Hausärzt:in medizinisch
Ethische Werte bei Herzinsuffizienz
Von der Diagnose bis zum Lebensende: Jede Phase der Erkrankung erfordert andere Maßnahmen, der enge Kontakt mit den Patient:innen bleibt zentral
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S KA eri RD e IO
Aufgrund der verbesserten medizinischen Versorgung und der Veränderung der Alterspyramide mit Zunahme älterer Menschen steigt die Häufigkeit chronischer Erkrankungen kontinuierlich, so auch jene der Herzinsuffizienz. Typisch für sie ist neben der schlechten Prognose auch das geringe Verständnis der Erkrankung seitens der Patientinnen und Patienten. Nach wie vor werden die Schwere einer Herzinsuffizienz und die Konsequenzen der Diagnose nicht erkannt.
Frühzeitig aufklären Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz durchlaufen in der Regel mehrere Stadien der Erkrankung. An die erste – symptomatische – Episode, die in der Regel auch zur Diagnose führt, schließt eine oft mehrere Jahre dauernde, stabile Phase an. Gerade zu diesem Zeitpunkt ist eine adäquate Therapie zwingend notwendig, um jene stabile Phase möglichst lange zu erhalten. Dafür ist es essenziell, bereits in diesem Abschnitt der Erkrankung die Patienten „an Bord“ zu holen. Es kann für Betroffene mitunter schwierig sein, zu verstehen, warum sie bei nur geringem oder gar fehlendem Krankheitsgefühl ihre Medikation nehmen sol-
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April 2022
len und warum sie z. B. einen ICD (einen implantierbaren Kardioverter-Defibrillator) bekommen sollen. Auf die stabile Phase folgt das Stadium der fortgeschrittenen Herzinsuffizienz. Es dauert mehr oder minder lange und ist durch rezidivierende Dekompensationen gekennzeichnet. Nach der Rekompensation wird der Ausgangszustand nicht mehr erreicht, sodass es letztendlich zu einer progredienten Verschlechterung kommt. Die zunehmende neurohumorale Aktivierung sowie eine fortschreitende kardiale Fibrose mit Dilatation der Herzhöhlen sind mit einer Verschlechterung der kardialen Funktion verbunden. Als Folge zeigt sich eine zunehmende klinische Verschlechterung: Die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität nehmen ab, beides wird durch die Entwicklung einer Mangelernährung mit kardialer Kachexie und Frailty weiter aggraviert.
Shared Decision-Making Mit der weiteren Progredienz der Herzinsuffizienz sollte die Therapie dennoch so lange wie möglich optimiert bzw. aufrechterhalten werden. Die Patientinnen und Patienten sollten auch darauf hingewiesen werden, dass z. B. ein zahlenmäßig
erniedrigter Blutdruck ohne begleitende Symptome kein Grund sein darf, eine prognoseverbessernde Therapie zu reduzieren oder gar zu stoppen (beispielsweise ist ein Blutdruck von 95 mmHg ohne Symptome kein Grund zur Besorgnis). Um Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz optimal zu versorgen, ist es essenziell, Therapieziele zu definieren. Dafür müssen die Betroffenen ihre Erkrankung verstehen, die einzelnen Therapieoptionen kennen und wissen, warum (bei entsprechenden Begleiterkrankungen) bestimmte Behandlungsmöglichkeiten nicht mehr angeboten werden können. Zu diesem Zweck ist ein enger Patientenkontakt notwendig, der im Sinne eines Shared Decision-Making über einen reinen Informed Consent hinausgeht. Nur so ist es möglich, bei einer weiteren Progredienz die Therapie an ihre Wünsche und Bedürfnisse anzupassen, nicht mehr nötige Behandlungen und Übertherapien zu vermeiden und eine optimale Symptomkontrolle sicherzustellen. Das Shared Decision-Making ist sowohl für das kardiologische Team als auch für die Hausärztinnen und -ärzte eine Herausforderung. Je besser die Zusammenarbeit der beiden versorgenden Berufsgruppen, desto besser sind die Patienten eingebettet. Vor der Implantation von partiell oder komplett organersetzenden Devices wie z. B. einem LVAD (Left Ventricular Assist-Device) ist es sehr wichtig, offen mit den Patienten über das „Lebensende“ zu sprechen. Dabei genügt es nicht, sich auf das Thema kardiopulmonale Wiederbelebung zu beschränken. Eine klare Kommunikation der Vor- und Nachteile des LVAD hilft dem Patienten zu verstehen, dass am Lebensende manchmal auch die Entscheidung für die Beendigung einer mechanischen Kreislaufunterstützung sinnvoll sein kann. Vor einer LVAD-Implantation müssen zudem alternative, eventuell weniger belastende, Therapiemöglichkeiten besprochen werden – insbesondere da eine „Destination“-