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Knochenschutz bei kranker Lunge

Pneumologische Erkrankungen stellen einen klinischen Risikofaktor für Fragilitätsfrakturen dar – Empfehlungen aus der neuen Leitlinie

Chronische Erkrankungen der Lunge können sich mit der Zeit auf den gesamten Organismus auswirken. Osteoporose ist eine häufige Komorbidität bei Personen mit schweren Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma, aber auch bei interstitiellen Lungenerkrankungen und bei Zystischer Fibrose. Die Verminderung des Knochengewebes wird durch Begleitfaktoren wie systemische Steroidtherapie, Bewegungsmangel und Nährstoffmangel begünstigt. Wirbelkörper- und Hüftfrakturen können bei Menschen mit Lungenleiden dramatische Folgen in Hinblick auf Morbidität und Mortalität haben. Fachexperten appellieren daher, Patientinnen und Patienten frühzeitig auf das erhöhte Osteoporose-Risiko aufmerksam zu machen und entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen.

Systemische Entzündung als Mitauslöser

Zum einen wird der Knochenstoffwechsel durch die pneumologische Grunderkrankung selbst beeinflusst. Die Erkrankung führt zu einer Veränderung der trabekulären und kortikalen Mikroarchitektur des Knochens und zu einer Verminderung von osteologischen Formations- und Resorptionsmarkern. Zum anderen kommen „bei schweren Atemwegserkrankungen meist gleich mehrere Faktoren zusammen, die das Risiko eines krankhaften Knochenabbaus deutlich erhöhen“ , sagt Priv.-Doz. Dr. Georg-Christian Funk, Internist, Lungenfacharzt und Intensivmediziner, Leiter der 2. Medizinischen Abteilung mit Pneumologie mit Ambulanz, Klinik Ottakring. Exemplarisch seien COPDPatientinnen und Patienten genannt, die eine bis zu vierfach höhere Osteoporose-Inzidenz im Vergleich zur gleichaltrigen Normalbevölkerung aufweisen. Als Ursachen dafür werden unter anderem das Zigarettenrauchen als gemeinsamer Risikofaktor, Nebenwirkungen einer Steroidtherapie sowie die mit der Krankheit einhergehende systemische Entzündung vermutet. Proinflammatorische Zytokine – vorrangig Tumornekrosefaktor alpha, TNF-α – gelten als Trigger der Entstehung von Osteoporose. Daneben erhöhen die krankheitsbedingte Sauerstoffunterversorgung des Blutes, Hyperkapnie und eine katabole Stoffwechsellage das Risiko osteoporotischer Fragilitätsfrakturen. Ebenso tragen Inaktivität und Vitamin-D-Mangel zu jenen bei.

Empfehlungen in aktuellen Leitlinien

Patientinnen und Patienten mit chronischen pneumologischen Erkrankungen, insbesondere COPD, leiden häufig an einem Verlust von Muskelmasse, wodurch Stürze und eine Abnahme der Knochenmasse wahrscheinlicher werden. Hinzu kommt, dass Menschen mit COPD und Asthma körperliche Belastungen aufgrund von Atemnot oder infolge einer Depression vielfach meiden. Bewegung fördert jedoch Muskelkraft und Koordination, wodurch das Frakturrisiko insgesamt sinkt. Im Sinne einer Osteoporose-Prophylaxe ist Betroffenen ein regelmäßiges, progressiv angelegtes Training anzuraten, das ihren individuellen Leistungszustand sowie EXPERTE:: alle großen Muskelgruppen Priv.-Doz. Dr. berücksichtigt.Georg-Christian Funk Internist, Lungenfach- Darüber hinaus sollte Unterarzt und Intensivmedi- gewicht vermieden und auf ziner, Leiter der 2. Medizinischen Abtei- die Ernährung geachtet werlung mit Pneumologie den. Wichtig ist es außerdem, mit Ambulanz, Klinik Ottakring eine ausreichende Versorgung mit Kalzium und Vitamin D sicherzustellen. Ein Vitamin-D-Mangel ist sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch bei Menschen mit chronischen Erkrankungen häufig. Eine Vitamin-D3Serumkonzentration von < 20 ng/ml (50 nmol/l) ist zudem mit einem erhöhten Risiko assoziiert, proximale Femurfrakturen und nichtvertebrale Frakturen zu erleiden. In den aktuellen Leitlinien (siehe Quelle) wird daher empfohlen, den Vitamin-D-Spiegel bei

