Paracontact Winter 2021_d

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ROLLSTUHLSPORT

SERIE 4/4: SPITZENSPORTFÖRDERUNG SCHWEIZER ARMEE

Professionalisierungsdruck Ohne institutionelle Unterstützung kein Erfolg. Marco Bruni, Initiator der Inklusion des Rollstuhlsports in die Spitzensportförderung der Armee, gibt Einblicke im Interview. Von Nicolas Hausammann

Das erste Jahr mit drei remilitarisierten Athleten ist vorbei, ein weiterer hat die Spitzensport-RS begonnen. Welche Bilanz ziehst du? Sehr positiv. Die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Armee ist sehr angenehm und klappt hervorragend. Die WKs laufen und finden teilweise auch in Magglingen statt. Diese Begegnung, wie sie bald auch in der Spitzensport-RS tagtäglich stattfinden wird, ist der Grundstein für eine tiefgreifende Sensibilisierung und Inklusion. Wie ist diese Inklusion der Rollstuhlsportler überhaupt ins Rollen gekommen? Dank der Jubiläumsansprache von Sport­ ministerin Viola Amherd in Magglingen an­lässlich von 75 Jahren Sportförderung. Da­­rin erwähnte sie die Integration des Be-

hindertensports. So was braucht man mir natürlich nicht zweimal zu sagen. Ich habe die Initiative ergriffen und sogleich beim Kommando der Spitzensport-RS nach ei­ ner Sitzung gefragt. Dabei stellte sich heraus, dass ein Kommandant der RS bereits ein Pilotprojekt gestartet hatte. Am runden Tisch war schnell klar, dass es an der Zeit ist, die Inklusion von Rollstuhl- und Behin­ ­dertensportlerinnen in die Spitzensport­ förderung der Armee umzusetzen. Roll­ stuhl­sport Schweiz und PluSport haben in der Folge ein Konzept ausgearbeitet, welches im Sommer 2020 bewilligt wurde. Warum war die Zeit genau jetzt reif für diese Öffnung? Integration ist endlich ein Ziel für die gesamte Gesellschaft geworden. Da gehört das Militär auch dazu und die politische Bereitschaft ist unter Viola Amherd deutlich gestiegen. Die Verschiebung von Lyss nach Magglingen und die Tatsache, dass die Ausbildung nun theoretischer ist, erlaubt es auch Rollstuhlfahrerinnen und Roll­stuhlfahrern die Ausbildung als Büroordonanz zu absolvieren. Wie viele Athletinnen und Athleten sollen in den Fördergefässen der Armee unterstützt werden? Ziel ist es, diejenigen Athletinnen und Athle­ten aus der Nachwuchsförderung, die Potenzial für Weltmeisterschaften oder gar Paralympics zeigen, in dieses Gefäss einzu­ bringen. Bei den Fussgängern stammen mehr als die Hälfte der olympischen MeMarco Bruni Vom Snowboardpionier zum Leiter des nationalen Leistungszentrums für Rollstuhlsport

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daillengewinnerinnen und Medaillengewinner aus dieser Förderung. Da auch im paralympischen Sport ein extremer Profes­ sionalisierungsdruck herrscht, ist die Aufnahme in die Spitzensportförderung Gold wert. Es gibt in diesem Konzept keine Obergrenze, rein das Athleten-Potenzial und die Armee entscheidet, wer in die RS aufgenommen oder remilitarisiert wird. Fabian Recher wird der erste Rollstuhlsport-Rekrut. Wie profitieren beide Seiten voneinander? Bereits durch die Sichtbarkeit wird die Wahrnehmung verbessert und ein Näherkommen unumgänglich, da man längere Zeit miteinander verbringt. Somit gibt es auch Raum für Austausch, der für beide Seiten wertvoll ist und beide Seiten für die Anliegen sensibilisiert. Der Sport ist hier der gemeinsame Nenner oder Vermittler, der wahre Wunder wirken kann in der Ver­ ständigung. Du hast ja diesen Weg in die Spitzensportförderung der Armee mit den Snowboardern schon einmal beschritten. Was ist beim Rollstuhlsport anders? Die Ausbildung der Armee war früher ei­­ne Grünausbildung (Schiessen, Marschieren usw). Hier hat sich seither einiges verändert und Türen geöffnet. Die Freestyler waren damals die Exoten im Spitzensport, was zu Beginn mit den Rollis ähnlich sein wird. Heute sind die Freestylerinnen jedoch nicht mehr wegzudenken, und genau auf diesen Moment freue ich mich für den Rollstuhlsport in der Schweiz! Paracontact I Winter 2021


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