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Der bestmögliche Schutz
Österreichischer Impftag 2022 – eine Gesamtschau
„Studien zeigen: Der ärztliche Rat ist nach wie vor der wichtigste Einflussfaktor bei der Impfentscheidung“ , eröffnete Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein den diesjährigen Impftag. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse rund um die COVID-19-Impfungen wurden bei der Hybridveranstaltung* am 22.1.2022 von namhaften Expertinnen und Experten präsentiert sowie diskutiert. Nachfolgend eine Zusammenfassung.
Status der COVID-19-Impfstoffe und Ausblick
Univ.-Prof. Dr. Franz X. Heinz
Alle bislang in Österreich zugelassenen Vakzine (siehe Tabelle) basieren auf dem Spike-Protein. Dieses Virusprotein ist deshalb von so großer Bedeutung, weil (1) das Virus mit dieser Struktur an die Wirtszelle andockt und (2) gegen das Protein die neutralisierenden Antikörper gebildet werden. Das Spike-Protein induziert im Körper sowohl die Bildung von Antikörpern als auch eine zelluläre Immunantwort.
TABELLE
Zugelassene COVID-19-Vakzine in Österreich
Impfstoff (Hersteller) Impfstofftyp
Comirnaty® (BioNTech/Pfizer) mRNA
Spikevax® (Moderna) mRNA
Vaxzevria® (AstraZeneca) Vektorbasiert
COVID-19 Vaccine Janssen® (Johnson & Johnson) Vektorbasiert
Nuvaxovid® (Novavax) Subunit-Impfstoff
Phase-III-Zulassungsstudien
Polack et al, 2020, NEJM1
Baden et al, 2021, NEJM2
Voysey et al, 2021, The Lancet3
Sadoff et al, 2021, NEJM4
Dunkle et al, 2022, NEJM5
Subunit-Impfstoffe
Nuvaxovid® wurde Ende 2021 als erster proteinbasierter Impfstoff in der EU zugelassen. Die ersten Dosen werden für spätestens Ende Februar in Österreich erwartet. Das Vakzin enthält reines Spike-Protein, welches gentechnisch in Insektenzellen hergestellt wird. Für eine ausreichende Aktivierung des Immunsystems ist ein Adjuvans (Matrix M) zugesetzt. In den Zulassungsstudien zeigte das Serum von Novavax eine ähnlich hohe Wirksamkeit wie die mRNA-Impfstoffe.5 Weitere Subunit-Vakzine befinden sich in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien: z. B. von Clover6 und Sanofi/GSK7 .
Inaktivierte Vakzine
Weltweit sind bereits drei „Totimpfstoffe“ am Markt: Sinovac und Sinopharm (in China) sowie ein Produkt von Bharat (in Indien). Der Impfstoff von Valneva wird derzeit in Europa ent-
wickelt und befindet sich seit Anfang Dezember 2021 im Rolling-ReviewVerfahren der EMA. Im Unterschied zu den bislang verfügbaren Vakzinen enthalten inaktivierte Impfstoffe neben dem Spike-Protein auch andere Antigene (v. a. das Nukleokapsid-Protein). Diese können ebenfalls eine Immunantwort auslösen, ihre Rolle beim Gesamtschutz ist unklar.
Weiterentwicklung
Adaptierte Impfstoffe könnten zukünftig rascher zugelassen werden – vergleichbar mit den jährlichen Adaptierungen bei der Influenza-Schutzimpfung. Der Aufwand für die Anpassungen ist je nach Kategorie unterschiedlich groß. BioNTech und Moderna haben bereits angekündigt, dass modifizierte Impfstoffe in Kürze verfügbar sein werden.
INFO
Dritt- und Viertstich
Alle Personen ab 18 Jahren sollten nun bereits 4 Monate nach der 2. Impfung geboostert werden. 12- bis 17-Jährigen wird der Booster 6 Monate nach der 2. Impfung angeraten, in Einzelfällen schon nach 4 Monaten. Für Kinder unter 12 Jahren gibt es derzeit keine Empfehlungen hinsichtlich des
Drittstichs. Mangels wissenschaftlicher Daten wird eine 4. Impfung momentan nicht allgemein empfohlen. Im Hochrisikobereich kann sie ab 6 Monaten nach der 3. Injektion erwogen werden.
