Hausarzt medizinisch
Formende Kräfte der Misteltherapie Die Wirkung von Mistelpräparaten in der Krebstherapie – im Kontext von COVID-19 und Immunschwäche
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Mehr Lebensqualität
Seit Jahrtausenden ist die Mistel den Menschen als bedeutende Heilpflanze bekannt. Sie kommt nun seit fast einem Jahrhundert in der Zusatzbehandlung von Krebs zum Einsatz. Heute ist ihre Wirkung durch zahlreiche Studien wissenschaftlich belegt. Damit grenzt sie sich klar von anderen alternativ- bzw. komplementärmedizinischen Präparaten ab.
Zur Studienlage Derzeit liegen rund 150 Studien bei verschiedenen Krebserkrankungen vor. „Als zugelassene Arzneimittel haben die Mistelpräparate einen behördlich bestätigten Wirksamkeitsnachweis“, hebt MR Dr. Gerhard Hubmann, Allgemeinmediziner und Vizepräsident der GAMED, hervor. „Sie verbessern die Lebensqualität der Betroffenen auf eindrucksvolle Weise: Zu den positiven Effekten zählen vor allem zunehmende Leistungsfähigkeit, mehr Kraft und Appetit, verringerte Übelkeit während der Chemotherapie und die Linderung des Fatigue-Syndroms, einer bleiernen Erschöpfung des Körpers“, so Dr. Hubmann.1
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Juni 2021
Die weißbeerige Mistel (Viscum album L.) gilt als das am häufigsten verwendete Arzneimittel der komplementären Medizin. Es wird von rund 60 Prozent aller Krebspatienten genutzt. Inzwischen ist die Misteltherapie auch ein Bestandteil einiger onkologischer Leitlinien. Leitlinienempfehlungen für die Mistel gibt es beispielsweise von der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO)2 sowie seit Neuestem von der American Society of Clinical Oncology (ASCO)3, einer der größten onkologischen Fachgesellschaften weltweit. Trotzdem wird die Studienlage immer noch kontrovers diskutiert. Ein häufiger Kritikpunkt ist die fehlende Verblindung. Mistelpräparate führen meistens zu einer Lokalreaktion, wodurch sie sich leicht von Placebos unterscheiden lassen und eine Blindstudie unmöglich machen. Die unzureichende Studienlage wird auch als Grund genannt, weshalb Mistelpräparate seit 2020 nur mehr in Ausnahmefällen von der Österreichischen Gesundheitskasse erstattet werden. Es bedarf im Einzelfall einer ausführlichen Begründung unter Einbindung von Fachärzten.
Die weißbeerige Mistel, welche in der Krebstherapie zum Einsatz kommt, wächst auf Laub- und Nadelbäumen und ist in ganz Europa vertreten. Misteln bilden keine Wurzeln und sind bekanntlich Halbschmarotzer. Die sogenannte Wirtspflanze ist daher für die Heilpflanze von besonderer Bedeutung, sie liefert ihr Wasser und Nährstoffe. Die Inhaltsstoffe der Mistel wiederum hängen von der Art des Wirtsbaumes, aber auch von der Jahreszeit, dem Standort und dem Zeitpunkt der Ernte ab.4 Zwei Eiweißstoffe sind für die Krebsbehandlung von besonderer Relevanz: Die Heilpflanze bildet Mistellektine anstatt Wurzeln und Viscotoxine anstelle der Verholzung und der Blätter. Während Viscotoxine im Sommer ihre Höchstkonzentration erreichen, kann bei Mistellektinen im Winter die höchste Konzentration nachgewiesen werden.5 Verschiedene Studien belegen, dass sich durch die komplementäre Therapie mit Viscum album die Lebensqualität der Krebspatienten verbessern kann. Deutliche Fortschritte sind vor allem im palliativen Bereich zu sehen. Durch Mistelpräparate kann die Co-Medikation verringert werden: Man benötigt weniger Analgetika, Antiemetika, blutbildende Medikamente oder Therapeutika, welche zum Wohlbefinden der Betroffenen beitragen. Ein systematisches Review verschiedener Studien zeigte vor allem Verbesserungen in puncto Müdigkeit, Erschöpfung, Übelkeit, Depressionen und des allgemeinen Wohlbefindens auf. Die Nebenwirkungen anderer onkologischer Therapien – wie Chemo- und Strahlentherapie – konnten reduziert werden und die Mistelpräparate wurden gut vertragen. Wie bereits erwähnt, kann auch das Fatigue-Syndrom – ein häufiges Problem bei Krebspatienten – gelindert werden.6 Als weitere positive Wirkungen der Misteltherapie sind die Immunmodulation, die Stimulation der Apo-