Ernst Trachsler «Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert · Gedichte von Katharina Berkmüller-Stutz

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Ihr literarisches Werk – eine Einordnung

dieser Selbsttrost indessen jederzeit echt und glaubwürdig. Das folgende Beispiel beginnt zunächst mit der Schilderung einer tief depressiven Stimmung, bis dann Zuversicht und Trost einkehren. Empfindungen in trüben Stunden Alles ist so dunkel um mich her, Und der Himmel wölkt sich immer mehr; Winde wehen schauerlich und kalt, Und es heult der Sturm im Tannenwald. Blumen welken, Blätter fallen ab, Sieh dort eines Jünglings frühes Grab; Unter jenem kalten Leichenstein Liegt nur Asche, moderndes Gebein. Was die Zeit gebar, das wird zerstört, Und kein Todter zu uns wiederkehrt; Alles Schöne seh’ ich schnell vergehn, Jede Erdenmacht, wie Staub, verwehn. Warum eilt denn Alles so zum Ziel? Ist des Guten, Schönen doch so viel! Auch der Freund, der’s redlich mit uns meint, Bleibt nur kurze Zeit mit uns vereint. Ach mir tönt wie Klage jeder Laut, Macht mich mit dem Leben so vertraut. Gib zufrieden dich, mein armes Herz, droben wird dir Ruh’ für jeden Schmerz. 149 Weitere Leid-Themen – neben den bereits genannten – sind der bescheidene Lebensstil, das Altern oder Krankheit. Dabei kommt es nicht einmal so sehr darauf an, ob eine eigene oder die Krankheit der Kinder oder des Gatten Sorgen bereiten. Auch die

Beschwerden von Freunden und Bekannten drücken auf die Stimmung. Oft machen wohl der Krankheit Schmerzen Das Leben mir ein wenig schwer. 150 Oder an anderer Stelle: Gottlob ich kann die Betten machen, Kann ordnen alle meine Sachen, Und aus der Kammer gehn! Kann froh den neuen Morgen sehen, Muss nicht am Krankenbette stehen, Wie es so oft geschehn. So will ich mich am guten Tage, den du mir schenkst, befreit von Plage, Mich deiner Huld erfreun. Und kommt, was mir jetzt noch verborgen, Ein dunkler Tag voll banger Sorgen, Lass mich nicht mutlos sein! 151 Der Begriff der Armut taucht zwar nirgends auf. Aber es gibt verschiedene Stellen, wo Katharina den bescheidenen Lebensstil anspricht. Dem Mangel an weltlichen Gütern (kein Reichtum, keine Güter, kein eigenes Haus) stellt sie geistige Werte (Zufriedenheit trotz allem, Zuversicht, Gottvertrauen) entgegen. Aufschlussreich ist die letzte Zeile «Ist’s doch kein selbst geschaffnes Leid». Die Bescheidenheit des eigenen Leben wird als Gottes Entschluss verstanden und mit Demut hingenommen. Mit meinem Los bin ich zufrieden Und danke meinem Gott dafür; Ob er auch wenig mir beschieden, Dünkt’s doch ein grosser Reichtum mir.

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