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Bei Null anfangen

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Rätsellösungen

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Benjamin ist 36 Jahre alt, verheiratet mit Klara, 34, gemeinsam mit Sohn Uriel wohnt die Familie in Eichenberg. Klara arbeitet als Kinderärztin, Benjamin verkauft Straßenzeitungen. Er sei froh um diesen Job, lieber wäre ihm allerdings ein geregeltes Einkommen. Benjamin heißt eigentlich Izuchukwu Ujunwa und kommt aus Nigeria. 2015 ist er in Vorarlberg gelandet, 2019 bekam er den ersehnten Aufenthaltstitel, seitdem ist er auf Jobsuche. Seine Bilanz: „Schwierig. Abgesehen von Gelegen

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WUNSCH: BEI NULL ANFANGEN!

Benjamin ist mit der Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben nach Österreich gekommen. Trotz zwei negativer Asylbescheide hat er erreicht, was vielen nicht gelingt: bleiben zu dürfen. Für eine echte Chance auf Inte gration fehlt ihm allerdings etwas Entscheidendes: eine geregelte Arbeit.

Text: Simone Fürnschuß-Hofer Fotos: Frank Andres, privat

heitsjobs bekomme ich nur Absagen. Ein Dilemma, denn ohne Arbeit kein Geld.“ Es beschämt ihn, dass er nichts zum gemeinsamen Leben beitragen kann. Er, der eigentlich ein abgeschlossenes Studium in Geschichte hat und eine Ausbildung in der Cateringbranche. Er, der außerdem als ehemaliger Fußballspieler den Traum eines Sportmanagement-Studiums in der Schweiz noch nicht aufgeben will. Die aktuelle Ausgangslage lässt jedenfalls wenig Handlungsspielraum. Denn Benjamin weiß nicht, wie er ohne Job je seine Schulden für das Asylverfah ren und die Dokumente-Beschaffung begleichen soll. Es handelt sich um Ausgaben im insgesamt fünfstelligen Bereich.

Was bisher geschah

Dass Benjamin überhaupt bleiben darf, gleicht einem Wunder. Lange haben er und Klara darum gekämpft, standen einem anfangs aussichtslos erscheinenden Verfahren gegenüber und mussten unmenschliches Verhalten in einem von Willkür durchzogenen Asylverfahren erdulden. Ein Wunder auch deshalb, weil sie kaum zu hoffen wagten, dass die standesamtliche Hochzeit die entscheidende Wende bringen würde. Schlussendlich war es wohl das Zusammenspiel vieler Faktoren: Der Beistand von Familie und Freunden. Die Liebe zueinander, das gemeinsame Kind. Und auf Prozessebene Anwalt Stefan Harg, der den Vollzug der drohenden Abschiebung mit den richtigen Mitteln zu verzögern wusste. Dessen Beschwerde-Erhebungen gegen den zweiten negativen Asylbescheid ließen das Paar wertvolle Zeit gewinnen. Zeit für eine Odyssee ganz anderer Art: Drei Anläufe, eineinhalb Jahre und etliche Schmiergeldzahlungen in Nigeria brauchte es, bis Benjamin die für die Eheschließung benötigten Papiere beisammenhatte. Im Juni 2019 durfte dann endlich geheiratet werden. Dann sei auf einmal alles ruckzuck gegangen, die Heiratsurkunde entpuppte sich regelrecht als Ticket für die Aufenthaltsberechtigung „als Angehöriger einer EWR-Bürgerin“. Klara erinnert sich gut an diesen Glücksmoment: „Vier Wochen nach Einreichung erhielt mein Mann seine Aufenthaltskarte mit fünfjähriger Gültigkeit und somit freien Zugang zum Arbeitsmarkt.“ Das Asylverfahren wurde damit eingestellt, die Zukunft konnte beginnen. Benjamin begab sich auf Arbeitssuche.

Minus 13.200 Euro

Im Verkaufsteam der Straßenzeitung marie ist Benjamin Ujunwa seit vier Jahren

dabei. Das Einkommen durch den Zeitungsverkauf und erwähnte Gelegenheitsjobs mag ihm immer wieder ein wertvoller Zuschuss sein, langfristig ist das aber keine Erwerbssituation, auf die eine Familie bauen kann. Ambitionen im Sinne der Selbstverwirklichung stellt Benjamin trotz eingangs skizzierter Wunschszenarien derzeit hinten an. „Ich will einfach einen richtigen Job. Gerne würde ich beispielsweise in der Produktion oder im Lager arbeiten. In der Lebensmittelproduktion habe ich schon Praxis gesammelt. Oder etwas Soziales, auch das kann ich mir vorstellen“, erklärt Benjamin und weiß, dass die Corona-Kri se sein Anliegen erschwert. Die Zeit ohne Anstellung will er nützen: Deshalb ist er dabei, den Stapler- und den B-Führerschein zu machen. Er wolle einfach alles dafür tun, auf eigenen Beinen zu stehen. „Ich fange hier in Österreich nicht bei null an, ich fange bei minus 13.200 Euro an“, verweist er auf eine Ungerechtigkeit, die ihn veranlasst hat, seine Geschichte öffentlich zu erzählen. Auch um andere zu inspirieren und zu ermutigen, aufzustehen. Eingebettet in eine Petition, die ihm darüber hinaus helfen soll, die offenen Verfahrenskosten zu begleichen und damit zumindest in monetärer Hinsicht mit den herausfordernden letzten Jahren endlich abschließen zu können. Schlussendlich gehe es ihm vor allem darum: um eine faire Chance auf Eingliederung in der Gesellschaft und Begegnung auf Augenhöhe.

