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Das Magazin der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung I Frühling 2021

Legende

für Lebenswerk geehrt


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EDITORIAL

Geschätzte Leserinnen und Leser An den «Sports Awards» 2020 ehrte SRF vergangenen Dezember die besten Schweizer Athletinnen und Athleten der letzten 70 Jahre. Heinz Frei durfte die Trophäe als «bester paralympischer Sportler» mit nach Hause nehmen. Herzliche Gratulation, lieber Heinz! Seit mehr als drei Jahrzehnten gehört der Solothurner zur Weltspitze und blickt auf unzählige Erfolge zurück. Seine Karriere begann mit viel Pionier­ geist und ist bis zum heutigen Tag geprägt von einer beeindruckenden Beständigkeit und Beharrlichkeit. Heinz Frei gehört international zu den erfolgreichsten Rollstuhlsportlern. Sport ist sein Leben, weshalb er auch mit 63 Jahren noch auf höchstem Niveau mitmischt.

«Wir sind voller Hoffnung – trotz allem» Herausragende Persönlichkeiten haben eine wichtige Vorbildfunktion. Die SPV definiert sich jedoch nicht nur über ihre Leuchttürme. Tagtäglich erbringen wir für unsere Mitglieder Dienstleistungen von hohem Nutzen. Wir bauen Liegen­ schaften um, so dass das geliebte Zuhause

Paracontact I Frühling 2021

auch nach einem Unfall Zuhause bleiben kann. Wir unterstützen bei Rechtsstreitig­ keiten und wir begleiten in Lebensfragen. Die Nachfrage zeigt: Unsere Beratungen sind so gefragt wie noch nie. Wir wissen nicht, wie lange uns die Covid-19-Pandemie noch beschäftigen wird. Diese Unsicherheit ist belastend und kann zusätzliche Ängste und Krisen hervorrufen. Wir sind da für Sie! Wir nehmen die gegenwärtigen Heraus­ forderungen an. Nach der Enttäuschung über die zahlreich abgesagten Wettkämpfe, Ausflüge und Reisen sind wir voller Hoff­ nung, dass Aktivitäten und Veranstaltun­ gen bald wieder möglich sind. Mit viel Elan prüfen wir Alternativen und suchen nach Lösungen, wie sich Anlässe unter den gegebenen Bedingungen realisieren lassen. Das fordert unsere Kreativität und Flexibilität. Wir blicken vorwärts und packen die Chancen, die sich uns zeigen. Herzlichst

Laurent Prince, Direktor

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Kontinenzversorgung


IMPRESSUM

INHALT

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Herausgeberin Schweizer Paraplegiker-Vereinigung Kantonsstrasse 40, 6207 Nottwil Telefon 041 939 54 00 E-Mail spv@spv.ch www.spv.ch Chefredaktorin Evelyn Schmid Redaktion Laurent Prince, Gabi Bucher, Nadja Venetz, Felix Schärer, Roger Getzmann, Tanja Müller, Daniela Vozza, Michael Bütikofer, Tina Achermann Koordination, Grafik, Inserate Tina Achermann Fotos SPV, Titelbild Swiss Paralympic/Daniel Streit, Adobe Stock, Benno Büeler, Alain Herzog, B. Francey, Régis Colombo, PxHere, Team Stirnimann/Jakob/Reichmuth/ Blöchlinger, Harry Suter, Madrisaland, Urs Sigg, Swiss Paralympic/Daniel Streit, Luca Olgiati, Sports Awards, SPS Druck Brunner Medien AG, www.bag.ch Redaktionsschluss Ausgabe Sommer 2021: abgeschlossen Ausgabe Herbst 2021: 14.5.2021 Auflage 8100  Exemplare deutsch 4 250 Exemplare französisch In dieser Publikation wird zur Ver­ einfachung die männliche Form stellvertretend für die weibliche und männliche Formulierung verwendet. Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Namentlich gekennzeichnete Fremdbeiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. Ein Abdruck von unverlangt eingesendeten Manuskripten ist nicht gewährleistet.

Paracontact I Frühling 2021

WIR BEWEGEN AKTUELL  6 PRÄSIDIUM Ein Haus mit vielen Zimmern 8 AUSTAUSCH Eine virtuelle Gemeinschaft 11 NACHGEFRAGT Neutrale Beratungs- und Beschwerdestelle 13 LEBENSBERATUNG BERICHT EINER BETROFFENEN Mit dem Schmerz leben ERNÄHRUNG Gesundes Essen frei Haus RECHTSBERATUNG SOZIALVERSICHERUNGSRECHT Der Unterschied zwischen Unfall und Krankheit

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MEDIZIN UND WISSENSCHAFT SCHMERZEN TEIL 2 Multimodale Schmerztherapie TECHNOLOGIE Das Exoskelett nach Mass

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HINDERNISFREIES BAUEN (M)EIN JAHR BEIM ZHB Ein sinnstiftender Arbeitsalltag

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KULTUR UND FREIZEIT MIT DEN CLUBS UNTERWEGS Idyll am Genfersee 26 IN KÜRZE  29 FREIZEITAKTIVITÄT Unterwegs auf Spurensuche 30 FERIENTIPP Wo Berge sich erheben 33 ROLLSTUHLSPORT WINTER-/SOMMERVERGNÜGEN Erlebnispark auf dem Genussberg 34 IN KÜRZE  36 TENNIS FÜR ALLE Bärenstarkes Tennis 38 FRAUENPOWER IM SPORT Herausforderung Trainingsplanung 39 SERIE 1/4: TOKYO 2020 Die Paralympics 40 SERIE 1/4: ARMEE Sportliche Inklusion 41 FOKUS VERMISCHTES  42 IM GESPRÄCH Nadira Hotz 44 INCLUSION HANDICAP Meldestelle für Opfer von IV-Willkür 47 UNSERE HELFER Vom Buschauffeur zum Buchhalter 49 FÜR SIE DA Marcel Strasser 50

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RUBRIK AKTUELL

LEBENSBERATUNG

SPV-Höck Die SPV bietet in der Uni­ klinik Balgrist regel­mässig Infover­anstaltungen an. Reisen: Öffentlicher Verkehr, Sommer-Freizeitangebote Lebensberatung SPV Mittwoch, 14. April 2021, 15.00 –17.00 Uhr Ein Mitarbeiter der Lebensberatung informiert über Reisen im Rollstuhl und Freizeitangebote im Sommer. Offene Runde: Stammtisch Lebensberatung SPV Donnerstag, 27. Mai 2021, 16.00 –18.00 Uhr Die Gesprächsgruppe «Mit Querschnittlähmung leben» findet monatlich statt und diskutiert und informiert jeweils über verschiedene Themen. Interessierte treffen sich im Restaurant der Uniklinik Balgrist. Allfällige Änderungen entnehmen Sie unserer Webseite spv.ch.

117 DIE ZAHL

… Sportler gehören dem Kader 2021 an. Von diesen 117 sind 63 Athleten in einem Fördergefäss von Rollstuhlsport Schweiz. Rollstuhlsport Schweiz gratuliert allen Sportlerinnen und Sportlern zu dieser grossar­tigen Leistung! 6

AUS DEN CLUBS

Tessiner Clubs bauen aus Die beiden Tessiner Clubs GPT und In­ superAbili spannen zusammen und or­ ga­nisieren ein monatliches Multisport­ training für Kinder und Jugendliche im Schulalter (6 bis 18 Jahre).

Dieses neue Angebot wird mit einem Po­ werchair-Hockey-Training kombiniert. Mit einem Tag der offenen Tür führt GPT das Fechten ein; eine Disziplin, die Insuper­ Abili bereits in Lugano mit grossem Erfolg anbietet. Ebenfalls neu organisiert GPT Yoga-Lektionen, um nicht nur den Körper, sondern auch den Geist zu stärken. Insu­ perAbili seinerseits startet mit einem regel­ mässigen Boxtraining. Bereits an den Ta­ gen der offenen Tür war Boxen sehr beliebt. Alle Neuigkeiten, die Daten der Sporttage und der regelmässigen Aktivitäten veröf­ fentlichen die Clubs neu in einem gemein­ samen Bulletin, das halbjährlich erscheinen wird.

ÖV

Bahnhof Fribourg Der Bahnhof Fribourg wird zwischen 2021 und 2024 modernisiert und ausgebaut. Un­ ter anderem werden die Perrons erhöht, da­ mit der selbstständige Zu- und Ausstieg für Menschen mit Be­hin­derungen möglich ist. Die Pläne wiesen jedoch ein Manko auf: Für die Rampen war eine Steigung von 12 Pro­zent geplant. Aufzüge zu den Bahnsteigen waren keine vorgesehen. Dagegen wehrte sich der RC Fribourg gemeinsam mit Pro Infirmis, Inclusion Handicap und zahlreichen Privat­ personen. Die SPV unterstütz­te die Beschwer­ deführer mit einem Schreiben. Die Gegner des Projekts erzielten einen grossen Erfolg: Die SBB sicherten zu, vier Lifte einzubauen. Aktuell setzt sich Inclusion Handicap für Ver­ besserungen am Bahnhof Bern ein. Mehr dazu www.inclusionhandicap.ch

BREITENSPORT

Support your Sport Die Migros unterstützt die Schweizer Sportvereine. Kunden erhalten ab einem Einkauf von 20 Franken einen Bon, den sie für ein Sportprojekt einlösen kön­nen. Je mehr Bons ein Projekt erhält, umso höher der Förderbeitrag. Folgende Rollstuhlclubs haben bis Redaktionsschluss Projekte eingereicht: Lucerne Sharks (Powerchair Hockey), RC St. Gallen, RC Zürich Oberland, Iron Cats Zürich (Powerchair Hockey), Zeka-Rollers Aargau (Powerchair Ho­ckey), GP Ticino, CFR Valais Romand, SPOCAP Unterstützen Sie die Clubs und lösen Sie Ihre Bons ein auf migros.ch/sport. Paracontact I Frühling 2021


SPV

ZENTRALVORSTAND

Vielen Dank, Thomas Schneider

Zentralfest Das Zentralfest findet voraussichtlich am 9. Oktober 2021 in Nottwil statt. Wir erarbeiten gegenwärtig ein Konzept für die Veranstaltung und evaluieren stetig, unter welchen Voraussetzungen wir den Anlass durchführen können. Reservieren Sie sich bereits heute das Datum. Anmelden können Sie sich zu gegebenem Zeitpunkt über unsere Webseite.

Per Ende 2020 verabschiedete sich Tho­ rungen aus den letzten 20 Jahren erhalten mas Schneider aufgrund der Amtszeit­ blieben. Von 1999 bis 2019 stand er zudem begrenzung aus dem Zentralvorstand. dem Rollstuhlclub Bern als Präsident vor. Dadurch war er bestens vertraut mit den Seit 1999 engagierte er sich hier und am­ Anliegen der Rollstuhlclubs und unserer tete von 2001 bis 2019 als Vize-Präsident. Mitglieder. Als Philippe Moerch sein Amt als Präsident nicht antreten konnte, führte er gemeinsam Lieber Thomas, wir danken dir herzlich mit Olga Manfredi die SPV im Co-Prä­­si­ für deinen wertvollen Einsatz bei der SPV dium. Thomas Schneider ist es zu verdan­ und wünschen dir auf deinem weiteren ken, dass all das Wissen und die Erfah­ Weg nur das Beste.

NEUE MITARBEITENDE

Sandra Rodriguez

Angela Fallegger

Konrad Arnosti

Claude Siegenthaler

Sandra Rodriguez ergänzt seit November 2020 das Team des Instituts für Rechtsberatung in Biel. Sie studierte Recht an der Universität in Lausanne und absolvierte anschliessend ein Praktikum in einer Neuenburger Kanzlei. Im September 2020 legte sie erfolgreich ihre Anwaltsprüfungen ab.

Seit Februar ist Rollstuhlfahrerin Angela Fallegger im Aussendienst der Lebensbe­ ratung tätig. Als dipl. Pflegefachfrau arbeitete sie in der Langzeitpflege und bildete sich im Bereich Psychiatrie weiter. Im ParaForum, dem Besucherzentrum des SPZ, schlüpfte sie in die Rolle einer der vier Bewohner und lieh «Sarah» ihr Gesicht.

Im Januar stiess Konrad Arnosti zum Aussendienst. Der gelernte Maurer war Werkhofleiter einer Bauunternehmung und später Inhaber und Geschäftsführer einer Bodenfirma, die er nach seinem Unfall verkaufte. Danach wirkte er beim Aufbau der Tochterfirma einer grossen Bauunternehmung mit.

Seit November 2020 unterstützt Claude Siegenthaler mit dem Fokus Westschweiz die Abteilung Kultur und Freizeit. Im Seeland aufgewachsen, zog er 2011 nach Visp ins Wallis. An der Hochschule für Wirtschaft und Tourismus in Siders studierte er Betriebsökonomie. Zuletzt war er bei der Blatten-­Belalp Tourismus AG tätig.

Rechtsanwältin

Frische Luft Sandra Rodriguez begeistert sich für zahlreiche Outdoor-­ Aktivitäten und geniesst gerne die Natur. Am liebsten sitzt sie dabei auf dem Rücken eines Pferdes. Paracontact I Frühling 2021 2021

Lebensberatung

Grenzen ausloten Wasser ist Angela Falleggers Element und sie verbringt gerne Zeit beim Segeln oder Wakesurfen. Auch Klettern ist eine Leidenschaft.

Lebensberatung

Harley Davidson Seit jeher mag er die Kultmotorradmarke und braust heute auf dem Trike über die Strassen. Mit seiner Familie geniesst er «la dolce vita» im eigenen Haus in Italien.

Kultur und Freizeit

Der Ball rollt Claude Siegenthaler spielt seit 20 Jahren mit viel Begeisterung Rollstuhlbasketball. Weitere Hobbys sind Schwimmen, Handbike und Städtereisen. 7


WIR BEWEGEN

PRÄSIDIUM

Ein Haus mit vielen Zimmern

Die Delegiertenversammlung 2020 wählte Olga Manfredi zur Präsidentin und der Zentralvorstand ernannte Annick Meystre zur Vize-Präsidentin. Ein Gespräch mit Olga Manfredi macht deutlich, wohin die Reise der SPV gehen soll.

Von Nadja Venetz

Mit Olga Manfredi als Präsidentin und Annick Meystre als Vize-Präsidentin ste­ hen erstmals zwei Frauen an der Spitze des Verbands. Macht das überhaupt einen Un­ terschied? Das Amt der Präsidentin und der Vize-Präsidentin mit Frauen zu beset­ zen, ist Ausdruck eines Kulturwandels in­ nerhalb der SPV, der klar gewünscht wur­ de. «Ich finde es wichtig, dass auch Frauen in der SPV nach aussen repräsentiert wer­ den», führt Olga Manfredi aus. «Für mich persönlich hatte die SPV zu lange kein Ge­ sicht für uns Frauen. Auf frauenspezifische Fragen habe ich hier anfänglich keine Ant­

wort gefunden.» Frauen sind anders von Querschnittlähmung betroffen, sei es in Fragen der Versicherung, der Familienpla­ nung, der Haushaltsführung usw. Hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan.

nationskommission bei der Schweizer Pa­ raplegiker-Stiftung und als Stiftungsrätin bei Swiss Paralympic ein. Als Präsidentin trägt Olga Manfredi jedoch die Hauptver­ antwortung.

Aufgabenteilung Olga Manfredi und Vize-Präsidentin An­ nick Meystre pflegen einen intensiven Aus­ tausch. Die diversen repräsentativen Auf­ gaben ha­ben sich die beiden aufgeteilt. Olga Manfredi vertritt die SPV bei Inclu­ sion Handicap. Annick Meystre bringt die Anliegen der SPV als Mitglied der Nomi­

Generationenwechsel Die SPV befindet sich in einem wichtigen Veränderungsprozess. Mit neu­en Köpfen kommen neue Themen zur Sprache. «Wir müssen unsere Mitglieder breiter abbilden. Wir haben tausende von stillen Heldinnen und Helden», meint Olga Manfredi. Die grosse Mehrheit der Querschnittgelähm­ ten steht nicht im Rampenlicht, ist die Präsidentin überzeugt. «Ich glaube, wir müssen die Leute aus den Schneckenhäu­ sern rauslocken. Da ist viel Potenzial vor­ handen.» Weniger wertend, weniger er­ folgs­orientiert, weniger hierarchisch, son­dern auf Augenhöhe und das Soziale im Zentrum, so wünscht sich Olga Manfredi die SPV. «Das entspricht auch meinem We­ sen, und so sehe ich meine Rolle als Prä­ sidentin. Ich suche den Austausch, mit al­len.» Dabei ist es wichtig, die Querschnittgelähmten in ihrer persönlichen Vielfalt abzuholen. «Es muss uns gelingen, eine 75-Jährige, die im gesetzten Alter in den Rollstuhl kommt, genauso zu gewin­ nen wie einen 20-Jährigen.»

Präsidentin Olga Manfredi

Eingespielt Bereits nach wenigen Monaten fällt auf, dass die neue Präsidentin oft in Nottwil ist. Eine ganz bewusste Entscheidung. «Es ist 8

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mein persönlicher Anspruch, bei der Füh­ rung und den Mitarbeitenden präsent zu sein», erklärt Olga Manfredi. Die Zusam­ menarbeit mit Direktor Laurent Prince ha­be sich innert Kürze gut eingespielt. Olga Manfredi möchte, dass man nicht nur sie als Präsidentin spürt, sondern auch den gesamten Zentralvorstand. «Mir ist wichtig, dass man sieht, wir sind eine neue Crew, wir wollen anpacken, wir wollen vor­ wärts gehen.» Ganz im Bewusstsein, dass der Zentralvorstand die Aufgaben über­ nimmt, die ihm statuarisch übertragen wurden und sich nicht in operative Ge­ schäfte einmischt. Die Trennung der Zu­ ständigkeiten ist hier ganz klar. Kontakte in die Clubs Austausch und Kommunikation sind weg­ weisend in der neuen Strategie. Die ganze SPV bewegt sich mehr hin zu den Sektio­ nen. Das ist aber nicht nur die Aufgabe der strategischen Führung, sondern auch des operativen Teams. Der Dialog zwischen Vize-Präsidentin Annick Meystre

glieder sollen sich gerne an die SPV wen­ den, weil sie wissen, dass sie willkommen sind, dass Know-how vorhanden ist und dass sie Unterstützung erhalten. Die le­ bens­lange Begleitung, die wir uns auf die Fahne schreiben, muss erlebbar und keine leere Floskel sein.» Wie die SPV allen Al­ tersgruppen, allen Sprachregionen und In­ teressen gerecht wird, soll in nächster Zeit erarbeitet werden. Die Strategieworkshops mit den Clubs waren ein erster Schritt in diese Richtung. Olga Manfredi ist sich aber sicher: «Präsenz braucht kein konkretes Projekt.» Gesamtgesellschaftlich hat das Vereinsle­ ben an Bedeutung verloren. «Ich kenne per­ sönlich einige, die nicht in einem Verein aktiv sein möchten und das ist vollkom­ men in Ordnung.» Die Clubs deswegen aufzulösen, sei aber keine Option. «Gera­ ­de für Leute, die die Tendenz haben, sich zu isolieren, ist der Verein eine wertvolle Stütze. Aktuell merke ich in unserem Club wegen der Pandemie enorm, wie vielen der persönliche Kontakt zueinander fehlt.» Dass sich die Clubs mit grossen Heraus­ forderungen konfrontiert sehen, erlebt die Präsidentin des RC Zürich-Oberland sel­ ber: «Unser Club ist wie ein Sechs-Zim­ mer-Haus mit vier Sportarten, den Leuten, die keinen Sport machen, aber an unsere Anlässe kommen, und den Mitgliedern, von denen wir nie etwas vernehmen. Als Verein bilden wir das Dach, unter dem wir allen gerecht werden sollten. Bei der SPV ist die Herausforderung noch grösser, das Haus noch viel umfassender.»

den Clubs, dem Zentralvorstand und den Mitarbeitenden soll sich intensivieren. «Als ich unter Werner Waldispühl Mit­ glied wurde, habe ich eine sehr warme, fa­ miliäre SPV erlebt. Ich will nicht zurück zu alten Zeiten, aber diese Willkommenskul­ tur möchte ich wiederherstellen.» Die Mit­ Paracontact I Frühling 2021

Künftige Ausrichtung «Wir sind die SPV», soll die Losung der Zu­kunft sein. «Wir», das sind die einzel­ nen Mitglieder, die Rollstuhlclubs, die Mit­ arbeitenden und der ZV. Damit dieses Ge­ meinschaftsgefühl entsteht, sind alle, auch die Sektionen, gefordert. Dabei sollen die Clubs vom Verband die nötige Unterstüt­ zung erhalten, beispielsweise im Bereich der Adressverwaltung oder der Buchhal­ tung. Dabei könnten Clubs zusammenar­ beiten, ein versiertes Vorstandsmitglied die Buchhaltung für mehrere Clubs machen, so dass vorhandene Kompetenzen und Sy­ nergien sinnvoll genutzt werden. Enga­

gier­te Vorstände sind da eine Grundvor­ aussetzung. «In jeder Generation gibt es Leute voller Tatendrang und es gehört et­ was Glück dazu, diese zu finden. Ab und zu muss man geeignete Personen direkt an­ fragen und ihnen dann Raum geben, um auch neue Wege zu gehen. Ich wünsche mir für die Clubs, dass sie diesen Mut haben und offen sind für Veränderung.» Familienbande Auch der Austausch innerhalb der SPG wird wieder intensiver gepflegt. Olga Man­ fredi sieht vor, der Stimme der SPV mehr Gewicht zu verleihen: «Ich wünsche mir, dass die Rolle der SPV intensiver wahrge­ nommen wird. Wir sind das Sprachrohr der Betroffenen innerhalb der Gruppe. Die­ se Perspektive muss an Bedeutung gewin­ nen. Wir sollten als Schwester- und nicht als Tochter- oder Partnerorganisation an­ gesehen werden. Die Analogie zur Familie passt sehr gut. Jeder lebt sein eigenes Leben und trotzdem sind wir eine Familie. Wo es Sinn macht, spannen wir wie Schwes­tern auf Augenhöhe zusammen.» Lobbying Immer wieder wird gefordert, die SPV sol­ le in der nationalen Politik mitmischen. Olga Manfredi vertritt die Querschnitt­ gelähmten bei Inclusion Handicap, dem Dach­verband der Behindertenorganisa­ tionen. Diese gemeinsame Stimme sei we­ sentlich, glaubt Olga Manfredi. «Es gibt nicht nur ein bisschen Gleichstellung, so wie man nicht nur ein bisschen schwanger sein kann. Gerade auf Bundesebene müs­ sen wir uns mit den anderen Behinderten­ organisationen an einen Tisch setzen. Wir können nur eine Behindertenpolitik ma­ chen und nicht fünf verschiedene.»

