Hausarzt 02/2021

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Hausarzt medizinisch

Kreuzreaktionen als häufigster Auslöser von Nahrungsmittelallergien Fotos: © shutterstock.com/ Lightspring, SukjaiStock

Mit gesunder Ernährung die Immunantwort modulieren

Gerade auf Nahrungsmittelallergien hat die Ernährung einen entscheidenden Einfluss. Doch die Nahrung spielt nicht nur als Allergieauslöser eine Rolle, son­ dern wirkt sich auch über eine Modulati­ on der Immunantwort auf Allergien aus.

Vermehrtes Auftreten Allergische Erkrankungen stellen welt­ weit ein immer größeres gesundheitliches Problem dar. Man geht derzeit davon aus, dass zwischen 25 und 30 % der Bevölke­ rung an respiratorischen Allergien leiden und rund 5 % von einer Nahrungsmittelal­ lergie betroffen sind. Umfassende epide­ miologische Studien belegen eindeutig eine steigende Prävalenz der allergischen Erkrankungen.

Orale Toleranz beeinträchtigt Es liegt nahe, dass die Ernährung bei einer Nahrungsmittelallergie eine ent­ scheidende Rolle spielt. Dabei richtet sich die primäre Wahrnehmung auf be­ stimmte Nahrungsmittelbestandteile als Allergieauslöser, die sogenannten Aller­ gene. Durch die Nahrungsaufnahme als lebenswichtige Energie- und Nährstoff­ zufuhr übernimmt die orale Toleranz eine entscheidende Funktion bei der Er­ haltung der Gesundheit unseres Körpers, da sie zwischen gefährlichen und unge­ fährlichen körperfremden Bestandteilen unterscheiden muss. Im Falle einer Nah­ rungsmittelallergie ist die Entwicklung

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der oralen Toleranz gegenüber neuen Nahrungsbestandteilen gestört oder geht aus verschiedenen Gründen im Laufe des Lebens verloren. Folglich kann nach erfolgter Sensibilisierung und IgE-In­ duktion der Verzehr eines Nahrungsmit­ telallergens zu Beschwerden entlang der Schluckstraße führen. Diese manifestie­ ren sich im Sinne eines oralen Allergie­ syndroms, und zwar in Form von Übel­ keit, Erbrechen und/oder Durchfall. Bei systemischer Allergenaufnahme kann es zu respiratorischen Beschwerden wie Asthma und Rhinitis, zur Hautbeteili­ gung im Sinne von Urtikaria, Angioödem und Ekzem-Reaktionen oder aber in der Maximalform – bei Beteiligung des kar­ diovaskulären Systems – auch zu einem anaphylaktischen Schock kommen.

Unterschiedliche Sensibi­ lisierungsrouten Eine wichtige Rolle bei der Entwick­ lung einer Nahrungsmittelallergie spielt vor allem die Verdauungsleistung des Gastro­ intestinaltraktes. Nur bei ver­ dauungsstabilen Allergenen oder in Situationen mit eingeschränkter Ver­ dauungsleistung, wie dies beispielsweise bei einer Therapie mit MagensäureBlockern der Fall ist, gelangen Allergene in immunologisch intakter Form in den Darm. Dort können sie eine Sensibili­ sierung induzieren. Bei Kleinkindern mit atopischer Veranlagung dürfte zu­ sätzlich die Sensibilisierungsroute über

entzündete Hautstellen einen bedeu­ tenden Faktor für die Entwicklung ei­ ner Nahrungsmittelallergie darstellen. Daher sollten im Sinne einer Allergie­ prävention wichtige Allergieauslö­ ser wie Milch, Ei, Erdnüsse und Fisch bereits im ersten Lebensjahr mit der Beikost in die Nahrung einbezogen werden. Zusätzlich kann eine Sensi­ bilisierung in Hinblick auf Nahrungsbe­ standteile auch über die inhalative Route entstehen. So können bei beruflicher Ex­ position Nahrungsproteine eingeatmet werden und eine Allergie auslösen.

Kreuzreaktion als häufiger Auslöser Weitaus häufiger entwickeln sich Nah­ rungsmittelallergien in Zusammenhang mit Pollenallergien. Der Grund dafür ist eine Kreuzreaktion von Pollen- und Nah­ rungsproteinen, welche durch eine starke Homologie der Aminosäuresequenz und daher durch eine Ähnlichkeit der Prote­ in-Oberfläche bedingt ist. Bei einer pol­ lenassoziierten Nahrungsmittelallergie sind die klinischen Beschwerden patien­ tenspezifisch und hängen vom auslösen­ den Nahrungsmittelallergen ab. Daher hat eine detaillierte und umfassende al­ lergologische Abklärung für die adäqua­ te Beratung und Betreuung von Patien­ ten mit Nahrungsmittelallergien eine erhebliche Bedeutung. Aufgrund der mittlerweile verfügbaren molekularen Allergiediagnostik können im Rahmen der Diagnose wichtige Aussagen über die Stabilität der relevanten Allergene gegenüber dem Erhitzen und gegenüber der gastrointestinalen Verdauung getrof­ fen werden. Diese Erkenntnisse sind bei der Beratung der betroffenen Patienten unbedingt zu berücksichtigen. Den­ noch kann selbst bei einer bekannten Nahrungsmittelallergie die konsequen­ te Vermeidung der Allergieauslöser für Patienten eine Herausforderung dar­ stellen. Fast 40 % der unbeabsichtigten Diätfehler, die eine schwere allergische

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