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Heirat mit Johann Alphons Berkmüller

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Heirat mit Johann Alphons Berkmüller

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Am 4. November 1836 heiratete Katharina Stutz den sieben Jahre älteren Johann Alphons Berkmüller. Kurz darauf zog das junge Ehepaar nach Wängi.

Was wahres Glück dir fördern kann, Erblüh’ auf deiner Lebensbahn! Doch wiss’, aus Leid und Missgeschick Erblüht uns oft das wahre Glück. Wer sieht dann wohl die Dornenbahn Als Weg zum wahren Glücke an? Wie selig, wer in jeder Lag’ Das wahre Glück erkennen mag, Und willig und gehorsam nimmt, Was ihm die Vorsicht hat bestimmt. Wie geht er nicht mit heiterm Sinn In Stürmen auch durchs Leben hin! Drum wünsch’ ich, dass im Missgeschick Auch seh’ dein Aug’ das wahre Glück. (1) (1) Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen.

1835, also ein Jahr vor ihrer Hochzeit, veröffentlichte die «Schulthess’sche Buchhandlung» in Zürich bereits in zweiter Auflage (!) ein Bändchen mit Gedichten von Katharina Stutz. Es war ihr Bruder Jakob, der die Veröffentlichung veranlasste. In diesem Bändchen findet sich ein kurzes Gedicht an ihren künftigen Ehemann mit dem Titel «In Alphons Stammbuch».

Das Gedicht ist ein Hinweis, dass sich die beiden schon einige Zeit vor ihrer Heirat gekannt haben müssen. Und tatsächlich findet sich in der Chronikstube in Pfäffikon ZH eines der erwähnten Gedichtbändchen aus dem Jahre 1835 mit einer Widmung: «Meinem liebsten Freunde Alphons Berkmüller zum treuen Andenken gewidmet von der Verfasserin.»43 Die beiden haben sich gekannt. Die näheren Umstände sind indessen unklar. Es war aber damals bereits üblich, dass eine Heirat auf Grund von vorehelicher Zuneigung und Liebe zustande kam und nicht mehr nur die Interessen der Familien im Vordergrund standen, wie die bürgerliche Heiratspolitik dies noch verfolgte.44 Unklar ist, weshalb das persönlich gewidmete Gedichtbändchen bei Katharina in Pfäffikon erhalten geblieben ist und nicht bei Alphons in Wängi, wo dieser bereits seit 1823, also seit der dortigen Fabrikeröffnung, arbeitete und lebte.

Sozialhistorisch ist die Phase der sogenannten Eheeinleitung im Zürcher Oberland der damaligen Zeit stark von weltlichen und kirchlichen Konventionen geprägt. Diese umfassen gleichermassen die ökonomischen Verhältnisse als auch die vorehelichen Sexualbeziehungen.45 Die Tatsache, dass Alphons Berkmüller aus dem Bayri-

schen stammte, und damals noch nicht eingebürgert war, mag ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Die Umstände der vorehelichen Zeit bei Katharina Stutz und Alphons Berkmüller liegen im Dunkeln.

Übrigens attestiert Katharina in einem späteren Gedicht ihrem Gatten einen untadeligen Lebenswandel:

Muss nicht sorgen für den Gatten, Dass er sei bei Spiel und Wein; Kann getrost mein Lichtlein löschen, Unbekümmert schlafen ein.46

Im Haushaltsregister der Evangelischen Kirchgemeinde Wängi, beginnend mit dem Jahre 1753, finden sich in Band 4 (ab 1835) betreffend der Familie Berkmüller folgende Einträge: 1808. V. 6. Joh. Alphons Berkmüller Eltern Christoph Berkmüller v. Kaufbeuren Julia Saxer 1809. IV. 9. Katharina Stuz Eltern Johanes Stuz sel. von Isikon Hittnau Ana Weber sel. Kt. Zürich 1836. X. 4. copuliert in Pfÿn 1837. XII. 8. Anna Louise47 1839. 6. April Conrad. Bald wieder auf den 7ten gest. [gestorben] 1840. 5. Feb. ein Kindt nach der Geburt wieder gest. [gestorben] Knäblein eingetragen

