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Die Top 10 in der Reiseapotheke

Von Pflastern über Medikamente bis hin zum Sonnenschutz

Die Zusammenstellung einer Reiseapotheke erfordert letztlich immer einen Kompromiss: Einerseits möchte man für alle Eventualitäten gerüstet sein, andererseits ist der Platz in der Reisetasche begrenzt. Je nach Reiseziel, Reiseart und Gesundheitszustand der Reisenden gibt es unterschiedliche Anforderungen. Nachfolgend die Top 10 der reisemedizinischen Beratungsthemen:

1. Erste-Hilfe-Set für Bagatellverletzungen

Eine Basisausrüstung zur Wundversorgung sollte in keiner Reiseapotheke fehlen. Für die Erstversorgung von häufigen Alltagsverletzungen empfiehlt sich folgende Zusammenstellung: Wunddesinfektion (Octenidin, PVPIod), Verbandsmaterial (Wundpflaster, Sterilkompressen, Mullbinden, Schere, Pinzette) sowie eine regenerierende Wund- und Heilsalbe (Dexpanthenol, Zinkoxid). Für Wanderurlaube kann diese Basisausstattung um ein Schmerzgel (Diclofenac, Indometacin), Kühlkompressen, Blasenpflaster und eine Zeckenzange erweitert werden.

2. Schmerzen und Fieber

Ebenso gehören ein Analgetikum und ein Antipyretikum zur Grundausstattung auf Reisen. Mittel der Wahl sind Paracetamol oder Ibuprofen. Praktisch ist eine reisefreundliche Galenik, beispielsweise in Form von Schmelztabletten. Natürlich können grundsätzlich auch andere NSAR empfohlen werden; die Komedikation und bestehende Erkrankungen sind dabei zu berücksichtigen. Das Mitführen eines Fiebermessers ist nicht nur in Malaria-Gebieten ratsam.

3. Schutz vor Insekten

Der Schutz gegen Insekten und ihre Stiche dient nicht nur zur Vermeidung der lästigen allergischen Hautreaktionen, sondern auch – was viel wichtiger ist – der Vorbeugung vektorübertragener Krankheiten (FSME, Borreliose, Malaria, Dengue-Fieber). DEET ist der Goldstandard für Tropenreisen – mit jahrzehntelangen Erfahrungswerten. Bei empfindlichen Personen kann das Insektenabwehrmittel jedoch zu Hautirritationen führen, zudem greift es Kunststoffe an. Ein vergleichbares Wirkspektrum mit besserer Verträglichkeit bieten Icaridin oder der pflanzenbasierte Wirkstoff Citridiol. Planen Personen einen Aktivurlaub im Inland, ist auch auf die Gefahr von Zeckenstichen hinzuweisen. Ein vollständiger Impfschutz kann bei Bedarf mittels eines Schnellimmunisierungsschemas (0 – 7 – 21 d) aufgebaut werden.

4. Insektenstiche

Für die Linderung des Juckreizes nach Insektenstichen steht eine Vielzahl kühlender Gele und Stifte zur Verfü- >

gung. Sie enthalten entweder natürliche Inhaltsstoffe wie Essigsäure, Tonerde, Arnika oder Antihistaminika (Bamipin, Dimetinden und Diphenhydramin). Zum Teil gibt es sie in Kombination mit Lokalanästhetika (Benzocain, Polidocanol). Eine orale Gabe von Cetirizin oder Loratadin ist bei starken Beschwerden möglich. Bewährt hat sich außerdem die punktuelle Anwendung von Hitze (~ 51 °C) mittels eines Temperaturstiftes. Durch die lokale Hyperthermie wird das Insektengift denaturiert und die allergische Symptomatik deutlich reduziert.

5. Sonnenschutz und Sonnenallergie

Bei langen Aufenthalten im Freien ist Sonnenschutz Pflicht. Ein gutes Sonnenschutzpräparat bietet einen umfassenden Schutz im UVB- und UVA-Bereich und ist frei von toxikologisch bedenklichen UV-Filtersubstanzen wie 4-MBC oder Homosalat. Für ein angenehmes Hautgefühl sollte die Textur der individuellen Beschaffenheit der Haut (trocken, empfindlich, fettig) angepasst sein. Tritt trotzdem ein Sonnenbrand auf, kann die Regeneration der Haut mit kühlenden Après-Sun-Produkten (Dexpanthenol, Aloe vera) unterstützt werden. Schwere Ausprägungen oder eine Sonnenallergie können Antihistaminika und Glukokortikoide in lokaler oder systemischer Anwendung erfordern.

