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Essen, was das gesunde Herz begehrt

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Arzt Sicht Sache

Arzt Sicht Sache

Internationale Ernährungsguidelines zur Primär- und Sekundärprävention von Dyslipidämien und KHK praxisnah zusammengefasst

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Todesursache Nummer eins in Österreich1 – obwohl ein konsequent gesunder Lebensstil Risikofaktoren wie hohe Cholesterin- und Blutdruckwerte, starkes Übergewicht, Diabetes, Rauchen und Bewegungsmangel positiv beeinflusst. Die Zubereitung neuer und ungewohnter Gerichte gestaltet sich für Personen mit Zivilisationserkrankungen oft schwieriger, als Tabletten zu schlucken. Essen für die Herzgesundheit kann aber auch leichtfallen. Dieser Artikel fasst aktuelle Leitlinien für einen herzgesunden Lebensstil zusammen, basierend auf Lebensmitteln anstelle von Nährstoffangaben.

Autorin: Prof.in (FH) Alexandra Kolm, MSc.

Diätologin und Dozentin, Studiengang Diätologie, Fachhochschule St. Pölten

„Empfehlungen für eine herzgesunde Ernährung sollten auf Lebensmitteln, nicht auf Nährstoffen basieren.“

„Eine herzgesunde Ernährung ist auch ein Beitrag für die Gesundheit unserer Umwelt.“

Trendwende: Lebensmittel im Zentrum

Während sich die Ernährungsempfehlungen für die Prävention von HerzKreislauf-Erkrankungen (KHK) in den letzten Jahrzehnten vor allem an der Reduktion von einzelnen Ernährungsparametern wie Energiegehalt, Gesamtfett, Salz und Nahrungscholesterin orientierten, zeichnet sich seit 2015 ein neuer Trend ab: weg von der alleinigen Bewertung von Nährstoffen hin zur Bewertung und Empfehlung von Lebensmitteln.2 Aus diätologischer Sicht eine wunderbare Entwicklung, denn Energiegehalt, Fettgehalt etc. waren und sind für Patientinnen und Patienten oftmals zu abstrakt, um verstanden und umgesetzt zu werden. Wir kaufen, verarbeiten und essen Lebensmittel – in der Ernährungsberatung und -therapie sollte dieser Umstand besonders berücksichtigt werden. Zudem bewirkten jahrelange Empfehlungen einer Reduktion der Gesamtfettzufuhr, dass gesunde, aber fettreiche Lebensmittel wie Nüsse und wertvolle Pflanzenöle gemieden wurden. Häufig erfolgte ein Ersatz durch Lebensmittel, die mehr schaden als nützen: fettreduzierte und stark verarbeitete Produkte wie Brezeln anstelle von Nüssen, LightWurstprodukte – oft reich an Salz und

Autorin: Andrea Hiemetzberger

Diätologin, tätig im Herz- Kreislauf-Zentrum Groß Gerungs

Zusatzstoffen –, fettreduzierte Joghurts mit höherem Zuckergehalt etc.

Herzgesunde Diäten im Überblick

New Nordic Diet, mediterrane Diät, DASH-Diät: Bei einer Vielzahl von Diäten fällt es einem schwer, den Überblick zu behalten. Daher folgt eine Zusammenfassung von drei Leitlinien, von zweien der American Heart Association5,6 und einer der European Society of Cardiology4. Alle drei Leitlinien empfehlen folgende ernährungstherapeutische Maßnahmen für eine herzgesunde Ernährung: • Fokus auf dem täglichen Konsum von

Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst und ungesalzenen Nüssen, • vorzugsweise Vollkorngetreide, • zwei Mal pro Woche Fisch (Lachs,

Makrele, Hering, einheimische Fische wie Saibling oder Forelle) sowie vermehrter Konsum von Lebensmitteln, die reich an a-Linolensäure sind, etwa von Walnüssen, Leinsamen, pflanzlichen Ölen wie Leinöl, Raps- oder

Hanföl, • seltener Konsum von rotem Fleisch, z. B. von Rind, Schwein, Schaf, • wenn Fleisch, dann mageres Fleisch (bspw. Geflügel ohne Haut), • seltener Konsum von verarbeiteten

Fleischwaren wie Wurst und Fleischaufstrichen, • vorzugsweise magere Milchprodukte, • Verwendung von Pflanzenölen, die reich an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind (Olivenöl für die mediterrane und Rapsöl für die nordische Diät), • Vermeidung von tropischen Fetten (Palm- und Kokosfett, die vor allem in verarbeiteten Lebensmitteln zu finden und reich an gesättigten Fettsäuren sind5) sowie von Schmalz, • seltener Konsum von gesüßten Getränken und Süßigkeiten, • Vermeidung stark verarbeiteter Lebensmittel, • Fokus auf regional produzierten und saisonalen Lebensmitteln. Zudem sprechen sich die Leitlinien für regelmäßige Bewegung zwischen 2,6 und sieben Stunden pro Woche sowie für den Verzicht auf Zigaretten aus. Ein zusätzlicher Benefit dieser diätetischen Maßnahmen: Eine herzgesunde Ernährung ist darüber hinaus ein Beitrag für die Gesundheit unserer Umwelt, die Empfehlungen decken sich größtenteils mit dem EAT-Lancet-Report3 zur Ernährung für einen gesunden Planeten.

