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Sich an die geringstmögliche Dosis langsam herantasten“

Schizophrenie: Therapiewahl unter besonderer Bedachtnahme auf das Nebenwirkungsprofil

Allgemeinmediziner haben oft einen hohen Stellenwert im Netzwerk von Schizophrenie-Patienten. Was Hausärzte zur Versorgung jener Patienten beitragen können, erläutert Prim. i. R. Univ.-Prof. Dr. Hans Rittmannsberger, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin in Linz. Er referierte zu diesem Thema auch im Rahmen der Ärztetage Grado – der Vortrag ist online abrufbar.1

HAUSARZT: Welche Medikamente stehen SchizophreniePatienten aktuell zur Verfügung und welche Unterschiede gibt es? Primar i. R. Univ.-Prof. Dr. Hans

RITTMANNSBERGER: Es gibt die alten Medikamente – First Generation bzw. typische Antipsychotika – und die neuen – Second Generation bzw. atypische Antipsychotika. Die neuen Medikamente machen mittlerweile ca. 90 % der Verordnungen aus und sind der Versuch, die Vorteile des Medikaments Clozapin nachzubilden, ohne die Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Die Vorteile von Clozapin umfassen seine gute Wirksamkeit und den Umstand, dass sich im Gegensatz zu den alten Medikamenten keine extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen manifestieren. Den größten Nachteil von Clozapin stellen eventuelle Blutbildveränderungen dar, konkret Agranulozytosen. Deswegen muss man bei der Gabe des Medikaments regelmäßig Blutbildkontrollen durchführen, in den ersten Monaten sogar wöchentlich. Die neuen Medikamente haben das Ziel, keine extrapyramidalen Nebenwirkungen zu verursachen, insgesamt relativ gut erreicht und ziehen in der Regel auch keine Blutbildveränderungen nach sich. Nur die überlegene Wirksamkeit konnte nicht nachgewiesen werden.

Welche Faktoren müssen bei der Wahl und Durchführung der Therapie beachtet werden?

Es sollte von Anfang an eine Monotherapie angestrebt werden. Möglicherweise muss man in der Akuttherapie eine höhere Dosis wählen, welche man dann in der Langzeittherapie reduzieren kann. Die Fachgesellschaften empfehlen mittlerweile, dass man in der Langzeittherapie die geringstmögliche Dosis verabreicht, an die man sich langsam herantastet. In puncto Wirksamkeit sind alle Medikamente, von Clozapin abgesehen, ca. gleich gut. Aber das Nebenwirkungsprofil ist recht unterschiedlich. Es gibt kein Medikament, das alle Vorteile in sich vereinigt, und so muss man das Medikament immer nach dem günstigsten Nebenwirkungsspektrum auswählen. Die Wahl hängt von der Anamnese und den persönlichen Risikofaktoren des Patienten ab. So sollte jemand, der ohnehin schon metabolische Probleme aufweist, nicht unbedingt mit einem Medikament behandelt werden, das sich ungünstig auf Blutzucker und -fette auswirkt. Viele der neuen Antipsychotika erhöhen das Risiko, Diabetes, Hyperlipidämien und Übergewicht zu entwickeln. Jedoch ist es schwierig, zu sagen, ob bei diesen Problemen tatsächlich eine Assoziation mit dem Medikament besteht, da das Metabolische Syndrom in der Bevölkerung weit verbreitet ist. Bei den extrapyramidalen Nebenwirkungen der älteren Medikamente konnte man mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass das Medikament ursächlich beteiligt war. Daneben müssen kardiale Nebenwirkungen wie die Verlängerung der QTc-Zeit beachtet werden, gerade wenn mehrere Medikamente verordnet werden, welche die QTc-Zeit beeinflussen. Zudem muss man gemeinsam mit den Patienten entscheiden, ob eine Depotmedikation sinnvoll ist. Sie hat gewisse Vorteile, aber man kann nicht von vornherein annehmen, dass sie die Adhärenz verbessert. Wenn ein Patient die Medikation ablehnt, kann er das bei der Depotmedikation ebenfalls tun. Ein Vorteil wäre aber, dass man intervenieren kann, wenn der Patient nicht zur vereinbarten Injektion kommt. Das böte dem Hausarzt die Chance, die Adhärenz zu verbessern. Es gibt aber auch spezialisierte Depotambulanzen.

Welchen Stellenwert haben Haus ärzte allgemein in der Versorgung von schizophrenen Patienten?

Wir haben einmal eine Netzwerkuntersuchung gemacht, welche auch nach den Vertrauenspersonen gefragt hat. Hier hat sich gezeigt – was bereits bekannt ist: nämlich, dass die sozialen Netzwerke von psychotischen Patienten sehr klein sind, weil sie Schwierigkeiten haben, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Ebenso ist deutlich geworden, dass der Hausarzt als sozialer Kontakt eine sehr wichtige Stellung einnimmt und sogar häufig bei den Freunden angeführt worden ist. Außerdem sind Allgemeinmediziner oft erste Ansprechpartner bei Nebenwirkungen.

Experte zum Thema: Prim. i. R. Univ.-Prof. Dr. Hans Rittmannsberger

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin in Linz

Das Gespräch führte Mag.a MarieThérèse Fleischer, BSc.

Quellen: 1 Ärztetage Grado on demand 2021, abrufbar unter: arztakademie.at 2 Kasper S et al., Schizophrenie: Medikamentöse Therapie. Konsensus-Statement – State of the art 2016;

CliniCum neuropsy Sonderausgabe 11/2016.

X Infobox: Überblick über die

wichtigsten Antipsychotika2

Atypische Antipsychotika:

Amisulprid, Aripiprazol, Clozapin, Olanzapin, Paliperidon, Quetiapin, Quetiapin XR, Risperidon, Sertindol, Ziprasidon

Neuroleptika/typische Antipsychotika:

Flupentixol, Haloperidol, Zuclopenthixol

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