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Tierischer Kämpfer
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Er hat ein echtes Kämpferherz. Einer, der sich seit 25 Jahren für den Tierschutz einsetzt. Bedingungslos. Gegen viele Widerstände .Heuer feiert Rudi Längle, Gründer der Tierhilfe Vorarlberg, seinen 60er. Das Porträt eines Unbeugsamen.
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Text: Frank Andres, Foto: privat
Er hat schon viele Sträuße ausgefochten. Mit Politikern, Bauern und Behörden. Und immer ging es um den Schutz der Tiere. „Sie sind die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Sie können weder reden noch sich selbst helfen. Deshalb setze ich mich für sie ein. Für diese Überzeugung gehe ich durchs Feuer“, sagt der studierte Jurist Rudi Längle im Brustton der Überzeugung. Seine Kritiker werfen ihm hingegen vor, dauernd Streit zu suchen. „Das stimmt einfach nicht. Ich bin zwar streitbar, aber ich war in den letzten 25 Jahren so dip lomatisch wie möglich“, ist der Obmann der Tierhilfe Vorarlberg-Gut Bozenau in Doren überzeugt. In der Politik müsse man dicke Bretter bohren. Und das gehe nicht ohne Konflikte ab. Diese Erfahrung mache jeder, der sich im Tierschutz engagiere. Auch er.
Kann kein Blut sehen
Rudi Längle, geboren in Götzis, kam nach der Scheidung seiner Eltern 1965 gemeinsam mit seinen sieben Geschwistern ins Kinderdorf Au-Rehmen. Dort wohnte er bis zum Abschluss der Hauptschule. Danach übersiedelte er als inzwischen 14-Jähriger nach Dornbirn und absolvierte das Gymnasium. Tierarzt, Richter oder Professor wollte er werden. „Tierarzt hat mich am meisten interessiert. Aber ich kann bis heute noch kein Blut sehen. Dieser Berufswunsch fiel also flach“, erinnert er sich. Stattdessen studierte er zunächst Jus, Geografie und Germanistik, ehe er sich schließlich gänzlich den Rechtswissenschaften widmete. Sein Ziel: das Richteramt. Doch im Leben kommt es meist anders als man denkt. So auch bei Rudi Längle. Nach dem Studium und dem Gerichtsjahr absolvierte er seinen Zivildienst. Bei der Lebenshilfe. Dort blieb er hängen. 15 Jahre lang. Zuerst war er dort Betreuer, kurze Zeit später wurde er zum Obmann des Betriebsrates gewählt. „In dieser Zeit habe ich mich nicht nur für die Angestellten, sondern auch für die Interessen der Lebenshilfe-Schützlinge eingesetzt“, betont er. 2000 ereilte den Gewerkschafter den Ruf der Politik und er wechselte als Geschäftsführer zur SPÖ Vorarlberg. Doch der berufliche Ausflug war nur von kurzer Dauer. Nach einem Jahr hatte Rudi Längle von den internen Querelen genug.
