die direkte, gewohnte Verbindung auf seinem täglichen Streifzug. Wenn ich einen Baum pflanze, kann die Trockenwiese nicht mehr in der gewohnten Weise blühen und den auf dieses Biotop spezialisierten Insekten wird die Lebensgrundlage entzogen. Indem ich abschätze, was eine Änderung bewirkt, kann ich die positiven Effekte verstärken. Anders gesagt: Nicht jeder gepflanzte Baum ist per se richtig.

Standpunkt

Die Überlegungen ließen uns nachdenklich werden und es folgte die Frage, was es bedeuten würde, die Bäume ausschließlich in der Schweiz zu pflanzen. Sicher, in der Schweiz ist so ein Vorhaben ungleich teurer und langwieriger, aber eben auch mit Erfolgsgarantie, weil wir die politischen Möglichkeiten, das rechtliche Umfeld und die Akteure kennen.

Unser Ziel ist es, für unsere heimische Landschaft das Potenzial für Baumpflanzungen als Beitrag zur Reduzierung der Klimaerwärmung aufzuzeigen. Dabei sollen die historischen, ökologischen (besonders unter dem Gesichtspunkt der Biodiversität) und ästhetischen Gesichtspunkte berücksichtigt sowie die nötigen Ressourcen und zu erwartenden Kosten benannt werden. Unser kleines Fallbeispiel soll die Komplexität eines solchen Vorhabens aufschlüsseln. In einem nächsten Schritt kann überprüft werden, ob sich das Modell auf größere Gebiete übertragen lässt. Aber so weit sind wir noch nicht.

Unser Vorhaben ist anspruchsvoll und muss dem komplexen Zusammenspiel der gewachsenen Landschaft gerecht werden, die als Landwirtschaftsland einen wertvollen Beitrag zur Versorgung liefert, die als Wohn- und Erholungsort vielfältigen Ansprüchen unterworfen ist und deren Wälder und Bäche den Naturhaushalt regulieren und stabilisieren. Kurzum: Wir wollen eine Landschaft fördern, in der Geschichte, Natur und Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen gleichermaßen respektiert werden! Schließlich sollen die Kosten für diese Umverteilung in der Landschaft –von der industriellen Landwirtschaft hin zur Pflanzung von mehr Bäumen – über die Klimazertifizierung bezahlt werden.

HERANGEHENSWEISE

Knapp 7.800 Bäume müssen wir jährlich pflanzen, um unseren CO2-Verbrauch zu kompensieren. Wald aufzuforsten, ist in der Schweiz aber nicht ganz einfach, da es schon recht viel Wald gibt, der sehr gut geschützt ist. Zudem verganden viele Alpweiden mangels Bewirtschaftung, statt dass sie für Wildtiere offen bleiben. Für manch bedrohte Tierart sind aber offene, strukturierte Landschaften wertvoller als Wald, weil sie zunehmend seltener vorkommen. Auch hier zeigt sich wiederum die Komplexität des Themas.

Die Ausgangsfrage bleibt: Wie viel Boden wird benötigt, um 7.800 Bäume langfristig und ökologisch sinnvoll zu pflanzen –und wie müssen sie gepflegt werden? An einem ersten Beispiel versuche ich, die Mechanismen von Baumpflanzungen in der Landschaft darzulegen. Die Ergebnisse sollen in einem nächsten Schritt auf weitere Landschaftstypen adaptiert werden.

Wir fangen mit unseren Überlegungen bewusst bei einer kleinen Gemeinde an. In einem begrenzten Gebiet sollen nur jene Flächen umgewidmet werden, die als künftige Baumstandorte sinnvoll sind. Die Baumpflanzungen müssen in Kooperation zwischen unserem Büro mit den CO2-Ersatzzahlungen, den zuständigen Ämtern, in erster Linie dem Amt für Landwirtschaft, sowie mit den Eigentümern und Pächtern auf freiwilliger Basis erfolgen. Durch private Initiative soll das Gemeinwohl gestärkt werden. Der finanzielle Anreiz muss dabei so hoch sein, dass der Ausfall an landwirtschaftlichen Produkten wettgemacht werden kann. Das bedeutet, dass nicht der Boden erworben wird, sondern dass er wie bei einem Naturschutzgebiet umgewidmet wird und die Direktzahlungen den wirtschaftlichen Verlust kompensieren.

