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HINDERNISFREIES BAUEN

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FÜR SIE DA

FÜR SIE DA

(M)EIN JAHR BEIM ZHB

Ein sinnstiftender Arbeitsalltag

Seit etwas mehr als einem Jahr betreue ich als Architektin Umbauprojekte des Zentrums für hindernisfreies Bauen von der Planung bis zur Ausführung.

Von Irene Bucher

8.00 Uhr Teamsitzung (alle) 10.00 Uhr Eröffnen neue Projekte 11.30 Uhr laufendes Projekt in Zürich: Baumeister und Elektriker anrufen (Koordination Rohbau) 13.30 Uhr Wohnungsabklärung in Basel 16.30 Uhr Finanzierungsstand vom Bauprojekt in Schöftland AG studieren …

…so kann ein ganz normaler Arbeitstag von mir als Bauberaterin und Architektin der Schweizer ParaplegikerVereinigung aussehen. Das Zentrum für hindernisfreies Bauen in Muhen AG ist seit wenig mehr als einem Jahr mein Arbeitsplatz. Ich bin längst gut angekommen und fühle mich fair integriert. Basierend auf meiner bisherigen Berufserfahrung kann ich selbständig arbeiten und begegne trotzdem fast täglich Situationen, die mir neben Altbekanntem auch Neues deutlich vor Augen führen. Seit bald 30 Jahren bewege ich mich in der Baubranche, und seit gut einem Jahr lerne ich nochmals einen ganz anderen Zweig davon kennen. Aber alles schön der Reihe nach… In den letzten Jahren begann ich jedoch vermehrt zu beobachten, dass ich in all dieser Geschäftigkeit das Menschliche und die Sinnhaftigkeit in meinem Berufsalltag mehr und mehr vermisste. Ein Schicksalsschlag in meinem ganz nahen Umfeld liess mich schliesslich die Entscheidung fällen: Ich kündigte meine Arbeitsstelle; ohne zu wissen, wie und wo es weitergeht.

Eine Bedingung hatte ich allerdings. In meinem nächsten beruflichen Tätigkeitsfeld soll eine grosse Menschlichkeit gelebt und auch gewünscht sein, und das Resultat und Ziel der Leistung muss eine hohe Sinnhaftigkeit enthalten. Im Zentrum für hindernisfreies Bauen ZHB war zur passenden Zeit eine Architektenstelle ausgeschrieben, für die ich mich bewarb und für die ich dann die Zusage erhalten habe.

Seit einem Jahr bin ich nun Teil von einem tollen, kameradschaftlichen Team und ich erlebe einen Arbeitsalltag mit einem interessanten und sehr vielseitigen Pflichtenheft.

Ende und Anfang

Meine berufliche Laufbahn ist klassisch: Vom Zeichnungsbrett auf die Baustelle bis hin zur Projektleitung von grossen Bauvorhaben lernte ich viele Facetten dieser spannenden Branche kennen. Ich liebe die Aufgaben und die darin enthaltene Abwechslung der Bauwelt sehr.

Ähnlich und doch anders

Wir sind ausgewiesene, erfahrene Baufachleute, die alle üblichen Tätigkeitsbereiche der Baubranche wahrnehmen und ausüben. Dabei haben wir uns auf den Bereich des hindernisfreien Bauens spezialisiert und beraten Bauherrschaften, welche in irgendeiner Weise mit einer körperlichen Beeinträchtigung konfrontiert sind.

Für die entsprechend baulich notwendigen Massnahmen begleiten wir unsere Kunden vom Projektentwurf über die Detailplanung bis zur Realisierung, wir steuern das Offert und Vergabewesen und wir koordinieren, leiten und kontrollieren die Ausführungsphase bis zur Bauabnahme. Wenn die Bauabrechnung fertig erstellt ist und der hoffentlich rundum zufriedenen Bauherrschaft übergeben werden kann, ist unser Auftrag für das Projekt beendet.