Reportage als Wendepunkt
Aber wie wurde aus Rudi Längle, der sich ganz für die Interessen von Menschen eingesetzt hatte, zum Vollzeit-Tierschützer? „Begonnen hat es Mitte der 90er Jahre. Ich sah im ZDF einen Reportage-Vierteiler von Manfred Karremann über die brutalen Tiertransporte quer durch Europa. Die Bilder waren einfach nur grauenhaft und an Brutalität nicht zu überbieten. Da war für mich klar: Ich will auch Tiere retten, um sie vor der Vernichtung zu schützen“, erzählt Rudi Längle. Und er habe zu sich selbst gesagt: „Mensch Rudi, jetzt warst 20 Jahre lang für die Menschen da. Hast dich für bessere Arbeitsbedingungen eingesetzt. Jetzt will ich mich für die Rechte der Tiere einsetzen.“ Es war dann aber ein Zufall, dass er seinen Vorsatz, sich um notleidende Tiere zu kümmern, auch kurze Zeit später in die Tat umsetzen konnte. Dieser Zufall hieß Gebi, war Kriegsinvalider, wohnte in Schwarzenberg und züchtete Haflinger in kleinem Rahmen. Eines Tages trifft ihn Rudi Längle. Gebi hat ein Pferd und ein Fohlen dabei. Rudi Längle fragt ihn, was er mit dem Ross tun will. „Gebi antwortet: „Ich habe den Auftrag, es zum Schlachter zu bringen.“ Rudi fragt verwundert: „Warum? Das Pferd ist doch gesund.“ Gebi erwidert: „Die Pferde gehören einem Hotelier und er will sie nicht mehr. Es habe ihm schon zehn Fohlen gebracht. Und jetzt soll es geschlachtet werden.“ Da er
wacht der Tierschützer in Rudi Längle. „Die Tiere werden nicht geschlachtet. Ich übernehme die Pferde und suche einen
Stall und eine Weide. Innerhalb eines Monats wird Rudi Längle in Alberschwende fündig und übernimmt die Pferde. Was als Hobby begann, nahm aber rasch größere Dimensionen an. Es folgten Fredi der Eselhengst und das Pony Smokey. Beide sollten nach dem Willen der Besitzer getötet werden. Rudi Längle nahm beide Tiere bei sich auf. Wohlgemerkt: Rudi Längle war zu diesem Zeitpunkt noch voll berufstätig. Ab 2004 wollte sich Rudi Längle nur mehr den Tieren widmen. Der Dienst am Menschen war für ihn abgeschlossen. Doch als ihn Christoph Hackspiel, der Leiter des Vorarlberger Kin derdorfes, fragte, ob er nicht zwei schwererziehbare Jugendliche bis zu deren Volljährigkeit betreuen würde, konnte er nicht Nein sagen. Rudi Längle erinnert sich: „Er hat gemeint: Du hast doch Tiere und genügend Erfahrung im Sozialbereich.“ 2004 übersiedelte Rudi Längle schließlich mit Mensch und Tier nach Hittisau und pachtete dort einen Bauernhof. Der Grund: Er brauchte mehr Platz für inzwischen sechs Pferde, Geißen, ein Kalb und Hühner. 2006 erfolgte der nächste Schritt. Die Ersparnisse von Rudi Längle waren kom plett aufgebraucht. Er entschloss sich, einen Verein zu gründen. Die Tierhilfe Vorarlberg. „Bis dahin war es meine Privatinitiative. Ich habe alles selber gemacht und auch finanziert.“ Im selben Jahr bekam Rudi Längle seinen ersten Helfer. Der ehemalige Häftling half ein Jahr auf dem Hof mit. Bezahlt wurde er vom AMS, die Tätigkeit als Praktikum angerechnet. Und das Projekt wuchs und wuchs. 2008 waren die Wiese und Stallungen zu klein geworden. Rudi Längle zog mit den Tieren auf einen Hof in Riefensberg und 2011 schließlich nach Doren. Da hatten die Tiere knapp fünf Hektar Wiese. Ein beschwerlicher Anfang wie Rudi Längle betont: „Es gab aber bloß einen Stadel und noch keinen Stall. Zwei Jahre lang haben wir ab 2009 in der Bozenau nur saniert und Gut Bozenau gebaut. Wir waren dauernd am schuften.“ Bis heute ist die Tierhilfe Vorarlberg in Doren beheimatet.
In den letzten 25 Jahren hat Rudi Längle über 200 Tiere gerettet, darunter viele Pferde. Das habe einen einfachen Grund. „Wenn ein Bauer aufhört, dann gehen die Kühe in die Schlachtung. Zu einem Pferd haben Menschen aber eine innigere, emotionalere Bindung. Das Pferd ist kein reines Nutzobjekt.“ Oft hätten sich Menschen bei ihm gemeldet, die sich aus Krankheitsgründen nicht mehr um das Tier kümmern konnten. Und sein Verein sei bis heute der einzige, der bei Großtieren helfe. Alte, kranke, nutzlose, verwahrloste hätten im Gut Bozenau eine neue Heimat gefunden. Bis zu deren natürlichem Ableben.