Auf kantonaler Ebene sehe es anders aus. Öffentlicher Verkehr, Bildung, Baugesetz­ gebung, Gesundheitsversorgung: Viele zen­ trale Bereiche werden kantonal geregelt. Fehlen hier regionale Lobbystrukturen, kann sich Olga Manfredi vorstellen, dass die SPV die Clubs unterstützt, um diese auf­ zubauen. «Die Clubs sollen spüren, dass wir ihnen auch in diesem Bereich unter die Arme greifen», hält Olga Manfredi fest. «Wir wollen die Stimme der Betroffenen sein, auch auf politischer Ebene.» 9


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WIR BEWEGEN

AUSTAUSCH

Eine virtuelle Gemeinschaft Sich austauschen, eigene Erfahrungen weitergeben, die Einschätzung anderer einholen. Die Schweizer Paraplegiker-Forschung bietet eine Onlineplattform für die Kommunikation unter Betroffenen. Von Nadja Venetz

In Workshops mit den Rollstuhlclubs kam ein Anliegen mehrfach zur Sprache: Die Mit­glieder wünschen sich eine digitale Platt­form, um sich orts- und zeitunabhän­ gig untereinander auszutauschen. Bis Ende 2017 betrieb die SPV zu diesem Zweck ein eigenes Onlineforum. Dieses wurde danach in die Community der Schweizer Paraple­ giker-Forschung integriert. Hier finden Querschnittgelähmte, Angehörige und Freunde ein offenes Ohr, Tipps und Rat­ schlä­ge. Die virtuelle Gemeinschaft unter seinesgleichen gibt Halt. Userin «Cucusita» möchte die Community nicht missen: «Die Online-Community ist für mich ein er­ wei­tertes Familienmitglied geworden. Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft und tei­ len Schönes und Trauriges, immer be­ müht, das Positive nicht aus den Augen zu verlie­ren. Zu wissen, dass ich mit meiner Querschnittlähmung nicht alleine bin, gibt mir ein Gefühl der Zugehörigkeit und ein Stück Geborgenheit.» Die Community bie­tet jedoch nicht nur ei­ne emotionale Stütze, sondern auch prak­ tische Hilfe. Als eine Userin sich erkundig­ ­te, welche Schweizer Städte sie mit ihrer querschnittgelähmten Freundin bereisen soll, erhielt sie zahlreiche Hinweise auf bar­ rierefreie Ausflüge, Hotels und Restaurants. Mitmachen Eine Online-Community lebt nur dann, wenn sich die Mitglieder aktiv beteiligen. Über 1100 Mitglieder zählt die Community bis heute. Haben Sie eine Frage? Beschäf­ tigt Sie ein Thema, das Sie mit Betroffenen besprechen möchten? Oder möchten Sie anderen mit Ihrem Erfahrungsschatz zur Paracontact I Frühling 2021

Seite stehen? Registrieren Sie sich und ge­ stalten Sie die Community aktiv mit. Ihre Geschichte ist wertvoll und hilft anderen. Ihr Anliegen bleibt anonym und Ihre Da­ ten sind geschützt. Im Vergleich zu Social Media wählen Sie Ihren Nutzernamen sel­ ber und lassen so keine Rückschlüsse auf Ihre Person zu. Die Foren sind moderiert. Alle Beiträge werden geprüft; unqualifi­ zierte oder falsche Informationen werden entfernt oder richtiggestellt. Ein klares Re­ gelwerk sorgt für eine respektvolle Kom­ munikation. Forum Insgesamt bietet die Community Foren zu vier verschiedenen Themen. In «Leben mit Querschnittlähmung» findet alles Alltäg­ liche Platz. Unter «Rehabilitation und The­ rapie» stehen gesundheitliche Aspekte im Fokus. Mit welchen Therapieformen Sie gute Erfahrungen gemacht haben, interes­ siert auch andere. Unter «Hilfsmittel und Technologie» tauschen sich die Mitglieder über ihre Hilfsmittel aus; von kleinen Gad­ gets bis hin zu komplexen Konstruktio­ nen. Das vierte Forum ist der Marktplatz. Was nicht mehr benötigt wird, sucht hier einen neuen Besitzer. Und wer sucht, fin­ det vielleicht eine neue Wohnung oder ein Sportgerät. Zusätzlich zu diesen vier öffent­ lichen Foren gibt es einen geschlossenen Bereich, den nur registrierte Nutzer einse­ hen können. Hier wird diskutiert, was nur für einen kleinen Kreis bestimmt ist. Fragen an Experten Die Community will primär den Dialog un­ter den Betroffenen und ihren Angehö­ rigen fördern. Doch nicht alle Fragen kön­

nen von den Mitgliedern auch beantwortet werden. Gewisse medizinische Anliegen for­dern die Einschätzung eines Experten. Nutzer haben die Möglichkeit, kostenlos Fragen an eine Fachperson zu richten. Dr. Online antwortet so rasch als möglich.

Antworten auf allerlei Fragen bietet auch das ausführliche Wiki. Ein Blog mit span­ nenden Artikeln komplettiert das Angebot. Die Community verändert sich stetig, um sich den Bedürfnissen der Nutzer anzu­ pas­sen. Vermissen Sie etwas? Das Team der Com­munity freut sich über Ihre Vor­ schläge: community@paraplegie.ch.

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Paracontact I Frühling 2021


WIR BEWEGEN

NACHGEFRAGT

Neutrale Beratungsund Beschwerdestelle Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung hat per 1. November 2020 eine Ombudsstelle eingerichtet. Benno Büeler leitet diese neutrale Anlaufstelle und erklärt, was es damit auf sich hat. Von Nadja Venetz

das zu Frust und Ohnmacht. Ich traue mich vielleicht nicht, mich zu wehren, weil ich fürchte, dass mir Leistungen verwehrt wer­ den oder ich anderweitig für meine Be­ schwerde sanktioniert werde. Die Ombuds­ stelle hingegen ist neutral. Ich habe als Querschnittgelähmte eine negative Erfahrung gemacht. Wie gehe ich vor? Es ist wichtig, dass Sie sich zuerst an die entsprechende Institution wenden, bevor Sie mich kontaktieren. Erreichen Sie keine bilaterale Lösung, rufen Sie mich an oder schreiben mir eine E-Mail. Gemeinsam be­ sprechen wir, wie wir das Problem lösen und welche Schritte nötig sind. Das Statut sowie meine Kontaktan­ga­ben finden Sie auf der Website der Ombudsstelle. Was geschieht mit meiner Meldung? Ich melde der Schweizer Paraplegiker-Stif­ ­tung lediglich zurück, wie viele Meldungen ich pro Jahr erhalten habe und wie viele Fälle ich lösen konnte. Die Inhalte bleiben vertraulich.

Für wen ist die Ombuds­stelle da? Alle Menschen mit Querschnittlähmung und ihre Angehörigen können sich an mich wenden. Für Mitarbeitende hingegen bin ich nicht zuständig. Was ist die Aufgabe der Ombudsstelle und was ist Ihre Funktion? Wer mit einer Leistung einer der Gesell­ schaften der Schweizer Paraplegiker-Grup­ ­pe unzufrieden ist oder sich ungerecht be­ handelt fühlt, darf mich kontaktieren. Ich höre den Betroffenen zu, versuche zu ver­ stehen, was das Problem ist. Dann erarbei­ ten wir gemeinsam eine Lösung. Bei Bedarf mache ich Abklärungen und ver­mitt­le, Paracontact I Frühling 2021

wenn die Fronten bereits verhärtet sind. Ich bin allerdings kein Friedensrichter. Al­ lenfalls weise ich die Person an Fach­leute weiter, zum Beispiel bei rechtlichen Fragen oder wenn ich psychische Proble­me ver­ mute. Informationen gebe ich aber nur un­ ter Einwilligung der betreffenden Person heraus. Alles, was wir besprechen, unter­ steht dem Berufsgeheimnis. Weshalb braucht es eine solche Stelle? Das Leben als Querschnittgelähmter und auch als Angehöriger ist voller Herausfor­ derungen. Wenn ich mich von einer Ins­ titution, von der ich erwarte, dass sie für mich da ist, nicht verstanden fühle, führt

Sie leiten die Ombudsstelle. Wie kam es dazu und was motiviert Sie? Die SPS hat mich angefragt. Vor meiner Pensionierung war ich als (Religions)Leh­rer tätig und in der Seelsorge aktiv. Da braucht es feine Antennen und viel Empa­ thie. Zuhören, beraten, vermitteln, schlich­ ten – das sind Qualitäten, die ich in meiner damaligen Arbeit, aber auch in meiner jetzigen Funktion als Gemeindepräsident benötige. Es ist mir stets ein Anliegen, alle Parteien anzuhören. Der Mensch steht bei mir im Zentrum. An Religionstagen be­ such­te ich mit den Jugendlichen regelmäs­ sig das SPZ, um sie mit Menschen in Kon­ takt zu bringen, die schwierige He­rausfor­derungen meistern und trotz Schicksals­ schlag ein glückliches Leben führen kön­ nen. Diese Begegnungen waren nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für mich sehr wertvoll. Ich freue mich, dass ich mich nun in anderer Funktion für Quer­ schnittgelähmte einsetzen darf. Kontakt Ombudsstelle Telefon 041 448 34 84 ombudsstelle-paraplegie@bluewin.ch www.paraplegie.ch/ombudsstelle 13


LEBENSBERATUNG LEBENSBERATUNG

BERICHT EINER BETROFFENEN

Mit dem Schmerz leben Wenn Schmerzen allgegenwärtig werden, sind die psychosozialen Folgen oft katastrophal. Aber es gibt Lösungen. Ein Mitglied der SPV berichtet. Von Jeanne Rüsch, Sozialarbeiterin, HES

In der letzten und der aktuellen Ausgabe des Paracontact hat uns Dr. Gunther Land­ mann in die multimo­dale Schmerzthema­ tik eingeführt. Laut einer aktuellen Umfra­­ge (SwiSCI-Studie) sind 74% der Querschnittgelähmten in der Schweiz täglich mit Schmerzen konfrontiert. Dies zeigt sich auch in unserem Bereich «Lebensberatung». Wir begleiten regelmäs­ sig Menschen, welche mit diesem Problem zu kämpfen haben. Für einige sind die Schmerzen so gross, dass sie mit der Zeit ihr gesamtes Leben negativ beeinflussen. Wir sehen aber auch immer wieder, wie beharrlich und mutig sich diese Menschen der Situation stellen und tagtäglich versu­ chen, ihre Schmerzen in den Griff zu be­ kommen. So auch Nasrine, welche seit Jah­ ren mit sehr starken Schmerzen kämpft. Bis heute hat noch keine therapeutische Massnahme eine signifikante Linderung erbracht. 14

Wie es dazu kam Nasrine erinnert sich noch gut an den Tag, an dem alles begann: Es ist der 18. Novem­ ber 1993 um 20.00 Uhr. Nasrine ist 14 Jah­ re alt. Sie hat unerträgliche Schmerzen, die in den ganzen Rücken ausstrahlen. Als sie auf dem Parkplatz des Spitals in Sion aus dem Auto ihrer Mutter steigt, um sich in die Notaufnahme zu begeben, kann sie kaum noch gehen. Sie wird hospitalisiert. Vier Wochen später wird sie für weitere ein­einhalb Monate ins Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV) verlegt. Hier fällt die Diagnose: Entzündung des Rücken­ marks im Bereich der Halswirbelsäule, die eine spastische Tetraplegie verursacht.

Nach einem weiteren Aufenthalt im Spital in Sion kehrt Nasrine nach Hause zurück, wo sie mit ihrer Mutter und ihren beiden Brüdern lebt. Es beginnt eine lange Zeit der Rehabilitation. Unzählige Physio- und Er­ gotherapiebehandlungen folgen, gleichzei­

tig beendet sie ihre obligatorische Schul­ zeit. Ihre Emotionen sind spürbar, wenn sie erzählt von den Anstrengungen, welche diese Erkrankung ihr abverlangt hat und von ihrem Willen, ein Maximum an Mobi­ lität zurück­zugewinnen. Vorübergehende Heilung Nach der obligatorischen Schulzeit absol­ viert Nasrine eine zweijährige Anlehre am «Institut de Notre-Dame de Lourdes» in Sierre, einem Kompetenzzentrum in den Bereichen Pädagogik, Therapie und Reha­ bilitation für junge Menschen zwischen 4 und 18 Jahren. Anschliessend findet sie eine Lehrstelle in der Region bei einem Un­ ternehmen, das sich auf den Verkauf von Teppichen spezialisiert hat, und absolviert dort erfolgreich ihren Abschluss als Innen­ dekorateurin. Nasrine erinnert sich mit grosser Freude an diese Zeit in ihrem Le­ ben, an das Glück darüber, ihre Lehre ab­ geschlossen zu haben und an die Zufrieden­ Paracontact I Frühling 2021


heit ihres Arbeitgebers mit ihrer Arbeit. Und sie erinnert sich auch daran, dass sie damals keine Schmerzen hatte. Rückfall bringt das Paar in Gefahr 2004 heiratet sie und zieht einige Jahre spä­ ­ter nach Zürich, wo ihr Mann eine Stelle gefunden hat. Leider nehmen aber ein Jahr nach diesem schönen Ereignis die Schmerzen wieder zu, werden immer stär­ ker und beeinträchtigen Nasrines Alltag noch zusätzlich zu den bereits bestehen­ den Einschränkungen durch die inkom­ plette Tetraplegie. Das brennende Gefühl strahlt mittlerweile in den ganzen Körper aus. Nur die eine Hälfte ihres Gesichts bleibt verschont.

Das Paar kehrt 2013 ins Wallis zurück und erwirbt eine schöne Wohnung im Herzen eines kleinen Winzerdorfes. Die Jahre ver­ gehen. Trotz der Harmonie zwischen den beiden beeinflussen die gesundheitlichen Paracontact I Frühling 2021

Probleme zusehends das Eheleben auf ne­ gative Weise. Nasrine hat grosse Schwie­ rigkeiten, sich zu bewegen und muss jedes Mal begleitet werden, wenn sie das Haus verlässt. Der Zufahrtsweg zu ihrem Wohn­ haus ist viel zu steil, es wäre gefährlich, diesen allein zu bewältigen. Sie fühlt sich immer mehr gefangen in ihrer Wohnung und ist völlig abhängig von ihrem Mann. Er seinerseits wird durch seine Arbeit, den Haushalt, das Einkaufen, das Kochen und die Pflege seiner Frau bis zur Erschöpfung gefordert. Trotz ihrer Liebe und des Wun­ sches, zusammenzuhalten, werden Span­ nungen spürbar. Suizidgedanken und De­ pressionen kommen dazu und erschweren die Situation zusätzlich.

menarbeit vertraut uns Nasrine an, wie glücklich und erleichtert sie ist, von ihrer Anwesenheit profitieren zu dürfen.

Lichtblick am Horizont Am 25. September 2017 treffen wir Nas­rine zum ersten Mal. Sie vertraut uns ihre Schwie­rigkeiten an, und wir stellen mit grosser Betroffenheit fest, wie sehr sie durch ihre gesundheitlichen Probleme leidet und eingeschränkt ist. An manchen Tagen sind die Schmerzen so stark, dass sie alles da­ für geben würde, sich eine Stunde Gesund­ heit kaufen zu können. Und Nasrine erzählt uns auch von ihrem Mann, den sie in all seinen Aufgaben so gern mehr unterstüt­ zen würde.

Dank der wertvollen Hilfe, Unterstützung und Freundlichkeit dieser Frauen habe sie ihren Platz in der Familie wieder gefunden, vertraut uns Nasrine an. Bereits die blosse Tatsache, dass sie beim Einkaufen oder beim Besuch ihrer Angehörigen begleitet wird, bedeutet ihr sehr viel. Aber vor allem ist sie nicht mehr nur auf ihren Mann angewie­sen, wenn sie etwas braucht. Ein Anruf bei Myriam genügt und schon ist alles organisiert. Und ihre Anwesenheit tue ihr sehr gut, meint Nasrine, vor allem, wenn ihr Mann berufsbedingt tagelang abwesend sei. Er müsse sich jetzt keine Sorgen mehr machen um sie, und sie habe jetzt nicht mehr das Gefühl, sie falle ihm zur Last. Die Freude am gemeinsamen Leben ist zurück, sie konnten das Gleich­ gewicht in ihrer Ehe wiederherstellen. «Die Schmerzen kann ich nicht vergessen», sagt Nasrine, «aber die Unterstützung, die ich erhalte, hilft, sie wenigstens für ein paar Stunden beiseite zu legen».

Gemeinsam leiten wir bei der IV schnell die notwendigen Schritte ein, damit sie zu­sätzlich zu ihrer vollen Invaliditätsrente ei­ne Hilflosenentschädigung und einen Assistenzbeitrag bekommt. Das würde ei­ nen Teil der Probleme lösen. Und wir schla­ gen ihr vor, der SPV beizutreten, damit sie deren Leistungen vollumfänglich in An­ spruch nehmen kann. Alles geht sehr schnell und einige Wochen später treffen die positiven Entscheide der IV ein. Nasrine macht sich unverzüglich da­ran, die nötigen Schritte einzuleiten. Da­ bei kann sie auf die wertvolle Unterstüt­ zung von Herrn Cicero der «Association intercommunale ADom» zählen. Er ko­ ordiniert die Umsetzung des Assistenzbei­ trages und bringt Nasrine in Kontakt mit sehr kompetenten Mitarbeitenden. Am 24. Dezember 2017 unterzeichnen Nasrine und Sandra den ersten Arbeitsvertrag. Ei­ nige Tage nach dem Beginn ihrer Zusam­

Zeit für eine Bilanz Am 22. Dezember 2020 treffen wir Nasrine und ihren Mann zu Hause, um diesen Ar­ tikel zu schreiben. Seit der Vertragsunter­ zeichnung mit Sandra sind genau drei Jahre vergangen. Zwei weitere Mitarbeite­ rinnen, Myriam und Isabelle, wurden ein­ gestellt. Nasrine nutzt die Gelegenheit, um allen drei von ganzem Herzen zu danken.

«Ohne diese Unterstützung wäre alles viel schwieriger.»

Abschliessend möchte Nasrine festhalten, dass es bei einer schweren Krankheit wich­­tig sei, die von den Patienten ange­ sprochenen Schmerzen ernst zu nehmen. An­dern­­falls könnten diese Menschen das Vertrauen verlieren und sich so noch mehr isolieren. Informationen zum Assistenzbeitrag Lebensberatung der SPV Telefon 041 939 54 00 oder bei www.proinfirmis.ch (Rechtsratgeber) 15


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LEBENSBERATUNG

ERNÄHRUNG

Gesundes Essen frei Haus Wie ernähre ich mich gesund, ohne grossen Aufwand zu betreiben? Ein Mahlzeitendienst kann Abhilfe schaffen. Von Gabi Bucher

Aufwand für sich alleine nicht betreiben will? Denn Essen ist durchaus auch ein soziales und gesellschaftliches Ereignis. Wenn diese soziale Komponente wegfällt, fällt oft auch die Motivation weg, zu kochen bzw. richtig zu essen. Dann wird auf un­ gesunde Schnellvarianten zurückgegriffen oder man isst gar nicht mehr. Manchmal kann die Bewältigung des Alltags so an­ strengend sein, dass die Kraft fehlt, ein­ kaufen zu gehen, oder den Angehörigen ist es nicht möglich, sich darum zu kümmern.

Für all diese Probleme gibt es eine Lösung, eine Möglichkeit, sich ab und zu verwöh­ nen zu lassen und sich gesund zu ernähren: Gutes und ausgewogenes Essen steigert die transportieren. Aber auch Untergewicht Der Mahlzeitendienst! Es finden sich un­ Lebensqualität. Aber schnell hat man ein und die damit oft einhergehende Mangel­ zählige Angebote im Netz, viele davon sind paar Kilos zu viel. Rollstuhlfahrer haben ernährung sind problematisch. Zum einen regional. Wir stellen Ihnen ein paar vor, im Vergleich zu Fussgängern einen um 25% steht dem Betroffenen nicht ausreichend welche schweizweit ihre Dienstleistungen reduzierten Energieverbrauch. Der Bedarf Energie zur Verfügung, um durch den Tag anbieten. an Vitaminen und Mineralstoffen bleibt je­ zu kommen. Zum anderen besteht auch doch derselbe. hier ein erhöhtes Risiko von Druckstellen, Rösti, Risi Bisi oder Rindfleischda durch das geringe Körperfett der «Pols­ bällchen Übergewicht im Rollstuhl führt häufig ter­effekt» entfällt. Zudem ist die Verdauung «Menu Casa» liefert schweizweit per Post zu Kreislaufproblemen und erhöhtem Ri­ zu berücksichtigen, die durch schlechte nach Hause. Die angebotenen Menüs wer­ den gleich nach der Herstellung schock­ siko von Druckstellen. Die Mobilität wird Ernährung negativ beeinflusst wird. gefroren und lassen sich bis zu fünf Tage erschwert, die ohnehin schon belastete im Kühlschrank aufbewahren. Das Essen Schulterpartie muss ein Mehr an Gewicht Diverse Kochhilfen Gesund ernähren heisst gesund zu kochen. wird auf einem Teller geliefert und kann Aber was, wenn kochen nicht wirklich ei­ne im Backofen oder in der Mikrowelle er­ ERNÄHRUNGSTIPPS Lieblingsbeschäftigung ist? Oder man den hitzt werden. Die Lieferung der am Vortag Orientierung für eine gesunde aufgegebenen Bestellung erfolgt zwischen Ernährung bietet die Lebens9.00 Uhr und 12.00 Uhr. Es gibt über 40 mittelpyramide (siehe sgeverschiedene Menüs, vieles davon auch in ssn.ch) oder eine Ernährungspürierter Form. Bestellt wird telefonisch beratung. Die Bücher «Queroder online, bezahlt per Rechnung oder schnitt Ernährung» und «QuerKre­ditkarte. Die Pro Senectute bietet in ei­ schnitt Kochen» von Veronika nigen Kantonen denselben Dienst unter Geng und Claudia Hess befas«CasaGusto» an. «Eat.ch» versammelt Lie­ sen sich explizit mit der Ernähferdienste diverser Restaurants aus der ge­ rung von Menschen mit einer wünschten Region. Einige Restaurants bie­ Querschnittlähmung (manfredten einen eigenen Lieferservice an, nachsauer-stiftung.de). fragen lohnt sich. Auch die Spitex bietet einen Mahlzeitendienst. Die Spitex-Orga­ nisation Ihrer Region finden Sie über die Website www.spitex.ch oder per Telefon 0842 80 40 20. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich an Alters- und Pflege­ heime zu wenden. Also lehnen Sie sich doch ab und zu ein­ mal zurück und lassen Sie sich verwöhnen. En Guete!

