Hausarzt 05/2021

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Hausarzt medizinisch

Der frühe Vogel fängt den Wurm Adipositas erhöht das Risiko, Mikroangiopathien bei Diabetes Typ 2 zu entwickeln – bereits vor der Diagnose

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den durchschnittlich bereits fünf Jahre zurücklag. Während sich die „Look AHEAD“Studie mit der Gewichtsentwicklung nach der Diabetesdiagnose beschäftigte, konzentrierten sich Forscher des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) in einer aktuellen Arbeit auf weiter Zurückliegendes und untersuchten, wie sich der Body-Mass-Index (BMI) vor der Diagnose auf spätere Komplikationen auswirkt. In der prospektiven Kohortenstudie3 wurden Daten der European-Prospective-Investigation-intoCancer-and-Nutrition(EPIC)-PotsdamKohorte analysiert. Das Ergebnis: Der BMI vor der Diabetesdiagnose hatte einen Einfluss auf die Spätkomplikationen dieses Erkrankungsbildes.

Doppeltes Nephropathierisiko bei Adipositas3 Intensive Lebensstilinterventionen zur Gewichtsabnahme sind bei adipösen Patientinnen und Patienten so bald als möglich nach der Diagnose von Diabetes Typ 2 vorzunehmen – diesbezüglich besteht in der Diabetologie Konsens. Doch die Frage, wie weitreichend die Auswirkungen der Gewichtsreduktion auf das Erkrankungsbild mit seinen Spätkomplikationen sind, beschäftigt die Forschung immer noch. Vor einigen Jahren sorgten die Ergebnisse der groß angelegten „Look AHEAD“-Studie1 für Aufsehen. Die Forscher stellten fest, dass kardiovaskuläre Ereignisse durch die Lebensstilmodifikation nicht verringert wurden. Erst bei einem Gewichtsverlust von mehr als 10 % sank das kardiovaskuläre Risiko signifikant, was eine nachträgliche Analyse zutage brachte.2 Eine derart hohe Gewichtsreduktion erreichen viele Patienten zwar nicht, jedoch ist dies kein Grund, den Wert der Lebensstil­ modifikation zu unterschätzen. So waren beispielsweise andere positive Effekte in der Verumgruppe zu beobachten (siehe Infobox).

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Die Bedeutung des Zeitpunkts Die Autoren der „Look AHEAD“-Studie1 geben einige Erklärungsansätze für das unerwartet bescheidene Outcome in Bezug auf kardiovaskuläre Benefits. Zum Beispiel könnte der vermehrte Einsatz von Statinen in der Kontrollgruppe, verglichen mit jenem in der Interventionsgruppe, den Unterschied zwischen den beiden Gruppen verkleinert haben. Außerdem gilt es festzuhalten, dass zum Interventionsbeginn die Diagnose Diabetes bei den Proban-

Zwischen dem Grad des prädiagnostischen BMI und den mikrovaskulären Komplikationsraten ließ sich ein Zusammenhang feststellen – ein Hinweis für Kausalität. Je Anstieg des BMI um 5 kg/m2 erhöhten sich die mikrovaskulären Komplikationen um 21 %. Am größten waren die Auswirkungen des BMI vor der Diagnose auf die Niere. Verglichen mit normalgewichtigen Patienten, die später an Diabetes erkrankten, wurde bei Probanden mit Adipositas Grad 1 eine Nephropathie im Verlauf doppelt so häufig diagnostiziert. Nach der Berück-

X Infobox: Positive Effekte einer Gewichtsreduktion nach der Diabetesdiagnose1 Bei Patienten der „Look AHEAD“-Interventionsgruppe konnten klinisch bedeutsame Verbesserungen des HbA1c-Wertes verzeichnet werden. Sie waren im ersten Jahr am größten, konnten aber wenigstens zu einem Teil während des „Follow-up“ bewahrt werden. Jener positive Effekt könnte erklären, dass bei den Probanden der Verumgruppe in diesem Zeitraum seltener eine Insulintherapie erforderlich war. Außerdem bestand in der Interventionsgruppe eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer partiellen Remission in den ersten vier Jahren kommt. Weitere Benefits, die in den ersten Jahren der Untersuchung festzustellen waren, beinhalten eine Reduktion von Urininkontinenz, Schlafapnoe und Depression. Verbessert hatten sich die Lebensqualität, die physische Funktion und die Mobilität.

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