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INFORMATIONSGESELLSCHAFT
DIE HERRSCHAFT DER INFORMATION
TEXT: MARIAN KRÖLL
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„Ist das die beste aller möglichen Welten, nun so möcht’ ich die übrigen sehn!“
CANDIDE
D
as vorangehende Zitat stammt aus der Novelle „Candide oder der Optimismus“, die der französische Philosoph Voltaire als Satire gegen die optimistische Weltanschauung Gottfried Wilhelm Leibniz’ in Stellung gebracht hatte. In ihr verspottet Voltaire unter anderem die naive Utopie des einfachen Mannes von einem sorglosen Leben. Diese Utopie ist bis in die heutige Zeit hinein streckenweise erhalten geblieben, obwohl sie durch die Pandemie deutliche Kratzer bekommen hat. Das Leben ist und bleibt hart, obwohl die Möglichkeiten – das ist vor allem dem sich weiter beschleunigenden technologischen Fortschritt geschuldet – noch nie so groß waren wie in der heutigen Zeit. Dennoch ist es besorgniserregend, wie die sich öffnenden Möglichkeitsräume genutzt werden. Oder vielmehr vergeudet. Hieß es bei Francis Bacon noch – verkürzt formuliert – „Wissen ist Macht“, muss man heute sagen „(Des)information ist Macht“.
HERRSCHAFTSFORM DER DIGITALISIERTEN ZEIT
Das Informationszeitalter hat mit dem Informationsregime selbst eine neue Herrschaftsform hervorgebracht. So lautet die Diagnose des koreanisch-deutschen Philosophen und Kulturwissenschaftlers Byung-Chul Han, die er in seinem Buch „Infokratie – Digitalisierung und die Krise der Demokratie“ formuliert. Han ist damit einem bisher weitgehend wortlosen Unbehagen auf der Spur, das sich, ausgelöst durch die Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche durch die Digitalisierung, in den luziden Ausführungen des Philosophen geistreich Bahn bricht. Der Autor spart in seinen philosophischen Arbeiten meist nicht mit großer Geste. Seine Thesen trägt er mit einem gewissen Hang zum Pathos und zu neuen Wortschöpfungen vor. Informationsregime nennt Byung-Chul Han die neue Herrschaftsform, in der Informationen und deren Verarbeitung mittels Algorithmen und künstlicher Intelligenz soziale, ökonomische und politische Prozesse maßgeblich bestimmen. Im Gegensatz zum Disziplinarregime des Industriekapitalismus würden, postuliert Han, nicht Körper und Energien, sondern Informationen und Daten ausgebeutet. Nicht mehr wer die Produktionsmittel besitzt, hat die Macht, sondern wer Zugang zu den Informationen hat.
Es handelt sich notabene zu einem wesentlichen Teil auch um Informationen, die der Mensch auf dem Wege der sozialen Medien bereitwillig preisgibt, wenn er auf den Plattformen ungefragt sein Innerstes nach außen kehrt. Der Mensch wird in Hans Augen im aus dem Informationskapitalismus heraustretenden, ihm gleichsam nachfolgenden Überwachungskapitalismus zum „Daten- und Konsumvieh“ degradiert. „Das unterworfene Subjekt des Informationsregimes wähnt sich frei, authentisch und kreativ. Es produziert sich und performt sich“, mahnt der Philosoph. Im Informationsregime würden sich die Menschen paradoxerweise nicht überwacht fühlen, sondern frei. „Je mehr Daten wir generieren, je intensiver wir kommunizieren, desto effizienter wird die Überwachung“, weiß Han, der das Mobiltelefon als Überwachungs- und Unterwerfungsapparat bezeichnet, der Freiheit und Kommunikation
INFOKRATIE
Digitalisierung und die Krise der Demokratie Byung-Chul Han, Verlag Mattehs & Seitz Berlin, 100 Seiten, EUR 10,00
Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran und erfasst inzwischen auch den Bereich des Politischen und führt zu massiven Verwerfungen im demokratischen Prozess. Troll-Armeen greifen in die Wahlkämpfe ein, indem sie gezielt Desinformation betreiben. Byung-Chul Hans neuer Essay beschreibt die heutige Krise der Demokratie, indem er sie auf den digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit zurückführt. Han gibt der Krise einen Namen: Infokratie, und er verortet sie im Informationsregime als neue Herrschaftsform. ausbeute. Im Informationsregime braucht es keinen disziplinarischen Zwang mehr, weil sich dessen Herrschaft in dem Moment vollendet, „in dem Freiheit und Überwachung in eins fallen.“
Han setzt sich in der Folge auch mit dem Begriff der Transparenz auseinander, dessen Tragweite verkannt würde. Er betrachtet die Transparenz als den systemischen Zwang des Informationsregimes, dessen Imperativ laute: „Alles hat als Information vorzuliegen.“ Dementsprechend seien auch nicht die Menschen wirklich frei, sondern die Informationen. Das Paradoxe an der Sache: „Die Menschen sind in Informationen gefangen. Sie legen sich selbst Fesseln an, indem sie kommunizieren und Informationen produzieren“, diagnostiziert Han und kommt zum folgenden Schluss: „Das digitale Gefängnis ist transparent“.