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RECHTSBERATUNG

SOZIALVERSICHERUNGSRECHT

Der Unterschied zwischen Unfall und Krankheit Die Frage, ob eine Invalidität unfall- oder krankheitsbedingt ist, ist für Betroffene von erheblicher Tragweite. Im Einzelfall kann die Abgrenzung Schwierigkeiten bereiten.

Von Thomas Wehrlin, Rechtsanwalt

Eine Querschnittlähmung kann auf einen Unfall oder auf eine Krankheit zurückge­ hen. Je nach Ursache unterscheiden sich die Leistungen der Sozialversicherungen stark. Bei einer unfallbedingten Invalidität steht der betroffenen Person (sofern sie zum Unfallzeitpunkt obligatorisch gegen Unfall versichert war) zusätzlich zur Inva­ lidenrente der IV eine Invalidenrente der obligatorischen Unfallversicherung zu. Ist die Invalidität hingegen auf eine Krankheit zurückzuführen, hat sie einzig Anspruch auf eine Invalidenrente der IV. Die Kran­ kenversicherung richtet keine Renten aus. Weitergehende Leistungen der Unfallversicherung Auch bei der Hilflosenentschädigung un­ terscheiden sich die zustehenden Leistun­ gen je nach Ursache der Querschnittläh­ mung. Ist diese unfallbedingt, steht der betroffenen Person eine (höhere) Hilflosen­ entschädigung der Unfallversicherung zu. Ist sie hingegen auf eine Krankheit zurück­ zuführen, besteht Anspruch auf eine (tie­ fere) Hilflosenentschädigung der IV. Um das auszugleichen, haben dafür ausschliess­ lich Bezügerinnen und Bezüger ei­ner Hilf­ losenentschädigung der IV Anspruch auf einen Assistenzbeitrag der IV. Eine Hilf­ losenentschädigung der Krankenversiche­ rung gibt es nicht.

Im Gegensatz zur Unfallversicherung kennt die Krankenversicherung auch keine Inte­ gritätsentschädigung. Diese einmalige Zah­ lung, eine Art Genugtuung, in der Höhe 18

von maximal CHF 148 200.– steht somit nur Personen zu, die unfallbedingt invalid wurden. Aufgrund dieser unterschiedlichen Leis­ tungen (vgl. auch Übersicht im Kasten) kann es im Einzelfall von grosser Bedeu­ tung sein, ob eine Querschnittlähmung auf eine Krankheit oder einen Unfall zu­ rückzuführen ist. Angesichts der deutlich umfassenderen Leistungen der Unfallver­ sicherung ist die betroffene Person in aller Regel finanziell bessergestellt, wenn ihre Invalidität unfallbedingt ist.

Heikle Abgrenzungen zwischen Unfall und Krankheit Oft ist klar, ob eine Querschnittlähmung unfall- oder krankheitsbedingt ist. In ein­ zelnen Konstellationen kann die Abgren­ zung jedoch Schwierigkeiten bereiten. Was im allgemeinen Sprachgebrauch als Unfall bezeichnet wird, ist zudem nicht zwin­ gend auch ein Unfall im Rechtssinn. Die rechtliche Definition des Unfalls ist kom­ plex (vgl. Kasten «Unfalldefinition im Ge­ setz») und es kann im Einzelfall vom kon­ kreten Geschehensablauf abhängen, ob ein Unfall oder eine Krankheit vorliegt.

Die unterschiedlichen Leistungen von Kranken- und Unfallversicherung

Krankenversicherung Unfallversicherung

Heilbehandlung Invalidenrente

(IV) (+IV)

Integritätsentschädigung Hilflosenentschädigung

(IV)

Assistenzbeitrag

(IV)

Pflege (Spitex)

(jedoch Patientenbeteiligung)

(volle Kostenübernahme*)

Diese Leistung wird von der Versicherung ausgerichtet. Diese Leistung wird von der Versicherung nicht ausgerichtet. (IV) Stattdessen Anspruch auf entsprechende Leistungen der IV. (+IV) Zusätzlich Anspruch auf entsprechende Leistungen der IV. * Der Umfang der Leistungspflicht der Unfallversicherung für die Spitex-Pflege ist zurzeit noch nicht abschliessend geklärt und bildet Gegenstand von Gerichtsverfahren.

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Unfalldefinition im Gesetz (Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, ATSG) Art. 4 Unfall Unfall ist die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhn­ lichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat.

Ein praktisch relevantes Beispiel, dass dies gut illustriert, ist der «Tauchunfall». Erlei­ det eine Taucherin bei einem normal ver­ laufenden Tauchgang plötzlich Lähmungs­ erscheinungen, ist der Unfallbegriff nicht erfüllt. Es fehlt am ungewöhnlichen äusse­ ren Faktor, der für einen Unfall vorausge­ setzt wird. Kommt hingegen ein solcher un­gewöhnlicher äusserer Faktor hinzu, etwa indem das Atemgerät ausfällt oder die Taucherin mit der Ausrüstung an einem Schiffswrack hängen bleibt, deswegen in Panik gerät und auf Dritthilfe angewiesen ist, ist der Unfallbegriff erfüllt. Der ge­ nauen Schilderung des Geschehensablaufs kommt in derartigen Fällen daher eine zen­ trale Bedeutung zu. Dabei gilt es zu beach­ ten, dass gerade den ersten Äusserungen zum Geschehensablauf, den sogenannten Aussa­gen der ersten Stunde, besonderes Gewicht beigemessen wird. Es ist deshalb ratsam, in solchen Fällen frühzeitig eine rechts­kundige Person beizuziehen. Auch bei Arztfehlern – wenn beispielswei­ ­se bei einer Operation durch eine Unge­ schicklichkeit des Chirurgen versehent­ lich das Rückenmark verletzt wird – kann sich die Frage stellen, ob dies als Unfall zu qualifizieren ist. Die Praxis des Bundesge­ richts ist in diesem Bereich allerdings res­ triktiv. Ein Unfall wird nur dann bejaht, wenn es sich um «grobe und ausserordent­ liche Verwechslungen und Ungeschicklich­ keiten oder sogar um absichtliche Schädi­ gungen handelt, mit denen niemand rechParacontact I Frühling 2021

­ et noch zu rechnen braucht». In einem n ersten Schritt ist somit jeweils zu prüfen, ob überhaupt ein Behandlungsfehler vor­ liegt. Ist dies der Fall, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob es sich um einen be­ sonders krassen Behandlungsfehler han­ delt. Erst wenn auch dies bejaht wird, ist der Unfallbegriff erfüllt. Die Schwelle, ab der ein Arztfehler einen Unfall darstellt, ist somit relativ hoch. Alles, was nicht Unfall ist, ist Krankheit Da der gesetzliche Unfallbegriff eine nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung auf den menschlichen Körper voraussetzt, sind Schädigungen im Rahmen eines Suizid­ versuchs grundsätzlich vom Unfallbegriff ausgenommen. War die versicherte Person allerdings zur Zeit der Tat ohne Verschul­ den gänzlich unfähig, vernunftgemäss zu handeln, liegt ein Unfall vor und es besteht ein Anspruch auf volle Leistungen der Un­ fallversicherungen. Bei Suizidversuchen gilt es somit stets sorgfältig abzuklären, ob die betroffene Person zum fraglichen Zeit­ punkt urteilsfähig war oder nicht.

Ist der Unfallbegriff nicht erfüllt, liegt eine Krankheit vor. Der Krankheitsbegriff ist als Auffangtatbestand konzipiert (vgl. Art. 3 Abs. 1 ATSG: «Krankheit ist jede Be­ einträch­tigung der […] Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalls ist […]»). Somit kommt immer die Krankenversicherung zum Tragen, wenn kein Unfall vorliegt. Bei einem freiwillig versicherten Invali­ ditätskapital (Zusatzversicherung nach VVG) spielt die Unterscheidung zwischen Unfall und Krankheit in der Regel keine Rolle. Liegt eine Invalidität im Sinne der Versicherungsbestimmungen vor, besteht ein Anspruch auf die versicherte Leistung, unabhängig davon, ob dies auf einen Un­ fall oder eine Krankheit zurückzuführen ist.

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BUNDESGERICHT

IV muss Mehrkosten bei Neubauten übernehmen Bei neu zu erstellenden Eigenheimen sah das Kreisschreiben über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die IV (KHMI) bisher vor, dass die IV nur Haltestangen, Handläufe und Zusatzgriffe übernimmt. Im Fall einer Tetraplegikerin lehnte es die IV daher ab, bei einem Neubau die Mehrkosten für eine Schie­ betüre beim Badezimmer, für die Verbreiterung der Türe zum Schlafzimmer sowie für die Installation der Waschmaschi­ne in der Höhe von CHF 1556.45 zu tragen. Hätte es sich um eine Mietwohnung gehandelt, hätte die IV diese Kosten übernehmen müssen (gemäss Ziff. 14.04 der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die IV, HVI). In einem Leitentscheid vom 16. Juni 2020 (BGE 146 V 233) stellte das Bundesgericht nun klar, dass die IV auch bei ei­nem Neubau diese Kosten übernehmen muss. Bei Neubauten sei im Einzelfall zu klären, ob die beantragte Leis­tung grundsätzlich von der IV übernommen wird (Ziff. 14.04 HVI, vgl. auch Artikel «Wann sich die IV an Umbaukosten beteiligt» im Paracontact 3/2019). Ist dies der Fall, muss geprüft werden, ob die betreffenden baulichen Änderungen von vornherein in die Planung einbezogen und ohne zusätzliche Kosten hätten umgesetzt werden können. War dies nicht möglich, muss die IV die invaliditätsbedingten Mehrkosten übernehmen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat das Kreisschreiben (KHMI) inzwischen angepasst. 19


MEDIZIN UND WISSENSCHAFT

SCHMERZEN BEI QUERSCHNITTLÄHMUNG TEIL 2

Multimodale Schmerztherapie In der letzten Ausgabe berichteten wir über die multimodale Schmerzdiagnostik. In diesem Heft möchten wir Ihnen die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung von Schmerzen detaillierter erläutern.

Von Dr. med. Gunther Landmann

In der Therapie chronischer Schmerzen erweisen sich interdisziplinäre und mul­ timodale Therapien im Vergleich zu ein­ seitigen Therapieformen seit langem als überlegen. Die Deutschsprachige Medizi­ nische Gesellschaft für Paraplegie (DMGP) empfiehlt, auch Schmerzen bei Querschnitt­ lähmung mit Hilfe einer interdisziplinären Therapie zu behandeln. Fachpersonen aus Pflege, Medizin, Psychologie und Phy­ siotherapie sowie bei Bedarf aus weiteren ­Bereichen (Ergotherapie oder Sozialarbeit) sollten hierbei eng zusammenarbeiten. Ei­­ne Übersicht zu Inhalten der multimo­ dalen Schmerz­therapie zeigt Abbildung 1.

Physiotherapie Muskuloskelettale Schmerzen wie zum Beispiel Schulterschmerzen werden auf phy­siotherapeutischer Ebene in erster Li­ nie mit aktiven Übungen zur Kräftigung behandelt. Unterstützend können manual­ therapeutische Techniken angewendet wer­ den. Bei Schmerzen der inneren Organe, sogenannte viszerale Schmerzen, können Weichteiltechniken und Osteopathie Ab­ hilfe schaffen. In der Behandlung von Spas­ tiken und spastikbezogenen Schmerzen kommen die Konzepte nach Bobath oder Vojta zum Einsatz, aber auch die funktio­ nelle Elektrostimulation, Bewegungstrai­

ner wie Motomed oder Motionmaker so­ wie die Hippotherapie haben einen hohen Stellenwert. Auch die Verbesserung der Körperhaltung, des muskulären Gleichge­ wichts und der Trans­­fertechnik wirken sich positiv aus. Nicht zu unterschätzen ist die Sitzposition im Rollstuhl. Sie beein­ flusst die Schmerzar­ten und sollte frühzei­ tig überprüft werden. Virtual Reality Bei einer kompletten Querschnittlähmung fehlen dem Gehirn aufgrund der unterbro­ chenen Nervenbahnen Informationen. Die betroffenen Hirnareale verändern ihre Ak­ tivität, was Schmerzen auslösen kann. In­ novative Therapieformen nutzen neuste Tech­nik und adressieren diese Hirnregio­ nen. Eine Videoprojektion (Abbildung 2) täuscht dem Patienten vor, zu gehen. Diese Illusion wirkt auf die veränderten Hirn­ areale, was Schmerzen mindern kann. Psychotherapie Die Möglichkeiten von schmerzpsycholo­ gischen Therapien sind vielfältig. In Ein­ zelsitzungen können die kognitive Verhal­ tens­therapie, Techniken zur Verarbeitung von Querschnittlähmung und Schmerzen (und anderer Belastungsfaktoren), Hypno­ ­se, Entspan­­nungs­verfahren, Achtsamkeits­ übungen, sowie das Stärken psychosozia­ ler Ressourcen zur Anwendung kommen. Demgegenüber bieten Gruppentherapien den Vorteil, dass sich die Mitglieder unter­ einander austauschen und motivieren.

Abbildung 1 Die Möglichkeiten der multimodalen, interdisziplinären Schmerztherapie

ulitmodale Schmerztherapie M – I nterdisziplinäre Integration medizinischer, psychotherapeutischer, physiotherapeutischer und gegebenenfalls auch anderer Verfahren

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edizinische/ärztliche Massnahmen M – Medikamente bei neuropathischen und no zizeptiven Schmerzen sowie Spastik – Internistische bzw. urologische Massnahmen bei viszeralen Schmerzen – Orthopädische Massnahmen bei muskuloskelettalen Schmerzen

hysiotherapie P – Graduierte Kräftigungsübungen, Ausdauertraining – Manualtherapeutische Techniken – Osteopathie – Rollstuhlanpassung – Bei Spastik: Bobath-/Vojita-Techniken, Verbesserung der posturalen Kontrolle, des muskulären Gleichgewichts und der Transfertechniken

I nterventionelle Schmerztherapie – Interventionelle Schmerztherapie wie Facettengelenk bzw. Nervenwurzelverfahren – Baclofenpumpe bei Spastik – Operative Behandlung struktureller Veränderungen des muskuloskelettalen Systems bzw. des Rückenmarks

Schmerzpsychologie – Kognitive Verhaltenstherapie – Verarbeitung von Querschnittlähmung und Schmerzen sowie anderer Belastungsfaktoren – Schmerzbewältigungsgruppen – Hypnose, Achtsamkeit, Entspannungsverfahren – Stärken psychosozialer Ressourcen – Soziale und systemische Aspekte

Paracontact I Frühling 2021


Häu­fig werden hier psychologische mit medizinischen und phy­siotherapeutischen Elementen kombiniert. Ein entsprechen­ des Angebot besteht mit der «Schmerz­ gruppe für Rollstuhlfahrer» am Zentrum für Schmerzmedizin in Nottwil. Medikamente Nozizeptive Schmerzen, sprich Schmerzen, die nicht vom Nervengewebe ausgehen, können mit Analgetika, nichtsteroidalen Antirheumatika und auch Opioiden behan­ delt werden. Bei einer Langzeittherapie ist es wichtig, die Wirkung der Medikamente sowie allfällige Nebenwirkungen regelmäs­ sig zu überprüfen.

Entstehen Schmerzen durch eine Spastik, sollte die Behandlung der Spastik im Fokus der Therapie stehen. Nichtsteroidale Anti­ rheumatika sowie Antispastika wie Ba­ clofen, Tizanidin und weitere unterstützen die­se Behandlung. Schmerzen, die durch Verstopfung hervorgerufen werden, lassen sich durch Medikamente, die den Stuhl­ gang verbessern, mindern. Nervenschmerzen, sogenannte neuropathi­ sche Schmerzen, werden mit antineuropathischen Medikamenten behandelt. Die­ se Medikamente wirken an Nerven und Nervenbahnen, indem sie die Weiterlei­ tung schmerzhaft empfundener Nerven­ signale unterbinden. Solche unkontrollier­ ten Ner­­vensignale können zum Beispiel von bestimmten Ionenkanälen ausgehen, die wäh­­rend der Nervenregeneration ent­ stehen. Medikamente, die ursprünglich ge­gen Epi­lepsie (Antiepileptika) sowie gegen Depres­sion (Antidepressiva) eingesetzt werden, besitzen eine solche hemmende Wirkung. Bei neuropathischen Schmerzen hängt die Medikation von der Diagnose ab. So macht es einen Unterschied, ob die Ursache der Schmerzen auf oder unterhalb des Läh­ mungsniveaus liegt. Hier spricht man von einer peripheren beziehungsweise zentra­ len Schmerzursache. Peripher verursachte Schmerzen können mit dem Antidepressivum Duloxetin be­ handelt werden, insbesondere bei gleich­ zeitiger Depression. Schmerzpflaster wie Paracontact I Frühling 2021

Abbildung 2 Therapiesetting des «virtuellen Gehens». Es sind mehrere Sitzungen von 10 bis 25 Minuten an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen erforderlich.

Lidocain- und Capsaicin-Pflaster blockie­ ren die Nervenenden direkt an der Haut und sind bei lokalen Schmerzen geeignet. Für die Therapie zentral verursachter neu­ ropathischer Schmerzen zeigen Antiepilep­ tika wie Gabapentin und Pregabalin sowie das Opioid Tramadol gute Wirkung. Anti­ depressiva wie zum Beispiel Amitriptylin sind ­geeignet, vor allem wenn zusätzlich eine Depression vorliegt. Das Antiepilep­ tikum Lamotrigin empfiehlt sich bei in­ kompletter Querschnittlähmung mit ein­ hergehender Überempfindlichkeit. Cannabinoide eignen sich nach aktueller Datenlage nicht zur Therapie neuropathi­ scher Schmerzen. Für andere Opioide wie Oxycodon ist die Datenlage unzureichend, kann aber in Kombination mit einem An­ tiepileptikum versucht werden. Opioide kön­nen Verstopfungen auslösen, weshalb auf eine entsprechende Darmregulation geachtet werden muss. Alternativ sind Me­ dikamente mit dem zusätzlichen Wirk­ stoff Naloxon zu wählen, welche diese Ne­ benwirkung abschwächen. Interventionelle Therapien In manchen Fällen ergeben sich klinische Hinweise darauf, dass konkrete anatomi­ sche Strukturen für die Entstehung/Auf­ rechterhaltung neuropathischer Schmerzen verantwortlich sind. Diese können dann mit sogenannten diagnostischen Blocka­ den unter Röntgen- oder Ultraschallkon­ trolle gezielt betäubt werden, womit der kli­ nische Verdacht erhärtet oder ausgeräumt wird. Wenn sich die diagnostischen Infil­ trationen als positiv, also wirksam, erwei­ sen, gibt es therapeutische Ansätze wie beispielsweise die Therapie mit elektri­ scher Stimulation, um einen längerfristi­

gen Effekt zu erreichen. Typische Lokali­ sationen für die Entstehung neuropathischer Schmer­zen sind zum Beispiel pe­ riphere Nerven oder die Nervenwurzeln, also Stellen, an denen die Spinalnerven des Rückenmarks die Wirbelsäule verlassen. Bei Spastik besteht die Möglichkeit, sich eine Medikamentenpumpe unter die Haut einzusetzen, welche Baclofen ans Rücken­ mark abgibt. Dieses Verfahren empfiehlt sich, wenn Physiotherapie und Medika­ mente die Spastik nur unzureichend redu­ zieren. Sprechen die oben ausgeführten Therapie­ formen nicht an, kann nach einer gründli­ chen Evaluation eines erfahrenen Schmerz­ teams der Einsatz eines Rückenmarkstimulators (schmerzlindernde elektrische Stimulation des Rückenmarkes) erwogen werden. Eine eher einfache nichtinvasive Methode stellt die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) dar. Ein Mag­ netfeld wirkt über mehrere Minuten an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen auf die betroffenen Nerven schmerzlindernd. Insgesamt ist es unerlässlich, die oben ge­ nannten Therapieoptionen im Team zu besprechen und abzustimmen, um eine optimale Behandlung zu ermöglichen. Kontakt gunther.landmann@paraplegie.ch Autoren: Dr. med. Gunther Landmann, MSc, Leitender Arzt Neurologie; Dr. med. Tim Reck, MSc, Leitender Arzt konservative und interventionelle Schmerzmedizin; Karina Ottiger-Böttger, MAS, Leiterin Schmerzphysiotherapie; Julia Kaufmann, Psychologin, Zentrum für Schmerzmedizin, Schweizer Paraplegiker-Zentrum, Nottwil

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MEDIZIN UND WISSENSCHAFT

TECHNOLOGIE

Das Exoskelett nach Mass Forscher der École Polytechnique Fédérale von Lausanne (EPFL) arbeiten seit 2015 an einem Exoskelett, welches sich den Wünschen und Zielen der Nutzer anpassen lässt.

