Hausärzt:in 04/2022

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Hausärzt:in pharmazeutisch

Hilfe für gereizte Harnwege …

© shutterstock.com/Lothar Drechsel

… unter Berücksichtigung von Resistenzsituation und Patient:innenwünschen

Harnwegsinfekte (HWI) zählen zu den häufigsten Gründen, warum allgemeinmedizinische Praxen aufgesucht werden.1 Vornehmlich betroffen ist das weibliche Geschlecht: Laut einer britischen Erhebung haben 37 % der Frauen zumindest einmal in ihrem Leben einen HWI, fast 80 % jener Gruppe litten bereits mehrmals darunter. Die jährliche Inzidenz beträgt bis zu 11 %.2 Die Dunkelziffer muss allerdings höher angesetzt werden, da unkomplizierte HWI häufig einen selbstlimitierenden Verlauf haben bzw. eine Selbstmedikation mit bereits zuvor verschriebenen Medikamenten erfolgt.1 In der besagten Erhebung kam es in 65 % der Fälle zu einem Kontakt mit einem (Haus-)Arzt oder einer (Haus-)Ärztin.2 Anhand der jeweils typischen Symptome kann unterschieden werden zwischen … • … einer Zystitis, die mit Schmerzen beim Wasserlassen, Pollakisurie, imperativem Harndrang und Schmerzen oberhalb der Symphyse einhergeht, und … • … einer Pyelonephritis, wenn die Symptome auch Flankenschmerz, ein klopfschmerzhaftes Nierenlager und/ oder Fieber umfassen. Die Beschwerden können gemeinsam mit jenen der Zystitis auftreten oder auf sie folgen.3

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April 2022

Augenmerk auf Komplikationen Für die Therapieentscheidung ist besonders relevant, ob es sich um einen unkomplizierten oder um einen komplizierten HWI handelt. Ein HWI gilt dann als unkompliziert, wenn keine funktionellen oder anatomischen Anomalien im Harntrakt vorliegen und es keine relevanten Nierenfunktionsstörungen bzw. Vor- und Begleiterkrankungen gibt, welche den Verlauf ungünstig beeinflussen könnten. Die in der Infobox gesammelten Faktoren erfordern das Augenmerk des oder der Behandelnden, ihr Vorliegen muss allerdings nicht zwangsläufig einen schweren Verlauf zur Folge haben. Als Differentialdiagnosen sind Harnröhreninfektionen, gynäkologische Infektionen bzw. eine Prostatitis in Betracht zu ziehen.3

Diagnostisches Vorgehen bei unkompliziertem HWI Bei Verdacht auf einen unkomplizierten HWI mit typischer Anamnese inkl. des Ausschlusses von pathologischem Fluor vaginalis empfiehlt sich die Anwendung eines Harnstreifentests. Folgende Ergebnisse können den Verdacht erhärten bzw. abschwächen:3 • Nitrit positiv, Leukozyten-Esterase positiv / Nitrit positiv, Leukozyten-

Esterase negativ / Leukozyten-Esterase positiv, Blut positiv: HWI sehr wahrscheinlich, keine weitere Diagnostik nötig. • Nitrit negativ, Leukozyten-Esterase positiv: HWI wahrscheinlich. • Nitrit negativ, Leukozyten-Esterase negativ: HWI weniger wahrscheinlich. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Bakterien Nitrat zu Nitrit reduzieren – der Test erfasst einige Pseudomonaden, Enterokokken und Staphylokokken nicht. Außerdem muss eine bestimmte Bakterienkonzentration gegeben sein, damit das Testfeld positiv wird. Eine Verweilzeit des Urins in der Blase von > 4 Stunden begünstigt den Nachweis.3

Partizipative Entscheidungsfindung Obwohl die Leitlinie in Bezug auf HWI nach wie vor Antibiotika bei akuter unkomplizierter Zystitis empfiehlt, unterstreicht sie, dass die Indikation einer Antibiotikatherapie kritisch gestellt werden sollte. Nur so können Ärztinnen und Ärzte unnötige Therapien vermeiden und die Entwicklung von Resistenzen vermindern.3 Laut Daten des Robert-Koch-Instituts sind knapp 48 % der getesteten E.-coli-Stämme gegen Ampicillin resistent, 28,9 % gegen


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