Warum die beiden in Pfyn geheiratet haben, ist unklar. Alphons Berkmüller hatte kaum Beziehungen zu Pfyn. Er versah seit 1823 seine Stelle als Buchhalter in Wängi. Hat sich Katharina Stutz in Pfyn aufgehalten? Zwar existierte um diese Zeit in Pfyn die Spinnerei Bertschinger48 und Katharina als von klein auf geübte Handweberin hätte in der Textilindustrie bestimmt eine Stelle gefunden. 1821 erwähnt Jakob Stutz, dass «seine Schwester Kathrine in dieser Zeit das Weben auch erlernt hatte».49 Damals wohnte Katharina noch bei ihrer älteren Schwester Anna Barbara. 1830 zog deren Mann, Katharinas Schwager, nach Anna Barbaras frühem Tode nach Pfäffikon. Katharina folgte ihm.50 Neben ihrer Arbeit am Webstuhl führte sie wohl den Haushalt. Sie war nun 21 Jahre alt. Ihr Bruder Jakob besuchte sie 1830 und fand sie «ausserordentlich fröhlich und heiter im Angesicht».

Auszug aus dem Haushaltregister der Evangelischen Kirchgemeinde Wängi ab 1753. S. 47. Reproduktion mit Genehmigung. 33

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In der Chronikstube Pfäffikon finden sich ein paar wenige Bücher mit Spuren zu Katharina. Da ist zunächst ihre gut erhaltene Konfirmationsbibel aus dem Jahre 1827. Die Zueignung auf der ersten Seite lautet:

«Gehört Katharina Stuz von Isikon, Pfarre Hittnau. Als eine frühe Wajse seit ihrem 8ten Lebensjahr in der Gemeinde Bauma sich aufhaltend. Zum Zeichen vollester Zufriedenheit, so wie zum Andenken an ihre Confirmations- und erste Abendmahls-feÿer am Heil. Pfingstfeste des J. 1827 –von der verehrlichen Bibelgesellschaft in Zürich. Gott! Wie ist mir Christen dein Wort über alls erhaben! «Quelle des Heiles, sey du mein Führer, mein Licht! «Kräftiger bist du – nüzlicher, als alles menschliche Wissen, «Christen! der grösste Schaz ist doch die heil. Schrift!51

Warum Katharina ihre persönlich gewidmete Bibel in Pfäffikon zurückgelassen und nicht nach Pfyn oder schliesslich nach Wängi mitgenommen hat, wissen wir nicht. Und wir wundern uns gleich nochmals. Eine Erstausgabe des Buches «Sieben mal sieben Jahre» von Jakob Stutz mit seiner Widmung: «Meiner lieben Schwester Kathrine vom Verfasser»52 und eine Ausgabe der «Briefe und Lieder aus dem Volksleben» aus dem Jahre 183953, ebenfalls mit einer persönlichen Widmung von Jakob an seine «liebe Schwester Kathrine» sind ebenfalls in Pfäffikon erhalten geblieben.

Für die Jahre zwischen 1830 und 1836 verlieren sich ihre Spuren. Sie hätte auch in die Dienste einer vermögenden Pfyner Familie treten können. Entsprechende Nachforschungen im Archiv der Evangelischen Kirchgemeinde Pfyn haben aber keine Ergebnisse gebracht. Ihr Name taucht in den Protokollen des Stillstands- und Sittengerichts nicht auf. Sie führte unzweifelhaft einen untadeligen Lebenswandel. Auch Recherchen im Archiv der politischen Gemeinde Pfyn und dort in den Protokollen des Gemeinderates aus den Jahren 1831 bis 1879 erbrachten keinen Hinweis. Die Protokolleinträge erlauben aber einen Blick in eine dörfliche Lebenswelt um 1830. Sie zeichnen eine Art Sittenbild. Vor allem erheiternd sind die Einträge im Bussenrodel zu lesen. Dies natürlich unter der Annahme, dass Katharina tatsächlich ein paar Jahre in Pfyn gelebt hat und in der Gewissheit, dass das Leben in Pfyn sich vom Leben in Wängi vermutlich nicht so sehr unterschieden hat.

15. Junÿ 1832 (Protokolle der Gemeinde Pfyn 1831 bis 1879 S. 11) «Auf gemachte Anzeige des Hl. Bezirksstatthalter Labhart von Steckborn, durch Rapport des Landjäger Dinkel Stationiert in hier, das am 31ten leztverflossenen Monats in der Behausung des Hl. Kronenwirth Spengler dahir ein Starker Lärm gewesen, wo er da hin gekommen Nachts Ca. 10 Uhr, seyen daselbst mehrere unverheurathete Mannspersonen gewesen, welche wegen Gesellschafts Geldter,

Streit, und hernach Schlägerey entstanden, und Namentlich sey ihme von einem Willhelm Gonzenbach Schuster & Jakob Altenburger Zimmermann, angegeben worden das obiger Gonzenbach von einem Kaspar Wepf, mit Beihülfe Melchior Klemens Konrads, Heinrich Klemenz Schuster, Ulrich Scheuch & Willhelm Keller Zeinenmacher misshandelt, dieselben seyen zu gebührender Straffe, und Ahndung, vom Gemeindrath zu beurtheilen.»

