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Mit ganzem Herzen bei der Sache

Der Innsbrucker Kardiologie Kongress* legt viel Wert auf den Praxisbezug – 2022 stand zusätzlich die Digitalisierung im Fokus

SerieKARDIO

Anfang März verfolgten rund 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Vorträge zum Thema Herzgesundheit per Livestream aus dem Innsbrucker Congress. Pandemiebedingt wählte man heuer wieder eine virtuelle Veranstaltung – zudem hat die Digitalisierung thematisch Einzug gehalten: Namhafte Expertinnen und Experten stellten neue Erkenntnisse in puncto „digitaler Medizin“ und in den Bereichen Herzinsuffizienz, koronare Herzerkrankung, Herzklappenerkrankungen, Rhythmologie und Angiologie vor – stets mit konkretem Bezug zur klinischen Praxis.

Den wachsenden Herausforderungen begegnen

In ihrem Eröffnungsvortrag sprach die Tiroler Gesundheitslandesrätin Mag.a Annette Leja die bereits bestehenden sowie die zukünftigen Herausforderungen für das Gesundheitssystem an. Bei einem stetig steigenden Pflegekräftemangel gelte es, die klinische Infrastruktur weiter aufrechtzuerhalten, zu verbessern und die Forschung voranzutreiben. Ein Hoffnungsträger könnte – zumindest in der Kardiologie – die fortschreitende Digitalisierung sein. Univ.-Prof. Dr. Axel Bauer, Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik Innere Medizin III und Mitglied des Organisationskomitees, präsentierte beispielsweise die Ergebnisse der von ihm geleiteten SMART-MI-Studie1, die erst kürzlich im Fachjournal Lancet Digital Health veröffentlicht wurde. Mit dieser konnte nachgewiesen werden, dass ein implantierbarer Herzmonitor der herkömmlichen Nachsorge deutlich überlegen ist, indem er schwerwiegende Komplikationen nach einem Herzinfarkt anzeigt. Mit dem fingernagelgroßen Chip (SMART-MI) können elektrische Informationen des Herzens kontinuierlich über mehrere Jahre aufgezeichnet, gefährliche Rhythmusstörungen erkannt und einem Zentrum telemetrisch übermittelt werden. Nun möchte man die Risikomodelle mit modernen Verfahren wie der künstlichen Intelligenz optimieren. Damit kann in weiteren Studien untersucht werden, ob sich durch diese telemedizinische Strategie langfristig eine Verbesserung der Prognose der Patienten ergibt. Die Vorteile der Digitalisierung bestehen Prof. Bauer zufolge vor allem darin, mit komplexen computerbasierten Technologien intelligente Entscheidungen zu treffen: „Damit können wir schwere Verläufe verhindern, indem wir präventiv gezielte Maßnahmen einleiten.“

Ein Blick in die Zukunft

Darüber hinaus widmete sich der Kongress der optimalen Herzinfarktversorgung. Von Bedeutung ist diese vor allem in Hinblick auf die steigende Anzahl von Patienten, die aufgrund eines Infarktes behandelt werden müssen: „Je älter die Menschen werden, desto mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten auf. Zudem können wir heutzutage auch hochbetagte Patientinnen und Patienten schonend und minimalinvasiv mit einem exzellenten Nutzen-Risiko-Verhältnis behandeln“ , schilderte Priv.-Doz. Dr. Christoph Brenner, stv. Klinikdirektor und Mitorganisator des Kongresses. Ebenso kommen mittlerweile in der jüngeren Bevölkerung Herzinfarkte gehäuft vor. In puncto Versorgung der Zukunft ist insbesondere der medizinische Nachwuchs gefragt. Auf dem Kongress berichteten daher außerdem die „Cardiologists of Tomorrow“ über ihren noch jungen Klinikalltag.

PA/InR

* Von 3. bis 5. März 2022 fand der 24. Innsbrucker

Kardiologie Kongress in virtueller Form – mittels Live-

Übertragung aus dem Innsbrucker Congress – statt.