Die Menschen sind transparent im Informationsregime, Herrschaft dagegen ist niemals transparent. „Der Maschinenraum der Transparenz ist dunkel. Wir liefern uns der immer größer werdenden Macht der algorithmischen Blackbox aus“, hält der Philosoph fest. Wären die mit der Digitalisierung verbundenen Annehmlichkeiten bloß nicht so verlockend, die sozialen Medien nicht so gefällig, die Suchmaschinen nicht so angenehm, die smarten Apps nicht so zuvorkommend. Das Smart Home protokolliert unser Leben minutiös, der Staubsaugerroboter kartiert unsere Wohnung, das Smart Bed überwacht unseren Schlaf. „Die Überwachung schleicht sich in Form von Convenience in den Alltag ein“, sagt Han. Das heutige digitale Gefängnis ist eine smarte Wellnessoase, die keinen Widerstand provoziert. In der Heimeligkeit entstehen keine Revolutionen.
Die Infokratie ist eine smarte Herrschaftsform, sie muss nicht befehlen, sie flüstert, sie nudget, stupst mit subtilen Mitteln zur Verhaltensänderung an, geht im Kleid der Freiheit, Kommunikation und Community spazieren. Die gefühlte Freiheit stellt sicher, dass die Machtausübung funktioniert. Freiheit bedeute, so Han, im Informationsregime nicht länger handeln, sondern klicken, liken und posten. Das Informationsregime bemächtigt sich der Einzelnen, indem es Verhaltensprofile von ihnen erstellt. Han argumentiert, dass Big Data und künstliche Intelligenz das Informationsregime in die Lage versetzten, unser Verhalten auf einer Ebene zu beeinflussen, die unterhalb der Bewusstseinsschwelle liegt. „Die datengetriebene Psychopolitik des Informationsregimes greift in unser Verhalten ein, ohne dass wir uns dieser Eingriffe bewusst werden.“ Der Philosoph nennt das das Digital-Unbewusste.

EINE KRISE DES ZUHÖRENS
Nun ist es ja nachweislich so, dass schon die elektronischen Massenmedien mit ihrem fortwährenden Infotainment dem rationalen Diskurs, von dem die Gesundheit der Demokratie maßgeblich abhängt, nicht unbedingt gutgetan haben. In der massenmedial erzeugten Mediokratie ließ sich aber noch zwischen Sendern und Empfängern von Nachrichten unterscheiden. „Wir amüsieren uns zu Tode“ wurde beim Aufstieg der Massenmedien noch befürchtet, „Wir kommunizieren uns zu Tode“ lautet die neue Befürchtung im Informationsregime. Wer weiß, möglicherweise handelt es sich beim Lamento der Massenmedien über das neue Informationszeitalter auch um eine Art des Beleidigtseins, weil aus der Kommunikation der Wenigen hin zu den Vielen kraft des Internets eine Any-to-any-Kommunikation, in der jeder jeden jederzeit erreichen kann, geworden ist. Byung-Chul Han sieht heute die diskursive Öffentlichkeit nicht mehr durch Infotainment, sondern von einer Infodemie, der viralen Verbreitung und Vermehrung von Information, bedroht. Die ungeheure Informationsfülle reißt die Wirklichkeit in einen „permanenten Taumel der Aktualität“ und verdrängt, so Han, „zeitintensive, kognitive Praktiken wie Wissen, Erfahrung und Erkenntnis“. Der rationale Diskurs verträgt sich nicht gut mit der beschleunigten und fragmentierten Kommunikation des World Wide Web. Ein gutes Beispiel dafür ist, dass der Kurznachrichtendienst Twitter für Donald Trump das mit Abstand wichtigste Medium war, um seine potenzielle Wählerschaft mit seinen unterkomplexen Botschaften zu erreichen. Der Philosoph warnt generell vor dem Vormarsch der Affektkommunikation, in der sich nicht die besseren Argumente durchsetzten, sondern die Informationen mit dem größeren Erregungspotenzial. Fake News generieren mehr Aufmerksamkeit als Tatsachen. Und dann ist da noch die Microtargeting genannte Praxis, Wählern in manipulativer Absicht auf ihr Psychogramm zugeschnittene Wahlwerbung zuzuspielen. „Jeder bekommt eine andere Nachricht, wodurch die Öffentlichkeit fragmentiert wird“, so Han. Der Diskurs sei eine Praxis des Zuhörens, die Krise der Demokratie in erster Linie eine Krise des Zuhörens. „Wir hören einander nicht mehr zu“, hält der Kulturwissenschaftler fest. Wir hören in der digitalen Kommunikation nur noch uns selbst sprechen, sie verkommt zur Kommunikation ohne Gemeinschaft. Dazu kommt erschwerend, dass wir in der Informationsgesellschaft das Grundvertrauen verloren haben, dass es eine Wahrheit gibt. Sie ist eine Gesellschaft des Misstrauens. Wir begegnen vielen Dingen mit einem Generalverdacht: Es könnte so sein, es könnte aber auch anders sein. Nicht zuletzt vollende sich, schreibt Byung-Chul Han, in der Informationsgesellschaft das bereits in der Postmoderne eingeläutete Ende der großen Erzählungen. „Erzählungen zerfallen zu Informationen“, so Han.