Von Gabi Bucher

Jeder Mensch ist einzigartig. Auf dieser Erkenntnis ist das Exoskelett TWIICE auf­ gebaut. Der Name TWIICE ist abgeleitet vom englischen Wort twice (deutsch: zwei­ mal, doppelt). Das Doppel-I steht für das Zusammenspiel zwischen dem Exoskelett und seinem Piloten, sowohl physisch als auch verhaltensmässig. Mensch und Ma­ schi­ne bewegen sich parallel und perfekt aus­gerichtet. Das von Tristan Vouga gelei­ tete Projekt begann 2015 in der REHAssistForschungsgruppe der EPFL, unter der Leitung von Dr. Mohamed Bouri. Ent­ täuschte Querschnittgelähmte, welche die strikten Kriterien der bestehenden Exo­ skelette nicht erfüllten, bewegten die For­ scher dazu, ein modular aufgebautes Gerät zu entwickeln. Dieses soll sich den verschie­ denen Morphologien, Pathologien, Er­fah­ rungen und Zielen der Nutzer anpassen. Jeder Nutzer soll profitieren, indem er ei­ne selbst gewählte Aktivität ausübt, welche ihn interessiert und ihm Spass macht. Ausgefeilte Technik Wer nach 2014 in Nottwil hospitalisiert war, hat wohl bereits ein Exoskelett aus­ probiert, dieses Gerät, welches die Beine mobilisiert und es erlaubt, aufzustehen und aufrecht zu gehen. Das Gelenksystem wird an den Schienbeinen und Oberschenkeln des Patienten befestigt und unterstützt Bei­ ­ne und Oberkörper. Leistungsstarke und kom­pakte Elektromotoren beugen und stre­cken Knie und Hüftgelenke und ahmen die natürlichen Bewegungen des Kör­pers beim Gehen nach. Beim TWIICE zum Beispiel helfen dem Nutzer zwei Krücken, das Gleichgewicht zu halten und den Ap­ parat zu kontrollieren. Verschiedene Pro­ 22

gramme erlauben es, auf ebenem Gelände zu gehen, Treppen zu steigen, Steigungen von bis zu 35 Grad zu bewältigen und so­ gar Hindernisse von bis zu 10 cm zu über­ winden. Die Batterie, die im dorsalen Teil des Systems untergebracht ist, hält bei durchgehendem Gebrauch etwa drei Stun­ den. Ersatzbat­terien, die weniger als ein Ki­lo wiegen, können in einem separaten Ruck­sack mitgenommen werden. Und, nicht unwichtig, TWIICE wiegt gerade mal 16 kg.

seits sind die physischen Vorteile einer auf­ ­rechten Haltung vielseitig. Verschiedene Studien legten dar, dass Patienten, welche das Exoskelett während einer gewissen Zeit­spanne nutzten, Verbesserungen bei Spasmen, Knochenschwund, Darmtransit und neuropathischen Schmerzen zeigten. Auch Muskelmas­se und Körperfett werden positiv beeinflusst. Gewisse Studien stell­ ten sogar Verbesserungen in der Mobilität und Sensibilität der gelähmten Körper­ teile fest.

Die Gesundheit profitiert Exoskelette erlauben gewisse Tätigkeiten, welche im Rollstuhl nicht ausgeführt wer­ den können, haben aber auch klare Gren­ zen. Sie gehören zwar noch nicht zum all­ täglichen Gebrauchsgerät, der Gewinn ei­ner gelegentlichen Verwendung ist jedoch beträchtlich. Einerseits ist da die bessere gesellschaftliche Integration durch die Mög­lichkeit, aufrecht zu stehen. Anderer­

Spuren im Schnee Die Equipe von TWIICE arbeitet eng mit Querschnittgelähmten zusammen, immer ausgehend von ihren Wünschen. Die Ath­ le­tin Silke Pan zum Beispiel belegte 2016 mit TWIICE am Cybathlon den vierten Rang und 2020 gewann sie in diesem Wett­ bewerb sogar die Silbermedaille. Das Mo­ dell erlaubt schnelle und vielfältige Bewe­ gungen und lässt sich sehr gut manövrieren.

Silke Pan gewann die Silbermedaille am Cybathlon 2020 Paracontact I Frühling 2021


ANGEBOT

Der Paraplegiker Martin Loos, vor seinem Unfall ein passionierter Skitourenfahrer, wünschte sich, endlich wieder einmal im Pulverschnee seine Spuren ziehen zu kön­ nen. Sein grosser Traum: Eine Version, wel­ che sich mit Tourenskiern nutzen lässt. Tristan Vouga erinnert sich: «Die Entwick­ lungsarbeit vom Designprozess bis zur Produktion von Spezialteilen wurde in der Rekordzeit von nur einem Monat abge­ schlossen.» Das adaptierte Exoskelett mit dem Namen WIITE lässt sich nun mit nor­ malen Tourenskischuhen verwenden und erlaubt das Aufstehen und Klettern auf schneebedeckten Pisten. Einzige Bedin­ gung: Der Anwender muss in der Lage sein, mit dem Oberkörper die Stöcke zu kontrollieren, die für Gleichgewicht und Paracontact I Frühling 2021

Kontrolle sorgen. Das Exoskelett wird ma­ nuell gesteuert, jede Aktion wird durch kurzes Drücken eines Auslösers an den Griffen der Krücken bzw. Skistöcke ausge­ löst. «Bereits bei der dritten Trainingsein­ heit war Martin Loos in der Lage, auf Ski­ ern herumzulaufen», erklärt Tristan Vouga. Nach einem weiteren Dutzend Sitzungen machte Martin Loos sich in Begleitung des gesamten Entwicklungsteams auf, einen mehrstündigen Ausflug zu unternehmen. «Zuerst war ich sehr konzentriert, bei je­ dem Schritt hatte ich Angst, das Gleichge­ wicht zu verlieren. Aber schon nach weni­ gen Minuten war ich zuversichtlich – und dann war es wie Zauberei», erzählt er. Im März 2020 erklomm er seinen ersten Gip­ fel auf 2300 m. ü. M. in 45 cm tiefem Pulver­ schnee. Im Rahmen des Giro Suisse zeig­

Ein Exoskelett für alle Das Start-up TWIICE will diese Technologie zum Nutzen aller einsetzen: Jeder Interessierte kann eine Sitzung buchen, Zeitpunkt und Ort nach seiner Wahl. Ein Bewegungs-Coach bringt ein entsprechend eingestelltes Exoskelett mit, sei es für eine Übungssession zu Hause, für einen Ausflug mit der Familie in den Park, einen Spaziergang in der Stadt oder einen Apéro in einer Bar. Die Begleitung des Coaches garantiert ein angenehmes und sicheres Erlebnis. Diese Art von «Miete» erlaubt dem Benutzer, sich mit tiefen Kosten, langsam und ohne Risiko dem Exoskelett anzunähern. Zudem arbeiten die TWIICEIngenieure daran, ihr Exoskelett an andere Aktivitäten, Behinderungen und Körpertypen anzupassen.

t­e Martin Loos, wie es funktioniert. «Ich musste dafür zehn Meter Teppich kaufen gehen», erinnert er sich lachend. Auch sei­ ne Trainingseinheiten absolviert er in der Bibliothek der EPFL auf Teppich. «Es wäre zu umständlich, sich jeweils mit der gan­ zen Ausrüstung irgendwohin in den Schnee zu begeben.» Im Handel gibt es verschiedene Anbieter. Wir haben uns entschieden, hier eines der Schweizer Produkte vorzustellen. Informationen www.twiice.ch www.cybathlon.ethz.ch 23


HINDERNISFREIES BAUEN

(M)EIN JAHR BEIM ZHB

Ein sinnstiftender Arbeitsalltag

Seit etwas mehr als einem Jahr betreue ich als Architektin Umbauprojekte des Zentrums für hindernisfreies Bauen von der Planung bis zur Ausführung.

Von Irene Bucher

8.00 Uhr Teamsitzung (alle) 10.00 Uhr Eröffnen neue Projekte 11.30 Uhr laufendes Projekt in Zürich: Baumeister und Elektriker anrufen (Koordination Rohbau) 13.30 Uhr Wohnungsabklärung in Basel 16.30 Uhr Finanzierungsstand vom Bauprojekt in Schöftland AG studieren …

… so kann ein ganz normaler Arbeitstag von mir als Bauberaterin und Architektin der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung aussehen. Das Zentrum für hindernisfrei­ ­es Bauen in Muhen AG ist seit wenig mehr als einem Jahr mein Arbeitsplatz. Ich bin längst gut angekommen und fühle mich fair integriert. Basierend auf meiner bis­ herigen Berufserfahrung kann ich selb­ ständig arbeiten und begegne trotzdem fast täglich Situationen, die mir neben Alt­ bekanntem auch Neues deutlich vor Augen führen. Seit bald 30 Jahren bewege ich mich in der Bau­branche, und seit gut einem Jahr lerne ich nochmals einen ganz anderen Zweig davon kennen. Aber alles schön der Reihe nach … Ende und Anfang Meine berufliche Laufbahn ist klassisch: Vom Zeichnungsbrett auf die Baustelle bis hin zur Projektleitung von grossen Bauvor­ haben lernte ich viele Facet­ten dieser span­ nenden Branche ken­nen. Ich liebe die Aufgaben und die darin enthaltene Abwechs­ lung der Bauwelt sehr. 24

In den letzten Jahren begann ich jedoch vermehrt zu beobachten, dass ich in all die­ser Geschäftigkeit das Menschliche und die Sinnhaftigkeit in meinem Berufsalltag mehr und mehr vermisste. Ein Schicksals­ schlag in meinem ganz nahen Umfeld liess mich schliesslich die Entscheidung fällen: Ich kündigte meine Arbeitsstelle; ohne zu wissen, wie und wo es weitergeht. Eine Bedingung hatte ich allerdings. In mei­nem nächsten beruflichen Tätigkeits­ feld soll eine grosse Menschlichkeit gelebt

und auch gewünscht sein, und das Resul­ tat und Ziel der Leistung muss eine hohe Sinnhaftigkeit enthalten. Im Zentrum für hindernisfreies Bauen ZHB war zur pas­ senden Zeit eine Architektenstelle ausgeschrie­ben, für die ich mich bewarb und für die ich dann die Zusage erhalten habe. Seit einem Jahr bin ich nun Teil von einem tollen, kameradschaftlichen Team und ich erle­be einen Arbeitsalltag mit einem inte­ ressanten und sehr vielseitigen Pflichten­ heft.

Irene Bucher mit viel Elan bei der Arbeit Paracontact I Frühling 2021


Ähnlich und doch anders Wir sind ausgewiesene, erfahrene Baufach­ leute, die alle üblichen Tätigkeitsbereiche der Baubranche wahrnehmen und aus­ üben. Dabei haben wir uns auf den Bereich des hindernisfreien Bauens spezialisiert und beraten Bauherrschaften, welche in ir­gendeiner Weise mit einer körperlichen Beeinträchtigung konfrontiert sind.

Für die entsprechend baulich notwendigen Massnahmen begleiten wir unsere Kun­ den vom Projektentwurf über die Detail­ planung bis zur Realisierung, wir steuern das Offert- und Vergabewesen und wir koordinieren, leiten und kontrollieren die Ausführungsphase bis zur Bauabnahme. Wenn die Bauabrechnung fertig erstellt ist und der hoffentlich rundum zufriedenen Bauherrschaft übergeben werden kann, ist unser Auftrag für das Projekt beendet. Grundsätzlich entsprechen diese Abläufe und Arbeiten dem, was ich von meinem bisherigen Berufsleben gut kenne. Die Bau­ projekte, die wir begleiten und ausführen, sind meistens kleine bis mittelgrosse Umund Anbauten an bestehenden Liegen­ schaften. Dies ermöglicht es, dass ich als Architektin eine Bauherrschaft und ein Pro­jekt vom Beginn bis zum Abschluss be­ gleiten und alle Arbeiten selber ausführen kann. Dadurch entsteht ein naher und per­ sönlicher Kontakt zu Kunden und den Hand­werkern, was ich sehr schätze. Ge­ nau diese menschliche Nähe habe ich mir für meinen Berufsalltag gewünscht. Kleine Projekte, grosse Bedeutung Bereits nach einem Jahr beim ZHB kann ich von zahlreichen Erlebnissen berichten, die ich in der Zusammenarbeit mit den Bauherren oder anderen am Bau beteilig­ ten Personen erleben durfte. Ich habe in dieser Zeit mehr als 50 Kunden beraten, plante und führte bei 15 Projekten die Bau­ arbeiten aus und begegnete dabei unzäh­ ligen Personen.

Jeder einzelne Umbau wäre es wert, hier erwähnt zu werden. Von jedem einzelnen Projekt gäbe es etwas Interessantes oder auch Berührendes zu be­­richten. Stellver­ tretend für alle möchte ich einen Um­bau vorstellen, der mich besonders bewegt hat. Paracontact I Frühling 2021

Lösungen können aufwendig oder pragmatisch sein

Bereichernde Begegnung Frau Wegmann lebt seit Jahrzehnten mit starken körperlichen Beeinträchtigungen, von welchen sie sich nie hat unterkriegen lassen. Alle Investitionen, die wegen ihrer Krankheit angefallen sind, hat sie selber fi­ nanziert. Nie ist sie jemandem zur Last ge­ fallen, im Gegenteil: beruflich und privat hat sie sich für die Förderung und Ausbil­ dung von jungen Leuten eingesetzt und ist diesen als Vorbild vorangegangen. All das erzählte sie mir während des Umbaus ih­ rer Wohnung. Eine inspirierende Persön­ lichkeit.

Ein Unfall im letzten Frühling hat dazu ge­ führt, dass Frau Wegmann ins Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil zur Re­ habilitation eingewiesen wurde. Auch wenn sie sich dort auf bestmögliche Pflege ver­ lassen konnte, wurde ihr bald klar, dass ein Umbau in ihrer Eigentumswohnung un­ um­gänglich war. Ihre Anfrage ans ZHB für eine Wohnungsabklärung wurde mir zugeteilt, und so habe ich Frau Wegmann und ihre Ergotherapeutin im Frühsommer bei ihr zuhause getroffen. Weder die Mas­ ke noch 1,5 m Abstand verhinderten einen herzlichen Austausch. Gemeinsam fanden wir nützliche und attraktive Lösungen für die bestehenden Hindernisse. Da Frau Wegmann bereits im AHV-Alter ist, hat sie keinen Anspruch auf eine Finan­ zierung für bauliche Massnahmen durch

die IV. Ein Antrag bei der Schweizer Para­ plegiker-Stiftung zur Kostenübernahme der geplanten Anpassungen wurde gutge­ heissen. Wir konnten loslegen. Mit grosser Freude und Dankbarkeit hat Frau Wegmann die Bauarbeiten mitver­ folgt, nichts war ihr selbstverständlich. Dies wiederum hat mich sehr gefreut und für alle Arbeiten motiviert. Frau Wegmann, die Handwerker und ich waren ein prima Team! Als ich Frau Wegmann anfragte, ob ich ih­ ren Umbau in diesem Beitrag als Beispiel nennen darf, stimmte sie sogleich zu: «Na­ türlich dürfen Sie über unsere Zusammen­ arbeit schreiben und auch meinen Namen erwähnen. Das Endresultat ist ja auch sehr gelungen, da lohnt es sich, darüber zu be­ richten.» Genau diese Sinnhaftigkeit habe ich mir für meinen Berufsalltag gewünscht. 8.00 Uhr Teamsitzung (alle) 10.00 Uhr Eröffnen neue Projekte …

… wie auch immer die Tage in meinem ers­ten Jahr im Zentrum für hindernisfrei­ ­es Bauen ausgesehen haben mögen, und wie auch immer sie in Zukunft aussehen werden: Das Arbeiten mit und für unsere Kunden bereitet mir viel Freude, beein­ druckt und prägt mich nach­haltig. Ich bin dankbar, dass ich mich hier einfügen und einbringen darf! 25


KULTUR UND FREIZEIT

MIT DEN CLUBS UNTERWEGS

Idyll am Genfersee

Direkt am Wasser mit Blick auf den imposanten Mont Blanc – das Städtchen Morges begeistert durch seine Lage und mit seinen Blumen.

Von Nadja Venetz

Die 15 000 Einwohner, die Morges ihr zu Hause nennen, haben es gut; dessen sind wir uns nach unserem Besuch einig. Auch die Rollstuhlfahrerin Aude Jardin und ihr Part­ner Xavier Rusconi, beide Mitglieder des Rollstuhlclubs Lausanne, fühlen sich in ihrer Wahlheimat sehr wohl und zeigen uns ihre liebsten Ecken. Wir flanieren zunächst durch die autofreie Altstadt rund um die Grand Rue. Diese lässt sich gut auf eigene Faust oder im Rah­ men einer Führung von Morges Tourismus entdecken. «Ich mag die vielen kleinen Lä­ den, die lokale Produkte verkaufen und den Markt, der jeweils mittwochs und sams­ tags im Zentrum stattfindet», kommentiert Aude Jardin unseren Spaziergang. «Vom Markttreiben erhole ich mich gerne im Café Balzac mit seinen ausgewählten Scho­ koladen-, Kaffee- und Teesorten, auch wenn für mich mit dem Rollstuhl nur die Terrasse zugänglich ist.» 26

Dem See entlang Wir setzen unseren Rundgang an der Ufer­ promenade fort, die sich über mehrere Ki­ lometer erstreckt. An klaren Tagen bietet sich hier ein wunderbares Panorama. Wer dieses lieber zu Wasser geniesst, hat per Schiff verschiedene Optionen. Alle Schiffe der CGN sind rollstuhlgängig, dennoch

empfiehlt sich ein vorgängiger Anruf. Do­ minant am Ufer thront das Schloss von Morges. «Leider ist es für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich; zu viele Treppen», weist uns Xavier Rusconi hin. Doch finden im Hof immer wieder Veranstaltungen und Märkte statt, die auch mit dem Rollstuhl machbar sind.

Heimisch Aude Jardin und Xavier Rusconi zeigen ihre Region Paracontact I Frühling 2021


Dem Schloss gegenüber ist der Hafen. War dieser Ende des 18. Jahrhunderts noch der wichtigste Handelshafen des Genfersees, wird er heute ausschliesslich für Sport und Freizeit genutzt. Hier befinden sich die Räumlichkeiten des örtlichen Yachtclubs, die etwas versteckt ein öffentliches Restau­ rant beherbergen, dessen Küche schon vie­ le Auszeichnungen erhielt. Die Terrasse des Lokals und das Ufer trennen nur we­ nige Meter. «Man sitzt beinahe schon im Wasser und das Essen ist hervorragend», schwärmt Xavier Rusconi. «Hier fühlen wir uns wie in den Ferien.» Flora und Fauna Ins Schwärmen gerät Aude Jardin eben­ falls, als wir den Parc de l’Independance aufsuchen. «Ich komme fast täglich in den Park.» Die Naturoase spendet mit ihren Baumriesen wohltuenden Schatten an heis­ sen Tagen. Im Frühjahr findet hier das

schweizweit einmalige Tulpenfest statt, mit dem die Stadt die Rückkehr des Früh­ lings feiert. Auf 30 000 m2 blühen tausende Tulpen in allen erdenklichen Farben und in von Künstlern kuratierten Formationen. Zahlreiche Veranstaltungen begleiten die­ ses Spektakel. Blumenfans sei auch der Besuch von Schloss Vullierens ans Herz gelegt. Das Anwesen aus dem 13. Jahrhundert liegt nur eine viertelstündige Autofahrt von Morges entfernt. Zwischen Mai und Ok­ tober verwandeln Iris und Taglilien den weitläufigen Park in ein Farbenmeer. Be­ sucher geniessen thematische Spaziergän­ ­ge durch die Blütenpracht und einen traum­ haften Ausblick auf den See und die Alpen. Um die Natur und ihre Bewohner dreht sich alles im komplett rollstuhlgängigen Maison de la rivière in Tolochenaz. Die in­ teraktive Ausstellung zeigt das Ökosystem des Flusses Boiron. Einzigartig ist der Ka­ nal, in dem sich das Leben der Fische in heimischen Wasserläufen beobachten lässt. Traditionsunternehmen In Sévery, einer Nachbargemeinde von Vullierens, statten wir der Mühle einen Besuch ab. Seit sechs Generationen presst die Familie Bovey hier Baumnussöl nach altem Handwerk. Im Maschinenraum er­ klärt uns ein Mitarbeiter mit viel Begeis­ terung die einzelnen Arbeitsschritte. Es riecht nach gerösteten Nüssen. Das Knat­ tern des Motors, der die Mahlwerke an­

Paracontact I Frühling 2021

treibt, erfüllt den Raum. Im Anschluss an die Führung kosten wir im Shop die Er­ zeugnisse des Betriebs. Ein Abstecher, der sich für all jene lohnt, die sich für Lebens­ mittel interessieren. Kulturelle Vielfalt Uns ist klar, Morges ist ein gutes Plätzchen für Naturliebhaber und Geniesser. Die Stadt habe aber auch ein breites kulturelles An­ gebot, betonen unsere beiden Begleiter. Je­ weils im September lockt das Literaturfes­ tival «Le livre sur les quais» ans Seeufer. Das Haus der Pressezeichnung zeigt in wechselnden Ausstellungen die zahlreichen Facetten der satirischen Kunst. Ihr Favorit unter den Museen sei allerdings das histo­ rische Museum im nahen Lausanne, er­ klärt Aude Jardin. Das Ausstellungshaus wurde 2018 komplett renoviert und wid­ met sich der Geschichte der Stadt. Ideal für all jene, die Lausanne aus einer unbe­ kannten Perspektive kennenlernen wollen. Auf dem Dach des Gebäudes befindet sich ein Café. «Das ist der perfekte Ort für ein Glacé nach dem Museumsbesuch. Der Blick über die Stadt ist einmalig», emp­ fiehlt die Rollstuhlfahrerin. Wer neben dem Glacé zusätzliche Abkühlung benötigt, wird im Freibad Bellerive Plage fündig. Die Anlage direkt am See verfügt über ei­ nen Poollift. Informationen Wir haben alle Empfehlungen und Links für Sie zusammenstellt: spv.ch/paraschweiz 27


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Paracontact I Frühling 2021


KULTUR UND FREIZEIT

LOTTO

Wintertreff im Frühling RC INSUPERABILI

Heissluftballon barrierefrei Der Traum vom Fliegen – das möchte der RC InSuperAbili Menschen mit Behin­ derung in allen Facetten ermöglichen. Schon heute bietet der RC, in Zusammen­ arbeit mit Stiftungen und Institutionen, viele Aktivitäten, bei denen Rollstuhlfahrer in die Luft abheben können: Segelflugzeug- und Hubschrau­ berflüge, Gleitschirmflüge oder Aerogravity, eine Simulation des freien Flugs. 2021 kommt ein weiteres Highlight hinzu: der Flug im Heissluftballon. Der RC InSuperAbili hat einen adaptierten Korb angeschafft, in dem bis zu zwei Personen im Rollstuhl Platz finden. Dank der Zusammenarbeit mit der Gruppe «Aerostatico Ticino» und der grosszügigen Unterstützung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung kann der RC InSuperAbili schon bald Flüge im Heissluftballon im Tessin anbieten. Freuen Sie sich auf zahlreiche Aktivitäten: Demonstrationen am Boden und Höhenflüge in der Schweiz und Italien. Informationen Daphne Settimo tempolibero@ insuperabili.ch

Das neue Jahr bringt Veränderung – das gilt auch für den traditionellen Winter­ treff. Am 25. April 2021 wird der Winter zum Frühling, Nottwil das neue Egerkin­ gen und Lotto kommt im Alleingang da­ her. «Wie geht es mit Egerkingen weiter?», ha­ ben wir gefragt und uns für zwei Lösungen entschieden: Alternierend wird in einem Jahr ein Lottonachmittag stattfinden, ge­ folgt von ei­nem Tanzabend im nächsten Jahr. Auch der Veranstaltungsort, die stim­ mungsvolle Aula des Hotels Sempachersee, ist neu.

