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Einblicke in das Gedichtbändchen für ihre Tochter Louise

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Verfasst zwischen 1850 und 1870 Schwarzes Leder mit Goldprägung. 11.5 x 15.0 x 1.5 cm Ortsmuseum Wängi Inv.Nr. B 172

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Zum Andenken der lieben Louise Berkmüller von ihrer lieben Mutter.

Die erste Seite mit der Widmung ist eingeklebt. Man konnte damals solche Vorlagen kaufen und selber ausmalen und dann beschriften. Sie waren in den Poesiealben noch bis ins frühe 20. Jahrhundert sehr beliebt. Hier handelt es sich um Vorlage Nr. 35 aus einem entsprechenden Auswahlkatalog.

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Auf Berkmüllers Geburtstag 1844 samt einem Christusbild

Lieber, wenn auf deinem Lebensgange Dir der Freude holde Rosen blühn, Oder, wenn es deinem Herzen bange, Ach so blick auf den Erlöser hin!

Immerdar, in Freuden wie in Schmerzen, Ist dir heilsam dieses theure Bild, Trägst du glaubend es in deinem Herzen, Hast du der Versuchung stärksten Schild.

Blick auf ihn, wirst du gekränkt hienieden, Ist Verkennung deiner Thaten Lohn, Denk, was hat einst ihm die Welt beschieden? Eine schmerzenvolle Dornenkron! Blick auf ihn, entbehrst du hier auf Erden Ihrer Güter, ihrer eitlen Pracht, Uns zum Vorbild trug auch er Beschwerden, Und entzog sich aller Erdenmacht.

Blick auf ihn, naht dir mit leisen Tritten, Unvermuthet einst der Krankheit Schmerz, Denk, was hat der Göttliche gelitten? Unter Qualen brach am Kreuz sein Herz!

Blick auf ihn, einst in der Todesstunde, Und es flieht das Graun der Todesnacht, Blick auf ihn u[n]d mit erblasstem Munde sprichst auch du: Gottlob es ist vollbracht!

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Der Sonntag Morgen in meiner Krankheit 1844

Die Sabat Glocken schallen Und rufen zum Gebet, Und meine Thränen fallen aufs stille Krankenbett.

Mir ist so weh, so enge, Weiss nicht wo ein u[n]d aus, Kann nicht mit jener Menge Zum nahen Gotteshaus.

In Ihre Lobgesänge Stimmt nur mein Seufzer ein, Im tiefen Schmerzgedränge Muss ich ja traurig sein. Doch meines Herzens Klagen, Der Seele heisses Fleh’n, Wird auch hinauf getragen Zum Vater in den Höhn.

Er sieht ja wie ich leide, Sieht meinen bangen Schmerz, Und senkt der Hoffnung Freude Auch wieder in mein Herz.

Ihm will ich stille halten, Ich weiss er macht es wohl; Gut ist ja stets sein Walten Sein Helfen wundervoll.

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Mein Waldbesuch am 7ten Juni 1846.

Ich sass in des Waldes sanft kühlender Ruh, Und hörte dem Flöten der Amseln zu; Sie sangen so tief ihren Abendgesang Durchs heilige Dunkel des Waldes entlang.

Sie sangen mir Wehmuth und Freude ins Herz; Erweckten mir Wonne, erweckten mir Schmerz; Erweckten mir fern von des Lebens Gewühl Im Herzen ein sinnlich, ein selig Gefühl.

Ich blickte voll Inbrunst zum liebenden Gott, Und dankte ihm herzlich für Freuden u[n]d Noth; Ich bat um ein kindlich ergebenes Herz, Um Treue u[n]d Glauben, in Wonne u[n]d Schmerz.

Und tief in der Seele empfand ich ein Glück, Es kam wohl vom Vater der Liebe zurück. Ein göttlicher Friede erfüllte mit Lust Nun meine unruhig beklommene [–] Brust.

Mit ruhigem Herzen, mit heiterem Blick, Gieng ich von dem kühlenden Walde zurück; Der Amsel Gesang u[n]d der freundliche Hain, Sie mussten ein köstlicher Segen mir sein.

Luischens Tischgebet.