Fairer Start

Benjamin Ujunwa wird am 12. September um 18 Uhr im WirkRaum Dornbirn seine Geschichte persönlich erzählen. Weitere Informationen unter folgendem Link: www.betterplace.me/ein-fairer-start. Er freut sich außerdem über Ihre Kontaktaufnahme, wenn Sie ein Stellenangebot oder auch einfach nur eine Jobidee haben:

princelala1@hotmail.com

LESETIPPS UND KUNST FÜR KÜNSTLER

Für alles gibt es den richtigen Moment. Ende März war für Gitte Nenning der perfekte Zeitpunkt ihre zwei Fantasiebücher für Kinder ab zehn Jahren und für junggebliebene Erwachsene zur Verfügung zu stellen. Und zwar gratis. „Die Eigendynamik, die meine Ideen während der Entstehung dieser Bücher entwickelt haben, war für mich ein einziges Abenteuer. Es hat Tage gegeben, da musste ich weiterschreiben, weil ich selber wissen wollte, wie Set Sommerwinds Geschichte weiter geht“, erzählt Nenning. Wenn ihr euch in die Welt von „Popolescu“ und „Sotabuthe 93“ entführen lassen wollt, könnt ihr die PDF-Dateien beider Bücher auf der Homepage der marie kostenlos herunterladen. Gleichzeitig hat Gitte Nenning das Projekt „Kunst für Künst ler“ ins Leben gerufen. Das kann allerdings nur umgesetzt werden, wenn für die Online-Bücher gespendet wird. Der Reinerlös wird freischaffenden Künstlern in Vorarlberg zur Verfügung gestellt. Ein paar hundert Euro sind – dank der Großzügigkeit einiger Freunde und Bekannter – schon zusammengekommen. Aber es gibt im Ländle sicher einige freischaffende Kreative, die gerade eine Durststrecke hinter sich haben, da ist jeder Euro mehr hilfreich.

Du verdienst mindestens 60 Prozent deines Lebensunterhalts mit Kunst? Dann schreib doch an die marie-Redaktion (Stichwort ‚Kunst für Künstler‘), mit was du die Welt beglückst und was dein aktuelles Projekt ist. Mit ein bisschen Glück und der Unterstützung einiger Menschen, denen es auch nicht nur ums Überleben geht, sondern darum, wie wir in Zukunft leben, kriegst du im Herbst eine kleine Bonuszahlung. Wer das Spendengeld erhalten wird, wird per Los nach dem Sommer entschieden. Auf mindestens zwei Personen wird es aufgeteilt werden, je nach Höhe der Spendensumme kann es aber auch mehr Gewinner geben. Die beiden Bücher von Gitte Nenning zum Herunterladen (PDF) gibt es im Internet unter www.marie-strassenzeitung.at Spendenkonto: Kontoinhaber: Gitte Nenning IBAN: AT84 3740 6000 0021 4817

Startschuss für marie-Café

Das Corona-Virus hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Premiere des marie-Cafés Ende März wurde abgesagt. Doch jetzt wagen wir einen Neuanfang. Und zwar am Freitag, den 31. Juli von 14 bis 17 Uhr im Wirk-Raum der Caritas in Dornbirn.

Die Caritas und die marie verbinden viele Ideen: Es braucht mehr Raum und Zeit, um über wichtige zukunftsentscheidende Herausforderungen ins Gespräch und ins Tun zu kommen. Die marie soll eine Straßenzeitung zum Angreifen sein. Das Café als Ort der Begegnung schafft den Raum, ein wenig hinter die Kulissen der Redaktionsarbeit zu blicken. Es gibt kleine Leseproben, unter anderem auch von InterviewpartnerInnen, die in der jeweils aktuellen marie vorkommen. Es können aber auch Ideen eingebracht werden für künftige Geschichten und in einer sehr entspannten Atmosphäre kann man andere Menschen kennenlernen. Natürlich bietet sich auch die Gelegenheit mit ZeitungsverkäuferInnen ins Gespräch zu kommen. Der WirkRaum der Caritas Vorarlberg unterstützt dabei unser Anliegen und ist Gastgeber für das marie-Café. Die Bewirtung erfolgt durch das Freiwilligenteam des WirkRaumes.

Termine: 31. Juli, 28. August von 14 bis 17 Uhr. Wo? WirkRaum der Caritas Vorarlberg, Bahnhofstraße 9, Dornbirn

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