Gedeckte Parkplätze sind vorhanden, ein barrierefreier Zugang ist gewährleistet und ein bewährtes Schutzkonzept liegt vor. Nutzen Sie die Gelegenheit, um Ihre Kon­ takte zu pflegen. Ab 13.00 Uhr haben Sie die Möglichkeit, sich bei Kaffee und Kuchen mit Bekannten auszutauschen und sich ein­ zustimmen. Das Lotto beginnt um 14.30 Uhr. Was sich nicht geändert hat: Es wird auch 2021 tolle Preise und Momente voller Freude und Emotio­nen geben.

WANDERTOUR

Napf-Magie

Atemberaubende Weitsicht und Kulturland­ schaft so weit das Auge reicht. Wanderfreudi­ge erwartet am 16. Mai 2021 ein Highlight – das Napfgebiet. Wandern ist unter gewissen Voraussetzungen auch für Menschen im Rollstuhl, insbesondere für Paraplegiker, möglich. Körper­liche Fitness ist für den Rollstuhlfahrer und die Begleitper­ son, welche den Rollstuhl zieht, eine Bedingung. Infos unter: www.spv.ch

Infos und Anmeldung www.spv.ch/veranstaltungen

REISETHEATER

Mobiles Märchen Das Reisetheater, seit über 38 Jahren in der Schweiz unterwegs, macht am 28. April 2021 halt in Nottwil. Dieses Jahr hat es einen ab­­ soluten Klassiker im Gepäck: Zwei Geschwister, ein Knusperhäuschen und die alte Hexe sind die Hauptzutaten des kurz­weiligen Grimm-­ Märchens «Hänsel & Gretel». Die Theaterleute wollen aber nicht nur eine Geschichte erzählen, sie lassen das Publikum gleich­zeitig am Geschehen auf der Bühne mitwirken. Also, bringen Sie Ihre Kinder, Enkel, Gotti- oder Göttikinder mit. Das Dialektmärchen wird bei den Kleinen für glänzende Augen sorgen und Ihnen ein Lachen ins Gesicht zaubern. Infos und Tickets www.spv.ch www.eventfrog.ch

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KULTUR UND FREIZEIT

FREIZEITAKTIVITÄT

Unterwegs auf Spurensuche

Die Detektiv-Trails sind Rätseltouren durch Ortschaften, welche mit Hilfe einer App oder einer Schatzkarte absolviert werden. Rollstuhlfahrer haben einige Trails geprüft.

Von Gabi Bucher

Die Detektiv-Trails sind für Kinder und Erwachsene konzipiert, mit Unterstützung können sie ab etwa sieben Jahren gelöst wer­­den, alleine ab etwa 14 Jahren. Es gibt drei Schwierigkeitsgrade: leicht, mittel und schwer. Im Gegensatz zu den etwas kom­ plexeren Krimi-Trails, welche sich aus­ schliesslich auf einen Kriminalfall fokus­ sieren, erhalten die Teilnehmenden bei den Detektiv-Trails Informationen zu Sehens­ würdigkeiten, Geschichte und Kultur der Stadt oder Region.

den in Luzern. Dieser führt dem See ent­ lang, und wer Luzerns Seepromenade kennt, weiss, wie idyllisch diese bei schö­ nem Wetter ist. Danach geht’s in die Alt­ stadt, wo wunderschöne Gebäude zu ent­ decken sind. Auch die Kapellbrücke ist in­tegriert und kann dank Treppenliften auf beiden Seiten problemlos überquert werden. Die Tester empfehlen diesen Trail, der mehrheitlich flach ist und ohne grosse Mühe und Begleitung absolviert werden kann.

Luzern und Stans Der Anbieter fragte die SPV an, ob wir ei­ nige Trails auf ihre Rollstuhltauglichkeit testen können. Geprüft wurden Anreise, Infrastruktur wie Parkplätze, Rollstuhl-­ WCs, aber auch die Lösbarkeit der Aufga­ ben für Rollstuhlfahrer, die Machbarkeit allein oder mit Begleitperson und der ge­ nerelle Eindruck. Vier Teams haben ver­ schiedene Trails absolviert, unter anderem

In Stans gestaltete sich das etwas anders. Nach dem dritten Rätsel führt der Trail steil bergauf, sodass es für einen nicht trai­ nierten Rollifahrer schwierig wird. Mit Um­ wegen ist es jedoch trotz allem möglich, die Rätsel zu lösen. Der Parcours begeis­ tert mit vielen Denkmälern, schönen Ge­ bäuden und alten Gassen. Ein schönes und unvergessliches Erlebnis, sind sich die Tes­ ter einig.

Trails im Bernbiet Die zu lösenden Aufgaben in Langnau im Emmental sind ziemlich einfach und aus der Perspektive eines Rollstuhlfahrers gut lösbar. Eine Aufgabe verlangt, Schritte zu zählen. Hier hilft das Smartphone bei der Lösung. Die verschiedenen Posten sind ohne Schwierigkeiten auffindbar. Beim letz­ ten gilt es zwar, einen grossen Umweg un­ ter die Räder zu nehmen, da der vorgege­ bene Weg durch eine Unterführung geht, welche nur per Treppe erreichbar ist. Der Trail ist interessant, insbesondere der erste Streckenabschnitt. Man lernt etwas über die Ortschaft und die wirtschaftliche Ent­ wicklung der Region. Klar empfohlen wird ein Swiss-Trac, ohne braucht es einiges an Hilfestellungen.

Der Trail in der Lenk bietet einen schönen Rundgang durchs Dorf. Verschiedene Pos­ ten informieren über die Kultur und Ge­ schichte des Orts. Der Startpunkt am Tou­

Unterwegs waren unsere Test-Detektive in der Zentralschweiz, im Bernbiet und in der Region um Olten.

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Paracontact I Frühling 2021


rismusbüro eignet sich gut für die Anreise mit dem eigenen Fahrzeug. Unweit vom Tourismusbüro gibt es zwei Behinderten­ parkplätze (vor dem Restaurant Kreuz) und ein Rollstuhl-WC (mit Euroschlüssel zu öffnen) direkt beim Bahnhof und un­ weit des Startpunktes, im Kirchgemeinde­ haus. Auch für diesen Trail wird ein SwissTrac oder eine Begleitperson empfoh­len. Es gibt einige steilere Wegabschnitte, die Gesamtstrecke ist lang und einige Ab­ schnitte weisen einen Kiesuntergrund auf. Die Aufgaben selbst sind bis auf eine aus der Perspektive eines Rollstuhlfahrers gut lösbar. Hier unterstützen Passanten oder allenfalls die Begleitperson. Der Trail liegt in schönster Natur, mitten in den Bergen, der schönste Streckenabschnitt befindet sich in der Gegend des Lenkseelis. Beson­ ders an einem sonnigen Tag ist diese Tour sehr empfehlenswert.

chen Burgdorf mit seinem imposanten Schloss. Rollstuhlgängige Restaurants und Cafés findet man einige, vor allem in der Umgebung des Bahnhofs und beim Ziel. FAZIT Das Team zu den drei Trails im Bernbiet: Trotz der etwas einfachen Aufgaben sind alle drei Trails empfehlenswert, vor allem für Eltern mit Kindern im Primarschulalter.

Olten Der Trail befährt nicht die Altstadt Olten, sondern die andere Aareseite. Die Themen sind der Bahnhof und die Bahngeschichte, Industriegeschichte, Bildung und For­ schung, Literatur und Schriftsteller, Häu­ ser und Kirchen. Der Zeitbedarf beträgt zwischen vier und fünf Stunden. Der Start­ Der Startpunkt am Bahnhof Burgdorf eig­ ort am Bahnhof verfügt über keine Park­ net sich sowohl für die Anreise mit dem plätze. Auf der gegenüberliegenden Aare­ eigenen Fahrzeug wie auch per Zug. Es seite, dem Amthausquai, hat es ober- und gibt im angrenzenden Park & Ride vier Be­ unterhalb der Aarebrücke vier Behinder­ hindertenparkplätze und ein Rollstuhl-­ tenparkplätze. Diese sind aber auf zwei WC (im Café Spettacolo). Der Trail durch Stunden limitiert. Der Trail ist für Roll­ die pittoreske Altstadt liefert viele kultu­ stuhlfahrer nicht ganz einfach zu absolvie­ rel­le Informationen. Das Auffinden der ren. Insgesamt vier Mal braucht es wegen Pos­ten ist aber nicht ganz ohne. Ein Swiss­ Treppen einen Umweg, was das Finden der Trac ist unabdingbar für diesen Trail von Rätsel erschwert. Teilweise sind die Um­ einer Gesamtlänge von 4,5 km, und einige wege relativ lang. Ein steiler Kiesweg, nur Steigungen sollte man selbst damit nicht mit Swiss-Trac zu meistern, erschwert das in Angriff nehmen, wenn man sich nicht Ganze zusätzlich. Sonst sind die Höhenun­ gefährden will. Die Umwege sind aber terschiede aber auch mit anderen motori­ leicht zu finden und kurz. Auch hier sind schen Unterstützungen zu bewältigen. Am die Aufgaben bis auf eine aus der Perspek­ Ziel haben die Detektive einen Code zur tive eines Rollstuhlfahrers gut lösbar. Der Hand, mit dem sie die Schatz­truhe öffnen Trail führt idyllisch der kleinen Emme ent­ können. In Olten ist zu beachten, dass das lang und rund um das malerische Städt­ Ziel bereits um 15 Uhr schliesst.

Zofingen Die ersten sechs Posten sind alle in der sehr schönen Altstadt versteckt (Kopfstein­ pflaster). Teilweise müssen kleine Umwe­ge gefahren werden, um ans Ziel zu kom­ men. Der Trottenweiher lädt zu einer Rast ein, der Boden dort ist jedoch mit Kies be­ deckt. Weiter gehts durch ruhige Quar­ tiere mit grossen, alten Villen und gepfleg­ ten Gärten hinauf zum Heiterenplatz, von wo man eine herrliche Aussicht auf Zofin­ gen geniesst. Danach führt der Weg steil hinunter zurück in die Altstadt zur Schatz­ truhe. Dieser Trail sollte nur mit einem Rollstuhl mit Unterstützung (Swiss-Trac, E-Rollstuhl, Tri-Ride) oder mit einem sehr sportlichen Fussgänger als Begleitung ab­ solviert werden.

Die besuchten Trails wurden durchgehend als gut bis sehr gut bewertet. Die Tester wa­ ren sich einig, dass es eine unterhaltsame Freizeitbeschäftigung für Familien mit Kin­ dern ist und eine schöne Art, Orte ken­nenzulernen, von denen man vorher nichts wusste. Bewertungen von Arbon, Buochs, der Klewenalp und Vaduz stehen noch aus. Alle übrigen auf der Webseite ange­ botenen Trails können auf eigene Verant­ wortung absolviert werden, eine vorherige Rücksprache mit der Organisation ist al­ lerdings empfehlenswert. Allfällige Rück­ meldungen zu den Trails sind direkt an die Organisation abzugeben.

Informationen www.detektiv-trails.com

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KULTUR UND FREIZEIT

FERIENTIPP

Wo Berge sich erheben Wer gerne Berge hat und nicht nur Entspannung sucht: Das Kaunertal ist der ideale Ausgangspunkt für Bergtouren mit Swiss-Trac und dem Handbike. Von Gabi Bucher

Reisen war im vergangenen Jahr nicht wirklich angesagt, vor allem nicht ins Aus­land. Rollstuhlfahrer Harry Suter sehnte sich aber nach einem Tapetenwechsel und besann sich auf eine Destination im Tirol, welche er zum letzten Mal vor zirka 20 Jahren be­ sucht hatte: Das Hotel Weisseespitze im Kaunertal. «Damals nannte es sich das 1. Rol­lihotel der Alpen und war wirklich total rollstuhlgängig.» Als er sich die Web­ seite des Hotels ansah, stellte er fest, dass sich inzwischen einiges getan hat. «Es gab schon damals einen Saunabereich und ein kleines Schwimmbad, dieses haben sie ­herausgerissen und einen grossen barrie­ refreien Wellnessbereich geschaffen. Für den Pool gibt es eine Einstieghilfe, durch eine Schiebetür gelangt man in den Aus­ senbereich zu den Liegestühlen zum Aus­ spannen.» Berg- und Talfahrten Erholung allein ist aber nicht Harrys Ding. Er wollte in die Berge. Oft sei es ja halt so, dass man mit dem Auto irgendwohin fahre, dann mit einer Bahn auf einen Gip­ fel, «und oben angekommen, kannst du gerade Mal einen Kaffee trinken, sonst ist meist nicht viel möglich». Nicht so im Kau­ nertal. «Es gibt ganz tolle Routen. Das Ho­ tel befindet sich bereits auf über 1200 m, da ist man schnell über 2000 m, also wirk­ lich mitten in der Bergwelt.» So ganz be­ wusst war ihm die Höhe offenbar doch nicht, denn am ersten Tag nach der Tour zum Gletscher sei er mit einem ziemlich respek­tablen Sonnenbrand zurückgekom­ men. Paracontact I Frühling 2021

Vor 20 Jahren erhielten die Gäste jeweils kopierte Blät­ ter mit Tou­renvorschlägen für Rollstuhl­fahrer, welche das Hotel zusammengestellt hatte. Heute gibt es das Rolli­ roadbook. «Die Regionen Tirol, Süd­ tirol und Graubünden haben sich zusam­ mengeschlossen und ein tolles Buch he­rausgegeben.» Darin findet sich für je­den etwas. «Von Touren auf flachem Gelände, welche auch von Tetraplegikern bewältigt werden können, über kulturelle Ausflugs­ ziele bis hin zur richtigen Bergtour ist alles vorhanden.» Dazu kommen Informationen über Anfahrten, Schwierigkeitsgrad, Weg­ beschaffenheit, Toiletten usw. Weiche Knie Ziemlich eindrücklich fand Harry die Aus­ sichtsplattform beim Naturpark Kauner­ grat, einer Plattform mit Aussichtsfenster sozusagen ins Nichts. «Ich war beruhigt,

dass auch die deutschen Motorradfahrer, welche ich dort traf, weiche Knie bekom­ men haben.» Die Tour im Piller Moor sei zwar nicht sehr lang, aber der Weg über den Steg durchs Hochmoor lohnenswert. Ziemlich anstrengend war die Tour auf die Nassereinalm, da habe seine Begleitung dann trotz seinem Swiss-Trac kurz helfend eingreifen müssen. «Oben gabs eine Jause­ platte und ungefragt auch gleich detaillier­ ­te Informationen zu den diversen ‹Gustis› und Mutterkühen, die dort den Sommer verbringen.» Die Menschen in dieser Re­ gion seien auffallend nett, kommunikativ und aufmerksam. Dolcefarniente Zurück im Hotel gibt es viele Möglichkei­ ten: Kaffee und Kuchen, Relaxen im Well­ nessbereich, einen Drink an der längsten Rollibar der Welt oder ganz einfach gut essen und danach herrlich schlafen. «Bes­ ser als zu Hause», bekräftigt Harry. Auch bei schlechtem Wetter hilft das Roadbook: Innsbruck ist in der Nähe. (Was das Road­ book nicht wusste: Es wurden dort gerade Renovationsarbeiten an der Kanalisation aus­geführt.) Meran, die Swarovski Kristall­ welten oder der Reschensee mit der ver­ sunkenen Kirche sind vom Kaunertal in einem Tagesausflug erreichbar. Harry kann nur wiederholen: «Hier lässt es sich wun­ derbar Ferien machen!»

Tipps für die Region terraraetica.eu/humana-raetica/ barrierefrei.html

Unbegrenzte Ausflugsmöglichkeiten für ein perfektes Feriengefühl 33


ROLLSTUHLSPORT

WINTER- UND SOMMERVERGNÜGEN

Erlebnispark auf dem Genussberg

Die Madrisa ist ein Berggebiet nahe Klosters mit dem Madrisahorn auf 2826 m ü. M. und einem Sonnenplateau auf 1887 m mit traumhafter Rundsicht. Und Madrisa ist rollstuhlgängig.

Von Gabi Bucher

Es war der 18. Dezember 2020, Winter-Sai­ sonauftakt in Klosters, ein spezieller Auf­ takt in diesem speziellen Jahr, aber immer­ hin Auftakt! Strahlend blauer Himmel, gerade genug Schnee, um erste Kurven zu ziehen und die Kleinsten der Kleinen in die Skifahrkunst einzuführen. So kam es einem mindestens vor, wenn man aus den Gondeln ins Freie trat, wobei etliche unter 34

den Knirpsen bereits halsbrecherische Ma­ növer hinlegten. Madrisa werde einerseits «Genussberg», andererseits aber auch «Fa­ milienberg» genannt, erklärte mir Olivia Pajarola, Marketingverantwortliche der Klosters-Madrisa-Bergbahnen. Die Pisten sind breit und offen, das Gebiet liegt auf der Sonnenseite des Tales, ideale Voraus­ setzungen für einen Familienausflug.