Dein ist das Brodt, dein ist der Trank, Für beides, mein Herr, Lob u[n]d Dank! Du bist so mild, du bist so gut, Schenkst uns durch Nahrung Kraft u[n]d Muth; Giebst uns, was wir bedürfen hier, O lass uns stets vertrauen dir! Amen.

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Später mit Bleistift eingefügte oder korrigierte Satzzeichen. Durch Louise?

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Ich bin allein.

Ich bin so oft alleine, Und o wie gern allein Im freundlichsten Vereine, Wie könnt mir wohler sein!

Wem könnt ich besser sagen, Was mir das Herz bewegt, In gut u[n]d bösen Tagen Die Seele hofft u[n]d trägt;

Als ihm, dem Gott der Liebe, Der mir beständig nah, Ob’s heiter oder trübe Vor meiner Seele da. Er wird mich nie verlassen, Und wenn auch nichts mir blieb, Würd’ alle Welt mich hassen, Hätt’ er mich dennoch lieb.

Wie sollt ich dann nicht gerne Mit ihm alleine sein? Denn oft bin ich ihm ferne Im freundlichsten Verein.

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Wiegenliedchen.

Schlafe holder Knabe, Schlafe ruhig ein Welche Himmelsgabe Könnt mir theurer sein!

Weich gebettet liege Hier mein Engelein, Und an deiner Wiege Wird die Mutter sein.

Bin dir niemals ferne, Lieber Knabe du, Schaue ja so gerne Deinem Schlafen zu.

Denke mir die Freuden, die du brachtest mir, Bete dass kein Leiden Nahe sich zu dir.

Dass du wohl gedeihest, Werdest braf u[n]d gross, Dich der Tugend weisest Bis zum Grabes Schooss.

Deine Eltern liebest, wie ein gutes Kind, Sie ja nie betrübest, Die so gut dir sind.

Dann, mein lieber Knabe wirst du glücklich sein, Und dich bis zum Grabe Deines Daseins freun.

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Die Blümchen auf dem Grabe

meiner lieben Kinder. Einer l.[lieben]

Freundin geweiht.

Ein Gärtchen seh ich blühen, Vor meinen Fenstern dort, Ach seine Blümchen ziehen Oft meine Seele fort.

Sie winken mir herüber Zum Gärtchen ernst u[n]d still, Und deuten dann hinüber, Und sagen mir so viel.

Ich soll mein Heimweh stillen, Nach meinen Kinderlein, Soll in des Vaters Willen doch stets ergeben sein. Im dunkeln Grabesschoosse, Da wo sie ja vergeh’n Sei nicht das Ziel das Grosse, Der Ort zum Wiedersehn.

Es weiche Schmerz u[n]d Grauen, Obgleich der Staub zerfällt, Soll nur hinüber schauen Zum blauen Himmelszelt.

Sie dort im Geist erblicken, Umarmt vom Kinderfreund, Mit ihm, o welch Entzücken! Auf ewig seh’n vereint.

Einst wird ein Stündlein schlagen, Und von den Engelein, Werd ich auch hingetragen Zum ewigen Seligsein.

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Heimweh nach meinen lieben Geschwistern

Wenn ich so alleine bin, Denk ich oft an meine Lieben, Die in ferner Heimath drüben, Alle kommen mir zu Sinn.

Und mit stillem Sehnsucht Weh Fliegt mein Geist zur Klausner Hütte, Wo ich dann in ihrer Mitte Meinen lieben Bruder seh.

Und zu allen drängts mich hin, Hier beim Webstul, dort auf Auen Kann ich meine Schwestern schauen, Wie sie tragen Sorg und Müh’n. Könnt ich nur ein leises Wort, Diesen meinen Lieben sagen! Hören ihre Freud u[n]d Klagen, Doch die Seele ist nur dort.

Doch was mag ich sehnsuchtsvoll Noch so oft hinüber schauen? Hier in Thurgaus schönen Auen Ist mir ja auch innig wohl.

Sollt ich nicht zufrieden sein? Hab ja zwei der liebsten Seelen, Die mir ja nur wenig fehlen, Bin nicht immer so allein.

Und in stiller Einsamkeit, Bet ich gern für meine Lieben, Die mir hier u[n]d dort geblieben, Und mein Herz wird still erfreut.

