marie 51/ Juli August

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Mittendrin in V

EIN FEUERSTEIN ENTZÜNDETE DAS LÄNDLE Text: Daniel Ongaretto-Furxer Bilder: Archiv Reinhold Luger, Daniel Ongaretto-Furxer

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orarlberg war in den 1950er Jahren eine betonierte, unflexible Gesellschaft, die von den Moralvorstellungen der Amtskirche dominiert war.“ So beschreibt Nolde Luger seine frühen Jugendjahre. „In meiner Pubertät begann die Auflehnung nicht nur gegen meine sehr religiösen Eltern, sondern auch gegen diese Zustände in Vorarlberg.“ Die Musik war für Luger und viele seiner Kollegen eine angemessene Form, diese Revolte zu begehen. Er hörte Little Richard, der dieses Geschrei, das er in sich selber spürte, beruhigen konnte. „Diese auflehnende Phase hat sich dann bald einigermaßen gelegt, ich war studienhalber weg in Wien. Als ich zurückkehrte stellte ich jedoch fest: Vieles hat sich verändert, nur in Vorarlberg war alles beim Alten geblieben.“ Der Stachel der Revolte drang wieder ins Fleisch und bald war die Idee eines Musikfestivals, inspiriert vom amerikanischen Woodstock Festival 1969, auf der Neuburg bei Götzis geboren. Der Rest ist gut dokumentierte Geschichte. Die zweite Auflage des friedlichen Festivals, die 1971 stattfinden hätte sollen, wurde kurzerhand von der Landesregierung verboten. Stattdessen veranstalteten Reinhold

Reinhold Luger, von Beruf Grafiker, entwarf die Plakate für alle von ihm mitorganisierten Veranstaltungen, angefangen von den FLINT Plakaten bis zu den Randspielen. Kommerziellen Erfolg hat er als Gestalter der Plakate für die Bregenzer Festspiele, für die Stadt- und Landbusse und als Entwickler des Logos der Firma Blum.

Luger, Günther Hagen, Günther Sohm, zusammen mit den Gamblers und Wanted, mit vielen anderen ein Begräbnis, bei dem der Sarg schließlich in Flammen aufging. Auf der Schottertrasse der noch nicht fertig gebauten Rheintalautobahn wurde FLINT mit viel Pomp und einer Spottlitanei auf die Landesregierung zu Grabe getragen. Ein Kulturkampf nahm seinen Lauf, dessen Mitstreiter Reinhold Luger lange Jahre sein würde. Auf der einen Seite standen die Jugendlichen, auf der andere Seite die Landesregierung, vertreten durch Landeshauptmann Herbert Keßler, dem diese neu aufkommende Jugendbewegung ein Dorn im Auge war. „Die Angriffe der Institutionen und der Landesregierung waren schon hart“ konstatiert Luger. Der Verein „Offenes Haus“ zur Gründung einer offenen Jugendarbeit in Dornbirn, ein Kind des Musikfesti-

Am 4./5. Juli jährt sich das „pop und lyric Festival FLINT“, das Woodstock von Vorarlberg, zum 50sten Mal. Die marie hat mit dem Mitorganisator Reinhold „Nolde“ Luger über die Bedeutung dieses Ereignisses, die heutigen Jugendbewegungen und über sein Verhältnis zum ehemaligen Landeshauptmann Herbert Keßler gesprochen.

vals FLINT, bekam nicht den Platz und die Förderung, die er gebraucht hätte. Schließlich lösten sie den Verein selber auf, wegen Nichterreichung des Vereinsziels. Freie Jugendkultur wurde damals von oberster Stelle verhindert. Aus Protest zur Hochkultur der Bregenzer Festspiele gründeten die Revoluzzer um Luger 1973 schließlich die kulturell alternativen Randspiele. Der Kulturkampf ging in die nächste Runde. „Komischerweise hatten sie vor uns langhaarigen Leuten in Schlaghosen Angst, in einem Vorarlberg, in dem neben den Bregenzer Festspielen nur die Blasmusikkapellen als Kultur akzeptiert wurden“, so Luger. Diese Angst mündet in institutionelle Repression gegenüber diesen jungen Erwachsenen. Wenigstens konnten sie den Landeshauptmann mit riesigen FLINT-Graffitis ärgern, die sie an


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