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Leidensdruck bei Meteorismus mindern
Phytotherapeutika zur Behandlung von Blähungen
Meteoristische Beschwerden betreffen zwischen 10 und 30 % der erwachsenen Bevölkerung und stellen für die Patienten meist eine erhebliche Belastung dar.1 Die Ursachen sind vielfältig, weshalb eine gewissenhafte Abklärung von neu auftretenden Blähungen für die Erkennung zugrundeliegender organischer Erkrankungen, beispielsweise einer Darmstenose, eines kolorektalen Karzinoms, einer Leberzirrhose oder eines akuten Abdomens, wichtig ist.1 Verdauungsstörungen (vor allem der Galle), Verstopfung, entzündliche Darmkrankheiten, eine bakterielle Fehlbesiedelung des Darmes, Nahrungsmittelallergien und Medikamente kommen als weitere ursächliche Faktoren infrage.3 Meteorismus tritt gelegentlich auch bei Gesunden auf, ist jedoch bei Patienten mit funktionellen Verdauungsstörungen, etwa dem Reizdarmsyndrom, sehr häufig. Die Betroffenen suchen aufgrund unzureichender Linderung der Symptome oft mehrere Ärzte auf. Nicht nur führt das zu einer Überdiagnostik mit erheblichen Kosten, sondern es verstärkt auch die Somatisierungstendenz jener Patienten.1 Neben einer medikamentösen Behandlung und allgemeinen Maßnahmen, beispielsweise einer ballaststoffreichen Ernährung, reduziert die Phytotherapie mittels Karminativa die Symptome. Letztere beeinflussen überwiegend funktionelle Störungen besonders gut.2 Ein wesentlicher Vorteil der Phytotherapeutika ist, dass sie gut verträglich sind und kaum Nebenwirkungen verursachen.
Bewährte Phytotherapeutika bei Meteorismus
Eine Vielzahl von Phytotherapeutika weist eine karminative Wirkung auf, so zum Beispiel Dillfrucht, Kamillenblüte, Angelikawurzel, Melisse und Zimt, außerdem Bittermittel wie Enzianwurzel. 2,3,5 Jene Phytotherapeutika wirken sich positiv auf die Verdauung und den Magen-Darm-Trakt aus und sind als Karminativa im weiteren Sinn anzusehen.2 Die „Phyto-Klassiker“ sind Kümmel, Fenchel und Anis. Ihr karminativer Effekt steht so weit im Vordergrund, dass sie als Karminativa im engeren Sinn bezeichnet werden.2 Am stärksten karminativ wirkt Kümmel, gefolgt von
X Tabelle 1: Teezubereitungen von stark karminativ wirksamen Phytotherapeutika3
Wirkungen von Karminativa
Karminativa sind blähungstreibende Mittel, welche schmerzhafte Gasansammlungen in Magen und Darm beseitigen. Ihre Wirkung verdankt sich in erster Linie den in ihnen enthaltenen ätherischen Ölen. Karminativa erleichtern Betroffenen das Aufstoßen nach der Nahrungsaufnahme und lösen ein inneres Wärmegefühl aus. In experimentellen Arbeiten konnte beobachtet werden, dass es nach Einnahme eines Karminativums binnen 5-15 Minuten zur Gas- oder Flüssigkeitsausstoßung aus dem Magen kommt (jener Effekt hält etwa fünf Minuten an).2,3 Gastroskopische Untersuchungen zeigten, dass Karminativa eine Hyperämie der Magenschleimhaut bewirken, hervorgerufen durch einen Axonreflex. Des Weiteren nimmt der Tonus der Muscularis mucosae und der Mukosa selbst zu. Daher kann jenes Wirkprinzip bei einer stark atrophischen Schleimhaut nicht erfolgreich sein, was erklärt, dass die Wirkung in solch einem Fall ausbleiben kann (z. B. bei chronisch atrophischer Gastritis).2 Ein weiterer physiologischer Vorteil der Karminativa ist die vermehrte Produktion von Verdauungssekreten. Jene wirken auf die Darmperistaltik, sogar auf den Blutdruck und die Herzfunktion.2 Zudem tragen die spasmolytischen und antimikrobiellen Eigenschaften der Karminativa zur Linderung von Meteorismus und Flatulenzen bei. Auch das Mikrobiom kann von pflanzlichen Präparaten, zum Beispiel Pfefferminz- und Kümmelöl, günstig beeinflusst werden.4
Kümmel 1 TL Droge (2-3 g) auf 150 ml siedendes Wasser, 10-15 Minuten Ziehzeit, 2-4 Tassen am Tag (zwischen den Mahlzeiten)
Fenchelfrucht 1 TL Droge (2,5 g) auf eine Tasse siedendes Wasser, 5 Minuten Ziehzeit, mehrmals täglich 1-2 Tassen
Anis
1 TL (2-3 g) Droge auf 150 ml siedendes Wasser, 10 Minuten Ziehzeit, 3 Tassen am Tag (zu den Mahlzeiten)
Pfefferminzblatt
1 TL (1 g) Droge auf eine Tasse siedendes Wasser, 10 Minuten Ziehzeit, 3-4 Tassen am Tag (CAVE: keine dauerhafte Anwendung, kann zu Magen- und Refluxbeschwerden führen)

