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GUTE ZEITEN FÜR DIE KUNST
Albin Egger-Lienz, „Totentanz 1809“, 1916, 130 x 165 cm, erzielter Preis: 1,03 Mio. Euro Gerhild Diesner, Blaue Landschaft (Gardasee), 1958, 120 x 120 cm, erzielter Preis: 87.800 Euro

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Kunstauktionen: Die Dynamik eines besonderen Marktes.
TEXT: MARIANNE HUSSL-HÖRMANN*)
Die Kunst – jener wunderbare Begriff für alles, was die Kreativität des Menschen je hervorgebracht hat und immer noch schafft – ist ein bisschen janusköpfig: Zum einen ist sie museal, was nichts anderes heißt, als dass wir sie zwar bewundern, aber nicht besitzen können. Zum anderen ist sie schlicht und einfach eine Ware, deren hauptsächlicher Wert in ihrem Betrachten liegt. Während die eine Seite in Museen, Kirchen oder auf öffentlichen Plätzen zelebriert wird, spielt sich das andere auf einem äußerst vielseitigen Markt ab, dem Kunstmarkt. Und in diesem bietet kein anderer Mitspieler einen umfassenderen Überblick für die sich stets wandelnden Tendenzen der Sammlerinteressen und damit auch der Werte als die Auktionshäuser.
SIEGESZUG Es war in Wien, als im Jahr 1707 Kaiser Joseph I. die Gründung eines „Versatz- und Fragamtes“ veranlasste, das als weltweit erstes Auktionshaus der Neuzeit Geschichte schrieb: das Dorotheum, wie es kurze Zeit später durch die Übersiedlung in das ehemalige Dorotheerkloster in der gleichnamigen Gasse benannt wurde. Kunst wurde ab nun wieder versteigert, nach einem Prinzip, wie es bereits von den Etruskern und besonders im antiken Rom mit großem Erfolg durchgeführt worden war: An einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit Objekte zu einem bestimmten Preis auszurufen und nach festgesetzten Bieterschritten an den letzten Bieter zu verkaufen. Die Kulmination von Zeit, Angebot und Nachfrage führt seit damals zu oft überraschenden und rekordmäßigen Preissteigerungen, sie verleiht aber auch dem Käufer – abgesehen vom erworbenen Wunschobjekt – das durchaus befriedigende Gefühl, ein Bietgefecht als Sieger verlassen zu haben.
Erstaunlich also, dass Auktionen für gefühlt mehr als 1.000 Jahre in Europa zumindest den Überlieferungen nach nicht mehr praktiziert wurden. Erst ab dem 18. Jahrhundert, als 1744 und 1777 auch die Herren Sothebys und Christies in London Auktionshäuser für Autographen und alte Bücher gründeten, entstand eine bis heute andauernde, wachsende Dynamik für dieses Geschäftsmodell. Heute gibt es weltweit geschätzt mehrere 1.000 Kunstauktionshäuser mit einem Umsatz von jährlich 50 bis 60 Milliarden Euro. Wenn auch der größte Teil dieses Kuchens dem angloamerikanischen und mittlerweile chinesischen Markt gehört, führt Österreich immerhin die Rangliste der kleineren europäischen Staaten an – dank der internationalen Präsenz des Dorotheums, des größten Auktionshauses in Kontinentaleuropa.
Die Covid-Pandemie hat seit 2020 auch den Kunstmarkt nicht verschont, verursachte demgegenüber aber einen notwendigen, bislang noch weitgehend verzögerten Digitalisierungsschub. Gewinner waren jene Häuser, die bereits vorbereitet waren, wie das Dorotheum, das seither alle Auktionen online
Alfons Walde, Der Aufstieg der Schifahrer, um 1927, 41 x 66 cm, erzielter Preis: 965.300 Euro

präsentiert und auch durchführt. Nur die großen internationalen Meisterwerke-Auktionen werden noch im Saal mit der Möglichkeit zum Live-Bidding abgehalten. Das Ergebnis? Mehr Sammler, die den leichten Zugang und die vor allem orts- und zeitunabhängige Teilnahme begrüßten und für mehr Verkäufe und mehr Umsatz sorgten. Ein großformatiges Gemälde von Gerhild Diesner, der Tiroler Grande Dame, konnte 2020 erstmals an einen amerikanischen Sammler verkauft werden, der die Qualität des blauen Gardasee-Bildes allein online erkannte und gleich zu einem neuen Rekordpreis der Künstlerin führte: einem Kaufpreis von 87.800 Euro nämlich!