Doch wie passt das mit dem Auftreten zahlloser Verschwörungstheorien, neuerdings gerne Verschwörungserzählungen genannt, zusammen? Auch dafür liefert der Philosoph in seinem Buch eine plausible Erklärung: „Heute befinden wir uns nicht nur in der ökonomischen oder pandemischen, sondern auch in einer narrativen Krise. Erzählungen stiften Sinn und Identität. So führt die narrative Krise zur Sinnleere, Identitätskrise und Orientierungslosigkeit. Hier schaffen Verschwörungstheorien als Mikroerzählungen Abhilfe. Sie werden als Identitäts- und Sinnressourcen aufgegriffen.“
DIE WARE ERSETZT DAS WAHRE
Die Bedrohungen der Demokratie durch das Informationsregime sind mannigfaltig. Und schon lugt in Gestalt des Metaverse bereits eine neue Gefahr unter der Decke hervor. Noch einigermaßen im Dunkeln, aber was sich abzeichnet, sollte uns als Warnung gelten. Das Metaverse ist ein kollektiver virtueller Raum, möglicherweise die nächste Evolutionsstufe des Internets, eine virtuelle Parallelwelt, in die Tech-Konzerne gerade Milliarden investieren. Das Metaverse ist die nächste große Wette. Es ist Social Media, zu Ende gedacht. Das Metaverse hat das Potenzial, die Kommerzialisierung und Monetarisierung sämtlicher menschlicher (Er)regungen zu vollenden.
Wir sind als Menschen zweifellos soziale Wesen. Ob wir auch Social-Media-Wesen sind, ist dagegen äußerst zweifelhaft. Egalitärer wird die Welt durch das Metaverse gewiss nicht. Es ist vielmehr die Fortsetzung – und potenziell Verstärkung – bestehender Ungleichheiten mit anderen, virtuellen Mitteln. Ob das Metaversum Erfolg haben wird, hängt letztlich von jedem Einzelnen ab. In nächster Zukunft entscheidet sich, ob wir uns als Individuen behaupten, denen die reale, physische Welt die erste Heimat bleibt, oder ob sich der moderne Mensch in einen kümmerlichen Datensatz auflösen wird. Choose wisely.

Im weitesten Sinne bestimmen Algorithmen im Kontext von Social Media, welche Inhalte jeder Nutzer bzw. jede Nutzerin angezeigt bekommt. Dies wird meist durch Empfehlungssysteme berechnet, die man sich vereinfacht gesprochen wie ein Sortierverfahren vorstellen kann: Das System berechnet, welche Produkte, Posts, Bilder, Lieder etc. prominent präsentiert werden sollen“, erklärt Informatikprofessorin Eva Zangerle. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, warum diese Systeme vor allem nachvollziehbarer, transparenter und fairer werden müssen.
ECO.NOVA: Wie funktionieren derartige algorithmische Empfehlungssysteme? EVA ZANGERLE: Empfehlungssysteme basieren vorwiegend auf der Annahme, dass sich Nutzerinnen und Nutzer, die sich in der Vergangenheit ähnlich verhalten haben, auch in Zukunft ähnlich verhalten werden. Daher versucht das System, diese ähnlichen Nutzer zu finden und aus den von ihnen konsumierten Produkten Empfehlungen abzuleiten. Dies alles basiert auf den sogenannten „Interaktionen“ der Nutzerinnen und Nutzer mit dem System, also unseren bisherigen Einkäufen, welche Lieder und Filme wir bisher auf der Plattform konsumiert haben oder welche Produkte wir bisher mit ein oder fünf Sternen bewertet haben. Die Summe der Interaktionen aller Nutzer ergibt die Datenbasis des Systems. Diese werden dann oft mit Daten erweitert, die die zu empfehlenden Elemente näher beschreiben und charakterisieren. Dies können Autor oder Genre bei Büchern, Musikrichtung oder die „Energiegeladenheit“ eines Liedes sein, um ein paar sehr einfache Beispiele zu nennen.
Was macht ein gutes Empfehlungssystem
aus? Ein gutes Empfehlungssystem macht aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer aus, dass es zum einen personalisierte, passende Empfehlungen präsentieren kann und Was wir im Internet und vor allem auf Social Media zu sehen bekommen, wird überwiegend von Algorithmen bestimmt, die immer leistungsfähiger werden. Das birgt einige Gefahren für eine freie Gesellschaft.
TEXT: MARIAN KRÖLL
gleichzeitig ermöglicht, immer wieder neue Produkte zu entdecken und die verfügbaren Produkte zu explorieren. Der Begriff Produkt kann hier sehr weit gefasst werden – von wirklichen Produkten im Onlineshopping über Filme und Musik auf Streaming-Plattformen bis hin zu Personen, die auf Social-Media-Plattformen empfohlen werden. Natürlich gibt es neben der Nutzerperspektive noch andere: Aus Sicht des Anbieters schafft es ein gutes Empfehlungssystem beispielsweise, die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf der Plattform zu halten.
Sind algorithmische Entscheidungssysteme zwangsläufig objektiv und unbeeinflussbar? Die Entscheidungssysteme sind natürlich immer abhängig von den zugrunde liegenden Daten und genau diese können beeinflusst werden. In sogenannten „shilling
attacks“ werden eine Vielzahl künstlicher Nutzerprofile erzeugt, mit denen Produkte konsumiert werden. So wird versucht, bestimmte Produkte zu pushen und damit öfter in der Liste der empfohlenen Produkte aufscheinen zu lassen. Neben diesen Attacken ist es natürlich auch denkbar, dass manuell vom Anbieter eingegriffen wird und so Produkte, die einen höheren Gewinn abwerfen, weiter vorne gereiht bzw. prominenter platziert werden.
Sind Algorithmen durch das Maschinen-
lernen mächtiger geworden? Im Bereich von Empfehlungssystemen ist dies sicher so. Die ersten Systeme Mitte der 1990er waren noch sehr einfach gestrickt, mit zunehmenden Datenmengen und auch zunehmend mächtigeren Methoden des maschinellen Lernens wurden die Algorithmen stetig verbessert und optimiert.
