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Vielfältige Coronaprophylaxe

Neue Türen öffnen sich bei Impfstoffen und Medikamenten

Die Entwicklung von COVID-19-Arzneimitteln – unter Berücksichtigung der neuen Virusvarianten – läuft auf Hochtouren. Doch nur ein geringer Prozentsatz erhält die Zulassung: Bei den COVID19-Impfstoffkandidaten waren das bisher 33 von 554 (5,9 %) und bei allen potenziellen Therapien 32 von 1.708 (1,9 %): Einen Überblick über den Status quo gaben Expertinnen und Experten zuletzt bei einem virtuellen Pressegespräch des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH)* Mitte März. Hervorzuheben sind unter den Neuzugängen etwa das Vakzin von Novavax – welches mittlerweile eingesetzt wird – und ein weiteres von Valneva – mit voraussichtlicher Zulassung im April. Eine Novität ist darüber hinaus ein ProphylaxeMedikament mit den Wirkstoffen Tixagevimab und Cilgavimab, welches eine zusätzliche Option für besonders vulnerable Personen darstellt.

Impfstoffversorgung in der EU

In der Europäischen Union sind derzeit mRNA-, adenovirale Vektor- und Protein-Untereinheiten-Vakzine zugelassen. In absehbarer Zukunft kann zudem mit dem Ganzvirus-Impfstoff von Valneva sowie mit der Zulassung eines neuen Protein-Subunit-Impfstoffes von Sanofi-GSK gerechnet werden. Alle in Europa und in den USA zugelassenen COVID-19-Vakzine wurden Dr. Otfried Kistner zufolge global unter gleichen Bedingungen getestet – mit ähnlichen Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten. Der unabhängige internationale Impfstoffexperte betonte, dass jede Technologie ihre Berechtigung habe: „Unter den derzeit verfügbaren Impfstoffen ist somit keiner ein ‚idealer‘ Impfstoff für alle Bevölkerungsgruppen, jeder einzelne ist wichtig und notwendig und bei leicht unterschiedlichen Personengruppen einsetzbar.“ Erfreulich ist nicht nur das breiter werdende Angebot, sondern auch die zunehmende Verfügbarkeit. Die Zeit der COVID-19-Impfstoff-Engpässe ist vorbei: „Bereits seit September 2021 werden weltweit mehr Impfstoffe gegen COVID-19 produziert als verimpft“ , berichtete die Präsidentin des ÖVIH, Mag.a Renée Gallo-Daniel. Die Distribution in den sogenannten Low- und Middle-Income-Ländern werde zudem immer besser. Herausforderungen sehe man vor allem bei den fehlenden Kapazitäten mancher Gesundheitssysteme und aufgrund der Impfzögerlichkeit.

Die Technologien im Überblick

Zu den bekanntesten Beispielen für Ganzvirus-Vakzine zählen solche gegen FSME, Hepatitis A oder Tollwut. Auch bei der Entwicklung von Valneva wurde auf diese Plattform gesetzt: „Diese Technologie enthält im Gegensatz zu anderen Impfstoffen das gesamte SARS-CoV-2-Virus in abgetöteter Form. Das Immunsystem erkennt somit neben dem Spike-Protein auch noch andere Virusbestandteile“ , erklärte Dr. Christoph Jandl, Head of Medical Affairs des Impfstoffherstellers Valneva. Das Virus werde bei dieser Technologie erst in Zellkulturen vermehrt und dann nach der Reinigung und Inaktivierung zusammen mit Adjuvantien verimpft, so Dr. Kistner. Die Funktionsweise von mRNA- und Vektorimpfstoffen beschrieb Impfstoffexperte Dr. Kistner hingegen wie folgt: „Bisherigen COVID-19-Impfstoffen lag das Prinzip zugrunde, dass die genetische Information eines Oberflächenproteins (des sogenannten Spike-Proteins) von SARS-CoV-2 in den Muskel injiziert wird und die Muskelgewebezellen das Protein in der Folge selbst herstellen. Dieses wird dann vom Körper als fremd erkannt und er beginnt mit dem Aufbau einer entsprechenden Immunabwehr. “

