Ernst Trachsler «Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert · Gedichte von Katharina Berkmüller-Stutz

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Ihr literarisches Werk – eine Einordnung

Guter Gott! und doch zuletzt Sendest du auf Leiden, Wenn es oft schon lange währt, Uns auch wieder Freuden. Welche Wonne mich durchzückt, Seh’ ich jetzt den Kleinen Seiner neuen Kunst sich freun! O, ich möchte weinen.

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An Karls Grabe Wie süss schläft nun mein Kindlein hier! Mein lieber Karl, wie wohl ist dir! Denn dornenvoll war deine Bahn, Von deinem ersten Tage an. Nur wenig Jahre warst du hier, Und tausend Leiden folgten dir. Nun immer frei von Pein, Hüllt dich ein kühles Bettlein ein; Geschmückt mit einem sanften Grün, Mit Blümchen, die so freundlich blühn. Doch manche Träne weinen wir, Geliebtes Kind! noch oft nach dir, Bis wir ob jenen lichten Höh’n Dich froh und selig wieder sehn. 130 Wie gross der Bekanntenkreis von Katharina Berkmüller vor allem im thurgauischen Wängi war, wissen wir nicht. Zwar sind durchaus einige gewidmete Gedichte und eine Gratulationsschrift erhalten geblieben. Aufschluss über die Grösse des Bekannten- oder Freundeskreises vermögen sie indessen nicht zu geben. Auf alle Fälle kommt Katharina in verschiedenen Gedichten auf ihre Einsamkeit zu sprechen:

Kann ich auch wenig Freunde zählen, So kann ich doch zufrieden sein. 131 Die Mutter muss so oft allein Mit ihrem Kind zu Hause sein. 132 Was ich oft in den stillen Stunden In meiner Einsamkeit empfunden. 133 Eine Widmung der ganz besonderen Art stellt das Gedicht an eine gewisse Barbara Höpli dar. Die ersten Buchstaben aller Zeilen ergeben den Namen der Empfängerin. Höpli ist ein Wängemer Geschlecht. Zum Abschied B. H. Bleibe fromm auf allen deinen Wegen, All dein Tun sieht ja der Vater dort; Reicht dir seine Vaterhand entgegen, Bietet Rat und Trost dir fort und fort. Aber ernstlich musst du dich bestreben, Recht zu handeln ihm getreu zu sein, Als sein Kind getrost dich ihm ergeben, Herz und Seele ihm allein nur weihn. Öffne nie dein Herz den eitlen Trieben, Pracht und Hoffahrt bleibe fern von dir, Lebst du wie ich dir hier vorgeschrieben, Ia dann lebst du glücklich für und für. 134 Zum Schluss dieses Themenkreises der Beziehungspflege noch ein Gedicht, in welchem Katharina Berkmüller ihre bislang vorherrschende Ausgewogenheit und Zurückhaltung ablegt und sich in Zorn redet – oder besser schreibt. Schon die erste Zeile mit der direkten Anrede «Dörfchen!» vermittelt einen Eindruck über ihre innere Entschlossenheit und ihre Wut. Welches Dörfchen sie konkret meint, schreibt sie nicht. Allfällige Vermutungen sind spekulativ. Das Gedicht


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