Ist es denn sinnvoll, die Funktionsweise eines algorithmischen Empfehlungssystems offenzulegen, oder kann das sogar
kontraproduktiv sein? In meinen Augen ist es essenziell, dass Nutzerinnen und Nutzer nachvollziehen können, warum das System bestimmte Empfehlungen berechnet hat. Das hat zwei Dimensionen: Zum einen haben Studien gezeigt, dass Nutzer eines transparenten Systems – also eines Systems, das erklärt, warum bzw. wie die Empfehlungen zustande gekommen sind – mehr Vertrauen in dieses System haben. Zum anderen können Nutzerinnen und Nutzer, die ein Grundverständnis für das System haben, besseres Feedback zu den Empfehlungen geben und damit wiederum das Gesamtsystem und damit die Empfehlungen verbessern. Ich forsche aktuell in einem vom FWF finanzierten Projekt genau an diesen Aspekten: Zum einen möchten wir die menschliche Entscheidungsfindung besser verstehen lernen, um damit die Empfehlungsalgorithmen zu verbessern, und zum anderen möchten wir die Empfehlungsalgorithmen für Nutzer transparenter gestalten.
Profitorientierte Social-Media-Konzerne stehen in einem Spannungsfeld aus wirtschaftlichen Interessen und gesellschaftlicher Verantwortung. Ist man sich in der Informatik der ethischen Dimension bewusst, die mit der Weiterentwicklung von immer leistungsfähigeren Algorithmen einhergeht? Ja, dieser Verantwortung ist man sich sehr wohl bewusst und daraus hat sich mittlerweile ein eigenes Forschungsfeld
© ANDREAS FRIEDLE

„Mittlerweile hat sich ein eigenes Forschungsfeld etabliert, in dem man sich mit der Fairness, Transparenz und auch Verantwortlichkeit von Algorithmen befasst.“
EVA ZANGERLE
etabliert, in dem man sich mit der Fairness, Transparenz und auch Verantwortlichkeit befasst. Beispielsweise arbeitet man im Bereich der Empfehlungssysteme daran, wie man die Fairness eines Systems messen kann. Um beim Beispiel der Musikempfehlungen zu bleiben: Wir haben letztes Jahr eine Studie veröffentlicht, in der wir zeigen konnten, dass Nutzerinnen und Nutzer, die gerne Musik abseits des Mainstreams hören, tendenziell schlechtere Empfehlungen erhalten als jene Nutzerinnen und Nutzer, die meist Mainstream-Musik hören. Hier sehe ich generell noch sehr großen Aufholbedarf bei Empfehlungssystemen. Aktuelle Systeme vernachlässigen meist unterrepräsentierte Gruppen und können nicht allen Nutzerinnen und Nutzern gleich passende Empfehlungen bieten.
Eli Pariser hat den Begriff der Filterblase geprägt und lange vor ihm hat Marshall McLuhan auf die Wechselwirkung zwischen unseren Werkzeugen und uns Menschen hingewiesen („We shape our tools, and thereafter our tools shape us“). Sorgen Algorithmen heutzutage dafür, dass jeder Mensch im Netz gewissermaßen seine eigene, auf die eigenen Vorlieben, Interessen und Meinungen hin zugeschnittene Realität präsentiert
bekommt? Das kann man sicherlich so sagen. So angenehm es auch ist, beim Onlineshopping passende Produkte vorgeschlagen zu bekommen oder beim Streamen von Musik oder Filmen mithilfe des Empfehlungssystems neue, interessante Lieder oder Filme entdecken zu können – speziell in sozialen Medien muss man diese Entwicklung auch kritisch betrachten. Mit der zunehmenden Personalisierung von Inhalten geht einher, dass divergierende Weltsichten de facto ausgeblendet werden. Die so entstehenden Filterblasen tragen massiv zur Polarisierung der Gesellschaft bei und verstärken diese. Das kann man aktuell sehr gut rund um Covid-19 und die Impfpflicht verfolgen.
ZUR PERSON
Eva Zangerle hat sich im Rahmen ihrer Dissertation ursprünglich mit Empfehlungssystemen für Hashtags auf Twitter beschäftigt und dabei bemerkt, dass Twitter-Nutzer den Dienst auch oft dazu verwenden, das aktuell abgespielte Lied zu twittern. Über diesen Umweg ist die Assistenzprofessorin am Institut für Informatik der Universität Innsbruck zum Thema Musikempfehlungen gekommen. Zangerle forschte bereits an der Ritsumeikan University in Kyoto, der Freien Universität Berlin sowie der Johannes Kepler Universität Linz.

„GANZ OHNE ALGORITHMEN WIRD ES NICHT GEHEN“
An der Universität Innsbruck ist ein neues Institut für Theorie und Zukunft des Rechts entstanden. An diesem forscht seit vergangenem Herbst Universitätsprofessor Matthias C. Kettemann, ausgewiesener Experte für digitale Kommunikationsräume. Er arbeitet unter anderem daran, das Internet zu einem besseren Ort für alle zu machen. Wir haben ihn gefragt, wie das gehen könnte.
TEXT: MARIAN KRÖLL
Im weitesten Sinne bestimmen Algorithmen im Kontext von Social Media, welche Inhalte jeder Nutzer bzw. jede Nutzerin angezeigt bekommt. Dies wird meist durch Empfehlungssysteme berechnet, die man sich vereinfacht gesprochen wie ein Sortierverfahren vorstellen kann: Das System berechnet, welche Produkte, Posts, Bilder, Lieder etc. prominent präsentiert werden sollen“, erklärt Informatikprofessorin Eva Zangerle. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, warum diese Systeme vor allem nachvollziehbarer, transparenter und fairer werden müssen.
