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WOHNBAUPROJEKT SCHWEIZ

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Gedankenexperiment

Gedankenexperiment

Projekt

Clemens Kluska, Landschaftsarchitekt und ehemaliger Team- und Projektleiter bei der Uniola AG, berichtet als zertifizierter Urban Climate Architect über ein Wohnbauprojekt, welches mit GREENPASS® klimaoptimiert geplant wurde.

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Hintergrund

Für ein aktuelles Wohnbauprojekt in der Schweiz hat sich unser Auftraggeber, ein institutioneller Anleger, dazu entschieden, die aus den 70er-Jahren stammende Überbauung durch Ersatzneubauten zu ersetzen. Das Ziel ist es, die Siedlung für die nächsten 50 Jahre fit zu machen und ihre Wohnfläche dem aktuellen Baugesetz anzupassen. Eine Verdichtung und der damit einhergehende haushälterische Umgang mit dem Boden ist die von der Landesregierung geforderte, oberste Priorität. Für die Uniola AG erwuchs daraus die Aufgabe, die heutige örtliche Qualität trotz der Verdichtung zu bewahren und weiter zu verbessern.

Standort

Die Herausforderungen bei der Wohnüberbauung liegen auf der Hand. Die neue, enge Stellung der Gebäude beeinflusst das Mikroklima. Insbesondere zwischen den Fassaden und auf den Wegen und Platzflächen erwärmt sich die Luft im Sommer überdurchschnittlich. Das hat Einfluss auf die dort befindlichen Aufenthaltsbereiche Kinderspielplatz und Quartiersplatz. Mit einem Wasserspiel und einer Pergola kann der Erhitzung auf einfache Art entgegengewirkt werden. Zusätzlich gilt es, die Ausrichtung der Gebäude, die

Materialien der Fassade, die Pflanzen und ihre Anordnung, die Mikrotopographie und den Wasserhaushalt im gegenseitigen Zusammenspiel zu optimieren. Unser Ansatz für diese Siedlung setzt auf eine sehr kleinteilig strukturierte Umgebung. Die vielen Erhebungen und Senken ergeben unterschiedliche Standorte für zahlreiche Pflanzen, die für eine hohe Biodiversität sorgen. Das Wasser der Dächer wird in Mulden versickert und verdunstet, sodass sich die Umgebung nachhaltig abkühlt. Auch die Körnung der Gebäude muss die Luft zirkulieren lassen, sodass insgesamt die Wohnhygiene sichergestellt ist.

VORGEHEN

Um in einem GIS-basierten Programm ein 3D-Modell für die Simulation zu erstellen, mussten wir zunächst die Daten des Projekts im Planungsstand Vorprojekt aufbereiten. Dafür ist es notwendig, das Gebiet in zwei Bereiche zu unterteilen. Der erste Bereich ist das eigentliche Planungsgebiet, auf dem wir mit einer Größe von 1,7 ha planen. Hinzu kommt ein Betrachtungsperimeter, der das Planungsgebiet umschließt, mit einer Größe von 7,5 ha. Wichtig sind diese Flächendefinitionen, damit in der Simulation die klimatischen Wechselbeziehungen zwischen dem Planungsgebiet und der Umgebung nachgewiesen werden können. In einem weiteren Arbeitsschritt wird die Planung auf die wirksamen Elemente wie etwa Baumgrößen, Vegetationsflächen, Oberflächenmaterialien mit Farbe fokussiert. Befestigte, versiegelte Oberflächen und begrünte Oberflächen müssen klar unterschieden, alle Beläge und Oberflächen flächenscharf dargestellt werden. Wenn keine Flächenüberschneidungen mehr vorhanden und alle Materialien inklusive der Fassaden- und Dachmaterialien sowie Gebäudehöhen bestimmt sind, kann das 3D-Modell erstellt und die Simulation gestartet werden.