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Am Morgen des 5ten Novb 1846

Gottlob ich kann die Betten machen, Kann ordnen alle meine Sachen, Und aus der Kammer gehn! Kann froh den neuen Morgen sehen, Muss nicht am Krankenbette stehen, Wie es so oft geschehn.

O Gott wie dankt dir mein Gemüthe, Für deine grosse Vatergüte, Dass ich gesund erwacht! Dass ich mit allen meinen Lieben, Vor jedem Leid verschont geblieben, Beschützt durch deine Macht. Ich will mein Herz an dich ergeben Nicht dieser Welt, nein dir zu leben Soll mein Bestreben sein. O stärke meine guten Triebe, Dass ich dich über Alles liebe, Und nie vergesse dein!

So will ich mich am guten Tage, den du mir schenkst, befreit von Plage, Mich deiner Huld erfreun. Und kommt, was mir jetzt noch verborgen, Ein dunkler Tag voll banger Sorgen, Lass mich nicht muthlos sein!

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Gebet am Donnerstag Abend.

Diesen Abend will ich dich begleiten, Liebster Heiland, an den Ölberg hin, Will dich sehn für meine Sünden streiten, Sehn wie ich so theur erlöset bin.

Ach, mit welchem kummervollen Herzen Giengst du in des Mondes sanftem Schein, Auszuweinen deine heissen Schmerzen, In den stillen Garten dort hinein.

Schmerzlich fühltest du dein nahes Leiden, Todesgraun empfand dein gutes Herz; Liebend fühltest du im nahen Scheiden Deiner Tränen bittern Trennungsschmerz. Doch du wolltest eine Welt erlösen, Eine Welt, die dir so theuer war, Sie erretten von der Macht des Bösen, Und so gabst du dich als Opfer dar.

Tausend Dank für deine heissen Schmerzen, Deinen Kampf in deiner letzten Nacht; Dieser Kampf, er hat dem Sünderherzen Ruh u[n]d Trost u[n]d Seligkeit gebracht.

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Gründonnerstag vor Karfreitag

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Die Allgegenwart Jesu.

In deiner Gegenwart zu leben, Lass Jesu meine Freude sein! Nichts kann mir süss’re Ruhe geben Als wenn ich oft gedenke dein.

Denk ich der Welt voll Lust und Leiden, Was hat sie Bleibendes für mich? Ach nichts! von Allem muss ich scheiden, Und alles ist veränderlich.

Denk ich der Meinen in der Ferne, So machts mich oft nur kummervoll; Ich leichterte ihr Loos so gerne, Und weiss nicht wie ich helfen soll.

Doch unter diesen Kümmernissen Wird oft das Herz mir süss erquickt, Denk ich der wird zu helfen wissen, Der jedes Schicksal überblickt. Wie wohl ist mir in deiner Nähe, Wenn ich so recht gedenke dein, Wenn im Gebet ich vor dir stehe, Vor meinem Blick nur dich allein.

Dann weicht die Welt mit allen Freuden, Mit allen Leiden weit zurück, Und Niemand[en] könnt ich dann beneiden, Auch um das grösste Erdenglück.

An, dich mein Heiland, mich zu halten, Soll stets mir Lust u[n]d Freude sein; Der Freundschaft Liebe kann erkalten, Doch deine wird sich stets erneu[er]n.

Du bleibst mir, wenn auch Alles schwindet, Wenn auch mein Herz im Tode bricht, Und von der Welt nichts mehr empfindet, Auch dann verlässest du mich nicht.

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Drum lass, o Herr, mein Herz mich treu bewahren, Denn ach, wie leicht durch Lust u[n]d Schmerz, Wankt oft das arme, schwache Herz.

Eduard Rüegg am Confirmationstag

Ein neues Leben ist dir aufgegangen, Du bist nun eingeweiht der Christenschaar Und hast geschworen nur dem Herrn zu leben, Am Taufstein dort am heiligen Altar. Reich Herz u[n]d Hand nun deinem Heiland hin, Der führt dich gut u[n]d stärkt dir Herz u[n]d Sinn. Reich ist dein Herz an Wissen u[n]d Verstand, Üb treu die Gaben die dir Gott gesandt, Ein weiser Mensch erfüllt mit frommem Sinn, Geht glücklich durch dies Erdenleben hin. Gross ist gewiss auch dorten sein Gewinn.

Zum Abschied B. H.