Von der Gondel direkt in den Schnee Madrisa wirbt auf der Homepage mit Bar­ rierefreiheit. Die Mitarbeitenden würden beim Ein- und Aussteigen in die Gondeln zur Verfügung stehen, steht geschrieben. Das ist keine leere Versprechung. Kaum er­ schien Peter Brägger, Paraplegiker, mit sei­ nem Rollstuhl am Eingang der Bergbahn, stand auch schon ein Mitarbeiter bereit, um Paracontact I Frühling 2021


ihn mit dem Rollstuhl in die Gondel zu he­ ben. Oben angekommen dasselbe, und sein Monoskibob, welcher eine Gondel früher raufgefahren war, erwartete ihn bereits. Peter, der im nahegelegenen Saas wohnt, ist gerne auf Madrisa unterwegs. «Ich mag das Gebiet wegen der Nähe zu meinem Wohnort. Da kann ich ganz kurzentschlos­ sen auf die Piste.» Zudem schätzt er die Tatsache, dass bei der Bergstation alles flach und ohne Barrieren zugänglich ist. «Du kommst aus der Gondel, rollst geradeaus und bist bereits auf der Piste.» Keine lan­ gen Gänge, Treppen oder Umwege. «Zudem verfügt die ‹Madrisa-Alp›, das im 2016 neu erbaute Restaurant der Bergstation, über rollstuhlgängige WC-An­ lagen.» Intelligenter Sessellift Ein paar Meter weiter unten befindet sich die 6er-Ses­sel­ bahn «Madrisa-Schaffürggli». Beim Einstieg erkennt ein Sen­ sorsystem die Grösse der auf den Lift wartenden Kinder und Monoskibobfahrer. Ein spezieller Hubtisch hebt die Passa­ gie­re auf die korrekte Sitzhöhe an. Die Ses­ selbügel verfügen über einen automati­ schen Schliess- und Öffnungsmechanismus. So kann Peter mü­helos und ohne Hilfe mit seinem Monoskibob Richtung Berg fahren. Auf der Sonnenseite Dass nur dieser eine Sessellift rollstuhl­ gängig ist, stört Peter nicht. Einerseits steht auch noch ein Schlepplift zur Verfügung, den er auch benutzen kann, andererseits gibt es vier verschiedene Abfahrten, zwei blaue und zwei rote, das reiche durchaus. «Und ab und zu fahre ich runter ins Dorf, auf der schwarzen Piste, und bin dann rasch und ohne Umsteigen mit der Gon­ del wieder auf dem Berg.» Nicht zu verach­ten ist auch die Sonnenterrasse, wo er gerne zwischen den Abfahrten die herrli­ che Aus­sicht geniesst und sich, wenn nicht gerade Massnahmen zur Pandemieein­ dämmung die Schliessung aller Gastrobe­ triebe erzwingt, im absolut barrierefreien Restaurant etwas zu essen holt. Wer keinen Mono­skibob besitzt, kann in Saas einen mieten. Erfahrene Skilehrer stehen zur Verfügung, um Instruktionen zu geben. Paracontact I Frühling 2021

Für Jung und Alt Nicht nur Peter fährt gerne Ski auf der Madrisa. Im Jahr 2020 wurde zum ersten Mal der «SnowDream Madrisa»-Event durch­geführt. Er ist auch für 2021 geplant, kann aber aufgrund der aktuellen Situa­ tion nur im kleinen Rahmen durchgeführt werden. Die Veranstaltung richtet sich an Kinder und Jugendliche mit Spina bifida oder Cerebralparese. Die beiden Ini­ti­an­ ten Maria Walliser (Präsidentin und Bot­ schafterin der Stiftung Folsäure) sowie Thomas Erne (Geschäftsführer der Stif­ tung Ce­rebral) bringen den Teilnehmen­ den das Schneesporterlebnis in allen Fa­ cetten nä­her. Speziell ausgebildete Skilehrer, da­run­ter auch zwei Mono- und Dualskibobleh­ rer aus Sö­renberg, leiten die Kinder und Jugendlichen in den einzelnen Sportarten an und begleiten sie durch den Tag. Die Madrisa ist dank ih­ rer Barrierefreiheit beliebt. 2019 fan­den hier die Para Ski Schweizer Meisterschaften statt. Kriegsveteranen aus Eng­land verbringen seit Jahren jeweils ei­ne Woche in Klosters und lassen sich in die verschiedenen Skifahr-Techniken einfüh­ ren. Dieses Jahr müssen auch sie verzichten. Der Baum im Schlafzimmer Madrisa machte aber ursprünglich bei Roll­stuhlfahrern vor allem als Sommer­ des­tina­tion von sich reden. Vor zehn Jah­ ren wur­de das «Madrisa-Land» eröffnet, ein Erlebnispark, welcher auch für körperund sehbehinderte Kinder zugänglich ist. Zuständig war damals der Verein «Erlebnis mit Herz – Madrisa», die Schweizer Pa­­raplegiker-Stiftung unterstützte das Projekt, das Zentrum für hindernisfreies Bauen gab fachliche Inputs. Eine grosse Attrak­ tion im «Madrisa-Land» sind die Baumhüt­ ten. Es gibt zwei 6er-Baumhütten und eine Suite. Alle sind komplett rollstuhlgängig. Die Suite hat eine private Plattform, eine gemütliche Sitzecke und eine Badewanne mit herrlicher Aussicht in die umliegende Bergwelt. Anfänglich befanden sich die sanitären Anlagen in Containern bei den Hütten. Heute sind diese im Bergrestau­ rant «Madrisa-Alp» zu finden. Der Sagen­ turm ist mit einem Lift erreichbar, es gibt eine spezielle Schaukel, welche auch mit

Schlafen im Baumhaus, auf der Madrisa wirds möglich

Rollstuhl benutzbar ist, Wasserspiele, eine Märligondel, einen Streichelzoo. Ein un­ vergesslicher Ausflug für Familien, und wie oft kann man sagen, man habe mitten im Wald und mit einem Baum im Zimmer geschlafen? Mach mal eine Pause Peter seinerseits fährt im Sommer gerne mal mit seinem Handbike von seinem Wohnort auf den Berg. Was er dort oben mache? «Eine Pause», sagt er lachend, seien es doch 900 Höhenmeter, die er zu bewäl­ tigen habe. Und dann eben, die Sonnen­ terrasse geniessen, bevor er die Abfahrt unter die Räder nehme. Geplant sei auch die Anschaffung eines «Mountain Drive», welcher dann auf der Madrisa zur Verfü­ gung stehe, erklärt Marketingverantwort­ liche Olivia Pajarola. Dieser spezielle Roll­ stuhl ist für naturbelassene Bergwanderwege, Kopfsteinpflaster, groben Schotter und Wegstufen entwickelt worden. Dank seines intelligenten Fahrwerks und Elek­ troantrieb bietet er alle Eigenschaften für ein sicheres Vorankommen in unwegsa­ mem Gelände. Alle Gastronomie-Betriebe auf dem Berg sind rollstuhlgängig, auch das Event-Lokal Madrisa-Hof mit dem Weinkeller. An der Talstation der Berg­ bahn gibt es drei Behinderten-Parkplätze. Einem herrlichen Naturerlebnis steht auf der Madrisa also weder im Sommer noch im Winter etwas im Weg. 35


ROLLSTUHLSPORT

HANDBIKE

FOKUS

Neuer Nationaltrainer

TK Sportschiessen im Blickfeld

Per Januar 2021 übernahm Michael Würmli das Amt als Nationaltrainer Handbike. Als ehemaliger sportlicher Leiter der Strassen- und Mountainbike-Athletinnen bei Swiss Cycling und aktueller Stützpunktleiter des TSP Mittelland ist Michael Würmli optimal gerüstet für die anstehenden Herausforderungen. In der Handbike-Szene ist er zudem kein Unbekannter. So war er mehrere Jahre im OK der Handbike-Rennen in Recherswil.

TENNIS

Breite Erfahrung Im September 2020 übernahm Eva Stutzki den Posten als Nationaltrainerin RollstuhlTennis. Damit löste sie René Bolliger ab, wel­ cher sich seit vielen Jahren für das RollstuhlTennis in der Schweiz einsetzte. Ein grosses Dankeschön an dieser Stelle an René! Mit Eva gewinnt die Sportart Tennis eine ehema­lige Profispielerin, welche über eine äusserst breite Erfahrung als Spielerin wie auch als Trai­ nerin verfügt. Eva nahm während ihrer Profikar­ riere an mehreren Grand-Slams und Fed-Cup Einsätzen teil. Später betreute sie als Coach Spie­ lerinnen und Spieler wie Belinda Bencic, Jérôme Kym oder Jan Sebesta. Unsere Rollstuhl-Tennis­ spieler hat die 55-Jährige in den vergangenen Jah­ ren immer wieder an Wettkämpfen oder an Ka­ derkursen betreut. So coachte Eva beispielsweise das Damen-Team am World Team Cup 2019 in Israel. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!

BREITENSPORT Michael Würmli setzt die Vorbereitung für die erfolgreiche Teilnahme an den Paralympischen Spielen 2021 fort. Aufgrund des guten Nationenrankings wurde bereits je ein Quotenplatz für die Herren und für die Damen bestätigt. Mit weiteren guten Resultaten sollten zusätzliche Plätze dazukommen. Michael Würmli beginnt seinen Posten als Nationaltrainer also in einem wichtigen Moment. Medienmitteilung www.handbike.spv.ch 36

Termine Merken Sie sich bereits heute die Termine der Breitensportanlässe im Sommer und Herbst: Segeln in Prangins 5.6.2021 Kids Camp in Nottwil 19.–20.6.2021 Wasserski in Mols 3. und 4.7.2021 Mountainbike in Conthey 10.7.2021 Neu: mini «move on» in Tenero 25.–27.6.2021 Giro Suisse 24.–29.8.2021 Kids Day in Tenero 2.10.2021 Sportcamp «move on» in Nottwil 11.–16.10.2021 Ausschreibung und Anmeldeformular: www.spv.ch/breitensport

Mit einem Blick auf die weniger im Licht stehenden Bereiche des (Sport-)Lebens rückt Unbekanntes in den Fokus. Die TK Sportschiessen ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Es liegt auf der Hand: Das oberste Ziel ist, die Athleten auf ihrem sportlichen Weg zu unterstützen. Darin unterscheiden sich die TKs nicht. Wer weiss aber, dass Sportschiessen aktuell zwei Sportarten mit zwei komplett ver­schiedenen Sportgeräten, Gewehr und Pistole, umfasst? Die TK hat sich so strukturiert, dass jeweils ein Coach einer der beiden Bereiche betreut. Obwohl Walter Berger für den gesamten Trainingsbetrieb zuständig ist, widmet er sich primär den Gewehrschützen. Christian Godlinski hingegen richtet sein geschultes Auge auf die Pistolenschützen. Als ehemaliger Leistungsschütze ist Pietro Valsangiacomo bestens mit der Sprache der Sportler vertraut und weiss, wo der Schuh manchmal drückt. Er ist der Mann mit dem offenen Ohr für die Anliegen der Athleten. Zugunsten der kurzen Wege wird das Gremium, anders als in vielen TKs, direkt vom Sportartmanager Martin Wenger geleitet. Viele der nationalen Wettkämpfe finden bereits seit einigen Jahren in einem inte­ grativen Rahmen mit Swiss Shooting statt. Damit die Schiessfamilie noch stärker zusammenwächst, hat die TK die Zusammenarbeit in den Bereichen «Ausbildung» und «Athletenakquisition» verstärkt. Paracontact I Frühling 2021


EM LEICHTATHLETIK

Gradmesser für Tokio Die Europameisterschaft wird durch die erfahrenen Organisatoren in Bydgoszcz POL ausgetragen. Nachdem die EM letztes Jahr verschoben wurde, kämpfen nun die besten Leichtathleten Europas vom 1. bis  5. Juni 2021 im Zdzislaw Krzyszkowiak Stadium um Edelmetall. Erwartet werden rund 600 Athleten. Das OK ist bestrebt, den Anlass durchzuführen. Die EM wird für viele Athleten ein wichtiger Gradmesser sein im Hinblick auf dem Weg nach Tokio.

B-WM CURLING

POWERCHAIR HOCKEY

Coach-Rochade Vor neun Jahren trat Raphaël Mathis das Amt des Nationaltrainers der jungen Sportart Powerchair Hockey an. Obwohl das flinke Spiel mit dem Unihockeyball fast nur in Insiderkreisen bekannt war, etablierte es sich unglaublich rasch in den Regionen. Alle Spieler hatten das gleiche Ziel, sie wollten zu Ra­ phaël ins Nationalteam. Dieses hat er an je zwei EM und WM geführt und die Schweiz auf dem Nationenranking kontinuierlich nach vorne ge­ bracht. Im Herbst 2020 hat Raphaël sein Amt mit dem langjährigen Assistenztrainer Daniel Pulver getauscht. Zusammen verfolgt das eingespielte Duo weiterhin die im 2019 gestartete Kampagne für die WM 2022 in der Schweiz. Danke Daniel, danke Raphaël für euer grosses Engagement!

Ziel Wiederaufstieg Auch die Curling B-WM wurde bereits mehrmals verschoben. Nach dem Abstieg an der Heim-WM strebt das Schweizer Team den unmittelbaren Wiederaufstieg in die A-Gruppe und damit die Teilnahme an der A-WM an.

Paracontact I Frühling 2021

Fabian Recher, Handbiker 21-jährig, wohnhaft in Spiez. Er ist der erste Athlet im neuen Athletenfördergefäss «Para Top Potential». In dieser Rubrik präsentieren sich die zukünftigen Spitzenathleten im Kurzporträt.

Dein Lieblingsessen? Ich liebe Pizza, besonders nach einem Rennen in Italien. Am liebsten Prosciutto crudo. Dein Soundtrack fürs Training? Ich habe keine Vorlieben. Meist höre ich mir PlaylistVorschläge auf Spotify an.

48 DIE ZAHL

Trotz der Covid-19-Restriktionen findet das Nationalteam in Brig sehr gute Trainingsbedingungen vor und kann sich auch mit den strengen Massnahmen gut vorbereiten. Die B-WM wird vom 10. bis 15. April 2021 in Lohja FIN ausgetragen.

PARA TOP POTENTIAL

…TK-Mitglieder setzen sich im Jahr 2021 für die Interessen der einzelnen Sportarten ein. Einige personelle Veränderungen innerhalb der Tech­ nischen Kommissionen bringen neuen Auftrieb. Wir wünschen allen viel Freude in ihrer Funk­ tion und danken herzlich für ihr Engagement zugunsten des Rollstuhlsports.

Deine Hobbys neben dem Handbiken? Die Fotografie. Ich knipse, was vor die Linse kommt. Das kann ich gut mit dem Handbiken verbinden. Das müssen unsere Leser unbedingt über dich wissen. Ich trinke vor jedem Training mindestens eine Tasse Kaffee. Netflix oder SRF? Schwieriger Entscheid. Ich ten­diere zu SRF, da gibt es viele spannende Dokumentationen. Insta oder Whatsapp? Klar Instagram, das ist vielfältiger. 37


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sen und habe einen grossen Varianten­ reichtum an Fahr- und Schlagbewegungen. «Eigentlich ist es eine Einzelsportart, im Zweierteam werden aber auch interes­ sante Doppel gespielt, die in Team-Wett­ bewerben zu grosser Bedeutung gelangen. In diesem Sinn kommt die Kameradschaft nicht zu kurz.» Ab einem gewissen Spiel­ niveau und mit höheren persönlichen Zielen reise man um die ganze Welt. Bou­ Bou hofft, beim nächsten «move on», an Schnupper- oder Sportkursen wieder ein paar Junge fürs Rollstuhl-Tennis zu be­ geistern.

TENNIS FÜR ALLE

Bärenstarkes Tennis Herbert «BouBou» Keller ist in Nottwil seit drei Jahren engagierter Trainer im Rollstuhl-Tennis, seit zwei Jahren ebenfalls im Tischtennis. Von Gabi Bucher

Auf den ersten Blick wirkt er etwas ernst, der Mann, der da auf dem Tennisplatz die Bälle übers Netz schickt. Aber Herbert «BouBou» Keller ist einfach nur voll kon­ zentriert. Neben dem Platz ist er offen, kom­munikativ und hat ein fast schelmi­ sches Lachen. Woher der Name BouBou? Sein Schulkollege habe den Kosenamen Yogi gehabt und da er selber einen Kopf kleiner gewesen sei, sei er BouBou gewor­ den, Yogis kleiner Bärenkollege. Das mit dem «Kopf kleiner» ist heute kaum nach­ vollziehbar, seine Statur und vor allem die sonore Stimme erinnern aber durchaus an einen Bären. Neubeginn im Rollstuhl BouBou wollte schon früher Tennislehrer werden, brach aber die Ausbildung ab, weil ihn seine Krankheit läuferisch zu sehr ein­ schränkte. Zum Glück lud ihn ein Tennis­ kollege zu einem Schnupperkurs im Roll­ stuhl-Tennis ein. «Da hat es mich gepackt», 38

erzählt er. Vor drei Jahren übernahm er nach abgeschlos­senen Trainerausbil­ dungen die Kurse seines Leh­ rers Eugen Trost. Am Mon­tag und Mittwoch trainiert er jeweils von 17.00 bis 20.00 Uhr Anfänger und Fort­ geschrittene; an weiteren Tagen Spieler aus dem Nationalkader. Durchhaltewillen und Disziplin BouBou würde gerne mehr junge Rolli­ fahrer fürs Tennis begeistern. «Leider ist Tennis die letzte Sportart, die ein Neuver­ letzter von der körperlichen Belastung her ausüben darf. Nach der Reha zu Hause gibt es viele andere Probleme, die den Sport vergessen lassen.» Ein einfacher Sport sei es nicht. «Es braucht einiges an Durchhal­ tewillen, hat man jedoch einen Spielpart­ ner, der die Bälle regelmässig zurückspielt, macht es riesig Spass und Fortschritte zei­ gen sich zusehends.» Dazu sei man draus­

Fussgänger erlaubt Rollstuhl-Tennis unterscheidet sich nur in einer Regel vom Tennis für Fussgänger: Der Ball darf zwei Mal auf dem Boden aufprallen, bevor er gespielt werden muss. Man könne auch mit Fussgängern spielen, «aber gegen einen wirklich guten Spieler kommst du im Rollstuhl in Sachen Beweg­ lichkeit und Schnelligkeit im Ernstkampf nicht an». Dennoch lohnt sich ein solches Training. «Ein Fussgänger kann Bälle, die du verhaust, meist noch kontrolliert zu­ rückspielen, das ist sehr trainingsför­ dernd.» Das Training mit Roll­ stuhlfahrern sollte aber auch nicht zu kurz kommen, ist es doch sehr wichtig, die Schläge aus dem Sport­ rollstuhl lesen und antizi­ pieren zu können.

Wenn in der Winterzeit die offi­ziellen Trai­nings wegfallen, ist BouBou als Privatlehrer zu haben. «Bis zu einer Stunde Fahrzeit nehme ich gerne auf mich», meint der in Wohlen (Aargau) Le­ bende. Ab Anfang April fangen die Kurse auf dem 2020 neu renovierten ReboundAce-Tennis­platz­belag in Nottwil wieder an. «Es gibt nirgends in der Schweiz einen sol­ chen Be­lag zum Trainieren», erklärt Bou­ Bou, «er entspricht vielen Turniertennis­ plätzen. Da ist man mit dem Rolli schnell unterwegs und der Ballabsprung ist regel­ mässig genau.» Ja, Tennis ist BouBous Ding. «Und weisst du was», meint er fast verschwörerisch, «es war mein Bubentraum, Sportlehrer zu wer­ den. Jetzt hab ichs doch noch geschafft.» Paracontact I Frühling 2021


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FRAUENPOWER IM SPORT

Herausforderung Trainingsplanung Bekanntlich sind Männer und Frauen nicht gleich. Doch findet dieser Aspekt in Trainingsund Wettkampfplänen Platz? Wir haben bei Badminton-Ass Cynthia Mathez nachgefragt. Von Linda Wiprächtiger

Das Zitat von der Sportwissenschaftlerin Dr. Stacy T. Sims bringt es auf den Punkt: «Women are not small men. Stop eating and training like one.» Frauen sind nicht Männer und sollten dementsprechend auch nicht essen und trainieren wie Männer. So einfach. Oder etwa doch nicht? Die Kam­ pagne «Frauenpower im Sport» von Swiss Olympic spricht Unterschiede zwischen Mann und Frau in Bezug auf die sportliche Leistung an. Alleine die Notwen­digkeit ei­ ner solchen Kampagne zeigt, dass diesem Aspekt im Leistungs- und Breitensport bei der Planung zu wenig Beachtung ge­ schenkt wird. Auch im Rollstuhlsport? Erholung muss sein Cynthia Mathez gehört seit einigen Jahren dem Nationalkader im Rollstuhl-Badmin­ ton an. Am Spiel reizt sie besonders die Tak­tik und Technik, aber auch die Schnell­ kraft. «Der Badmintonsport vereint alles!», schwärmt die 35-Jährige.

In ihren Trainings liebt Cynthia Mathez die Herausforderung. «Ich brauche Adre­ na­­lin. Ohne kann ich nicht trainieren.» Dabei behält sie immer ihr Ziel vor Augen, die Paralympics in Tokio dieses Jahr. Rund 13 Stunden Training pro Woche, mehr liegt bei der an MS-erkrankten Sportlerin kör­ perlich nicht drin. Aufgrund ihrer Krank­ heit muss sie besonders auf genügend Er­ holungszeit achten. «Dies nimmt einen gros­­sen Platz in meinem Tagesablauf ein», sagt sie. Eine Gratwanderung Für Mathez ist das Körperbewusstsein be­ sonders wichtig. «Gewicht, das ist ein gros­ ses Thema bei mir», gesteht sie. Durch ihre Paracontact I Frühling 2021

Medikamenteneinnahme stösst die in Bo­ ningen wohnhafte Badmintonspielerin im­ mer wieder auf das Problem der Gewichts­ zunahme. In der Kampagne «fastHER, smartHER, strongHER» beschäftigt sich Swiss Olympic unter anderem mit ungenü­ gender Energiezufuhr und deren Folgen. Wird der Körper mit zu wenig Energie ver­sorgt, erhöht dies die Verletzungsanfäl­ ligkeit oder führt zu Leistungseinbussen. Besonders unter Frauen ist dies ein weitverbreitetes Problem. Bei Rollstuhlsport­ lern besteht die Herausforderung vor al­ lem darin, die Energie zum richtigen Zeit­ punkt zuzuführen, damit sie für Training und Wettkampf zur Verfügung steht, nicht aber ungebraucht abgelagert wird. Denn Rollstuhlfahrerinnen und Roll­stuhl­fah­rer haben oft einen verminderten Grundum­ satz.

Trainingsplanung ist essenziell

Auch Cynthia Mathez hat schon von der Kampagne von Swiss Olympic gehört. «Die Muskelmasse ist bei Frauen anders als bei Männern. Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jeder Körper unterschied­

KAMPAGNE «fastHER, smartHER, strongHER» Frauenspezifische Themen wie Menstruationszyklus oder Schwangerschaft werden noch viel zu wenig thematisiert und diskutiert. Mit der Kampagne versucht Swiss Olympic erhöhte Aufmerksamkeit dafür zu schaffen.

lich ist und das in den Trainingsplänen bei­ der Geschlechter beachtet werden soll­te», findet sie. MS beeinflusst das Training Aus Sicht von Nationalspielerin Cynthia Mathez beeinflusst ihre Krankheit die Trai­ ningsplanung also mehr als ihr Geschlecht und die damit einhergehenden körperlichen Besonderheiten. Da sie wegen der Hor­monspirale keine normale Menstrua­ tion hat, ist sie dem weiblichen Zyklus we­ niger ausgesetzt. Was ihr und ihrem Kon­ ditionstrainer Gregor Boog jedoch Kopfzerbrechen bereitet, ist das Spiel mit dem Feuer betreffend ihrem erhöhten Erho­ lungsbedarf. Wie viel Training geht? Wo muss sich die Athletin überwinden, um besser zu werden? Wann ist Ruhe sinnvol­ ler? Dies ist der schmale Grat, den sie im­ mer wieder neu ausloten muss und der sie vor grössere Herausforderungen stellt als geschlechterspezifische Unterschiede. Mehr zur Kampagne www.swissolympic.ch (Frau und Spitzensport) 39


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SERIE 1/4: TOKYO 2020

Die Paralympics Der Traum aller Spitzensportler, verschoben auf 2021. So weit, so gut. Doch was bedeutet die Verschiebung für die Athleten? Wir begleiten zwei Athleten auf ihrem Weg. Von Nicolas Hausammann

Catherine Debrunner gehört zu den bes­ ten Leichtathletinnen von Rollstuhlsport Schweiz. An der WM 2019 in Dubai holte die 25-jährige Thurgauerin zwei Medaillen, über 400 m gar die goldene. Der 31-jähri­ ­ge Handbiker Tobias Fankhauser zählt be­ reits eine silberne (London 2012) und bron­ zene (Rio 2016) Paralympics-Medaille zu seinem Palmarès. Nun will er alles daran setzen, den Medaillensatz zu erweitern. Corona hat den (Sport-)Kalender ziemlich durcheinandergewirbelt. Wie ist euer momentanes Befinden? Catherine: Mir wurde in diesem Jahr be­ wusst, welch ein Luxusleben wir tagtäglich führen. Vor Corona erachtete ich beispiels­ weise den Besuch eines Cafés oder des Fit­ nesscenters als selbstverständlich. Ich freue mich, wenn ich meine Liebsten bald wieder spontan treffen und umarmen kann. Denn diese Begrüssungsformen, die jetzt alle weg­­fallen, fehlen mir. Tobias: Bei mir liefs weniger gut mit der Corona-Situation. Nach einem Trainings­ lager Ende Herbst hat es mich erwischt. Ich war positiv, hatte aber ausser zwei fiebrigen Tagen, der unangenehmen Erfahrung des Corona-Tests und der folgenden Iso­la­tion Glück im Unglück. Auch die letzten sport­ medizinischen Tests zeigen keine blei­ben­ den Schäden.