Pr Fung

Der Urban Climate Architect erfasst mit fünf Themenfeldern Klima, Wasser, Luft, Biodiversität und Energie die örtliche Situation. Die Bewertung im Rahmen der GREENPASS-Pre-Certification basiert auf numerischen Schlüsselindikatoren. Die Planung und Optimierung erfolgt mit den makro- und mikroklimatischen Faktoren Thermischer Abluftstrom, Thermischer Komfort, Thermische Speicherfähigkeit, Abflussbeiwert, CO₂-Speicherung, Thermische Performanz, Strahlung, Albedo, Evapotranspiration, Beschattungsfaktor, Blattfläche und Wind. Diese Indikatoren machen eine maßgeschneiderte

Die Simulation zeigt die fühlbare Temperatur (PET, psychological equivalent temperature) an einem Sommernachmittag um 15 Uhr.

Die faktenbasierten Werte der Simulation bilden die Entscheidungsgrundlage für eine Optimierung der Planung und die entsprechenden Klimawandelanpassungsmaßnahmen.

Gebäude lokalisierte Hitzeinseln im planbaren Wohngebiet fühlbare Temperatur 47 bis 53 C° super heiß fühlbare Temperatur 41 bis 47 C° sehr heiß fühlbare Temperatur 35 bis 41 C° heiß fühlbare Temperatur 29 bis 35 C° warm

Analyse und Optimierung der Planung möglich. Die Ergebnisse werden auf Basis von einer oder mehreren 3D-Simulationen mit Materialannahmen generiert und im Anschluss mit Hilfe von multiparametrischen Analysen ausgewertet. Die Simulationen basieren auf den Expertensystemen ENVI_MET und Rheologic.

Resultat

Mit der Simulation haben wir für das Projekt Erkenntnisse für folgende Fragen gewonnen: Wo treten Hitzeinseln auf?

In welchem Bereich ist der Thermische Komfort am höchsten? Wie steht es um die Durchlüftung des Gebietes und wie ist der Abflussbeiwert?

Das Gesamtresultat aus der Simulation für unsere Planung war absolut positiv. Durch die ausgefeilte Planung, und noch ohne Optimierungen, weisen großflächige Bereiche des Planungsgebietes einen hohen Thermischen Komfort auf. Es wurde über den Thermischen Abluftstrom (TLS) sogar eine Abkühlung der Umgebung nachgewiesen. Die Umgebung wird durch die Neuplanung an einem Hitzetag um 0,23° C abgekühlt. Der Aufenthalt im neu geplanten Gebiet ist damit kühler und angenehmer als in der Umgebung und die Neuplanung trägt zusätzlich dazu bei, die Umgebung abzukühlen. Ein weiteres wichtiges Resultat war, dass es nur ganz wenige Hitzeinseln im Planungsgebiet (1,99 % der Fläche) mit einer fühlbaren

Temperatur im unangenehmen Bereich gibt. Und auf nur 20 % der Fläche wird an einem typischen Sommernachmittag die Temperatur als sehr heiß wahrgenommen.

Die Ergebnisse dienen zugleich als wirkungsvolles Instrument der Öffentlichkeitsarbeit und zur Kommunikation der vielen positiven Wirkungen von grüner und blauer Infrastruktur sowie weiterer klimasensitiver Maßnahmen an Behörden, Kunden und Anrainer.

Optimierung

Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse konnten wir unsere Planung des Wohnbauprojektes klimaoptimiert anpassen. Die wenigen Bereiche, die sich auf Basis der Simulation überdurchschnittlich aufheizen, werden durch zusätzliche Maßnahmen abgekühlt, sodass der Thermische Komfort einen Aufenthalt im Freien auch an einem heißen Tag erträglich macht. Darüber hinaus ist eine Erweiterung der Beschattung vorgesehen. Mit zusätzlichen Bäumen etwa an Parkplätzen kann die Aufheizung der befestigten Flächen verringert werden. Auch eine Vergrößerung des Sonnensegels im Bereich der Spielflächen macht den Thermischen Komfort in diesem Bereich wesentlich angenehmer. Mit all diesen Maßnahmen wird zukünftig insgesamt eine Erhöhung der Lebensqualität der Bewohner und Bewohnerinnen erreicht.

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