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Umgang mit Übergängen
100 Hab ich gleich weder Feld noch Auen, Und schützt mich nur ein fremdes Dach, So kann ich doch auf Gott vertrauen, Und häng nicht eiteln Wünschen nach.
Und wo ich wohne mit den Meinen, Wohnt Liebe und Zufriedenheit, Und muss mein Aug auch manchmal weinen, Ist’s doch kein selbst geschaffnes Leid.152
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Ein letztes Beispiel im Rahmen dieser Leid-Gedichte stellt den Versuch dar, mit dem eigenen Älterwerden und seinen unvermeidlichen Schicksalsschlägen klarzukommen.
Der Grossmutter Heimweh Die Welt sie dünkt mich nimmermehr so schön Wie ich sie einst als kleines Kind gesehn, Der Felder Schmuck, die schönen Blumenaun Sie sind nicht mehr so lieblich anzuschaun.
Wie herrlich sah ich diese Bäume blühn, Wie lieblich da des Rebenhügels Grün Als mir der Gatte noch zu Seite stand, Und mir das Leben ach so schön entschwand.153
Es ist ein doppeltes Heimweh, welches die Grossmutter hier verspürt: Dasjenige nach der verlorenen Jugend und dasjenige nach dem verstorbenen Gatten.154 Damit schliessen wir hier den Themenkreis der Leid-Gedichte.
Umgang mit Übergängen
Einer weiteren Kategorie lassen sich jene Gedichte zuordnen, in welchen sich Katharina Berkmüller mit der Sicherung von Übergängen befasst. Damit sind Situationen gemeint, wo der bisherige Zustand allmählich verschwindet, der neue aber noch nicht richtig greifbar ist. Bange Fragen und Unsicherheit kennzeichnen solche Übergänge. Als empfindsame Person spürt dies Katharina Berkmüller besonders deutlich. Die Gegenwart entschwindet in die Vergangenheit; die Zukunft aber ist noch nicht da. Mittels ihrer Gedichte spricht sie einerseits den Verlust des Bisherigen und anderseits die Ungewissheit in Bezug auf das Künftige an und bewältigt so ihre innere Unruhe. Konkret geht es in den Gedichten um Übergänge wie Morgen – Abend, Tag – Nacht, Alt – Neu, Jahreswechsel, Wochenende, Geburtstage, Konfirmation, Eheschliessung, Sonnenschein – Gewitter, Sommer – Herbst, Zürcher Oberland – Thurgau und schliesslich Leben – Tod. In einem weiteren Sinne zählen wir auch Antagonismen wie Lust – Leid, Armut – Reichtum noch zu dieser Kategorie des Umgangs mit Übergängen.
Ein besonders typisches Beispiel zur Verdeutlichung soll uns genügen. Es zeigt sehr schön, wie sich Katharina an die vergangene Woche erinnert und dafür dankt. Gleichzeitig bittet sie um Verzeihung für begangene Fehler. Eine Art Bilanz. Dann aber beschäftigt sie sich mit der nächsten Woche. Sie nimmt sich vor, geduldig und gottesfürchtig zu leben. Am Schluss schickt sie sich ins Unvermeidliche.