Sportler etwa drei Viertel des Lebens. Ich hatte alles auf die optimale Vorbereitung ausgerichtet, mein Praktikum lief aus und plötzlich fehlten sowohl Tagesstruktur als auch sportliches Ziel. Catherine: Es war ein stetiger Prozess. Die Rennplanung 2020 wurde völlig auf den Kopf gestellt. Ich kann aber Tobias zustim­ men, es war eine Erlösung, als die Verschie­ bung schliesslich kommuniziert wurde. Es wäre unmöglich gewesen, faire Spiele un­ ter diesen Umständen zu gewähr­leisten. Hat sich eure Motivation irgendwie verändert und war vielleicht vermehrt mentales Training nötig? Catherine: Die Pause im Herbst hat Wun­ der gewirkt, um meinen Kopf zu lüften.

Da­nach war ich wieder richtig motiviert. Durch den Trainerwechsel und die andere Trainingsphilosophie erhalte ich neue In­ puts, was mich ebenfalls motiviert. Zu Be­ ginn der Corona-Krise spielte das Men­tal­ training eine wichtige Rolle für mich. Tobias: Im Herbst fühlte ich mich ausge­ brannt und brauchte eine Pause. Gleich nach diesem Break war ich wieder voll mo­ tiviert und konnte das Wintertraining trotz Corona-Infektion mit einer besseren Leis­ tung in Angriff nehmen als letzte Saison. Wo steht ihr momentan in euren Vorbereitungen und wie sieht die Planung für den Frühling aus? Tobias: Das Fundament, das ich mir jetzt aufbaue, entscheidet im kommenden Spät­ sommer über den Erfolg. Eigentlich wäre bei mir ein Trainingslager in Dubai geplant gewesen. Allerdings sieht es (zu Redaktions­ schluss) nicht danach aus, als ob dies statt­ finden kann. Catherine: Unter normalen Umständen wä­re ich Ende Januar nach Teneriffa ins Trai­ningslager gefahren. Nun musste halt die Rollentrainingshalle in Nottwil her­ hal­ten. Das Trainingszentrum Papendal in Holland wäre eine Alternative wegen mei­ nes niederländischen Trainers. Doch auch hier muss ich einfach sehr flexibel sein und schauen, was möglich ist.

Im Porträt Catherine Debrunner und Tobias Fankhauser fokussierten sich neu und sind mit Biss unterwegs Richtung Paralympics

Auf welchem Rad hat euch die Verschiebung der Paralympics erwischt? Tobias: Der definitive Entscheid war eine Erlösung, da der Rennkalender bis dahin schon so durcheinandergewirbelt worden war. Planung und Struktur sind für einen 40

Paracontact I Frühling 2021


ROLLSTUHLSPORT

ist genügend Erholung entscheidend für die Leistungsfähigkeit, dies verkenne er selbst immer noch zu oft. Zum Glück habe er mit der Haut bislang noch keine Probleme wegen des langen Sitzens während der Arbeit oder der engen Sitzposition im Sportrollstuhl. Andere Rollstuhlsportler hätten da viel eher mit Druckstellen zu kämpfen.

SERIE 1/4: SPITZENSPORTFÖRDERUNG SCHWEIZER ARMEE

Sportliche Inklusion Der 32-jährige Luca Olgiati ist der grosse Hoffnungsträger im Schweizer Para-Badminton-Sport. Neu wird er Sportsoldat. Doch was bedeutet das für den Athleten und Rollstuhlsport Schweiz? Von Nicolas Hausammann

Mit der Aufnahme von Roll­ stuhlsportlern in die Spit­ zen­sportförderung bekennt sich die Schweizer Armee zur Inklusion von Behinder­ ten- und Rollstuhlsportlern. Bundesrätin Viola Amherd liess be­reits in ihrer Rede anlässlich des Giro Suisse im Septem­ber durchblicken, dass sie grosse Stücke auf die Arbeit der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung hält und den Rollstuhlsport weiter unterstützen will. Mit dem Förderstart 2021 setzt ihr Departe­ ment das Lob in Taten um. Die ersten Athleten von Rollstuhlsport Schweiz, die vom Kompetenzzentrum für Spitzensport profitieren können, sind Bad­ mintonspieler Luca Olgiati, Skifahrer Pas­ cal Christen und Basketballer Louka Réal. Die ehemaligen RS-Absolventen erfüllen die Auflagen für eine Remilitarisierung. Paracontact I Frühling 2021

Sport in den Fokus rücken Das grosse Ziel von Luca Olgiati sind die Paralympics Paris 2024. Die Asiaten domi­ ­­nieren seinen Sport. Alle sind professionell unterwegs. Der Sport bestimmt ihren Alltag. Luca dagegen läuft «zeitlich am Anschlag», wie er sagt. Den­ noch ist er momentan in Europas Top Ten platziert. Mit seinem 50%-Arbeitspensum und dem Training bleibt die Erholung oft auf der Strecke. Nicht selten stellt er wäh­ rend der Trainings fest, dass ein Teil sei­ nes Körpers durch die Arbeitszeit bereits müde und das Training daher wenig effi­ zient ist. Daher sieht der Aargauer Geoma­ tik-Ingenieur den Gewinn nicht nur in der Steigerung des sportlichen Trainings­ umfangs. Vielmehr sieht er durch die ge­ wonnene Zeit seine langfristige Gesund­ heit gesichert. Ge­rade als Rollstuhlfahrer

Bis zu 130 Diensttage jährlich kann Luca Olgiati neu in den Sport investieren. Als Mit­arbei­ter eines KMU mit 20 Mitarbei­ tenden muss sich seine Abwesenheit rund um seine sport­lichen Aktivitäten erst noch einpendeln. Grundsätzlich ist sein Arbeit­ geber dem Projekt allerdings gut gesinnt und will ihn bei seinen geplanten Höhen­ flügen unterstützen. Vor allem sollen indi­ viduelle sportartspezifische Trainingsein­ heiten hinzukommen. In Bezug auf einen persönlichen Trainer, welcher ebenfalls über den Erwerbsersatz (EO) für maximal 100 Tage entschädigt werden könnte, ist noch nichts entschieden. Inklusion in der Armee Für Luca Olgiati ist seine Militärzeit mit positiven Erinnerungen verbunden. Daher würde es ihm auch nichts ausmachen, sich im Zeughaus wieder eine Uniform abzu­ holen. Gesellschaftlich findet er es nicht nur toll, dass sich die Schweizer Armee für den Sport engagiert, sondern freut sich da­rüber, eine der ersten Identifikationsfi­guren des Rollstuhlsports in der illustren Truppe zu sein, die Olympiasieger wie Dario Cologna oder Michelle Gisin in ih­ ren Reihen hat. Ein starkes Zeichen der Inklusion und für ihn selber ein wichtiger Baustein auf der Strasse des World Ran­ kings von Rang 23 in Richtung Rang drei, wo sich im Moment der beste Europäer eingenistet hat.

Video zur Spitzensportförderung der Armee 41


VERMISCHTES

PRINT

«Sportlerin» Das am 16. Dezember 2020 erstmals publizierte Magazin «Sportlerin» widmet sich exklusiv den Athletinnen unseres Landes und erzählt Geschichten von Frauen aus der Sportszene. Rollstuhlsport ist dabei ein fixer Bestandteil des viertel­ jährlich erscheinenden Hefts. Den Anfang machte ein Porträt über Marathonqueen Manuela Schär. Die Märzausgabe ist am Kiosk oder über die Webseite www.sportlerin-magazin.ch erhältlich.

SCHWEIZER PARAPLEGIKER-STIFTUNG

Neu gewählt Die neuen Stiftungsräte der Schweizer Paraplegiker-Stiftung heissen Markus Bé­ chir und Adrian Ritz. Luca Jelmoni wird neuer SPZ-Direktor. Die neuen Stiftungsräte wurden auf An­ trag der unabhängigen Nominationskom­ mission gewählt und ersetzen die drei lang­ jährigen Mitglieder Jacqueline Blanc, Heinz Frei und Kuno Schedler. Die Abtretenden wurden herzlich verdankt.

SPOCAP ergänzt RSS-Angebote

Die Angebote von SPOCAP ergänzen die Angebote von SPV/RSS optimal, wir freuen uns über diese Partnerschaft. Mehr dazu www.spocap.ch 42

Prof. Dr. rer. oec. Adrian Ritz (Bild rechts) ist Professor für Public Mana­gement an der Universität Bern sowie Mitglied der Ge­ schäftsleitung des Kompetenzzentrums für Public Management der Uni­versität Bern. Ebenfalls ernannte der Stiftungsrat Luca Jelmoni zum neuen SPZ-Direktor. Er tritt die Nachfolge von Hans Peter Gmünder an, der in Pension gehen wird. Zu­dem wurde Mirjana Bosnjakovic zur neu­en Geschäfts­ führerin der ParaHelp gewählt. Beide wur­ den von den Verwaltungsräten ihrer Gesell­ schaften vorgeschlagen.

PARTNER

Marc Elmer, aktiver RollstuhlBadminton-Spieler, und seine Vorstandskollegen führen den Non-Profit-Verein SPOCAP mit Sitz im Glarnerland. SPOCAP unterstützt Hobby- und Leistungssportler mit einem kör­ per­lichen und/oder geistigen Handicap, welche dafür über keine oder zu geringe finan­ zielle Mittel verfügen. Neben dem finanziellen Aspekt beraten sie Menschen bei der Beschaffung von Sportgeräten, vermitteln geeignete Hilfspakete und helfen beim Finden von Sportinfrastruktur zu Spezialkonditionen, wie im Beispiel der Partnerschaft mit der Lindt-Arena in Näfels.

Prof. Dr. med. Markus Béchir aus Aarau (Bild links) ist Chefarzt Zentrum Innere Medizin bei der Hirslanden Klinik Aarau und verfügt über ein Executive MBA der PHW Bern. Er ist Ver­waltungsratspräsident des Schwei­zer Pa­­raplegiker-Zentrums.

DMPG

Jahrestagung Vom 16. bis 19. Juni 2021 veranstaltet die Deutschsprachige Medizinische Gesell­ schaft für Paraplegiologie e.V ihre 34. Jah­restagung. Die Tagung findet dieses Jahr digital statt. Thematisiert wird die multiprofessionelle Behandlung von Menschen mit einer Quer­ s­ chnitt­lähmung zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Veranstalter erwarten zwischen 600 bis 650 Teilnehmende aus den Bereichen Rehabilitation, Orthopädie und Para­plegie. Anmeldungen sind über die Website möglich.

Anmelden www.dmgp-kongress.de

VERBAND

InVIEdual Menschen mit Behinderungen, die mit Assistenz leben, grün­ deten Anfang Dezember den Verein und Branchenverband «InVIEdual, Menschen mit Behinderungen stellen Assistent/innen an». InVIEdual vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber der Öffentlichkeit und den Behörden. Der Arbeitgeber­ver­ band nimmt Verantwortung in der Sozialpartnerschaft wahr, vernetzt Assistenzneh­mende und sensibilisiert für ein Leben mit persönlicher Assistenz. Mehr Informationen www.inviedual.ch Paracontact I Frühling 2021


FORSCHUNG

IRP Schellenberg Research Prize Der von der International Foundation for Research in Paraplegia vergebene und mit CHF 10 000.– dotierte Schellenberg Research Prize geht zu gleichen Teilen an Prof. Patrick Freund, Universitäts­ klinik Balgrist, Zürich, und Prof. Jonas Frisén, Karolinska Institute, Stockholm. Prof. Patrick Freund forscht über neurologische Störungen des Rückenmarks. Prof. Jonas Frisén identifizierte neurale Stammzellen im adulten Rü­ckenmark und enthüllte, wie sie zur Narbenbildung beitragen. Mehr dazu www.irp.ch

TOURISMUS

Initiative OK : GO Mit der im Mai lancierten Ini­ tiative OK: GO rief der Förderverein Barrierefreie Schweiz alle Touristikanbieter auf, ihre Zugänglichkeitsinformationen anzugeben. Die Informationen werden über die App ginto er­fasst und direkt auf der Website des Anbieters integriert. Angebote von folgenden Ka­te­gorien sind in der App zu finden: Restaurants, Hotels, Ferienwohnungen, Bergbahnen, Schiffe und Anlegestellen, Museen usw. Zahlreiche Anbieter haben ihre Daten bereits vermerkt. Die Initianten rufen alle Touristikbetriebe auf, mitzumachen, um Informationen zur Zugänglichkeit möglichst umfassend zu sammeln. Paracontact I Frühling 2021

SPORTS AWARDS

Heinz Frei ausgezeichnet An den «Sports Awards» wurde Heinz Frei als bester paralympischer Sportler der letzten 70 Jahre geehrt. Wir gratulieren herzlich!

Heinz Frei gehört zu den erfolgreichsten Schweizer Athleten. Sein Palmarès beein­ druckt: 15 paralympische Goldmedaillen in den Sportarten Leichtathletik, Handbike und Langlauf, 14 Weltmeistertitel und 112 Da 2020 kaum Sportanlässe stattfanden, Marathonsiege. Zwischen 1987 und 2009 kür­te SRF mit den «Sports Awards» die er­­hielt der Solothurner im Rahmen der besten Sportlerinnen und Sportler der ver­ «Sports Awards» 10 Mal die Auszeichnung gangenen 70 Jahre. Heinz Frei gewann in «Behindertensportler des Jahres», auch das der Kategorie «Paralympischer Sportler». über alle Kategorien hinweg ein Rekord.

INCLUSION HANDICAP

Triagekriterien angepasst Während der zweiten Pandemiewelle ver­öffentlichte die Schweizerische Aka­ demie der Medizinischen Wissenschaf­ ten (SAMW) Triagekriterien für den Fall, dass es in den Spitälern zu Ressourcen­ knappheit kommt. Eine Fragilitätsskala bietet die Grundlage dafür, wer auf der Intensivstation behan­ delt wird und wer nicht. Die Behinderten­ organisationen und die Schweizerische Ge­ sellschaft für Paraplegie kritisierten scharf

und betonten, dass es zu keiner Diskrimi­ nierung von Menschen mit Behinderung kom­men dürfe. Die SAMW reagierte und passte die Triagekriterien in der Folge an. In der aktuell überarbeiteten Triageemp­ fehlung halten die SAMW-Richtlinien ex­ plizit fest, dass Menschen mit Behinderun­ gen bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden Res­sourcen nicht diskriminiert werden dür­fen. Entscheidend ist die erwar­ tete «kurzfris­tige Prognose». 43


FOKUS

IM GESPRÄCH

Gesundheit ist auch Kopfsache

Nadira Hotz ist Psychologin im SPZ. Als Rollstuhlfahrerin begegnet sie ihren Klienten nicht nur sprichwörtlich auf Augenhöhe. Von Gabi Bucher und Nadja Venetz

Wie sieht dein Werdegang aus? Ich arbeite seit zwölf Jahren als Psycholo­ gin, zuerst im Balgrist und nun seit elf Jah­ ren hier im SPZ. Psychologie hat mich schon immer interessiert, in die Tat umge­ setzt habe ich diesen Studienwunsch erst mit 40. Nach meiner Matura dachte ich zwar an Psychologie. Aber da ich zu die­ sem Zeitpunkt meine Querschnittlähmung noch nicht vollständig verarbeitet hatte 44

(Mo­torradunfall mit 16 Jahren), zweifelte ich, ob ich genügend Empathie für «klei­ nere» Probleme aufbringen kann. Ich ent­ schied mich für Wirtschaft, brach das Stu­ dium aber ab, gründete mit 24 Jahren eine Firma und verkaufte Rollstühle und Me­ di­zintechnik. Das machte ich bis zu mei­ nem 40. Lebensjahr, dann verkaufte ich die Firma und fing mit dem Psychologie-Stu­ dium an.

Die Psychologie hat dich also nie ganz losgelassen, was begeistert dich daran? Ich mag Menschen, sie interessieren mich. In meiner Firma hatte ich oft mit Mitarbei­ tenden und Kunden zu tun, dabei faszi­ nier­te mich die Vielfältigkeit der Cha­rak­ tere. Etliche meiner damaligen Kundinnen waren Müt­ter von mehrfach behinderten Kindern. Sie waren oft am Anschlag. Wenn ich ihnen sagte, sie sollten sich Hilfe holen, Paracontact I Frühling 2021


erklärten sie meist, das bringe nichts, Psy­ chologen würden ihre Probleme nicht ver­ stehen. Als ich nach dem Verkauf meiner Firma ein Psychologie-Studium begann, ge­schah das anfänglich aus reiner Neugier. Aus Spass legte ich die Prüfungen ab. Dann habe ich Blut geleckt und wollte einen Ab­ schluss machen (lacht). Und wie kamst du ins SPZ? Ich kannte das Haus, weil ich damals Pro­ dukte meiner Firma ans SPZ verkaufte. Mir war früh klar, dass ich mein Praktikum hier machen wollte. Ich habe mich noch während des Bachelors als Praktikantin be­ worben. Aber die damalige Verantwortli­ che, Astrid König, winkte zunächst ab. Sie hätten so viele Bewerbungen, sie würden keine Studierende aus dem Ausland einstel­ len (Nadira Hotz studierte in Frankreich). Ich habe insistiert und argumentiert, wo­ rauf sie mich mit einer Wartezeit von zwei Jahren vertröstete. Ich erklärte ihr, das sei perfekt, ich würde das Praktikum eh erst während des Masters machen. Sie entgeg­ nete nur: «Sie werde ich wohl nicht so ein­ fach los!» Daraus entwickelte sich dann ei­ne wun­derbare Zusammenarbeit und Freund­schaft. Also war für dich klar, wenn Psychologie, dann mit Rollstuhlfahrern? Ich habe in meiner Firma die Bedürfnisse erkannt. Zudem war ich als junge Frau in der deutschen Nationalmannschaft der Rollstuhl-Basketballerinnen aktiv. Vielen meiner Teamkolleginnen ging es psychisch nicht gut. Aber wenn ich ihnen sagte, sie sollten sich Hilfe holen, winkten sie ab. Sportpsychologie hätte mich zwar auch interessiert, aber als es im SPZ mit dem Praktikum klappte, beschloss ich, mich dem Thema Querschnittlähmung zu wid­ men. So kam das ins Rollen. Nach dem Prak­tikum konnte ich nicht bleiben, aber im Balgrist wurde eine Stelle frei. Nach einem Jahr konnte ich dann im SPZ anfan­ gen. Letzten Sommer habe ich auf 40% re­ duziert und arbeite nebenbei selbstständig in meiner Praxis. Was ist der Unterschied zwischen deiner Tätigkeit hier und in deiner Praxis? Klienten, welche in die Praxis kommen, ha­ ben ein klares Ziel vor Augen. Sie wissen,

warum sie Hilfe suchen, haben ein spezi­ fisches Problem wie Alkohol, Albträume, Grübeleien usw. Mit einer gewissen An­ zahl Sitzungen lässt sich dies meist lösen. Hier im SPZ läuft das anders. Als Erstes stellen wir uns dem Patienten vor und er­ klären ihm, dass wir für ihn da sind. Im­ mer wieder sind Patienten überrascht, uns zu sehen, in der Überzeugung, doch nicht «krank im Kopf» zu sein. Dann müssen wir erklären, dass wir zur Unterstützung da sind, damit die Reha gut verläuft. Der Patient hat aber meistens keine Ziele. Ihn beschäftigen somatische Probleme, er denkt nicht an die Psyche. Es ist also ein Angebot, das die Patienten annehmen können, wenn sie es wünschen? Die Psychologie gehört zum ganzheitli­ chen Reha-Konzept, das auch Angebote wie Kunst, Musik und Feldenkrais umfasst. Beim Erstreha-Gespräch evaluieren wir die psychische Situation des Patienten und entscheiden, ob wir ihn regelmässig unter­ stützen und in welchem zeitlichen Rah­ men. Falls der Patient die Unterstützung nicht in Anspruch nehmen will, muss er das nicht. Aber wir erfahren jeweils beim interdisziplinären Austausch, wie es ihm geht. Zudem kennen wir unsere Patienten mit der Zeit, wir haben unsere fix zuge­ teilte Station. Wenn wir merken, dass es je­mandem nicht gut geht, steigen wir ein. Ei­ne Reha verläuft ja nicht linear, der Pa­ tient macht am Anfang Fortschritte, dann

stagniert er, die psychische Verfassung ver­schlechtert sich dann unter Umstän­ den. Oder ein körperliches Problem taucht plötz­lich auf und die Stimmung fällt wie­ der ab. Wir versuchen, den Patienten zu unterstützen, damit er psychisch stabil ist, die Reha gut verläuft und er mit Elan und Antrieb vorwärtskommt. Bietet ihr auch Sitzungen mit den Angehörigen an? Wir sind offen und flexibel und beziehen bei Bedarf Partner, Kinder, Eltern usw. mit ein. Oft sind die Angehörigen anfänglich mehr betroffen als der Patient selber. Er wird ja «umsorgt», die Angehörigen müs­ sen sich aber um sehr vieles kümmern, während ihr Alltag normal weiterläuft. Bei regelmässiger Betreuung der Familien bie­ ten wir die Unterstützung eher zu Hause an. Aber es ist durchaus möglich, bei ei­ nem Patientenbesuch zusammenzusitzen. Gibt es bestimme Themen, die in der Erstreha immer wieder aufkommen? Es gibt so viele unterschiedliche Themen wie es unterschiedliche Menschen gibt. Aber für alle ist die zentrale Frage nach dem Unfall oder der Krankheit jene nach dem Selbstbild: Wer bin ich und wo stehe ich? Der Rollstuhlfahrer hat seinen «lau­ fen­den Körper» nicht mehr, das ändert alles! Er muss wieder einen Zugang finden zu seinem Körper, ihn akzeptieren. Das ist schwieriger für Menschen, die sich vor al­ lem über ihren Körper definiert haben, als