Abweichende Intervalle und nach Infektion
Bei versäumten Impfungen wird folgende Vorgehensweise vorgeschlagen: Wenn zwischen 1. und 2. Impfstoffgabe mehr als 6 Monate vergangen sind, so wird die zweite als erste angesehen. Wenn das Intervall zwischen 2. und 3. Impfung überzogen wurde, so sollte die 3. möglichst rasch nachgeholt werden. Es ist aber kein Neubeginn der Impfserie notwendig. Neue Empfehlungen gibt es auch bezüglich der Impfschemata nach einer PCR-bestätigten Infektion. Details sind den Anwendungsempfehlungen8 zu entnehmen.
Aktuelle Anwendungsempfehlungen
Priv.-Doz.in Mag.a Dr.in Maria Paulke-Korinek
„Impfempfehlungen sind nichts Starres, sondern müssen laufend reevaluiert und angepasst werden“ , machte Priv.-Doz.in Paulke-Korinek aufmerksam. Zuletzt wurden die Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums (NIG)8 am 23.12.2021 aufgrund der Omikron-Welle aktualisiert. Die wichtigsten Neuerungen sind der Infobox unten zu entnehmen.
Keine Bestimmung von Antikörpern
Das NIG rät explizit von einer Überprüfung des Impferfolgs mittels Titerkontrolle ab. Es ist bislang nicht möglich, von einem individuellen Wert auf eine Schutzwirkung zu schließen. Zudem sind Antikörper nur ein Surrogatparameter für die gesamte Immunantwort. >

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Encepur® Kinder (0,25 ml) ist zur aktiven Immunisierung von Kindern ab dem vollendeten 1. Lebensjahr und bis zum Ende des 12. Lebensjahrs gegen FrühsommerMeningoenzephalitis (FSME) indiziert.1 Encepur® Erwachsene (0,5 ml) ist zur aktiven Immunisierung von Personen ab 12 Jahren gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) indiziert.2

Die einzige Situation, in der eine Bestimmung von Antikörpern derzeit sinnvoll erscheint, ist bei Personen mit einer unklaren immunologischen Reaktionsfähigkeit.
SARS-CoV-2 und seine Varianten
Univ.-Prof.in Dr.in Elisabeth Puchhammer-Stöckl
In den vergangenen zwei Jahren hat sich das SARS-CoV-2-Virus ständig genetisch weiterentwickelt. In den meisten Fällen haben Mutationen keine Konsequenzen und verlaufen weitgehend unbemerkt. Mitunter kann das Virus aber auch Vorteile daraus ziehen, beispielsweise durch: • eine höhere Infektiosität, • eine höhere Virusreplikation, • eine bessere Umgehung der Immunantwort. Varianten, die diese Fähigkeiten besitzen, werden als „Variants of Concern“ (VOC) bezeichnet und ständig beobachtet. „Vermutlich entstehen Virusvarianten zu einem Großteil in immunsupprimierten Personen“ , so Prof.in Puchhammer-Stöckl. „Denn diese Menschen werden das Virus häufig nicht mehr los und bieten ihm die Gelegenheit, sich ununterbrochen zu replizieren. “ Es gibt Hypothesen, die davon ausgehen, dass sich Omikron im südlichen Afrika in einem HIV-Patienten entwickelt hat.
Wie ist Omikron zu bewerten?
Omikron ist deutlich infektiöser als alle bisher bekannten Varianten. Insbesondere im oberen Respirationstrakt vermehrt sich das Virus mit beeindruckender Geschwindigkeit. Die Infektionsverläufe sind jedoch weniger schwer: Erste klinische Daten aus Südafrika zeigen keine erhöhte Todesrate.9
Mag.a Dr.in Irene Senn
* Dieser Artikel bezieht sich auf ausgewählte Vorträge des Österreichischen Impftages, welcher am 22.
