Hausärzt:in 02/2022

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Hausärzt:in medizinisch

Polyvalente Wirkung nutzen

© unsplash.com/Sharon McCutcheon

Medikamentöse Therapie bei neuropathischen Schmerzen

le Patienten nicht korrekt abgeklärt sind“, so der Experte. „Anschließend durchlaufen die Patienten Therapieebenen mit einer Behandlungsdauer von jeweils vier bis sechs Wochen.“ Das sieht Prof. Ilias kritisch: „Kommt man bei Ebene sechs an, dann ist der Patient fast schon ein Jahr in Behandlung und davon wahrscheinlich fünfmal unzureichend.“ Im Detail umfasst die erste Therapieebene trizyklische Antidepressiva „Der neuropathische Schmerz ist die (TZA), Serotonin-Noradrenalin-WieKonsequenz einer Läsion oder Erderaufnahmehemmer (SNRI), Gabakrankung des somatosensorischen pentinoide und topische TheNervensystems. Die Schmerrapien. Auf der zweiten Stufe zen können spontan – ohne steht ein Opioid (Tramadol) peripheren Stimulus – oder oder eine Kombination von evoziert – durch Berührung, Medikamenten aus der ersten Druck, Hitze oder Kälte Linie. Auf der dritten The– auftreten“, erklärt Prof. rapiestufe – spätestens hier Ilias. „Die meisten Patienten sollte eine Überweisung zum mit chronischen Schmerzen Spezialisten erfolgen – stehen haben einen sogenannten EXPERTE: selektive Serotonin-Wieder‚mixed pain‘ – dabei hanUniv.-Prof. Dr. Wilfried Ilias aufnahmehemmer (SSRI), delt es sich um multimodale FA für Anästhesiologie Antikonvulsiva, NMDA-ReSchmerzen und das ist die und Intensivmedizin Wiener Privat Klinik zeptorantagonisten sowie eine therapeutische Herausforinterventionelle Therapie. derung, der wir uns entspreAuf der vierten Stufe schlägt chend stellen müssen“, betont er und Bates die Neuromodulation vor zitiert einen rezenten Algorithmus von und auf der fünften niedrigdosierte Bates et al.1 „Demzufolge ist zunächst Opioide. Prof. Ilias: „Wir wissen, dass subtile Diagnostik erforderlich, da vie-

© Fotodienst Pressetext

Die meisten Patienten mit chronischen Schmerzen leiden an multimodalen Schmerzen. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Ilias von der Wiener Privat Klinik plädierte im Rahmen des 28. Kongresses der Österreichischen Schmerzgesellschaft* nicht nur für eine subtile Diagnostik in dieser therapeutisch herausfordernden Entität, sondern auch für Medikamente mit polyvalenter Wirkung.

Opioide sehr gut wirken, und ich sehe in den Opioiden nichts Problematisches, wenn sie ordentlich verschrieben und kontrolliert werden.“ Auf der sechsten Stufe steht eine „gezielte Pharmakotherapie“. „Was waren also die Stufen davor?“, so Prof. Ilias kritisch.

Antikonvulsiva/Gabapentinoide Sowohl Gabapentin als auch Pregabalin greifen nicht am GABA-Rezeptor an, sondern an der Alpha-2-delta-Einheit von Kalziumkanälen an. „Gabapentinoide wirken bei Arthritis, wenn eine sekundäre Hyperalgesie auftritt, aber auch bei einer zentralen Sensibilisierung mit Hyperalgesie sowie bei Vermehrung und Modifikation von WDR-Neuronen, welche z. B. auf Druck reagieren“, weiß Prof. Ilias. Wobei die Wirksamkeit bei mechanischer Allodynie (sekundär) besser ist als bei Hitze-Allodynie (primär). Bei Arthritis ohne sekundäre Hyperalgesie wirken Gabapentinoide dagegen nicht.

Natriumkanalblocker Ein traditioneller Vertreter, der bei Trigeminusneuralgie gegeben wird, ist Carbamazepin.Von den I.-v.-Lokalanästhetika

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