Februar 2022

Page 52

eco.zukunft

MIT INSPIRATION AUS DER NATUR ZURÜCK ZUR NATUR In der bisherigen Zivilisationsgeschichte war der Fortschritt fast immer von einer Rücksichtslosigkeit gegenüber der Natur begleitet. Die Bionik bzw. bioinspirierte Wissenschaft zeigt, dass das nicht zwangsläufig so sein muss. Der studierte Zoologe und Bioniker Thorsten Schwerte von der Universität Innsbruck zeigt auf, was bioinspirierte Technologie leisten kann, und plädiert dafür, die ethische Dimension immer mitzudenken.

52

TEXT: MARIAN KRÖLL

D

ass der Mensch aus den Vorgängen, die er in der Natur beobachtet, lernen kann, ist zunächst einmal nichts Neues. Der Universalgelehrte Leonardo da Vinci versuchte, den Flug des Vogels mittels einer Maschine nachzuahmen. Um tatsächlich abzuheben, war der Mensch allerdings zu schwach, seine Körpermasse im Verhältnis zu seiner Muskelkraft viel zu groß. Auch vor und nach da Vinci nahm der Mensch Anleihen bei der Natur. Die Bionik – ein Kofferwort aus Biologie und Technik – beschäftigt sich mit der Übertragung natürlicher Phänomene auf die Technik. Manchmal wird sie auch als Biomimetik, Biomimikry oder Biomimese bezeichnet. Für den technologischen Fortschritt muss man nicht immer das Rad neu erfinden. Interessanterweise gibt es gerade für das Rad kaum Vorbilder in der Natur und es hat die menschliche Fortbewegung geprägt und verändert wie nichts anderes. Die heutige Bionik sollte allerdings nicht als bloßes Abkupfern von der Natur verstanden werden, sondern eher als durch

die Natur angeregtes Neuerfinden. Dementsprechend spricht Thorsten Schwerte, Universitätsprofessor für Zoologie an der Universität Innsbruck und Bionik-Experte, in diesem Zusammenhang lieber von Bioinspiration oder bioinspirierter Technik. Die Natur macht’s vor, der Mensch gewinnt zunehmend die Fähigkeit, natürliche Dinge – modifiziert, teils neu kombiniert und verbessert – nachzuahmen und in allerlei praktische Anwendungen zu überführen. Das birgt nicht zuletzt neue, dringend benötigte Chancen für die Umwelt.

RAPIDE ENTWICKLUNGS MÖGLICHKEITEN „Mittlerweile sind viele Produktionsverfahren verfügbar, vor allem in Bezug auf Rapid Prototyping, aber auch in der Optik, die viel Neues ermöglichen“, weiß Schwerte und nennt als konkretes Anwendungsbeispiel den 3D-Druck von Nanostrukturen. „Das ermöglicht heutzutage Prototypen, die extrem nahe am natürlichen Vorbild sind.“ Davon verspricht man sich vor al-

lem im Bereich der sogenannten smarten Oberflächen sehr viel, obgleich man von der Marktreife noch ein Stück weit entfernt ist. Die Bioinspiration ist die interdisziplinäre Klammer, die verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, meist in den Naturwissenschaften angesiedelt, miteinander verbindet. „Alles in der Natur unterwirft sich den Gesetzen der Physik und den Regeln der Chemie. Deshalb ist das, was in der Natur funktioniert, zwangsläufig auch in artifiziellen Systemen eine sehr gute Lösung“, argumentiert Schwerte und folgert: „Bioinspiration bringt uns näher an die Natur heran.“ Sie ist, könnte man ergänzen, eine Hinwendung zum Ursprünglichen, zum Natürlichen.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Februar 2022 by eco.nova verlags gmbh - Issuu