6. Reiseübelkeit

Um die Symptome von Reisekinetosen zu lindern, werden üblicherweise Antihistaminika der ersten Generation (Dimenhydrinat, Diphenhydramin) eingesetzt. Aufgrund der sedierenden Nebenwirkung sollte nach der Einnahme kein Fahrzeug gelenkt werden. Eine gut verträgliche pflanzliche Alternative sind Ingwer-Präparate. Interessante Studiendaten gibt es auch zum Einsatz von hochdosiertem Vitamin C. Es agiert als Gegenspieler von Histamin, welches bei Reiseübelkeit vermehrt ausgeschüttet wird. Die Anwendung erfolgt etwa 30 Minuten vor Reiseantritt in Form von Kautabletten oder Kaugummis, da eine Resorption über die Mundschleimhaut gewünscht ist.

7. Reisediarrhoe

Die erste und wichtigste Maßnahme bei wässrigen Diarrhoen ist der Ausgleich des Flüssigkeits- und Elektrolytverlusts. Zur raschen Senkung der Stuhlfrequenz wird bei Personen ab zwölf Jahren Loperamid eingesetzt, welches als peripher wirksames Opioid die Darmperistaltik hemmt. Aufgrund dieses Wirkmechanismus ist bei Warnsymptomen einer bakteriellen Genese (Fieber, Blut im Stuhl) auf andere Präparate auszuweichen. Eine gute Alternative stellt der Sekretionshemmer Racecadotril dar. Für die Behandlung milder Verlaufsformen können Adstringentien (Gelatinetannat) oder Probiotika (S. boulardii, L. acidophilus, L. rhamnosus) empfohlen werden. Der

Foto: © shutterstock.com/ eurobanks Einsatz von Antibiotika ist wegen der zunehmenden Resistenzentwicklung umstritten und wird in der entsprechenden internationalen Leitlinie nur für die Therapie von schweren Verläufen empfohlen.

8. Ohrenschmerzen

Ohrenprobleme treten im Badeurlaub häufig auf, zumeist handelt es sich dabei um eine Otitis externa (Badeotitis). Anfälligen Personen wird die prophylaktische Anwendung von Ohrentropfen nach dem Aufenthalt im Wasser ans Herz gelegt. Ihre Inhaltsstoffe (Essigsäure, Isopropanol, Dexpanthenol) wirken dehydrierend und schaffen ein saures, antiseptisches Milieu. Lassen sich die Ohrenschmerzen damit nicht kontrollieren, kann auf ärztliche Verschreibung eine lokale antimikrobielle Therapie (Ciprofloxacin, Neomycin) erfolgen. Die klinischen Beschwerden bessern sich dadurch in der Regel binnen 7-10 Tagen. Topische Steroide kommen vor allem wegen ihrer abschwellenden Wirkung zur Anwendung.

9. Harnwegsinfekt

Das OTC-Sortiment zur Prophylaxe und frühzeitigen Therapie von Harnwegsinfekten ist unüberschaubar groß. Für die Reiseapotheke empfehlenswert sind D-Mannose-Präparate oder Phytotherapeutika (z. B. Rosmarin, Liebstöckel und Tausendguldenkraut). Spasmolytika wie Butylscopolamin können krampfartige Schmerzen schnell lindern. Von NSAR raten die aktuellen Leitlinien ab: Sie verlängern die klinische Symptomatik und erhöhen das Risiko einer Pyelonephritis. Zur antibiotischen Erstlinientherapie der unkomplizierten Zystitis werden Pivmecillinam, Fosfomycin und Nitrofurantoin eingesetzt; sie können als Notfallantibiotika für die Reiseapotheke verschrieben werden.

10. Thromboseprophylaxe

Das Risiko venöser Komplikationen durch lange Flug- und Busreisen ist bei Personen ohne Vorerkrankungen äußerst gering. In der Regel genügen allgemeine Basismaßnahmen wie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Gymnastikübungen (z. B. Fußwippen) und lockere Kleidung. Wenn zusätzliche Risikofaktoren wie thromboembolische Ereignisse in der Anamnese, Gerinnungsstörungen, Krebserkrankungen, starkes Übergewicht oder ein hohes Lebensalter bestehen, dann ist das Anlegen von wadenlangen Kompressionsstrümpfen anzuraten. Eine medikamentöse Prophylaxe mit fraktionierten Heparinen ist nur in Einzelfällen indiziert. Die Einnahme von ASS wird nicht empfohlen.

Mag.a Dr.in Irene Senn

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