1 Bauer A. et al, Lancet Digital Health, Feb. 2022, doi.org/10.1016/S2589-7500(21)00253-3

„Großes Potenzial sehe ich in der Telemedizin“

© MUI/Florian Lechner

Univ.-Prof. Dr. Axel Bauer, Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik Innere Medizin III – Kardiologie und Angiologie, im Gespräch.

HAUSÄRZT:IN: Vergangenes Jahr wurde der thematische Fokus insbesondere auch auf COVID-19 gelegt. Diesmal lag ein Hauptaugenmerk auf dem konkreten Bezug zur klinischen Praxis. Welche Überlegungen standen hinter der Themenauswahl für den 24. Kardiologie Kongress?

Prof. BAUER: Der konkrete Bezug zur klinischen Praxis ist seit 24 Jahren ein Grundprinzip des Kardiologie Kongress Innsbruck. Es geht darum, wie die Vielzahl wissenschaftlicher Studien in die Praxis übersetzt werden können. Die Grundlage für die Themenauswahl bilden die vielen Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen, die bei der Behandlung gemeinsamer Patientinnen und Patienten entstehen.

Einen neuen Schwerpunkt stellte die digitale Medizin dar. In welchen Bereichen sollten sich Angehörige von Gesundheitsberufen auf große Veränderungen einstellen?

Was die digitale Medizin betrifft, so sehe ich großes Potential in der Telemedizin. Ziel muss es sein, dass Patientinnen und Patienten zukünftig nur noch ins Krankenhaus kommen, wenn sie dies wirklich müssen. Hier besteht mitunter die große Herausforderung, die entscheidende Information aus den komplexen Daten zu extrahieren. Ein weiteres spannendes Feld ist die Bildanalyse mittels künstlicher Intelligenz. Perspektivisch können diese Entwicklungen zu substanziellen Veränderungen im Tätigkeitsspektrum der Ärzte führen. Auch können neue Berufe entstehen.

Auf welche neuen Therapieoptionen und Änderungen in Guidelines ist hinsichtlich der Herzgesundheit zu achten?

Die neuen Leitlinien zur Herzinsuffizienz haben beispielsweise zu neuen Empfehlungen für die medikamentöse Therapie geführt. Zudem stellen die SGLT-2-Hemmer erstmals eine Substanzklasse dar, für welche positive Effekte bei Herzinsuffizienz mit erhaltener LV-Funktion gezeigt werden konnten. Diese Daten sind allerdings so neu, dass sie noch nicht in den Leitlinien Berücksichtigung finden konnten.

Auch Kontroversen in der Behandlung wurden thematisiert. Wo ist der Diskussionsbedarf besonders groß?

Viele positive Entwicklungen in der Medizin haben ihren Ursprung in Kontroversen. Diese entstehen oft im Spannungsfeld verschiedener Disziplinen, wenn es etwa darum geht, bei welchen Patientinnen und Patienten eine defekte Herzklappe mittels offener Herzoperation oder katheterbasierter Technologien behandelt werden soll. Ähnliches gilt für die Frage der optimalen Revaskularisationsstrategie bei koronarer Herzerkrankung.

Und was hat es mit der krankmachenden Kränkung auf sich, der beim Kongress ebenfalls ein Vortrag gewidmet war?

Das kann der bekannte Psychiater und Buchautor Prof. Dr. Reinhard Haller, den wir in diesem Jahr als Keynote-Speaker gewinnen konnten, sicher am besten beantworten. Zwischen Psyche und Körper besteht eine enge Verbindung, die manchmal vielleicht zu wenig Berücksichtigung findet. In der Kardiologie sehen wir einige Erkrankungen, die durch seelische Probleme nachweislich verschlimmert oder gar ausgelöst werden.

Das Interview führte Mag.a Ines Riegler, BA.