AKTUELL

Vielversprechende Daten aus Österreich

Ein neu entwickelter SARS-CoV-2-SubunitImpfstoff der MedUni Wien zeigte in präklinischen Daten, dass er gegen die bisher bekannten Varianten inklusive Omikron wirken kann. Darüber hinaus wird erwartet, dass der Impfstoff PreS-RBD bei Menschen wirkt, die bisher nicht auf Impfungen angesprochen haben – „RBD-Non-Responder“. Das Vakzin kann zusätzlich zu den vorübergehenden IgG1 Antikörper-Antworten nämlich langlebige RBD-spezifische IgG4-Antikörper induzieren. Es basiert auf einem strukturell gefalteten künstlich hergestellten Protein, das aus zwei Rezeptorbindungsdomänen (RBD) des SARS-CoV-2-Virus und dem PreS-Antigen aus Hepatitis B besteht. Erste klinische Studien für die Zulassung könnte man laut MedUni Wien bei ausreichender Finanzierung noch in diesem Jahr durchführen.

Ein proteinbasiertes Subunit-Vakzin, beispielsweise Novavax, produziere das Oberflächenprotein hingegen außerhalb des menschlichen Körpers – im Falle von SARS-CoV-2 in Insektenzellkulturen. „Verimpft wird sozusagen das fertige Spike-Protein, gegen das der Körper dann nur noch Antikörper produzieren muss“ , erläuterte Dr. Kistner. Allerdings sei dafür eine Kombination mit einem Adjuvans nötig, um die Immunantwort zu verstärken. Als Beispiele für bisherige Proteinuntereinheiten-Vakzine wurden Influenza-Impfungen sowie Studien mit Impfstoffkandidaten gegen das Humane Respiratorische Synzytialvirus genannt. Auch beim proteinbasierten Vakzin sei eine Anpassung an neue Virusvarianten möglich, diese nehme wegen des aufwendigen Herstellungsprozesses jedoch mehr Zeit in Anspruch.

Neues aus Forschung und Entwicklung

ÖVIH-Präsidentin Gallo-Daniel unterstrich, dass die Hersteller darauf vorbereitet seien, Variantenimpfstoffe zu entwickeln. Ihr Einsatz hänge jedoch vom Gesundheitswesen ab: „Die EMA hat jedenfalls bereits Vorgaben für ein verkürztes Zulassungsverfahren für Variantenimpfstoffe gemacht. Ihr zufolge sind keine komplett neuen Zulassungsstudien mehr erforderlich, sondern ausschließlich Daten zur Immunogenität und Sicherheit.“ In Hinblick auf die derzeitige Entwicklung bzw. Evaluierung berichtete sie unter anderem von Kombinationsimpfstoffen gegen mehrere Erreger, von neuen Impfstoff-Darreichungs- oder Verabreichungsformen (z. B. Nasenspray), außerdem von innovativen Schutzmöglichkeiten durch spezielle Kaugummis sowie von kombinierten Tests für Influenza, Erkältung und COVID-19. Die Impfstoffentwicklung betreffend lautete die Prognose von Dr. Kistner: „Generell wird man zukünftig wahrscheinlich mehr Studien zum Kreuzen unterschiedlicher Impfstofftechnologien in verschiedenen Altersgruppen sehen. “ Positive Erfahrungen habe man diesbezüglich mit der Influenza-Impfung gesammelt.

Und wenn der Impfschutz nicht ausreicht?

Vor allem für Personen, die eine unzureichende Immunantwort zeigen oder für die der Impfstoff nicht empfohlen wird, sind die neuen COVID-19-Medikamente von größter Bedeutung. Mittlerweile gibt es verschiedene antivirale Optionen, die bei zeitgerechter Einnahme einen kurzfristigen Schutz bieten. Diesen vulnerablen Personen steht nun zusätzlich eine prophylaktische Antikörperkombination von Tixagevimab und Cilgavimab zur Verfügung, deren Wirkung deutlich länger – nämlich sechs bis zwölf Monate – anhalten soll. Die Zulassung des Arzneimittels wurde erst kürzlich von der EMA empfohlen.1 Betroffene erhalten hierbei schon vor einem potenziellen Kontakt mit dem Virus zwei Injektionen in den Muskel.

Mag.a Ines Riegler, BA

* „COVID-19-Impfung: Technologien, Varianten & Prophylaxe“ – virtuelles Pressegespräch des ÖVIH am 17. März 2022. Quelle: 1 EMA: ema.europa.eu/en/news/ema-recommendsauthorisation-covid-19-medicine-evusheld (abgerufen am 29.3.22).