Grundsätzlich entsprechen diese Abläufe und Arbeiten dem, was ich von meinem bisherigen Berufsleben gut kenne. Die Bauprojekte, die wir begleiten und ausführen, sind meistens kleine bis mittelgrosse Umund Anbauten an bestehenden Liegenschaften. Dies ermöglicht es, dass ich als Architektin eine Bauherrschaft und ein Projekt vom Beginn bis zum Abschluss begleiten und alle Arbeiten selber ausführen kann. Dadurch entsteht ein naher und persönlicher Kontakt zu Kunden und den Handwerkern, was ich sehr schätze. Genau diese menschliche Nähe habe ich mir für meinen Berufsalltag gewünscht.

Kleine Projekte, grosse Bedeutung

Bereits nach einem Jahr beim ZHB kann ich von zahlreichen Erlebnissen berichten, die ich in der Zusammenarbeit mit den Bauherren oder anderen am Bau beteiligten Personen erleben durfte. Ich habe in dieser Zeit mehr als 50 Kunden beraten, plante und führte bei 15 Projekten die Bauarbeiten aus und begegnete dabei unzähligen Personen.

Jeder einzelne Umbau wäre es wert, hier erwähnt zu werden. Von jedem einzelnen Projekt gäbe es etwas Interessantes oder auch Berührendes zu berichten. Stellvertretend für alle möchte ich einen Umbau vorstellen, der mich besonders bewegt hat.

Lösungen

können aufwendig oder pragmatisch sein

Bereichernde Begegnung

Frau Wegmann lebt seit Jahrzehnten mit starken körperlichen Beeinträchtigungen, von welchen sie sich nie hat unterkriegen lassen. Alle Investitionen, die wegen ihrer Krankheit angefallen sind, hat sie selber finanziert. Nie ist sie jemandem zur Last gefallen, im Gegenteil: beruflich und privat hat sie sich für die Förderung und Ausbildung von jungen Leuten eingesetzt und ist diesen als Vorbild vorangegangen. All das erzählte sie mir während des Umbaus ihrer Wohnung. Eine inspirierende Persönlichkeit.

Ein Unfall im letzten Frühling hat dazu geführt, dass Frau Wegmann ins Schweizer ParaplegikerZentrum in Nottwil zur Rehabilitation eingewiesen wurde. Auch wenn sie sich dort auf bestmögliche Pflege verlassen konnte, wurde ihr bald klar, dass ein Umbau in ihrer Eigentumswohnung unumgänglich war. Ihre Anfrage ans ZHB für eine Wohnungsabklärung wurde mir zugeteilt, und so habe ich Frau Wegmann und ihre Ergotherapeutin im Frühsommer bei ihr zuhause getroffen. Weder die Maske noch 1,5 m Abstand verhinderten einen herzlichen Austausch. Gemeinsam fanden wir nützliche und attraktive Lösungen für die bestehenden Hindernisse.

Da Frau Wegmann bereits im AHVAlter ist, hat sie keinen Anspruch auf eine Finanzierung für bauliche Massnahmen durch die IV. Ein Antrag bei der Schweizer ParaplegikerStiftung zur Kostenübernahme der geplanten Anpassungen wurde gutgeheissen. Wir konnten loslegen.

Mit grosser Freude und Dankbarkeit hat Frau Wegmann die Bauarbeiten mitverfolgt, nichts war ihr selbstverständlich. Dies wiederum hat mich sehr gefreut und für alle Arbeiten motiviert. Frau Wegmann, die Handwerker und ich waren ein prima Team!

Als ich Frau Wegmann anfragte, ob ich ihren Umbau in diesem Beitrag als Beispiel nennen darf, stimmte sie sogleich zu: «Natürlich dürfen Sie über unsere Zusammenarbeit schreiben und auch meinen Namen erwähnen. Das Endresultat ist ja auch sehr gelungen, da lohnt es sich, darüber zu berichten.» Genau diese Sinnhaftigkeit habe ich mir für meinen Berufsalltag gewünscht.

8.00 Uhr Teamsitzung (alle) 10.00 Uhr Eröffnen neue Projekte …

…wie auch immer die Tage in meinem ersten Jahr im Zentrum für hindernisfreies Bauen ausgesehen haben mögen, und wie auch immer sie in Zukunft aussehen werden: Das Arbeiten mit und für unsere Kunden bereitet mir viel Freude, beeindruckt und prägt mich nachhaltig. Ich bin dankbar, dass ich mich hier einfügen und einbringen darf!

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