Im Schnitt beteiligen sich bei den großen Auktionen des renommierten Wiener Hauses mittlerweile Bieter aus über 100 Ländern, die durchschnittliche Verkaufsrate liegt bei sensationellen 60 bis 70 Prozent, in manchen Sparten sogar bei 80 Prozent. Nicht zu übersehen ist das dramatisch gesteigerte Interesse für Zeitgenössische Kunst. Ihr Anteil ist weltweit auf 23 Prozent gestiegen, vor 20 Jahren waren es noch bescheidene drei Prozent. Der besondere Vorteil dieser Sparte ist, dass sie sich quasi täglich erneuert und es seinen besonderen Reiz hat, ein Werk eines lebenden Künstlers zu erwerben.
PREISFRAGE Wer oder was bestimmt jedoch den Preis eines Kunstwerks? Warum erfreuen sich manche Kunstwerke einer größeren Nachfrage als andere? Die eine Antwort hierfür gibt es nicht, auch wenn ein Hauptargument der Verweis auf die Qualität bleibt. Nur, wie erkennt man sie? Letztlich durch Erfahrung, viel Schauen und Vergleichen sowie Beratung, um die eigene Wahrnehmung zu schulen und den subjektiven Geschmack zu verfeinern.
Die Nachfrage richtet sich auch nach der Wiedererkennbarkeit eines künstlerischen Stils, der Bekanntheit eines Namens, bevorzugt bestimmte Motive, Farben, abstrakte Kompositionen. Für das Topsegment ist eine Frage noch entscheidend: Wie sehr verkörpert das Bild seine Epoche? Wie innovativ, bahnbrechend und wegweisend ist die künstlerische Lösung? Nehmen wir den „Totentanz“ von Albin Egger-Lienz. Für das Schicksal des Krieges hat der Maler 1909 erstmals ein ungewöhnliches künstlerisches Bild entworfen, mehrere Varianten folgten. Im Juni 2021 kam im Dorotheum eine Variante der IV. Fassung von 1916 zum Angebot. Die Provenienz ließ sich lückenlos nachvollziehen, die Originalität durch den Eintrag im Werkverzeichnis war bestätigt, der Zustand perfekt. Mit 500.000 Euro als unteren Schätzpreis orientierte sich das Haus an früheren Ergebnissen für Bilder dieses Motivs und dieser Größe. Spannend blieb die Frage, ob dieses Thema heute noch derart begeistern kann. Ein sensationeller Kaufpreis von über einer Million Euro bewies am Ende, dass ein Bild trotz des nicht einfachen Themas von Tod und Krieg dank einer innovativen künstlerischen Umsetzung an Faszination und damit Interesse nicht verliert.
Ein Superstar Tiroler Kunst ist der Kitzbüheler Maler Alfons Walde. Wenige andere Künstler können so anhaltend begeistern und erzielen für ihre Werke seit ihren Lebzeiten immer wieder bemerkenswerte Wertsteigerungen. Und das, obwohl viele seiner Motive Wiederholungen sind. Doch Walde erkannte in visionärer Weise die Bedeutung einer „Marke“, die auf dem Repetieren weniger, aber charakteristischer Bildsymbole beruht, und übertrug diese Erfahrung aus der Werbung auf die Kunst. Walde quasi ein Vorläufer der Pop-Art. So entstand die Marke Kitzbühel und Tirol, er schuf fantastische Symbolbilder für das gute Leben zwischen Bergen und weißen Hängen. Damit kann man sich nach wie vor sehr gut identifizieren, wie jene Bieter, die sich für das Gemälde „Aufstieg der Skifahrer“ im Dorotheum hartnäckig überboten und den ursprünglichen Schätzpreis von 350.000 Euro bis auf das Rekordniveau von 800.000 Euro hinauflizitierten, was einen Kaufpreis von 965.000 Euro, also einer knappen Million Euro, bedeutete.
KUNST-ZUKUNFT Die Begeisterung für Kunst hält an. Auch 2022 wird ein Jahr sein, in dem Kunst auf hohe Nachfrage stößt und die Zeit für Verkäufe da ist. Für Sammler wiederum bildet das umfangreiche Angebot eine Chance auf besondere Stücke in jeder Preisklasse. Der Markt der Kunst ist ein abwechslungsreiches, spannendes Terrain, doch am Ende gilt: Der eigentliche Wert der Kunst liegt nicht im Monetären, sondern in ihrer Betrachtung, in der Unterhaltung, die sie bietet, und in ihrer Inspiration wie Provokation. www.dorotheum.com