marie 51/ Juli August

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Mittendrin in V

WUNSCH: BEI NULL ANFANGEN! Benjamin ist mit der Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben nach Österreich gekommen. Trotz zwei negativer Asylbescheide hat er erreicht, was vielen nicht gelingt: bleiben zu dürfen. Für eine echte Chance auf Integration fehlt ihm allerdings etwas Entscheidendes: eine geregelte Arbeit. Text: Simone Fürnschuß-Hofer Fotos: Frank Andres, privat

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enjamin ist 36 Jahre alt, verheiratet mit Klara, 34, gemeinsam mit Sohn Uriel wohnt die Familie in Eichenberg. Klara arbeitet als Kinderärztin, Benjamin verkauft Straßenzeitungen. Er sei froh um diesen Job, lieber wäre ihm allerdings ein geregeltes Einkommen. Benjamin heißt eigentlich Izuchukwu Ujunwa und kommt aus Nigeria. 2015 ist er in Vorarlberg gelandet, 2019 bekam er den ersehnten Aufenthaltstitel, seitdem ist er auf Jobsuche. Seine Bilanz: „Schwierig. Abgesehen von Gelegen-

heitsjobs bekomme ich nur Absagen. Ein Dilemma, denn ohne Arbeit kein Geld.“ Es beschämt ihn, dass er nichts zum gemeinsamen Leben beitragen kann. Er, der eigentlich ein abgeschlossenes Studium in Geschichte hat und eine Ausbildung in der Cateringbranche. Er, der außerdem als ehemaliger Fußballspieler den Traum eines Sportmanagement-Studiums in der Schweiz noch nicht aufgeben will. Die aktuelle Ausgangslage lässt jedenfalls wenig Handlungsspielraum. Denn Benjamin weiß nicht, wie er ohne Job je seine Schulden für das Asylverfahren und die Dokumente-Beschaffung begleichen soll. Es handelt sich um Ausgaben im insgesamt fünfstelligen Bereich.

Was bisher geschah

Dass Benjamin überhaupt bleiben darf, gleicht einem Wunder. Lange haben er und Klara darum gekämpft, standen einem anfangs aussichtslos erscheinenden Verfahren gegenüber und mussten unmenschliches Verhalten in einem von Willkür durchzogenen Asylverfahren erdulden. Ein Wunder auch deshalb, weil sie kaum zu hoffen wagten, dass die standesamtliche Hochzeit die entscheidende Wende bringen würde. Schlussendlich

war es wohl das Zusammenspiel vieler Faktoren: Der Beistand von Familie und Freunden. Die Liebe zueinander, das gemeinsame Kind. Und auf Prozess­ebene Anwalt Stefan Harg, der den Vollzug der drohenden Abschiebung mit den richtigen Mitteln zu verzögern wusste. Dessen Beschwerde-Erhebungen gegen den zweiten negativen Asylbescheid ließen das Paar wertvolle Zeit gewinnen. Zeit für eine Odyssee ganz anderer Art: Drei Anläufe, eineinhalb Jahre und etliche Schmiergeldzahlungen in Nigeria brauchte es, bis Benjamin die für die Eheschließung benötigten Papiere beisammenhatte. Im Juni 2019 durfte dann endlich geheiratet werden. Dann sei auf einmal alles ruckzuck gegangen, die Heiratsurkunde entpuppte sich regelrecht als Ticket für die Aufenthaltsberechtigung „als Angehöriger einer EWR-Bürgerin“. Klara erinnert sich gut an diesen Glücksmoment: „Vier Wochen nach Einreichung erhielt mein Mann seine Aufenthaltskarte mit fünfjähriger Gültigkeit und somit freien Zugang zum Arbeitsmarkt.“ Das Asylverfahren wurde damit eingestellt, die Zukunft konnte beginnen. Benjamin begab sich auf Arbeitssuche.

Minus 13.200 Euro

Im Verkaufsteam der Straßenzeitung marie ist Benjamin Ujunwa seit vier Jahren


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