ECO.NOVA: Wenn man sich das Internet so ansieht, gibt es dort zahlreiche Baustellen, vor allem im Zusammenhang mit den sozialen Medien. Woher rühren Ihre Erfahrungen mit digitalen Kommunika-
tionsräumen? MATTHIAS C. KETTEMANN: Ich beschäftige mich seit 15 Jahren mit Menschenrechten im Internet und deren Durchsetzung. Im Zuge dessen habe ich mir die Rolle privater Unternehmen angesehen. Der Unterschied zwischen der Offline- und der Onlinewelt ist, dass es in letzterer praktisch keine öffentlichen Räume gibt, in denen der Staat primär für den Rechtsschutz zuständig ist. Will man in der Offlinewelt demonstrieren, geht man beispielsweise auf den Marktplatz. Was macht man aber in der Onlinewelt?
Die Regeln und Rechtsnormen in unserer physischen Welt haben sich über Jahrzehnte und teils Jahrhunderte herausgebildet. Das Internet ist dagegen noch nicht besonders alt. Sehen Sie dort rechtsfreie Räume als Hauptproblem?
Ich würde nicht von rechtsfreien Räumen sprechen, das Recht gilt nämlich auch für das Internet. Es sind aber Räume, in denen die Rechtsdurchsetzung sehr viel schwieriger ist und neben den Staaten die Plattformen viel mehr tun müssten. Da ist über die Jahre vieles liegengeblieben und die Staaten haben diese Entwicklung verschlafen.
Mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act hat die EU Gesetze über digitale Dienste und Märkte auf den Weg gebracht. Sind diese Gesetze taugliche Schritte hin zu einer besser regulierten Internetsphäre? Diese Rechtsakte sind richtige und wichtige Schritte hin zu mehr Rechtsstaatlichkeit im Internet. Die Social-Media-Plattformen werden zu mehr Rechtsschutz, Transparenz und Moderation verpflichtet und dürfen nicht mehr nach eigenem Gutdünken Inhalte herunternehmen, ihre Algorithmen so programmieren, dass sie möglichst viel Geld damit verdienen, und sie dürfen auch nicht mehr einfach ihre Marktmacht gegenüber anderen Unternehmen ausnutzen. Sie werden dazu verpflichtet, die Risiken zu bewerten, die ihre Algorithmen und Geschäftspraktiken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt haben. Das gab es noch nie.
Die digitalen Kommunikationsräume bzw. Social-Media-Plattformen gleichen einem Oligopol mit wenigen, aber dafür sehr mächtigen Playern. Steht als Sanktionsmöglichkeit sogar eine Aufsplitterung der mächtigsten Digitalkonzerne im Raum?
Verhält sich ein Unternehmen wettbewerbswidrig, steht in der Tat als letzte Sanktion eine Zerschlagung im Raum. Das halte ich jedoch für eine nukleare Option, die nicht zielführend ist. Es zeigt aber, dass die Staaten erkannt haben, dass sie lange Jahre verschlafen haben, bessere Regulierungsmöglichkeiten zu schaffen. Es ist viel schwieriger, Facebook bzw. Meta zu zwingen, sich von WhatsApp zu verabschieden, als es vor einigen Jahren gewesen wäre, den Kauf von WhatsApp nicht zu gestatten. Jetzt darf man aber nicht überreagieren, nur weil man in der Vergangenheit zu lasch war.
Die EU ist vor allem wirtschaftlich ein globales Schwergewicht, an dem kein
MATTHIAS C. KETTEMANN
Konzern vorbeikann. Haben die neuen EU-Gesetze für die digitalen Märkte und Dienstleistungen global gesehen Vorbildcharakter? Auf jeden Fall. Ich rechne mit einem starken Brüssel-Effekt, den es auch beim Thema Datenschutz schon gegeben hat. Die DSGVO hat inzwischen weltweit Anwendung gefunden, auch weil die Macht der europäischen Konsumentinnen und Konsumenten eine große ist. Wir dürfen uns in Europa auf unser rechtsstaatlich geprägtes, freies Internet etwas einbilden und müssen dieses schützen. Europa wird nicht das nächste Facebook oder Google hervorbringen, wir sind aber sehr gut darin, grundrechtlich solide Regeln aufzustellen. Europa als Normenexporteur für das globale Internet ist daher kein schlechter Ansatz.
Social Media tragen, anders, als man sich das vielleicht erhofft hatte und wie gerade in dieser Pandemie zu sehen ist, dazu bei, das gesellschaftliche Klima zu vergiften.
Sehen Sie das auch so? Diese Plattformen ermöglichen den Zugang zu noch nie dagewesenen Informationsmengen. Das ist gut. Gleichzeitig sehen wir es durchaus kritisch, dass Menschen verknüpft werden, die in der Offlinewelt nicht zusammengefunden hätten. Das ist auf die Empfehlungsalgorithmen zurückzuführen, die lange Jahre darauf ausgerichtet waren, die Leute möglichst lange auf den Plattformen zu halten, weil Aufmerksamkeit bares Geld ist. Erst in letzter Zeit hat man bemerkt, dass diese Ausrichtung gesellschaftliche Nebenwirkungen haben kann, die jetzt richtig zum Tragen kommen. Zu diesen Nebenwirkungen gehören Hass und Hetze. Besonders auf Plattformen wie Telegram, die sich beharrlich weigern, rechtswidrige Inhalte zu löschen, findet sich Hassrede, die schon ins wirkliche Leben herübergeschwappt ist. Dabei lässt es sich empirisch gar nicht so leicht nachweisen, welchen Effekt soziale Medien auf die Prävalenz von Hass und Hetze in einer Gesellschaft haben. Gibt es mehr Hass? Oder ist dieser nur sichtbarer geworden? Zu behaupten, die Plattformen seien der alleinige oder primäre Grund für aktuelle gesellschaftliche Probleme wie Hass und Desinformation, ist wohl verkürzt. Man sollte sie weder dämonisieren noch von ihrer Verantwortung freisprechen. Sie tun noch viel zu wenig, obwohl wir in Europa und den USA noch in der komfortableren Situation sind, dass vergleichsweise mehr moderiert wird als in vielen anderen Ländern. In manchen Staaten – etwa in Myanmar – ist Facebook das Internet und wurde lange Zeit kaum moderiert.
