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Kraftakt „Coronomester“
Wie die Pandemie die Hochschule verändert hat
Studierende auf dem Campus – ein seltener Anblick während der letzten Monate „Spread science, not Corona“ – mit diesem Slogan warb die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Pandemie. Und wer es wollte, der konnte diesen Slogan auch spazieren tragen, auf hochschuleigenen Schutzmasken, die es im Webshop und in der Bibliothek zu kaufen gab. Doch Wissen und Wissenschaft zu verbreiten ist keine leichte Aufgabe, wenn Vorlesungen und Seminare, räumlich enge Zusammenarbeit in Laboren oder Bibliotheken nicht möglich sind. Um den Betrieb in Forschung und Lehre aufrechtzuerhalten und auf digitale Alternativen umzustellen, waren einige Anstrengungen nötig.
Vor allem bei den 15 Mitarbeitern des Instituts für IT-Service (ITS), des Rechenzentrums der Hochschule. Zu Beginn der Pandemie, als Schulen und Kindergärten geschlossen wurden und das Homeoffice zum neuen Arbeitsplatz wurde, sorgten sie für den reibungslosen Übergang und wurden von den Kollegen anerkennend „It-Boys“ und „It-Girls“ getauft. „Das Team hat hervorragend Hand in Hand gearbeitet“, lobt Institutsleiter Professor Stefan Böhmer. „Fast im Akkord wurden die Geräte so programmiert, dass die Arbeit innerhalb des sicheren Hochschulnetzes auch mobil gewährleistet ist.“ Mittels Dienstlaptop und Open Virtual Private Network (VPN) standen jedem, der diesen Zugang dringend brauchte, die auch sonst zugänglichen digitalen Akten und Dateien zur Verfügung. Jeder Beschäftigte bekam außerdem eine kurze individuelle Schulung, wie er die Geräte zu Hause einrichten muss.
Machbar, aber anstrengend
Die Lehre im Sommersemester 2020, scherzhaft als „Coronomester“ bezeichnet, stellte alle Beteiligten vor große Herausforderungen. „Es hat besser geklappt als gedacht, war aber insgesamt sehr anstrengend und unpersönlich“, war der Tenor einer nichtrepräsentativen Umfrage unter Professorinnen, Professoren und Lehrkräften für besondere Aufgaben an der Hochschule. Sie konstatierten auch einen deutlich höheren Zeitaufwand für die Vorbereitung von sogenannten asynchronen Lehrveranstaltungen im Gegensatz zur Präsenzlehre. Die Produktion eines Lehrvideos zum Beispiel beansprucht schnell ein bis zwei Arbeitstage. Und auch eine Vorlesung, die zu Hause am Küchentisch gehalten wird, erfordert im Nachgang viel Kommunikation mit den Studierenden per E-Mail oder in Kursforen.
Die zusätzlich geleistete Arbeit habe sich trotzdem gelohnt, meint Professorin Iris Groß, bis September 2020 Vizepräsidentin für Studium und Lehre: „Wir profitieren sicher langfristig von digital produzierten Lehrinhalten, die den Studierenden auch zukünftig zum Vorbereiten und Wiederholen zugutekommen.“ Und das E-Learning-Team der Hochschule bekam von einigen Professoren hilfreiche
Rückmeldung zu neuen Lernformaten. Max Leitterstorf, Professor für Betriebswirtschaftslehre, zum Beispiel setzte unter Pandemie-Bedingungen auf Screencasts, also Lehrvideos, in denen sowohl er als Vortragender als auch parallel dazu präsentierte Powerpoint-Folien zu sehen sind. „Das Feedback der Studierenden fiel sehr positiv aus“, freut sich Leitterstorf. „Viele haben die Videos zur Vor- oder Nachbereitung genutzt und beinahe alle greifen für die Klausurvorbereitung darauf zurück.“ Robert Grüter, Professor für Logistik und Supply Chain Management, ließ sich auf das Experiment des Discovery Learnings ein: Dabei bekommen die Studierenden per Video einmal in der Woche eine Problemstellung präsentiert, die sie mit eigenen Ideen lösen und einreichen sollen. Erst danach erfolgt der akademische Input und die Online-Diskussion einer Musterlösung. „Für Studierende ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, sich bereits im ersten Semester Selbstständigkeit und Eigenverantwortung anzueignen“, erklärt Grüter. „Genau das wird durch das Konzept gefördert.“
Bei allen kreativen und technisch ausgefeilten Lösungen fehlte unter dem Strich aber doch das Entscheidende: der direkte Kontakt mit den Studierenden. In Videochats ließen viele von ihnen Kamera und Mikrofon ausgeschaltet. Die Lehrenden bemängelten, dass ihnen unmittelbares Feedback, klar zu erkennende Reaktionen und Rückfragen fehlten. Ein Videoclip des Fachbereichs Angewandte Naturwissenschaften brachte es auf den Punkt: „Wir vermissen Euch!“, lautete die Botschaft an die Studierenden.
