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Solidarität im Gesundheitssystem Forschungsprojekt zur Auswirkung von Gesundheits-Apps auf die Beurteilung des Krankenversicherungssystems Von Jogging über Kraftsport bis hin zu Yoga – das Sportangebot für sogenannte Wearables und Fitness-Apps ist vielfältig. Und das zahlt sich aus: Laut einer Studie von Statista nutzte im Jahr 2019 bereits fast jeder dritte Deutsche ein digitales Tool, um die eigene Fitness zu dokumentieren. Corona-Krise und Homeoffice verstärken den Trend. Doch wie verändert dieses Verhalten langfristig eine Gesellschaft, deren Gesundheitssystem nach dem Solidaritätsprinzip – die Beiträge der Gesunden finanzieren auch die kostenintensive Versorgung der Kranken – organisiert ist? Dieser Frage geht das Team um Professor Remi MaierRigaud vom Fachbereich Sozialpolitik und Soziale Sicherung nach. Im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung hat der Sozialwissenschaftler gemeinsam mit Sarah-Lena Böning von der Universität Köln eine Analyse der Befragungsergebnisse von rund 1.300 Personen durchgeführt. Die Hypothese der Forschenden: Durch die Nutzung von Gesundheits-Apps, Fitness-Trackern und Wearables lässt die Solidaritätsbereitschaft des Individuums nach.
Gamifizierung von Gesundheit Zwar zeigt die Studie, dass rund drei Viertel der Bevölkerung ein solidarisch finanziertes Krankenversicherungssystem befürworten. Jedoch lässt sich bei den Nutzerinnen und Nutzern der Gesundheits-Apps eine deutlich ablehnende Tendenz erkennen. „Es scheint, dass zunehmendes Wissen und Kontrolle über die eigene Fitness dazu führen, dass die Akzeptanz für ein solidarisch konstruiertes Gesundheitssystem sinkt“, erläutert Maier-Rigaud.
Ähnlich wie bei den bereits bestehenden Bonusprogrammen der Krankenkassen setzt unter den Nutzerinnen und Nutzern digitaler Gesundheitsangebote die Erwartungshaltung nach Belohnung für die eigene Leistung ein. Verstärkt wird diese Gamifizierung durch Social-MediaKanäle, auf denen man sich mit anderen vergleicht. „Für das Erreichen individueller Ziele können Fitness-Apps durchaus hilfreich sein“, meint Maier-Rigaud. Bedenken hat der Sozialwissenschaftler allerdings bei der Übertragung ins gesellschaftliche Kollektiv: „Es entsteht ein sozialer Druck, dem nicht jeder gerecht werden kann. Was genau macht einen gesunden Lebensstil aus? Nicht in jeder Lebenslage ist es jedem Menschen möglich, fünfmal die Woche 10.000 Schritte zu laufen, deshalb lebt man aber nicht unbedingt ungesund. Man denke nur an sozialpolitisch besonders schutzbedürftige Gruppen wie Alleinerziehende oder Rollstuhlfahrer. Letztlich sollte jeder über seinen eigenen Lebensstil frei entscheiden dürfen.“
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