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Notfälle in der Derma tologie

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Arzt Sicht Sache

Arzt Sicht Sache

Foto: © shutterstock.com/ Iaroslav Neliubov

Notfälle in der Dermatologie …

… aus dem Blickwinkel der hausärztlichen Praxis

In diversen Fächern? der Medizin herrscht immer noch der Irrglaube vor, dass es keine ernst zu nehmenden dermatologischen Notfälle gebe oder sich diese nur auf ein einziges Krankheitsbild, nämlich jenes der toxischen Nekrolyse, beschränkten. Tatsächlich sind dermatologische Notfälle oder auch Warnzeichen der Haut, die auf eine schwere, oft lebensbedrohliche Krankheit hinweisen, keine Seltenheit.

Autor: Prim. Univ.-Prof. Dr. Norbert Sepp

Vorstand der Abteilung für Dermatologie und Venerologie, Ordensklinikum Linz Elisabethinen ordensklinikum.at

Allergien ernst nehmen

Allergische Reaktionen, die zu einer Anaphylaxie führen können, zählen zu den häufigsten Notfällen der Haut. Die World Allergy Organization definiert die Anaphylaxie als schwere generalisierte systemische allergische Immunreaktion, welche binnen Minuten potenziell lebensbedrohlich sein kann. Mit etwa 1,5-7,9 Fällen/100.000 Personen pro Jahr tritt sie öfter auf als vermutet. Jährlich kommen ungefähr ein bis drei Todesfälle auf eine Million Menschen, die Dunkelziffer dürfte aber höher sein. Eine Anaphylaxie entsteht, wenn ein Allergen das erste Mal mit dem Immunsystem, genauer gesagt mit den B- und T-Zellen, in Kontakt kommt. Die B-Zellen produzieren über die Plasmazellen die IgE-Antikörper, welche an die Mastzellen binden. Wird der Patient erneut mit dem Allergen konfrontiert, setzt die präparierte Mastzelle Hista-

min und weitere Mediatoren im großen Stil frei. Diese Stoffe lösen typische Reaktionen aus, etwa einen Spasmus, einen Kreislaufkollaps, Urtikaria, Juckreiz, einen metallischen Geschmack im Mund etc. Bei Kindern können sowohl Unruhe als auch Rückzug Hinweise sein. Die auslösenden Allergene sind unterschiedlicher Natur, zum Beispiel kann es sich um bestimmte Nahrungsmittel, Insektengifte oder Medikamente handeln – es gibt allerdings auch idiopathische Formen. Während Nahrungsmittelallergien vorwiegend bei Kindern auftreten, sind von Insektengiftallergien sowohl Erwachsene als auch Kinder (22 % der Fälle) betroffen. Arzneimittelallergien kommen bei erwachsenen Patienten häufiger vor, da im Alter mehr sensibilisierende Medikamente eingenommen werden. Ein erhöhtes Anaphylaxie-Risiko zeigt sich bei körperlicher Belastung, psychischem Stress, im Alter und bei Männern. Medikamente (beispielsweise Betablocker) und Alkohol können einen schweren Verlauf einer Allergie begünstigen. Adrenalin über die direkte intramuskuläre Applikation gilt als die sicherste und wichtigste akuttherapeutische Maßnahme. Zusätzlich sollten ein Antihistaminikum und ein Glukokortikoid verabreicht werden. Auf die Adrenalingabe kann eine zweite anaphylaktische Reaktion folgen. Daher ist es ratsam, Patienten zwei bis drei Stunden zu beobachten. Nach der Anaphylaxie sollte der Auslöser der Reaktion identifiziert werden. Zu diesem Zweck wird der Patient zu einem niedergelassenen Allergologen oder Hautarzt bzw. an eine Klinik überwiesen.

Infektionen identifizieren

Es gibt zahlreiche Infektionen, die sich durch eine Veränderung des Hautbilds feststellen lassen. Zu den wichtigsten Notfällen gehören … … eine akute HIV-Infektion: Ein unklares Exanthem und Aphten am harten Gaumen weisen auf eine akute HIV-Infektion hin. Da Patienten in dieser Krankheitsphase hochkontagiös sind, ist es wichtig, sich der genannten Symptome bewusst zu sein. Als Differenzialdiagnosen zur akuten HIV-Infektion gelten die Zytomegalie sowie Varizellen. … Exantheme und Fieber: Dieses Krankheitsbild kann viral oder bakteriell bedingt sein sowie durch Arzneimittel oder eine Autoimmunerkrankung hervorgerufen werden. Dabei ist es essenziell, abzuklären, ob der Patient zusätzlich an einer generalisierten Lymphadenopathie leidet. Zu den Krankheitsbildern zählen unter anderem die Hand-Fuß-Mund-Krankheit, die Stomatitis herpetica, Infektionen mit dem Parvo-, Rötel- oder HepatitisB-Virus und das Denguefieber. … systemische Infektionen: Auch sie können in vielen Fällen sehr bedrohlich sein. Typisch sind etwa Infektionen mit Rickettsien. Diese Stäbchenbakterien kommen vor allem im Südosten der USA vor und verursachen unter anderem das Rocky-Mountains-Fleckfieber. … eine Sepsis: Eine septische Vaskulitis wird primär durch Meningo- und Gonokokken ausgelöst. Treten akrale Blutungen auf, sollte immer von einer Sepsis ausgegangen und eine Echokardiografie veranlasst werden. … eine nekrotisierende Fasziitis: Bei dieser bakteriellen Weichteilinfektion ist der Patient tagelang beschwerdefrei, bis plötzlich eine Schwellung im Infektbereich auftritt. Hauterscheinungen zeigen sich meist erst spät. Typisch ist das inadäquate Zusammenspiel von Schmerz und einer uncharakteristischen entzündlichen Rötung. Berührt man den Bereich der Schwellung, zuckt der Patient zusammen. Aufgrund des Keimwachstums kommt es zu einem systemischen Zusammenbruch und zum toxischen Schocksyndrom. Die Mortalität bei dieser Erkrankung ist hoch. Eine Sonderform der nekrotisierenden Fasziitis stellt das Fournier-Gangrän dar, von welchem das äußere Genitale betroffen ist.

Medikamentöse Reaktionen

Treten Exanthem und Pneumonie gemeinsam auf und gehen sie mit hohem Fieber, Leukozytose und erhöhten Leber-Transaminasen einher, sollte an eine medikamentöse Reaktion gedacht werden. Für Klarheit sorgt der Fingertest: Wird die betroffene Stelle mit dem Finger berührt und löst sich die Haut ab, liegt eine schwere Arzneimittelreaktion vor. Zudem sollte auf ein geschwollenes Gesicht, eine veränderte Purpura sowie Blutbildveränderungen (erhöhte Leberwerte) geachtet werden. Auslöser von medikamentösen Notfällen sind Antikonvulsiva bei HIV-Medikation, aber auch Sulfonamide, Carbamazepin, Lamotrigin und das häufig verschriebene Allopurinol. <

Quelle: Curriculum Dermatologicum 2021, Infos & Weitere Termine: ordensklinikum.at/de/ veranstaltungen/online-fortbildungsreihecurriculum-dermatologicum-2021-1125

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