Moderation ist einerseits wichtig, andererseits aber nicht ganz unproblematisch, weil damit große Verantwortung einhergeht. Es geht dabei auch um die Frage, wer hat die Deutungshoheit über die Wahrheit? Der Staat muss das Recht – und die Rechte seiner Bürgerinnen und Bürger – durchsetzen und dafür sorgen, dass illegale Inhalte aus dem Netz verschwinden. Dazu wurden die Plattformen vom Staat verpflichtet, in Österreich über das Kommunikationsplattformen-Gesetz, in Deutschland über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Plattformen haben einen Kommunikationsraum geschaffen und sind verantwortlich dafür, dass in diesem Raum das Recht herrscht und keine Gefahren für gesellschaftliche Rechtsgüter entstehen. Zu diesen gehört auch der gesellschaftliche Zusammenhalt und die freie Meinungsbildung auf Grundlage geteilter Fakten als Voraussetzung für demokratische Gesellschaften. Diese Verantwortung kann den Plattformen niemand abnehmen. Es wäre schrecklich wie faktisch unmöglich, wenn der Staat beginnen würde, das selbst zu moderieren. Das wäre ungeheuer freiheitsfeindlich. Facebook löscht jeden Tag Millionen Beiträge, und zwar nicht nur oder primär menschlich, sondern automatisch über Filter-Algorithmen. Das Hauptproblem sind noch nicht einmal die rechtswidrigen Inhalte, die sich bei den gelöschten Inhalten nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich bewegen. Der überwältigende Teil gelöschter Inhalte wird wegen Verstößen gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelöscht, bei Facebook etwa wegen Corona-Desinformation,
Spam-Inhalten oder Pornografie. Das ist alles nicht rechtswidrig und dagegen könnte – und sollte – der Staat gar nichts machen.
Das bedeutet aber auch sehr große Interpretationsspielräume und damit sehr viel Macht für diese Plattformen, was „gute“
und „schlechte“ Informationen betrifft? Ja. Diese Macht wird aber dadurch eingeschränkt, dass es zumindest in Deutschland und Österreich Berichtspflichten gibt, wie und was aufgrund gesetzlicher Pflichten gelöscht wird. Darüber hinaus haben Plattformen schon vor Jahren begonnen, Transparenzberichte zu veröffentlichen. Und es gibt zunehmend Wege, wie sich User, deren Beiträge gelöscht worden sind, zur Wehr setzen können. Der Staat ist bestrebt, zu gewährleisten, dass die Plattformen innerhalb ihrer Handlungsspielräume gut vorgehen. Dabei hilft jetzt vor allem auch der Digital Services Act.
Kann man Konzerne zur Offenlegung ihrer Algorithmen zwingen, so dass diese in ihrer Funktion nachvollzogen werden können? Bis zu einem gewissen Grad ja. Im Digital Services Act steht, dass diese Plattformen für die Offenlegung der Logiken hinter ihren Empfehlungsalgorithmen verantwortlich sind. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, jährlich Risikoabschätzungen dahingehend zu veröffentlichen, wie anfällig die Empfehlungsalgorithmen für Missbrauch und Manipulation sind. Die Plattformen sind ferner verpflichtet, User davon in Kenntnis zu setzen, wenn aufgrund einer algorithmischen Entscheidung Beiträge entfernt wurden. Darüber hinaus kann es sein, dass im kommenden AI Act – ein Rechtsakt über künstliche Intelligenz – eine umfassendere Erklärungspflicht für algorithmische Entscheidungen enthalten sein wird. Schon jetzt enthält die Datenschutz-Grundverordnung ein Recht auf Einblick in die Logik eines Algorithmus.

© HBI, 2021
ZUR PERSON
Nach Studien der Rechtswissenschaften in Graz, Genf und als Fulbright- und Boas-Stipendiat an der Harvard School promovierte Matthias C. Kettemann (*1983) mit einer Arbeit zur Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht. Als Erster im deutschen Sprachraum mit einer Lehrbefugnis für Internetrecht (und Völkerrecht und Rechtstheorie) ausgestattet, untersucht der Professor für Innovation, Theorie und Philosophie des Rechts an der Uni Innsbruck, wie künstliche Intelligenz besser reguliert und Menschenrechte auch im Internet geschützt werden können.
Matthias C. Kettemann ist seit 1. September 2021 am Institut für Theorie und Zukunft des Rechts an der Univesität Innsbruck tätig.
Internet zu beschneiden? Das ist eine spannende Frage, weil Hassrede im österreichischen Gesetz ja gar nicht definiert ist. Der Begriff kommt aus dem Völkerrecht, wo er für bestimmte Arten der Beleidigung – rassistisch, fremdenfeindlich, misogyn – verwendet wurde. Hassrede ist aber ein hilfreicher Sammelbegriff für Aussagen, die die Menschenwürde anderer angreifen.
