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Stilles Leiden nicht übersehen
SeriePSYCHE
Foto: © shutterstock.com/ Jenny Sturm

Stilles Leiden nicht übersehen
Schmerzen bei älteren dementen Patienten erkennen
Schmerzen bei älteren und hochbetagten Menschen sind weit verbreitet, aber oft unterbehandelt. Häufig herrscht Unsicherheit, welche Schmerztherapie für multimorbide Patienten passend ist. „Schmerzen sind aber kein unbehandelbares Schicksal, auch im hohen Alter nicht. Es gibt viele Möglichkeiten, den Betroffenen zu helfen – selbst dann, wenn sie ihre Beschwerden nicht mehr selbst artikulieren können“ , unterstreicht Prim. Univ.Prof. Dr. Rudolf Likar, MSc, Generalsekretär der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) und Leiter der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Klinikum Klagenfurt, anlässlich der Österreichischen Schmerzwochen der ÖSG.
Positionspapier mit Empfehlungen
In einem brandneuen Positionspapier (https://bit.ly/3oh7Moo) geben die ÖSG, die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) und die Österreichische Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie (ÖGGG) Empfehlungen, wie ältere Menschen bestmöglich schmerztherapeutisch versorgt werden können. „Oft sprechen diese ihre Schmerzen gar nicht an. Sie sind der Ansicht, ihre gesundheitlichen Probleme seien im Alter unvermeidlich. Vielfach leiden geriatrische Patienten auch an Demenz oder können aus anderen Gründen ihre Schmerzen nicht in Worte fassen“ , schildert Prim. Likar. 48 % der Patienten mit AlzheimerDemenz, 56,4 % der Menschen mit vaskulärer Demenz und 53,9 % der Personen mit gemischter Demenz haben Schmerzen. Zeigen sie ein auffälliges Verhalten, sollten Hausärzte immer an Schmerzen als mögliche Ursache desselben denken. Prim. Likar gibt zu bedenken, dass eine standardisierte Schmerzerfassung ein integraler Bestandteil der Behandlung und Betreuung von geriatrischen Patienten sowie von Menschen mit Demenz sein müsse. „Gerade in turbulenten Zeiten wie diesen besteht die Gefahr, das stille Leiden einer besonders verletzlichen Personengruppe zu übersehen“ , betont Prim. Likar.
Pharmakotherapie ist herausfordernd
„Insbesondere die pharmazeutische Behandlung stellt eine Herausforderung dar: Welche Schmerzmedikamente kommen zum Beispiel noch in Frage, wenn Organe wie Leber oder Niere nicht mehr richtig funktionieren? Welche Substanzgruppen sind für multimorbide geriatrische Patienten geeignet, die bereits eine Vielzahl von Medikamenten nehmen? Wie können Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten vermieden werden? Bei solchen Fragen bieten unsere Empfehlungen nun eine Orientierung“ , so ÖSGVizepräsidentin OÄ Dr.in Waltraud Stromer, Abteilung für Anästhesie und allgemeine Intensivmedizin, Landesklinikum Waldviertel Horn. Ein Beispiel: Für Menschen mit Demenz und Verhaltensauffälligkeiten sind Antipsychotika nicht die erste Wahl. In jedem Fall ist laut OÄ Stromer eine individuell gut abgestimmte und umfassende Behandlung erforderlich, welche die bestmögliche Schmerzlinderung bei möglichst wenigen Nebenwirkungen garantiert. „Das bedeutet: Bei jedem einzelnen Patienten muss die Frage nach der geeigneten Therapie gestellt werden. Der konkrete Nutzen sowie allfällige Nachteile und Nebenwirkungen der medikamentösen und nichtmedikamentösen Verfahren sind bei jedem Patienten abzuwägen“ , erklärt OÄ Stromer. Ein hilfreiches Basisschema für die Schmerztherapie bei älteren Personen steht unter www.sozialversicherung.at/ pfade_schmerz zur Verfügung.
Emanuel Munkhambwa
Quellen: „Schmerzen im Alter: Expertengruppe veröffentlicht
Empfehlungen zur Behandlung älterer und hochbetagter Menschen“, Presseaussendung der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), 22.01.2021. Pinter G et al., Schmerzen und Schmerzerfassung im
Alter: Besonderheiten und Empfehlungen. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 2020: 272.