Low Fat war gestern

Im Rahmen einer individuellen Ernährungsberatung zur Prävention einer Herz-Kreislauf-Erkrankung (KHK) wird die lange Zeit gültige Empfehlung einer Fettzufuhr von 30 bis 35 Energie-% immer mehr in Frage gestellt. Wenngleich die erwähnte Menge für die Gemeinschaftsverpflegung nach wie vor als guter Referenzbereich gilt, empfiehlt keine der Leitlinien4,5,6 eine Zufuhr oder Einschränkung von Gesamtfett für die Prävention von KHK. Als einzige Ausnahme ist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE)7 zu nennen. Bei einer individuellen Ernährungsberatung kann der Fokus von der Gesamtfettzufuhr auf die Fettqualität und die Qualität der Lebensmittel gerichtet werden.8,9 Eine erhöhte Fettzufuhr von 37-41 Energie-% in der PREDIMED-Studie2 war sogar mit einem reduzierten KHK- und Diabetesrisiko assoziiert, entscheidend waren die Fettqualität und der Konsum gesunder Lebensmittel (wenig verarbeitet, arm an raffinierten Kohlenhydraten, Zucker sowie Salz, reich an Gemüse, Hülsenfrüchten sowie Obst). Die Lebensmittelindustrie preist fettreduzierte Produkte oftmals als gesündere Alternativen an, obwohl diese teils stark verarbeitet und reich an Stärke, zugesetztem Zucker und Salz sind.

Gesättigte Fette – keine Entwarnung in puncto Herz

Eine alleinige Reduktion der gesättigten Fettsäuren ist nicht zielführend. Wer diese jedoch gegen mehrfach ungesättigte Fettsäuren tauscht, senkt mit hoher Wahrscheinlichkeit das Risiko einer KHK.2,10 Systematische Literaturarbeiten und Metaanalysen, welche gesättigte Fettsäuren als irrelevant in Bezug auf die Prävention von KHK erachten, berücksichtigen nicht, wodurch die gesättigten Fettsäuren ersetzt wurden: Ein präventiver Effekt existiert, wenn mehrfach ungesättigte Fette anstelle von gesättigten Fettsäuren zugeführt werden. Es gibt keinen präventiven Effekt durch den Tausch von gesättigten Fettsäuren gegen raffinierte Kohlenhydrate (Weißmehlprodukte, Zucker und Süßigkeiten).11

Referenzen: 1 Statistik Austria, 2021. Österreichischer Zahlenspiegel. statistik.at/web_de/services/oesterreichischerzahlenspiegel/index.html (abgerufen am 19.3.21). 2 Wu J et al., Nature Reviews Cardiology, 16(10), 581601 (2019). 3 Willett W et al., Lancet, 393: 447–92 (2019). 4 Mach F et al., ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. European Heart Journal (2019). 5 Grundy SM et al., Journal of the American College of

Cardiology, 73:e285-350 (2018). 6 Arnett DK et al., Circulation, 140:e563–e595 (2019). 7 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.),

Fettzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten – Evidenzbasierte Leitlinie. 2. Version. Bonn (2015). 8 Liu AG et al., Nutr J, 16, 53 (2017). 9 Mozaffarian D, Circulation, 133(2):187-225 (2016). 10 Kerschner B, Gesättigte Fette: keine Entwarnung für das Herz. Medizin Transparent (2016). medizintransparent.at/gesaettigte-fette-entwarnung-fuerherzrisiko-irrefuehrend/ (abgerufen am 19.3.21). 11 Sacks FM et al., Circulation, 136(10):e195 (2017).

X Infobox: Was wird gekocht?

Ernährungsteller:

Eine hilfreiche grafische Darstellung zur praktischen Umsetzung ist der Ernährungsteller der Österreichischen Gesundheitskasse: gesundheitskasse.at, Praxistipps für Ernährung

Buchtipp:

Zahlreiche alltagstaugliche Rezepte aus saisonalen und regionalen Zutaten entwickelte das Team aus Diätologen, Köchen und Medizinern des Herz-Kreislauf-Zentrums Groß Gerungs: Herzgesund essen, Herz-Kreislauf-Zentrum Groß Gerungs, Kneipp Verlag Wien, ISBN 978-3-7088-0744-7

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