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Anna Schuster, BSc
Literatur: 1 Dtsch Arztebl 2005; 102(47): A-3264 / B-2758 / C-2579. 2 Fintelmann V, RF Weiss: Lehrbuch Phytotherapie, 12. überarbeitete Aufl., Hippokrates
Verlag, Stuttgart 2009. 3 Bühring U, Zeitschrift für Phytotherapie 2005; 26(1): 27-29. 4 Springer Medizin, CME 16, 48 (2019). 5 Kubelka W, Länger R: Pflanzliche Arzneispezialitäten aus Österreich 2001/2002, 2. völlig überarbeitete Auflage 2001, Krause & Pachernegg GmbH Verlag für Medizin und
Wirtschaft. 6 Walliczek-Dworschak U, S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom aktualisiert, Gelbe Liste, 13.07.2020. 7 Liste der Monographien der Kommission E (BGA/BfArM). 8 Alammar N et al., BMC Complement Altern Med 19, 21 (2019).
Fenchel und Anis.2,3 Anis und Fenchel können gelegentlich allergische Reaktionen hervorrufen. In der Schwangerschaft sind Fenchelzubereitungen (ausgenommen Teeaufgüsse) kontraindiziert.7 Zur Behandlung des Reizdarmsyndroms wird in der entsprechenden Leitlinie6 Pfefferminzöl empfohlen, sofern die Symptome Schmerz und Blähungen überwiegen. Die Pathophysiologie des Reizdarmsyndroms kann durch die enthaltenen Monoterpene positiv beeinflusst werden. Außerdem können die spasmolytischen, antioxidativen, antimikrobiellen, immunmodulatorischen und lokalanästhetischen Eigenschaften des Pfefferminzöls von Bedeutung in der Therapie des Reizdarmsyndroms sein.8 Darüber hinaus wirkt es dem übelriechenden Flatusabgang entgegen.1 Kontraindiziert ist Pfefferminzöl bei einem Verschluss der Gallenwege, bei einer Gallenblasenentzündung sowie schweren Leberschäden (bei Gallensteinleiden Anwendung nur nach Rücksprache mit dem Arzt).7 Pflanzliche Karminativa haben sich sowohl als Einzel- wie auch als Mischpräparate zur Behandlung von Meteorismus bewährt. Teezubereitungen (siehe Tabelle 1) sind „contusa“ zu verordnen, d. h. frisch ‚angequetscht‘, damit die ätherischen Öle austreten können.3 Die empfohlene Dosierung von Kümmel, Fenchel, Anis und Pfefferminze ist in Tabelle 2 angegeben.
X Tabelle 2: Empfohlene Dosierungen stark karminativ wirksa-
mer Phytotherapeutika5,7
Schluss mit Schäfchen zählen!
Kümmel

Fenchelfrucht
Anis


Pfefferminzblatt/ Pfefferminzöl Mittlere Tagesdosis
1,5-6 g Droge 3-6 Tropfen ätherisches Öl
5-7 g Droge 0,1-0,6 g ätherisches Öl 10-20 g Fenchelhonig/Fenchelsirup 5-7,5 g zusammengesetzte Fencheltinktur
3,0 g Droge 0,3 g ätherisches Öl
3-6 g Droge 6-12 Tropfen ätherisches Öl 5-15 g Tinktur Bei Colon irritabile: 0,6 ml Pfefferminzöl (0,2 ml mittlere Einzeldosis) PZN(A): 3957402