Jänner 2022 im Van Swieten Saal der MedUni Wien stattgefunden hat.
Quellen: 1 Polack FP et al., N Engl J Med 2020;383(27):2603-2615. 2 Baden LR et al., N Engl J Med 2021;384(5):403-416. 3 Voysey M et al., Lancet 2021;397(10269):99-111. 4 Sadoff J et al., N Engl J Med 2021;384(19):1824-1835. 5 Dunkle LM et al., N Engl J Med 2021. DOI:10.1056/
NEJMoa2116185. 6 Liang JG et al., Nat Commun 2021;12(1):1346. 7 Wrapp D et al., Science 2020;367(6483):1260-1263. 8 Nationales Impfgremium, Anwendungsempfehlungen zur Covid-19-Impfung, Version 8.0. 9 Abdullah F et al., Int J Infect Dis 2021;116:38-42.
© shutterstock.com/ Marco Ritzki
Weitere Neuerungen im Impfplan 2022
Wissenswertes abseits von COVID-19

Im Impfplan Österreich 2022 finden sich viele Ergänzungen um Details, jedoch abseits von COVID-19 nur wenige große Neuerungen. Zu letzteren zählen: • Ab 2022 stehen HPV-Nachholimpfungen an öffentlichen Impfstellen der
Bundesländer bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zum Selbstkostenpreis zur Verfügung. Bisher gab es dieses
Angebot nur bis zum 15. Lebensjahr.
Für eine hinreichende Immunantwort sind ab dem vollendeten 15. Lebensjahr drei (statt zwei) Dosen notwendig. Zusätzlich können vergünstigte
Nachholimpfungen in diesem Alter im
Rahmen einer gemeinsamen Impfaktion von Ärzte- und Apothekerkammer nun auch im niedergelassenen Bereich in Anspruch genommen werden. • Das inaktivierte Herpes-Zoster-Vakzin Shingrix ist seit Herbst 2021 in Österreich verfügbar. Allen Erwachsenen ab dem 50. Lebensjahr werden zwei Impfungen im Abstand von zwei
Monaten nahegelegt. Bei entsprechender Indikation, etwa einer schweren
Grunderkrankung oder Immundefekten, wird die Immunisierung schon ab dem 18. Lebensjahr empfohlen. • Für das kostenfreie Kinderimpfprogramm Influenza wurde die frühere
Altersbegrenzung (zwischen sechs
Monaten und 14 Jahren) aufgehoben, da noch genügend Dosen für die aktuelle Saison verfügbar sind. Fluenz tetra kann bis zum vollendeten 18.
Lebensjahr verimpft werden, Fluarix tetra ohne obere Altersgrenze (die
Umsetzung ist allerdings in den Bundesländern unterschiedlich). Bei der
Erstimpfung von Kindern bis zum vollendeten achten Lebensjahr soll-
ten zwei Impfungen im Abstand von mindestens vier Wochen erfolgen, die beiden Impfstoffe dabei nicht gemischt werden. Auch für Alten- und Pflegeheime stehen wieder Influenza-Impfstoffe zur Verfügung. • Der Pneumokokken-Impfstoff Synflorix ist in Österreich nicht mehr verfügbar. Mit Synflorix angeimpfte Kinder können aber problemlos mit Prevenar 13 fertig geimpft werden. Die Impfstoffhersteller kündigten für 2022 die
Zulassung weiterer Impfstoffe mit einer anderen Subtypen-Zusammensetzung (15- bzw. 20-valent) an. • Bei Haemophilus influenzae Typ B sind die Indikationen und das Impfschema für Risikogruppen präzisiert worden. • Nachholimpfungen gegen Meningokokken bei Kindern werden bis zum 25. Lebensjahr empfohlen, die Impfindikation wurde leicht angepasst. <
Quellen: Empfehlungen bezüglich der Influenza-Impfung für die aktuelle Saison: sozialministerium.at/influenza
Der Impfplan online: