Hausarzt 02/2021

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Hausarzt medizinisch

Schmerz im Becken – was steckt dahinter? Multidisziplinäre Zusammenarbeit für Diagnose und Therapie erforderlich

Gynäkologische und uro­logische Schmerzen

Foto: © Jürgen Hammerschmid

Etwa 15 Prozent aller gynäkologischen Konsultationen erfolgen aufgrund von Beckenschmerzen. Häufig liegen gutarti­ ge, jedoch oft sehr schmerzhafte Wuche­ rungen von Gewebe der Gebärmutter­ schleimhaut vor. Bei der Behandlung der Endometriose ist es das oberste Ziel, die­ se Schmerzen so schnell wie möglich zu kontrollieren, denn: Je länger Schmerzen bestehen, desto schwieriger sind sie zu be­ handeln. Als Therapie der Wahl fungiert ein multimodaler Ansatz aus operativen und/oder medikamentösen Maßnahmen. Bei Schmerzen im Becken ist auch an das Pelvic-Congestion-Syndrome (PCS) zu denken, das durch dumpfe, meist links­ seitige Schmerzen beim Geschlechts­ verkehr oder während der Menstruati­ on gekennzeichnet sein kann. Obwohl knapp ein Drittel aller Patientinnen mit chronischen Unterbauchschmerzen an

Expertin zum Thema: OÄ Dr.in Michaela Lechner Präsidentin der MKÖ, Leiterin der Darm­ ambulanz am Krankenhaus Göttlicher Heiland, Wien

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Februar 2021

„Die Therapie des chronischen Beckenschmerzes sollte, ähnlich wie in der Onkologie, von einem Case Manager koordiniert werden.“

Coccygodynie als Ursache Für CBS kann auch ein Steißbeinschmerz verantwortlich sein. Die Coccygodynie ist eine komplexe und quälende Schmerzer­ krankung. Sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie einer solchen sind mehrere Fächer gefragt. Von jener Er­ krankung sind Frauen wesentlich häufi­ ger betroffen, Übergewicht scheint wegen der mechanischen Belastung ebenfalls eine Rolle zu spielen. Anamnestisch sind Stürze auf das Steißbein oder rheuma­ tische Erkrankungen zu erheben. Im Zuge der rektal-digitalen Untersuchung kann der Proktologe die Steißbeinspitze sowohl von außen als auch von innen er­ tasten und Schmerztriggerpunkte sowie Verspannungen der Muskulatur feststel­ len. Weiters sollte ein Steißbein-Röntgen im Stehen und im Sitzen durchgeführt werden, da sich manchmal ein hypermo­ biler oder aber nach ventral oder dorsal verkippter Knochen zeigt. Eine MRTUntersuchung des kleinen Beckens ist für den Ausschluss entzündlicher oder tumoröser Prozesse im kleinen Becken erforderlich. Zusätzlich sind stets eine gynäkologische bzw. urologische Unter­ suchung sowie eine Koloskopie notwen­ dig, um mögliche Differentialdiagnosen auszuschließen. Die Therapie hängt da­ von ab, ob es sich um eine akute oder um eine chronische Verlaufsform handelt, wobei die konservative Therapie in Form von Physiotherapie sowie eine evtl. Infilt­ ration des Schmerzpunktes an erster Stel­ le stehen. Operativ entfernt werden sollte das Steißbein nur in Einzelfällen.

Foto: © shutterstock.com/ Andrii Muzyka

diesen „Krampfadern“ der linken Nie­ renvene, der Eierstockvenen oder an einem Venengeflecht im kleinen Becken leidet, bleibt die Schmerzursache meist lange unentdeckt. Die Behandlung er­ folgt interventionell-radiologisch durch eine Embolisation, welche die oft jahre­ lange Leidensgeschichte in vielen Fällen mit einem kurzen Eingriff in Lokalanäs­ thesie beenden kann. In Zusammenhang mit CBS müssen außerdem Sexualfunktionsstörungen, etwa die tiefe Dyspareunie oder der Va­ ginismus, beachtet werden. Die Prostatitis bedarf ebenso eines mul­ timodalen Ansatzes, der eine genaue Ab­ klärung und eine Ausschlussdiagnostik beinhaltet. Es muss eine sorgfältige Un­ tersuchung durchgeführt (Harnstreifen, Harnkultur, rektale Untersuchung, PSAWert) und nach zusätzlichen Pathologien gesucht werden. Liegen Hinweise auf eine akute Prostatitis vor, so ist zunächst eine Therapie mit Antibiotika zu verord­ nen. Darüber hinaus müssen Parameter wie obstruktiver Harnfluss und Restharn stets evaluiert und eventuell behandelt werden. Ist eine Operation angedacht (Prostataresektion), sollte eine urodyna­ mische Messung erfolgen und eine Bla­ senspiegelung vorgenommen werden. Wenn sich im Sinne der Ausschlussdiag­ nostik hier keine Auffälligkeiten zeigen, ist noch eine Dyskoordination des Be­ ckenbodens zu erwägen. Hierzu kann ein EMG während der Miktion (Flow-EMG) diagnostisch herangezogen werden, the­ rapeutisch kann ein Biofeedback durch geschulte Physiotherapeuten eine Bes­ serung erzielen. Findet sich kein Grund für die Schmerzsymptomatik, müssen alle anderen Erklärungsmöglichkeiten – auch nichturologische – in Betracht gezo­ gen bzw. ausgeschlossen werden.

Seltene Pudendus-Neuralgie Eine relativ seltene, für den Patienten allerdings sehr quälende Pathologie

Experte zum Thema: OA Dr. Michael Rutkowski Vizepräsident der MKÖ, Urologe am Landes­ klinikum Korneuburg mit Beckenbodenzentrum

Foto: © Michael Rutkowski, privat

Der chronische Beckenschmerz (CBS) ist ein Sammelbegriff, welcher ein kom­ plexes Krankheitsbild mit vielen mög­ lichen Ätiologien umfasst. Die Krank­ heitsauslöser können gynäkologischer, urologischer, proktologischer, neurolo­ gischer und psychosomatischer Art sein. Umso wichtiger ist eine multidiszipli­ näre Zusammenarbeit von Hausärzten und Klinikern. Die Behandlung erfolge in enger Abstimmung zwischen Ärzten, Physiotherapeuten, aber auch Psycholo­ gen und Sexualtherapeuten, erklärt OÄ Dr.in Michaela Lechner, Präsidentin der MKÖ und Leiterin der Darmambulanz am Krankenhaus Göttlicher Heiland, Wien. Nachfolgend lesen Sie über einige mögliche Ursachen des CBS und seine Behandlungsoptionen.


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