Bleibe fromm auf allen deinen Wegen, All dein Thun sieht ja der Vater dort; Reicht dir seine Vaterhand entgegen, Biethet Rath u[n]d Trost dir fort u[n]d fort. Aber ernstlich musst du dich bestreben, Recht zu handeln ihm getreu zu sein, Als sein Kind getrost dich ihm ergeben, Herz und Seele ihm allein nur weihn. Öffne nie dein Herz den eitlen Trieben, Pracht und Hoffahrt bleibe fern von dir, Lebst du wie ich dir hier vorgeschrieben, Ia dann lebst du glücklich für u[n]d für.

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Gebet beim Abendläuten.

Schon wieder ist hienieden Ein Tag dahin geschieden, Und s Glöcklein ruft so laut es mag: O schliesse betend diesen Tag!

Ja, Herr, für deine Güte Dankt dir mein ganz Gemüthe, Auch heut hast du mir wohl gethan, Ich blicke ruhig himmelan.

Der Erde Pracht verschwindet, Doch in der Höhe findet Das Auge dich im Sternenlicht, Wo Stern an Sternlein von dir spricht. Wie du in jener Ferne Den sichern Lauf der Sterne Mit wundervoller Hand regierst, Auch meine Bahn mich sicher führst.

Dir will ich fest vertrauen, Will froh zum Himmel schauen, Ich weiss, dass mich in dunkler Nacht, Dein Vaterauge treu bewacht.

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Gebet bei einem Gewitter.

Herr, ich falte meine Hände, Bete dich mit Ehrfurcht an. Weiss, wenn ich mich zu dir wende, Dass dein Arm mich schützen kann.

Fast will mir das Herz erbeben, Da so laut der Donner kracht; Doch von deinem Schutz umgeben, Fürcht ich nicht des Wetters Macht.

Schone, Vater, schon uns Allen, Lass es bald vorüber ziehn! Höre auf mein kindlich Lallen, Lass die schwarzen Wolken fliehn!

Alles ist ja deinem Willen, Guter Vater, unterthan; Du kannst Sturm u[n]d Wetter stillen, Alles bete fromm dich an.

Gebet auf dem Kirchengang.

Ich ging in deinen Tempel hin, Erweck, o Gott, mir Herz u[n]d Sinn, Dass ich dich würdiglich verehre, Und auf dein Wort voll Andacht höre.

Lass mir durch nichts den Geist zerstreun, Mir deine Nähe fühlbar sein! Eröffne meines Herzens Pforte, Dass ich versteh des Lehrers Worte!

Hör mein Gebet, hör den Gesang, Und segne meinen Kirchengang. Den Lehrer auch u[n]d seine Lehren, Und alle die ihn ernstlich hören!

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Meinem lieben Nanni*, auf den Tod seines theuren Bruders.

Wenn Geliebte von uns scheiden, Wenn nach langen schweren Leiden Sich ihr müdes Auge schliesst, Stehn wir da mit tiefen Schmerzen, Doch auf die verwundten Herzen Stiller Frieden niederfliesst.

Sehn wir auf das stille bleiche Antlitz der geliebten Leiche, Welche Ruhe schauen wir! Jeder Seufzer ist verklungen, Jeder Kampf ist ausgerungen, Friede nur schwebt über ihr.

Und wir können nicht mehr klagen, Jedes muss voll Sehnsucht sagen: Ach, ich möchte auch so ruhn! Hätt auch ich so überwunden, Und im Tode Ruh gefunden, O wie wohl, wie wohl wird’s thun!

Ja es zeigt ein gläubig Hoffen Uns die ew’ge Heimath offen, Den entbundnen Geist verklärt; Wie er frei von jedem Leide, Nun geniesst des Himmels Freude, Eine Lust die ewig währt.

Nein, von ihrem reinsten Glücke Wünschen wir sie nicht zurück[e], Auf die trübe Erdenwelt. Nein wir alle wünschen lieber Uns zu ihnen dort hinüber, In die Heimath jener Welt.

Doch der Herr giebt Kraft zu tragen, Was auch in den Erdentagen Seine Weisheit uns bestimmt; Darum lasst uns muthig wandeln, Christlich leben, christlich handeln, Bis er uns hinüber nimmt.

* Näni, Nani, Nanni für Grossmutter

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