Übers Altern nicht nachgedacht
Rudi Längle gibt offen zu, dass er sich bei der Gründung des Vereines nicht über sein eigenes Altern bewusst gewesen sei. „Wenn du 40 Jahre alt bist, denkst du darüber nicht nach. So lange du fit und gesund bist und die Arbeit selbstständig machen kannst, stellt sich die Frage nach der Zukunft gar nicht.“ Allerdings sei er in den letzten Jahren ins Grübeln geraten. „Wenn du als Verein wächst, dann tauchen Fragen wie ‚Wer kann dir helfen?‘ auf.“ Und viele Helfer hätten erfahren müssen, wie anstrengend die Arbeit auf einem Hof sein könne. „Da streichelst du nicht den ganzen Tag die Tiere. Da gilt es kräftig anzupacken.“
Taube Ohren der Politik
Und da wäre noch das liebe Geld. Mit der Unterstützung einer Liechtensteiner Stiftung und großen Tierfreunden sei es möglich gewesen, den Betrieb des Gutes halbwegs finanzieren zu können. Doch diese Quelle ist 2013 versiegt und der Kampf ums Geld ein Dauerthema, wie für jeden Tierschutzverein. Und er nimmt in dieser Sache auch die Politik in die Pflicht. In Paragraf 2 des Tierschutzgesetzes heißt es: „Bund, Land und Gemeinden sind verpflichtet, Tierschutzaktivitäten zu fördern.“ Dabei sei er jahrelang in der Politik auf taube Ohren gestoßen. Der Grund: Der zuständige Landesrat (Anm. der Redaktion: gemeint ist Erich Schwärzler, der Vorgänger von Christian Gantner) sei selbst Bauer gewesen und habe kein Verständnis für die Betreuung von Großtieren durch einen Verein gehabt. „Er hat aber nicht bedacht, dass es viele Pferdebesitzer gibt, die keine Bauern sind und für die es nicht so leicht ist, diese Tiere zu töten“, kritisiert Rudi Längle. Aber er findet auch lobende Worte: „Als Landesrat Schwärzler 2013 das Gut Bozenau zum ersten Mal besuchte und sah, welche gute Arbeit wir leisteten, wurde die Tierhilfe Vorarlberg gefördert, um den Ausfall der Stiftungsgelder aus zugleichen.“
Auf die Frage, ob er seine Entscheidung, sich nur um Tiere zu kümmern, je bereut habe, fällt die Antwort von Rudi Längle klar aus. „Nein, nie. Aber mir ist bewusst, dass das Projekt mit meinem Abgang beziehungsweise Tod wahrscheinlich enden wird. Ich habe Sorge, dass ich niemanden finden werde, der die Tierhilfe Vorarlberg in meinem Sinne weiterführen wird. Wir wollen nicht nur Heimat für die Tiere sein, sondern sehen uns als Verein mit einem klaren Bildungsauftrag, der sich für eine neue Ethik im Umgang mit Großtieren einsetzt. Ein Tier ist nicht bloß Nutzobjekt, sondern hat ein Recht auf ein artgerechtes Leben.“ Rudi Längles Lebensmotto lautet: Leben will leben.
Tierhilfe Vorarlberg
22 Ponys, 6 Großpferde, 9 Eselhengste, 19 Ziegen, 4 Hängebauchschweine, 2 Hunde, 10 Katzen, Geflügel
Monatliche Kosten:
Futter: 3.000,-, Einstreu: 2.000,- Euro Tierarzt/ Hufschmied: 500,- Euro Mistentsorgung: 1.100,- Euro Versicherungen: 300,- Euro
Spendenkonto Tierhilfe Vorarlberg:
Raika Hittisau, IBAN: AT93 3743 5000 0004 7670