Als Gemeinde wähle ich Fürstenau GR im Tal des Hinterrheins, die „kleinste Stadt der Welt“, zwischen Thusis im Süden und Chur weiter im Norden. Dort wohne ich und kenne das Umland recht gut vom täglichen Spaziergang. Ich lebe unter den Bauern, die das Land bewirtschaften. Dadurch sind die zu erwartenden Gespräche „nachbarschaftlich“ direkt.

Das Domleschg ist ein Tal, das im Vergleich zu anderen Tälern der Schweiz wenig zersiedelt ist. Die flacheren Bereiche werden landwirtschaftlich noch in relativ kleinen Strukturen genutzt. Im Vergleich zu anderen Abschnitten des Rheintals oder zum Mittelland ist auch die Intensität der Bewirtschaftung noch relativ bescheiden. Aber auch im Domleschg nehmen die Industrialisierung der Landwirtschaft und der Siedlungsdruck markant zu.

Die Akzeptanz der Bauern für mehr Baumpflanzungen ist unabdingbar. Die Kompensationszahlungen für die wirtschaftlichen Ausfälle sind bestimmt ein wichtiges Argument. Allerdings sind es die Bauern von der Ausbildung her gewohnt, primär „produktiv“ für die Nahrungsmittelproduktion zu arbeiten und nicht als „Landschaftsgärtner“ für eine erhöhte Biodiversität zu sorgen. Deshalb ist die Freiwilligkeit in einem ersten Schritt enorm wichtig. Freiwilligkeit bedeutet, dass der Bauer den Mechanismus und den Sinn der Umwidmung der Landschaft versteht und mittragen möchte.

Doch der Zeitpunkt für ein Umdenken ist günstig: Zum einen wird der Klima- wandel immer greifbarer und die Dringlichkeit immer weiteren Personenkreisen auf der ganzen Welt klar.

Zum anderen gab es in Mitteleuropa die beiden Dürresommer 2018 und 2019, die insbesondere dem Wald stark zugesetzt haben. Der medienwirksame Begriff „Waldsterben” ist wieder da und für alle sichtbar und nachvollziehbar. Schließlich beschleunigt die Corona-Krise ein Umdenken und die Menschen besinnen sich auf ein nachhaltiges Leben und „die Werte, die wirklich wichtig sind”. „Zurück aufs Land“ hat die Chance, zu einer neuen Bewegung zu werden.

Landschaft

Um eine Landschaft ganzheitlich zu erfassen, muss das komplexe Zusammenspiel verstanden werden, das sie formt. Wichtige Faktoren sind die politischen und rechtlichen Voraussetzungen, die Dichte der Einwohner, die soziale Zusammensetzung der Bewohnerschichten und ihrer Arbeitsfelder, die Verkehrswege, die Mobilität, die Infrastrukturen, Energie, Wasser, Glasfasernetz, 5G, bis hin zur Religionszugehörigkeit der dort lebenden Menschen. Dann gilt es auch, die historischen Landschaftsbilder zu finden, die Topografie und die Bodenqualität zu kennen, die Eigentumsverhältnisse, das Siedlungsgebiet und die Siedlungsstruktur, die Wasserwirtschaft, die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, die Naturschutzgebiete und die wertvollen Landschaftselemente. Viele dieser Grundlagen sind vorhanden und über die GEO-Portale abrufbar. In unserem Zusammenhang ist es wertvoll, jene Bereiche zu lokalisieren, wo Baumpflanzungen alle die oben genannten Merkmale am besten fördern.

Bausteine

Jeder Landschaftstyp ist unterschiedlich. Doch interessant ist die Frage, wie viele CO2-Punkte es für die Kompensationsflächen gibt und wie viel Quadratmeter Fläche für jeden neu gepflanzten Baum benötigt werden. Zwar gehen wir primär von Bäumen aus, doch was bedeutet das für den Wald in der Ebene, am Hang oder im Gebirge, was für den Schutzwald, was für die Auen? Werden für extensive Wiesen, für Trocken- oder Feuchtwiesen, für extensive Mähstreifen auch CO2-Punkte vergeben? Einfacher ist die Frage zu beantworten, wenn es um Feldhecken, lineare Feldgehölze, Alleen, Einzelbäume in der Agrarlandschaft, Streuobstwiesen oder Feldhaine geht.

Landschaftsbild

Ein „Mehr“ an Bäumen erzeugt selbstverständlich ein anderes Landschaftsbild. Doch tendiert dieses Bild Richtung „Bewahren“ und „Wiederherstellen“ von alten Bildern und Karten bekannter Landschaften? Oder akzeptiert man die Tendenz, dass die Landwirtschaft immer

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