© Michael Morianz

Menschen mit akuten und chronischen Lungenerkrankungen zu erheben und einen Zielspiegel von > 20–30 ng/ml (nicht über 60 ng/ml) zu erreichen. Dies gelingt meist mit Tagesdosen von 800 bis 4.000 IU, wobei wöchentliche Gaben ebenfalls akzeptabel sind. Der Kalziumbedarf (1.000 mg Kalzium/Tag) sollte vorzugsweise über die Nahrung gedeckt werden. Ist dies nicht möglich, sind Kalziumsupplemente (500 mg Kalzium pro Einnahmedosis) erforderlich.

Therapieoptionen bei Osteoporose

Die Standardmethode zur Diagnosestellung ist die Knochendichtemessung: Dabei stellt ein T-Score von ≤ 2,5 den Schwellenwert für die Diagnose der Osteoporose dar. Der T-Score gibt die Standardabweichung eines individuell gemessenen Knochenmineraldichte-Wertes vom mittleren Normwert knochengesunder, junger Erwachsener an. Eine deutliche Mehrzahl aller osteoporotischen Frakturen tritt bei einem T-Score von ≥ 2,5 auf. Bei bereits verringerter Knochendichte „sind in Österreich sämtliche zur Behandlung der Osteoporose zugelassenen antiresorptiv oder anabol wirksamen Medikamente auch bei pneumologischen Personen mit einem erhöhten Knochenbruchrisiko entsprechend den nationalen Erstattungskriterien indiziert“ , so Doz. Funk. Als Goldstandard gelten die Bisphosphonate. Diese werden an metabolisch aktiven Umbaueinheiten im Knochen abgelagert, wodurch die Aktivität der Osteoklasten gehemmt und konsekutiv die Resorptionsaktivität im Gesamtskelett deutlich gedämpft wird. Aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils sind intravenöse Gaben zu bevorzugen. Die am zweithäufigsten eingesetzte Therapieoption ist der monoklonale Antikörper Denosumab, der alle sechs Monate subkutan verabreicht wird. Über eine Bindung an das Osteoblasten-Signalprotein RANKL wird die Reifung und Aktivierung der Osteoklasten gehemmt. Eine weitere antiresorptive Substanz ist Strontiumranelat, das zusätzlich anabole Eigenschaften hat. Die hormonelle Substitution erfolgt mit selektiven ÖstrogenrezeptorModulatoren wie Raloxifen. Raloxifen hemmt die Knochenresorption und reduziert das Risiko vertebraler Frakturen. Es ist für die Prävention und für die Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zugelassen. Ein anderer Ansatz ist die Gabe von osteoanabolen Substanzen wie Teriparatid, dessen Effekt auf einer Beschleunigung der Reifung und Stimulierung von Osteoblasten beruht. Teriparatid wird einmal täglich subkutan über 24 Monate angewandt. Der chronische Verlauf der Osteoporose erfordert eine regelmäßige Überprüfung des Therapieerfolges durch klinische Kontrollen, Frakturanamnese und Evaluierung des Risikoprofils.

Mag.a Sylvia Neubauer

Quelle: Muschitz C et al., Osteoporose bei pneumologischen

Erkrankungen – Gemeinsame Leitlinie der Österreichischen Gesellschaft für Knochen und Mineralstoffwechsel (ÖGKM) und der Österreichischen

Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP); In: Wien Klin

Wochenschr (2021) 133 (Suppl 4): S155–S173.