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Vorbeugung ist die beste Therapie

Möglichkeiten der Migräneprophylaxe ausschöpfen

Die Wichtigkeit einer wirksamen Akuttherapie bei Migräne ist unbestritten. Um das volle Ausmaß einer Migräneattacke zu verhindern, ist es ausschlaggebend, dass sämtliche Akutmaßnahmen möglichst frühzeitig eingeleitet werden. Noch einen Schritt davor beginnt die Migräneprophylaxe. Entsprechende Maßnahmen zielen nicht nur darauf ab, die Häufigkeit von Anfällen um mindestens 50 Prozent zu reduzieren, sondern auch darauf, die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten insgesamt zu verbessern.

Basistherapeutika individuell auswählen

Zu Standard-Medikamenten, die für die Migräneprophylaxe eingesetzt werden können, gehören z. B. Betablocker wie Propranolol, Metoprolol und Bisoprolol, der Kalziumkanalblocker Flunarizin, die Antiepileptika Valproinsäure und Topiramat sowie das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin.1 Die Wahl des Therapeutikums sollte sich nach etwaigen Komorbiditäten richten. „So lassen sich etwa bei bestimmten Herzerkrankungen oder bei Bluthochdruck mit Betablockern zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“ , erklärt Dr. Claudio Lind, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Wien, im Rahmen eines Pressegesprächs*. Allerdings könnten diese Medikamente teils erhebliche Nebenwirkungen hervorrufen –„eine kritische individuelle NutzenSchaden-Abwägung ist immer nötig.“

Gezielte CGRP-Hemmung

Im Gegensatz zu den bereits genannten Wirkstoffen wurden die CGRP („Calcitonin Gene-Related Peptide“)Inhibitoren speziell für die Migräneprophylaxe entwickelt. Das Neuropeptid CGRP wird während einer Migräneattacke deutlich stärker ausgeschüttet – die monoklonalen Antikörper gegen CGRP oder seinen Rezeptor greifen an einer Schlüsselstelle des Migränemechanismus ein. Derzeit befinden sich Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab am Markt. Ihre Applikation erfolgt als subkutane Injektion. Eptinezumab wurde im Jänner 2022 von der EMA zugelassen – er ist der erste CGRP-Antikörper, der intravenös verabreicht wird. Zugelassen sind die Präparate für die Migräneprophylaxe bei Patienten mit mindestens vier Migränetagen pro Monat. Laut Assoc.-Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in Karin Zebenholzer, Neurologin an der MedUni Wien und Präsidentin der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft, kommen sie infrage, wenn Standard-Medikamente nicht wirksam oder kontraindiziert sind. Für Dr. Lind liegt der Vorteil der CGRP-Antikörper darin, „dass bisherige Erfahrungen kaum relevante Nebenwirkungen gezeigt haben. Manche Personen sprechen so gut darauf an, dass die Attacken bereits nach zehn Tagen spürbar zurückgehen“ , im Schnitt dauere es einige Wochen. Kassandra Steiner von der Selbsthilfegruppe Kopfweh Wien ergänzt, dass es auch Betroffene gebe, bei denen die Therapie anfangs zwar gut wirke, später aber nachlasse. In diesen Fällen sollte nicht aufgegeben, sondern ein Umstieg auf ein anderes Präparat mit dem Patienten besprochen werden.

Nichtmedikamentöse Empfehlungen

Da es sich bei der Migräne um eine Erkrankung mit multifaktoriellen Ursachen handelt und beispielsweise psychischer Stress oder hormonelle Schwankungen einen Trigger darstellen können, dürfen nichtmedikamentöse und Lebensstilmaßnahmen als Beitrag für die Migräneprophylaxe nicht unterschätzt werden. „Entspannungstechniken, ausreichend Schlaf und regelmäßiger Ausdauersport sind wirkungsvolle Interventionen zur Stressbewältigung“ , weiß Dr. Lind. Das Potenzial solcher Maßnahmen schöpfen viele Betroffene jedoch nicht aus. Für „Migränediäten“ hingegen fehlt Dr. Lind zufolge bislang jeder wissenschaftliche Nachweis. Vielmehr bestehe bei längerer Nahrungskarenz die Gefahr einer Verschlechterung der Beschwerden, da der Hirnstoffwechsel von Migränepatienten besonders viel Energie brauche, speziell in der Früh. „Damit ist etwa Intervallfasten bei Migräne kontraproduktiv. Zu empfehlen sind regelmäßige, in kürzeren Abständen über den Tag verteilte Mahlzeiten sowie ausreichend Flüssigkeit.“

Anna Schuster, BSc

* Pressegespräch „Migräne: Vielversprechende Möglichkeiten der medikamentösen Vorbeugung – Chancen und Grenzen von Lebensstilmaßnahmen“ am 18.11.2021,

Verlagshaus der Ärzte (VdÄ), Wien.

1 gelbe-liste.de/wirkstoffgruppen/cgrp –

Stand: 10.03.2022.