Der betroffene Schuster wurde dann «vor die Schranken des Gemeindraths» zitiert und es wurde ihm «zugesprochen». Er ging letztlich straflos aus.

6. Jenner 1834 (Protokolle der Gemeinde Pfyn 1831 bis 1879 S. 25) «Fehrner wurde der Schreiner Clemens laut Raport: wegen dem Wirthen. Da er von Landjäger Baur betroffen wurde, erstens weil er keine Bewilligung hat der Wirthschaft, 2tens Noch über die erlaubte Zeit gewirthet hat. So wurde solches Vergehen in eine Busse verfellt. Für beyde artikel mit 4 Kreuzer, worauf dem Landjäger Baur 2 Kreuzer zutheil wurde.»

7. Juni 1836 (Protokolle der Gemeinde Pfyn 1831 bis 1879 S. 47) 2 Am 21ten Abrill hat der Friedrich Hofmann in der Kloster Waldung der Kardus (Kartause Ittingen) 1 Tändli abgehauen von … Busse 24 Kreuzer. 3 Am 8ten HerbstMonat: Hat der Josepf

Schlegel auf der Burg dem Hl. Koch

Kaspers von Detikofen mit 3 Haubt Vieh geweidet auf seinem Wisboden in der

Riethwis. Ist Busse 1 Gulden. 4 Am 26 Juny hat der Brülisauer u. Jak.

Weber... von Winingen, in der Kloster

Waldung ein Forli abgehauen u. wurden in eine Busse verfellt jedem mit 24 Kreuzer zusammen 48 Kreuzer.»

Am 8. July 1833 (Protokolle der Gemeinde Pfyn. 1831 bis 1879. S. 21) «wurde durch den Landjäger Stahl Mit Raport der Heinrich Clemens Schuster angezeigt, dass Clemens Nachts zur Unzeit d. 2ten Julj auf der Gassen vor den Häusern getroffen wurde, zum dritten Mahl Mit einer Leiteren, u. darauf wurde durch den Landjäger Stahl Nachause geschickt.» 35

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Unsere Spurensuche nach Belegen, warum die beiden in Pfyn und nicht in Wängi oder in Pfäffikon geheiratet haben, bleibt erfolglos. Es ist eine historische Tatsache, dass Familienbande zur damaligen Zeit ausgesprochen stark waren.54 Sie schützten und verpflichteten gleichermassen. Ein allfälliger Aufenthalt Katharinas in Pfyn ist aus dieser Sicht nur denkbar, wenn dort bereits Verwandte oder wenigstens eine gute Freundin lebten. Allfällige Verstösse gegen solche ungeschriebenen Familiengesetze wurden nicht selten mit dem Ausschluss aus dem familiären Netz geahndet. Auch die Irritation darüber, dass die Heirat ohne die sonst übliche Promulgation (Aushang im Kästchen) erfolgte, bleibt ungeklärt. Die näheren Umstände der Heirat in Pfyn liegen im Unklaren. Vermutungen sind spekulativ.

Nach der Heirat bezog das junge Ehepaar in Wängi im katholischen Schulhaus die dortige Dachwohnung über dem Schulzimmer.

1837 kam als erstes Kind die Tochter Anna Louise zur Welt. 1839 und 1840 folgten zwei Knaben. Beide verstarben während oder kurz nach ihrer Geburt. Der Tod der beiden Knaben hat die Familie schwer getroffen. Die Mutter verarbeitet ihren Schmerz in einem rührenden Gedicht:

Zum Andenken an meine 2 lieben Knäblein, welche bald nach der Geburt wieder dahin starben

Wie sie dort so ruhig schlafen, Meine Kindlein frei von Schmerz! Von der ganzen Welt vergessen, Nur nicht von dem Mutterherz.

Nicht dass ich euch mehr beweine In der schönen Grabesruh, Muttererde, still und friedlich, Deckt euch ja so sicher zu.

Einer der ersten Briefe an das Ehepaar Berkmüller-Stutz in Wengi Kt. Thurgau. Vermutlich handgeschöpftes Papier mit Resten des aufgebrochenen Siegels. 13.7 x 8.6 cm. Ohne Datierung. Inv.Nr. B510.B29. Ortsmuseum Wängi.

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