Kunsttherapie ist Teil des Fachbereiches Psychologie

Paracontact I Frühling 2021 45


für jene, die nicht so körperorientiert sind. Dann ist da die Frage nach dem Stellen­ wert in der Familie. Wie kann ich weiter­ hin Mutter oder Vater sein? Wer sorgt für das Familieneinkommen? Jeder hat ein ei­ genes Bild seiner Rollen. Das kann auch et­was ganz Einfaches sein: Wer trägt denn jetzt die Wasserkisten hoch? Wenn bei­ spielsweise ein Patient 50 Jahre lang das Bild des starken Mannes in sich trägt, kann ihn die neue Situation stark belasten. Das Selbstbild ist von zentraler Wichtigkeit. Da­­zu kommt auch immer die Thematik der Sexualität, die sich komplett neu und anders gestaltet. So sind die Themen ei­nes jeden ganz unterschiedlich. Auch je nach der Hö­he der Lähmung, der körperlichen Schmer­zen oder den zusätzlichen Proble­ men wie Druck­stellen ist die Bewältigung unterschiedlich. Wenn jemand körperlich ge­­sund bleibt, ist ein Aufbau einfacher und schneller. Immer wieder auftauchen­ ­de Prob­leme wirken wie eine permanente Traumatisierung. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass dies zu einer posttrauma­ tischen Belastungsstörung führen kann. Das ist auch bei Querschnittgelähmten nicht anders. Du bist selbst im Rollstuhl. Spielt das eine Rolle für die Patienten? Ich hätte nie gedacht, dass das so wichtig ist. Ein Patient sagte mal, es sei schön, auf Augenhöhe zu sein. Ob er es buchstäblich oder im übertragenen Sinn gemeint hat, weiss ich nicht. Die Patienten fühlen sich wohler bei jemandem, der all die «unsicht­ baren» und «seltsamen» Probleme kennt. Diese sind ja oft mit Scham behaftet und die Patienten schätzen es, dass sie nicht alles auf den Tisch bringen müssen. Zu­ dem denke ich, ist es ähnlich wie bei den Peers: Die Patienten sehen, dass ich im Rollstuhl bin und arbeite. Wenn sie erfah­ ren, wie lange ich das schon tue, sind sie positiv überrascht. Ich bestätige sie in der Hoffnung auf ein normales Leben, das gibt ihnen Kraft. Im Moment dominiert Corona alles, wie wirkt sich das auf deine Arbeit aus? Es war bereits im März während des Lock­ downs schlimm und ist es auch jetzt wie­ der. Die Patienten dürfen kaum Besuch empfangen, können übers Wochenende 46

nicht nach Hause, so wird die Zeit noch länger und sie können noch mehr grübeln. Das braucht zusätzliche Kraft, um die eh schon schwierige Zeit zu bewältigen. Ein Problem ist auch die fehlende Mimik we­ gen der Maske. Der Patient sieht nicht, ob ich bestätige, ob ich wohlwollend bin, ob ich ihn verstehe. Ich muss aufpassen, was ich mit meinen Augen mache. Kneife ich sie zusammen, weil ich vielleicht etwas nicht verstanden habe, kann das bedroh­ lich wirken. Das macht die Arbeit schwie­ riger. Eine Patientin erklärte mir, sie ertra­ ­ge es nicht mehr, dass sie keinen Menschen mehr lachen sehe. Welche Faktoren begünstigen die psychische Gesundheit? Das ist schwierig zu definieren. Soziale Kontakte und sportliche Aktivitäten sind wichtig, aber man kann nicht einfach eine Liste erstellen und sagen, das hilft. Wenn jemand depressiv ist, schafft er es ja eben gerade nicht, soziale Kontakte zu pflegen oder sportlich aktiv zu sein. So gesehen gibt es keine Betriebsanleitung für innere Ausgeglichenheit. Tipps sind gut, aber am besten ist es, sich Unterstützung zu holen. Wenn jemand dies aber nicht will, kann man nicht viel machen.

«Es gibt keine Betriebsanleitung für innere Ausgeglichenheit.» Die Motivation muss also von der Person selber kommen? Ja. Es ist eine grosse Herausforderung, wenn sich jemand, dem es schlecht geht, nicht helfen lassen will. Wer zum Psycho­ logen geht, aber nur stumm dasitzt, dem ist nicht geholfen. Ich hatte einmal eine Pa­ tientin, die kam zwar zu den vereinbarten Sitzungen, blieb aber passiv-aggressiv und sagte nichts. Nach einer Weile habe ich zu ihr gesagt: «Ok, Sie dürfen hier bleiben, ich arbeite währenddessen weiter.» Sie blieb, irgendwann habe ich ihr eine Tasse Tee angeboten. Sie kam weiterhin regelmässig zu ihren Sitzungen und mit der Zeit ist das Eis gebrochen. Das geschieht ab und zu bei jungen Patienten. Sie merken zwar, dass es ihnen nicht gut geht, aber sie haben

Seit elf Jahren im SPZ engagiert

keine Worte für diese neuen Emotionen. Es braucht Zeit, Geduld und Einfühlungs­ vermögen, damit sie sich öffnen. Es pas­ siert aber selten, dass Patienten Hilfe ver­ weigern, wenn es ihnen schlecht geht. Frü­her oder später nehmen sie die Unter­ stützung an. Die SPV ist der Dachverband der Rollstuhlclubs. Wie wichtig ist der Austausch untereinander? Der Austausch untereinander ist sehr wich­ tig, darum wünschte ich mir auch mehr Gruppentherapien. Ich sage den Patienten jeweils, sie sollen einem Verein beitreten. Menschen, die bereits älter sind, wenn sie in den Rollstuhl kommen, waren zum Bei­ spiel vorher oft in Kreisen eingebunden, wo sie gemeinsam wanderten, Sport betrie­ ben, mit dem Velo unterwegs waren. Ihre Freunde sind Fussgänger, jetzt funktioniert das nicht mehr mit den Treffen und sie isolieren sich. Frauen haben das Problem etwas weniger, sie gehen ins Café und plau­ dern. Männer treffen sich oft nicht einfach so, die «machen» etwas zusammen. Sie soll­ ten den Mut haben, einfach mal zu sagen: «Wandern und Velofahren geht nicht mehr, kommt doch mal ein Bier trinken mit mir.» Männer möchten oft nicht schwach sein und andere bitten müssen, Rücksicht zu nehmen. Darum fühlen sie sich in einer Gruppe mit Rollstuhlfahrern oft besser auf­ gehoben. So sind sie keine Last für die an­ deren. Aber wie auch immer, ob Rollstuhl­ fahrer mit Fussgängern oder mit Rollstuhlfahrern, wichtig ist, dass man sich nicht isoliert.

Informationen Ambulante Psychotherapie im SPZ paraplegie.ch/spz Paracontact I Frühling 2021


FOKUS

INCLUSION HANDICAP

Meldestelle für Opfer von IV-Willkür Regelmässig werden Missstände bei den IV-Gutachten publik. Seit Februar 2020 betreibt Inclusion Handicap eine Meldestelle, an die sich Betroffene wenden können. Von Nadja Venetz

Immer wieder steht die IV in der Kritik. Gutachter sollen tendenziöse Einschätzun­ gen und fehlerhafte Beurteilungen zur Ar­ beitsfähigkeit der Betroffenen liefern. Da­ mit werden Menschen mit Behinderung Versicherungsleistungen verwehrt, die ihnen zustehen. Ende 2019 gerieten mehrere Fälle, die ein haarsträubendes Vorgehen der Gutachter aufzeigten, an die Öffentlichkeit. Aufgrund dieser Berichterstattung sowie meh­rerer parlamentarischer Vorstösse gab Bun­desrat Alain Berset eine externe Unter­ ­suchung der Vorkommnisse in Auftrag. In der Annahme, dass es sich nur um die Spitze des Eisbergs handle, richtete Inclu­ sion Han­dicap per Ende Februar 2020 eine Meldestelle ein. Wer glaubt, dass er ein Opfer von IV-Willkür ist, kann seine Erleb­ nisse hier platzieren. Der politische Dach­ verband der Behindertenorganisationen will so Hinweise sammeln, wie viele Per­ so­nen und in welcher Art und Weise sie von unfairen Gutachten betroffen sind. Die Mel­­destelle eruiert mit einem anonymi­ sier­­ten Fragebogen die Geschehnisse und die unterschiedlichen Einschätzungen der verschiedenen involvierten Personen (be­ troffene Person, Anwalt, Arzt usw.) dazu. 100 Prozent arbeitsfähig Bereits 48 Stunden nach Inbetriebnahme ver­zeichnete die Meldestelle 80 Eingaben. Anfang Oktober 2020 veröffentlichte In­ clusion Handicap einen Zwischenbericht. Nach sieben Monaten gingen 256 Meldun­ gen von Versicherten ein. Hinzu kamen Mel­dungen von Rechtsvertretern und Ärz­ ten. 53 Meldungen allein betrafen die Ar­ beits­fähigkeit. Gutachter stuften die Ver­ si­cherten zu 100 Prozent arbeitsfähig ein, Paracontact I Frühling 2021

während die behandelnden Ärztinnen aber eine Arbeitsfähigkeit von 0 Prozent attes­ tierten. Diese Fälle zeigen die klare Ten­ denz der harten Gangart in den Gutach­ ten auf. Zweifelhafte Praktiken Ebenfalls besorgniserregend: 10 Versicher­ ­te gaben an, dass das Abklärungsgespräch nicht mehr als 20 Minuten dauerte. Es kam also vor, dass ein 15-minütiges Gespräch da­rüber entschied, ob jemand eine IVRente erhält oder nicht, unabhängig da­ von, zu welchem Schluss der behandelnde Arzt gekommen ist. Solche Zustände sind für Versicherte schwer zu ertragen. Denn die IV-Stellen und die Gerichte folgen prak­ tisch ausschliesslich den Gutachten. 20 Mal meldeten Ärztinnen und Ärzte, dass die Gutachten nicht dem medizinischen Stan­ dard entsprachen. Die überwiegende Mehr­ heit der Versicherten berichtete, dass die Diagnosen nicht oder nur teilweise über­ einstimmen. Mehr als die Hälfte äusserten, die Gutachtergespräche hätten in schlech­ tem Klima stattgefunden. Teilweise seien sie beleidigt worden. Mehrfach meldeten Versicherte, dass ihnen die Gutachter un­ terstellten, zu simulieren. Oder die Gut­ achter interessierten sich nicht für die An­

forderungen, welche die jeweiligen Berufe voraussetzen, und fällten dennoch Urteile über die Arbeitsfähigkeit der betreffenden Person. Qualität sicherstellen Aufgrund der Meldungen stellt Incusion Handicap folgende Forderungen: 1. Die Behörden müssen die Qualität der Gutachten in jedem Fall sicher­ stellen. Fehlbare Gutachter gehören aus dem Verkehr gezogen. 2. Fälle, bei denen Versicherte keine oder zu wenig IV-Leistungen erhalten haben, weil die Qualität der Gutachten nachweislich schlecht war, müssen neu aufgerollt werden. 3. Alle Gutachten müssen nach dem Zufallsprinzip vergeben werden. 4. Eine Drittperson soll beim Gutachter­ gespräch dabei sein. Die allermeisten Versicherten, die sich bei der Melde­ stelle gemeldet haben, stehen dem Vorschlag positiv gegenüber.

Mit der IV-Weiterentwicklung, die ab 2022 in Kraft treten soll, sind erste Verbesserun­ gen geplant. So sind z. B. die Gutachtergespräche aufzunehmen. Ein guter Schritt in die richtige Richtung.

MELDESTELLE Haben auch Sie negative Erfahrungen gemacht? Dann melden Sie dies auf: www.umfrageonline.ch/s/IV_AI. Die SPV ist Mitglied bei Inclusion Handicap und mit Olga Manfredi im Vorstand vertreten. Wir unterstützen das Anliegen nach mehr Transparenz der politischen Dachorganisation und verfolgen die Diskussion aktiv.

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FOKUS

UNSERE HELFER

Vom Buschauffeur zum Buchhalter 15 Jahre lang hat Walter Bernasconi im Tessin zahlreiche freiwillige Einsätze für die SPV geleistet. Von Gabi Bucher

In Muzzano, dem schmucken kleinen Dorf oberhalb von Lugano, geniesst der ehema­ lige Banker Walter Bernasconi zusammen mit seiner Ehefrau das Rentnerleben. Jah­ relang stand er für Rollstuhlsportler und die SPV im Einsatz. Trotzdem kennt ihn kaum jemand. Wie so viele Freiwillige agierte er

ter, ob er zwei Handbike-Athleten im Mi­ nibus zum «European Bike Circuit» in die Nähe von Prag fahren würde. Walter war bereits pensioniert und sagte zu. Er habe zwar keine Ahnung gehabt, was er machen müsse, aber die beiden Athleten hätten ihm versichert, sie würden ihm das jeweils

Viele Jahre engagiert für die SPV

hinter den Kulissen. «Das ist auch richtig so», meint er, «nicht wir stehen im Vorder­ grund, sondern jene, für die wir die Arbeit machen.» Im Minibus quer durch Europa Angefangen hat alles im Jahr 2004. Durch Freiwilligenarbeit in einem Sportverein im Tessin lernte er Margrit Frey kennen, da­ mals Präsidentin der Gruppo Paraplegico Ticino (GPT). Eines Tages fragte sie Wal­ Paracontact I Frühling 2021

er­klä­ren. Neben dem Busfahren ging es mehr­heitlich darum, Handbikes und Ge­ päck auf- und abzuladen. «Mir hat sich ei­ne völlig neue Welt eröffnet», erinnert er sich, «und was mich total fasziniert hat: Ich traf auf dem Sportplatz auf 150 Athleten im Rollstuhl, alle zufrieden und mit einem Lachen im Gesicht! Das relativiert die eige­ nen Probleme!» Auf dieses erste Mal folg­ ten unzählige weitere. «Zusammen mit Gabriele, einem ebenfalls pensionierten

Freund, bin ich durch halb Europa gefah­ ren. Mit der Zeit kannte ich viele der anwe­ senden Sportler.» Sechs Jahre hat er diese Tätigkeit ausgeübt, «eine schöne Zeit» er­ innert er sich. Der Banker und die Buchhaltung Im Jahr 2012 wurde im Tessin der neue Club «InSuperAbili» gegründet. Gian-Paolo Donghi, Aussendienstmitarbeiter der SPV, fragte Walter an, ob er die Buchhaltung übernehmen würde. Walter hatte diese Funk­tion bereits im GPT innegehabt und willigte ein. Während sieben Jahren küm­ merte er sich um die Finanzen, präsen­ tierte die Abrechnungen Ende Jahr, über­ nahm die Mitgliederbewirtschaftung und sonstige administrative Arbeiten. Er war zu­dem Vermittler zwischen den Mitglie­ dern des Clubs und der SPV bei rechtlichen Fragen. «Man konnte Walter immer kon­ taktieren, wenn man eine Frage oder ein Problem hatte», erinnert sich Gian-Paolo. Highlight Zentralfest Ein Highlight war das Zentralfest im 2018. «Ich war mir gewohnt, Feste zu organisie­ ren für Gruppen bis zu 50 Personen. Aber ein Zentralfest ist eine ganz andere Num­ mer.» Am Vorabend sei er nochmal zum Palazzo Conza gegangen, wo das Fest statt­ finden sollte. Er wollte schauen, wie weit die Vorbereitungen waren. «Da war noch praktisch nichts gemacht. Ich hatte ein sehr mulmiges Gefühl, schliesslich erwarteten wir wichtige Gäste! Am nächsten Morgen war aber alles bereit.»

Im Frühling 2019 hat Walter sein Amt nie­ dergelegt, ist aber nach wie vor Mitglied von «InSuperAbili» und interessiert sich für die Belange des Clubs. «Dieses Jahr gab es leider keine Gelegenheit, sich zu treffen, alles war abgesagt», stellt er traurig fest. Er mag die Kontakte und die Kameradschaft innerhalb des Clubs. Dafür kümmert er sich jetzt mit Hingabe um die zwei Kinder seines Sohnes, «und um seine vier Hunde», ergänzt er. Da sein für andere, das sei halt in seiner DNA, meint er lachend. Ein herzliches Dankeschön an Walter, stell­ vertretend für alle, die seit Jahren in den verschiedenen Vorständen der Rollstuhlclubs wertvolle Arbeit leisten. 49


FOKUS

FÜR SIE DA

Unzählige Baustellen Marcel Strasser fährt bis in die hintersten Täler der Schweiz, um abzuklären, wie sich Häuser und Wohnungen von Querschnittgelähmten anpassen und umbauen lassen. Von Gabi Bucher

Das Architekten-Team des Zentrums für Hindernisfreies Bauen in Muhen (ZHB) ist eines der konstantesten der SPV. Abgänge geschehen fast ausschliesslich über Pensio­ nierungen, 20-jährige Jubiläen sind nahe­ ­zu die Norm. Auch Marcel Strasser ist über zwanzig Jahre im Amt. Im Oktober 1999 trat er seine Stelle bei der SPV an. «Die so­ ziale Komponente interessierte mich. Ich freute mich darauf, mehr mit Menschen zu tun zu haben und auch beratend tätig sein zu können.» Eine der grossen Herausforderungen des ZHB ist die Zahl der laufenden Projekte. «An unseren internen Sitzungen werden die neuen Projekte verteilt. Diese betreut man dann von der ersten Beratung bis zur Abrechnung.» So könnten zwischen zwan­ zig bis dreissig Projekte parallel laufen, da müsse man darauf achten, dass man den Überblick nicht verliere. «Und wir haben unsere uns zugeteilten Regionen, damit wir 50

nicht kreuz und quer durch die Schweiz fahren», erklärt Marcel. Er ist zuständig für die Ostschweiz, von Schaffhausen bis Grau­bünden. Herausforderung am Hang In all den Jahren hat Marcel einiges erlebt. Eine der eindrücklichsten Baustellen sei der Lifteinbau in einer Terrassensiedlung gewesen. «Der Zugang erfolgte von der bergseitigen Strasse über den Garagen, darunter folgte das zweistöckige Haus des Nachbarn über dem ebenfalls zweistöcki­ gen Haus der Kundin.» Den bereits be­stehenden Treppenlift im Aussenbereich konnte die Tetraplegikerin mit ihrem Elek­ ­trorollstuhl nicht benutzen. «Wir muss­ten im Garten einen Lift einbauen, um die sechs Geschosse zu erschliessen. Dazu wur­­de ein riesiges Loch gegraben. Die Strasse musste mehrmals gesperrt werden, unter anderem damit ein Kran den Bagger aus dem riesigen Loch hieven konnte.»

Umbau mit Gottes Segen Eine ganze andere Geschichte ist jene ei­nes Kunden, der ein kleines Bergrestaurant im Münstertal betreibt. «Er wollte nach seinem Klinikaufenthalt unbedingt zurück, aber sein Wohnhaus konnten und durften wir nicht umbauen. Es war zu verwinkelt, zu viele Treppen, zudem stand es unter Denk­ malschutz.» Also überlegte man sich, in der angrenzenden Scheune eine neue Woh­ nung einzubauen. «Wir erstellten ein Vor­ projekt, ein Architekt vor Ort führte es dann aus.» Über eine integrierte Ga­rage ge­ langt der Mann nun in seine neue Woh­ nung mit Küche, wo er seine Fleischplättli und Spezialitäten zubereitet. Die Küche hat einen direkten Zugang zur Terrasse des Restaurants. «So serviert er selber oder gibt die Plättli über eine Durch­reiche seiner Frau. Gemeinsam führen sie das Restau­ rant weiter.» Eine schöne Geschichte mit ei­ ner eindrücklichen Nebengeschichte: «Das Projekt war sehr teuer, also hat sich der Lions Club des Münstertals eingesetzt und Firmen und Privatpersonen in der Region angefragt. So kamen grössere und kleinere Beträge zusammen, welche dem Kunden halfen, das Ganze finanziell zu stemmen.» Mit einer Einweihungsfeier für alle Spen­ der belohnte dieser die Solidarität «mit kal­ ten Plättli und Einsegnung der Wohnung durch den Pfarrer», erinnert sich Marcel.

Übrigens, abgelegene Baustellen kommen dem passionierten Berggänger sehr entge­ gen, da hängt er gerne ab und zu noch ein «Tüürli» an! Paracontact I Frühling 2021


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FÜR SIE DA

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UNSERE HELFER

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INCLUSION HANDICAP

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IM GESPRÄCH

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VERMISCHTES

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SERIE 1/4: TOKYO 2020

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TENNIS FÜR ALLE

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FRAUENPOWER IM SPORT

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IN KÜRZE

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MIT DEN CLUBS UNTERWEGS

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HINDERNISFREIES BAUEN

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