Die Technologie schreitet unaufhaltsam voran. Das heißt längst nicht, dass der Mensch mit dieser Entwicklung Schritt halten kann. Sehen Sie Handlungsbedarf in unserem Bildungssystem, was Fähigkeit zur Quellenkritik und Big Data Literacy betrifft? Auf jeden Fall muss Digitalbildung noch stärker in alle Phasen der Bildung und Ausbildung integriert werden, in die familiären, schulischen, aber auch der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Studien haben gezeigt, dass es überwiegend nicht die Teenager sind, die Desinformation teilen, sondern Menschen zwischen 40 und 60 Jahren mit ausbaufähiger Medienkompetenz.
Ist ein Opting-out aus Algorithmen in Zukunft eine denkbare Alternative für User?
Ein Opt-out-Recht aus personalisierter Werbung wird im Digital Services Act festgehalten. Aber: Ganz ohne Algorithmen wird es nicht gehen. Eine Plattform, auf der diese Algorithmen nicht mehr greifen, wäre voller Desinformation und Hassrede. Man muss aufpassen, nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. Je größer die Plattform, desto wichtiger sind automatisierte Filter. Es wäre jedoch sinnvoll, bei automatisierten Löschungen einen Menschen kontrollieren zu lassen. Man muss allerdings abwägen, ob das nicht zu lange dauern würde. Ich halte es für besser, die Inhalte rascher zu entfernen, aber gleichzeitig ein starkes Rechtsschutzinstrumentarium zu etablieren, damit User sich dagegen wehren können und Einspruch erheben können. Wir müssen dafür sorgen, dass algorithmische Systeme besser werden, transparenter und an den Rechten ausgerichtet.
Ist die sogenannte Hassrede bzw. Hate Speech aus Ihrer Sicht ein hinreichend genau definiertes und damit taugliches Kriterium, um die Meinungsfreiheit im
„Die Onlinewelt ist kein rechtsfreier Raum, das Recht gilt nämlich auch für das Internet.“
Es stehen große technologische (Fort-) Schritte im Raum, etwa das Internets der Dinge oder ganz aktuell das Metaversum. Sind Sie optimistisch, was die Entwicklung des Internet und die daraus resultierenden globalen und sozialen Konsequenzen betrifft? Ich denke, wir wissen heute genug, um Maßnahmen setzen zu können, damit bestehende Diskriminierungen und Ungleichzeitigkeiten nicht noch weiter verstärkt werden. Grundsätzlich bin ich positiv gestimmt, weil wir so viel mehr über die Herausforderungen des Internets reden als noch vor ein paar Jahren. Wir haben ein paar Jahre verschlafen, aber es ist noch nicht zu spät für ein grundrechtssensibleres Internet. Die neuen EU-Regularien werden unsere Internetnutzung nachhaltig ändern. Ich halte eine menschenorientiertere Internet-Umgebung in Zukunft sowohl für nötig als auch für wahrscheinlich. Das Internet muss für die Menschen da sein. Nicht die Menschen für die Plattformen.
„Ziel ist es, durch die digitale Präsenz Kund*innen in die Geschäfte zu bringen, um sie vor Ort mit exzellentem Service zu überzeugen.“
TANJA REHBERGER, STANDORTMARKETING KUFSTEIN
tunden um Stunden verbringt der moderne Mensch beim Scrollen und Schauen, beim Tippen und Daddeln. So verschenkt er seine Zeit an den Meistbietenden. Nicht nur in der Onlinewelt ist Aufmerksamkeit die wertvollste Währung geworden. Auch für den stationären Handel kann die im Internet vorhandene oder vergeblich gesuchte Präsenz große Auswirkungen haben. Das Digital Coaching – ein Teilprojekt der „Region 4.0“, ins Leben gerufen vom Standortmarketing Kufstein und umgesetzt mit der Unterstützung von Land Tirol und Europäischer Union – war ursprünglich für die Handelsbranche konzipiert. Die Zeit aber zeigt, dass Unternehmer*innen aller Branchen ein Bedürfnis haben, in die unendlichen Weiten des Onlinemarketings vorzudringen, um das eigene Unternehmen auch im Internet bestmöglich zu präsentieren. „Durch die Kaufkraftabwanderung ins Internet verlieren Innenstädte immer mehr an Attraktivität. Dem wollen wir entgegenwirken“, hält Tanja Rehberger fest, die das Projekt von Seiten des Standortmarketings Kufstein betreut. Die Standortattraktivierung und -belebung zählt zu ihren Hauptaufgaben. Durch das Wachstum des Onlinehandels geht der Bedarf vor Ort spürbar zurück. Die Umsätze bleiben aus, das Geschäft rentiert sich nicht mehr, leerstehende Läden sind die Folge – so das bedrohliche Szenario.
Digitale Präsenz kann dieser Entwicklung entgegenwirken, ist Tanja Rehberger sicher: „Eine verstärkte Auffindbarkeit des stationären Handels im Netz schafft ein Bewusstsein, dass die gesuchten Dinge auch vor Ort verfügbar sind beziehungsweise gekauft werden können. Die Kunden werden auf das lokale Angebot aufmerksam gemacht.“ In den Geschäften gilt es, die Kund*innen mit perfektem Service und bester Beratung von den Vorzügen des Offlinehandels zu überzeugen.
ZEIT FÜR VERÄNDERUNG
Digitalisierung im Handel bedeutet nicht, dass jedes Unternehmen zusätzlich einen Onlineshop betreiben sollte, vielmehr geht es darum, die Vorteile des Internets im eigenen Interesse zu nutzen, wie Tanja Rehberger beschreibt: „Das Netz ermöglicht Wirtschaftstreibenden, ihre Zielgruppe kostengünstig und im richtigen Moment zu erreichen. Diese Chance sollten sie nutzen.“
Die geplanten Workshops lassen die Unternehmer*innen in die Welt des Onlinemarketings eintauchen: „Unser Angebot ist sehr niederschwellig. Die Unternehmer*innen müssen nur noch zusagen“, betont Sigrid Ruppe-Senn, die vom Standortmarketing Kufstein mit der Leitung der zukünftigen Workshops in Kössen und Kufstein beauftragt wurde. Die Geschäftsführerin der Agentur Interalp Touristik in Kufstein ist seit knapp 20 Jahren im digitalen Marketing tätig und österreichischer Marktführer, wenn es um Vertriebsstrategien im Internet geht.
DIGITAL COACHING
„Die Workshops sind für alle Branchen interessant“, erklärt die erfolgreiche Unternehmerin. Sie legt Wert darauf, zu erwähnen, dass der Wissenstransfer in den Workshops in beide Richtungen stattfindet: „Wir gehen sehr gerne auf die einzelnen Teilnehmer*innen ein. In den Kursen nehmen wir uns Zeit, die individuelle Situation der Teilnehmer*innen zu beleuchten. Ich schaue mir die Kursteilnehmer*innen vor Beginn online an, um zu wissen, mit wem ich es zu tun habe“, erläutert Sigrid Ruppe-Senn ihre Vorgehensweise. Die Analyse der bisher verfügbaren Informationen offenbart vieles: „Oft finden wir nicht gewartete Webauftritte, fehlende Öffnungszeiten, veraltete Telefonnummern. Wir beginnen mit diesen Basics und arbeiten uns von da ausgehend weiter vor“, berichtet die Workshopleiterin aus der Praxis.
© STANDORTMARKETING KUFSTEIN


„Wer sich mit digitalem Marketing auseinandersetzt, muss sich über seine Sichtbarkeit Gedanken machen. Wie möchte ich online auftreten?“
SIGRID RUPPE - SENN, MARKETINGEXPERTIN
Als zweifache Mutter kennt Sigrid Ruppe-Senn die Sorgen und Nöte der Unternehmer*innen, die – unabhängig von ihrem Geschlecht – oft mehrere Rollen spielen: „Sie stehen untertags im Geschäft, machen nachts die Buchhaltung und tun dazwischen alles für ihre Familie. Sie fragen sich, wo da die Zeit für die digitale Bewerbung des eigenen Unternehmens bleiben soll.“ Wie so oft, gilt auch hier: Wo ein Wille, da ein Weg. Das Versprechen der Digital Coachings ist es, den Unternehmer*innen Werkzeuge in die Hand zu geben, um direkt durchstarten zu können. Nicht nur Sigrid Ruppe-Senn sieht viele Vorteile, wenn sich die Firmeninhaber*innen persönlich um die Marketingagenden kümmern. Zum einen helfe ein gewisses Grundwissen, seriöse von unseriösen Angeboten zu unterscheiden: „Es werden so viele unterschiedliche Maßnahmen angeboten. Umso wichtiger ist es, die Kanäle auszuwählen, die erfolgversprechend sind.“ Zum anderen haben die Eigentümer*innen wertvolles Wissen für die Content Creation: „Niemand kennt Ihr Unternehmen besser als Sie selbst“, ist sich die Marketingexpertin sicher.
AUTHENTISCHES ONLINEMARKETING
Die Erarbeitung einer Content-Strategie steht am Anfang: Die Unternehmer*innen müssen sich klar werden, wer sie sind und wofür sie stehen. Mit der richtigen Positionierung können sie ihre digitale Präsenz ausbauen. Über 120 Personen besuchten die bisherigen Schulungen und das Feedback ist sehr positiv ausgefallen: Vier von fünf der Teilnehmer*innen haben angegeben, dass sich ihr Web- und Social-Media-Auftritt durch die Workshops bzw. die Webseitenanalyse verändert hat. Über neunzig Prozent würden das Digital Coaching weiterempfehlen. „Soziale Medien sind vergleichbar mit dem Schaufenster oder dem Prospekt von einst“, bringt es Tanja Rehberger abschließend auf den Punkt. Das Digital Coaching ist daher nicht nur für den Handel, sondern auch für Unternehmer*innen anderer Branchen unbedingt empfehlenswert, unterstreicht Sigrid Ruppe-Senn: „Es lohnt sich, aktiv zu werden und sich um einen authentischen Auftritt im Internet zu kümmern. Wann, wenn nicht jetzt?“
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DIGITAL COACHING
Das Digital Coaching unterstützt regionale Klein- und Mittelbetriebe, volle digitale Präsenz zu entfalten. In diversen Workshops wird Wissen vermittelt, das den Unternehmer*innen hilft, im Wettbewerb mit großen Onlineanbietern zu bestehen. Zur Auswahl stehen aktuell zwölf Termine in Kössen und Kufstein für das Frühjahr 2022 zu folgenden Themen: Digitales Marketing für Anfänger und Fortgeschrittene, Google Basics, Schwerpunkt Social Media und mehr. Ganztagesworkshop: 30 Euro Halbtagesworkshop: 22 Euro Kursprogramm und Anmeldung finden Sie unter www.kufstein.at/workshops
