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Stress kann die Symptome verstärken

Wie psychische Faktoren bei Allergien und Asthma mitwirken

Psyche, Immun- und Nervensystem sind miteinander verbunden und können auf Grund diverser Botenstoffe miteinander kommunizieren. Das erklärt die Auswirkungen psychologischer Prozesse auf verschiedenste Funktionen unseres Körpers. So liegt es nahe, dass Stress auch allergische Reaktionen bei Asthma sowie Allergien beeinflussen kann. Beide Krankheitsformen treten bekanntlich sehr oft gemeinsam auf.

Häufige Triggerfaktoren

In Hinblick auf psychischen Stress zeigt unter anderem eine finnische Studie einen möglichen Zusammenhang mit allergischen Atemwegserkrankungen und Asthma auf. Dazu meint OÄ Dr.in Monika Kaufmann, Leiterin der Pneumologischen Ambulanz, Klinik Floridsdorf: „Prinzipiell sind allergische Atemwegserkrankungen eine Form des Asthmas. Asthma kann durch verschiedene Faktoren getriggert werden. Dazu gehört auch Stress. Zusätzliche typische Triggerfaktoren können Kälte, körperliche Belastung, virale Infekte oder Allergien sein. Den Begriff allergische Atemwegserkrankungen verwendet man als Synonym von allergischem Asthma, was aber nur eine Form des Asthmas ist. Heute unterscheidet man Th2- von Non-Th2- vermitteltem Asthma, wobei das allergische zum Th2-vermittelten Asthma zählt. Stressbedingtes Asthma lässt sich hier nicht wirklich einordnen, denn diese Kategorisierung stammt noch aus früheren Zeiten. “ Dr.in Lea Sator MSc, MBA, Fachärztin für Lungenerkrankungen mit Praxis in WienSimmering, ergänzt: „Die finnische Studie hat ergeben, dass psychosozialer Stress das Risiko, an Asthma zu erkranken, erhöhen kann. Insbesondere wenn es sich um allergisches Asthma handelt, also wenn das Leiden nicht

EXPERTIN: OÄ Dr.in Monika Kaufmann

Leiterin der Pneumologischen Ambulanz, Klinik Floridsdorf

© Fotostudio Thomas Staudigl

durch einen Infekt, Anstrengung oder Kälte bedingt ist. “ Dass psychischer Stress Asthma verursacht, muss nach aktuellem Stand der Wissenschaft jedoch verneint werden. Allerdings kann Stress die Symptome verschlimmern und einen Anfall auslösen. Denn Stress verändert das biologische Gleichgewicht unseres Körpers mit Konsequenzen für den gesamten Organismus.

Asthma ist Stress pur

Psyche im Blick bei Allergien

Allergiker berichten davon, dass sich ihre Symptome durch Stress, Angst sowie Konflikte in Partnerschaft oder Beruf verschlimmerten. Und Untersuchungen haben ergeben, dass sowohl bei Neurodermitis als auch bei Heuschnupfen psychische Konflikte die Beschwerden verschlimmern oder sogar Krankheitsschübe heraufbeschwören können. OÄ Kaufmann: „Psychischer Stress kann einen Asthmaanfall auslösen, aber keine Allergien. Allergien sind gekennzeichnet durch die genetische Prädisposition, auf ein bestimmtes Allergen mit einer IgE-Antikörperbildung zu reagieren. Diese IgE-Bildung bedeutet aber noch nicht, dass eine Allergie vorliegt. Von einer solchen spricht man erst dann, wenn zusätzlich Symptome bestehen. Sonst nennt man es Atopie. “ Kurzum: Allergien können durch psychische Faktoren nicht verursacht werden. Allerdings können Letztere die Symptome verschlimmern und eventuell Krankheitsschübe auslösen. Grund dafür ist, dass Stress unser Immunsystem schwächen kann, was die Heftigkeit einer Allergie noch steigert. Wer schon einmal einen Asthmaanfall erlitten oder einen solchen bei einem Betroffen miterlebt hat, der weiß, dass dieses akute Symptom Stress pur bedeutet. Und das ist kein Wunder, denn die einsetzende Atemnot stellt ein stark angstbesetztes Symptom dar. Die Gefahr zu ersticken löst Todesängste aus. OÄ Kaufmann: „Bei jedem Menschen verursacht das Gefühl, nicht gut Luft zu bekommen bzw. zu ersticken, Stress. In der Folge können Atemwegserkrankungen – nicht nur Asthma! –, die zu einem Sauerstoffmangel führen, auch Depressionen nach sich ziehen. Der Begriff psychischer Stress ist sehr allgemein gehalten. In der Regel äußert er sich durch Angststörungen und Depressionen. “ Dr.in Sator ergänzt: „Hat jemand in der Vergangenheit Atemnot oder einen Asthmaanfall erlitten, dann hat er Angst, dass so ein Problem wieder auftritt. Und Angst bedeutet Stress für unseren Körper.“

Stress bekämpfen

Wer unter Stress auf Grund von Atemwegserkrankungen oder Allergien leidet, kann mit diversen Entspannungstherapien dagegen ankämpfen. „Entspannungsübungen und in weiterer Folge durchwegs auch psychosomatische Therapien als Ergänzung zu medikamen-

tösen können Allergien und Asthma positiv beeinflussen. In der alleinigen medikamentösen Behandlung liegt in vielen Fällen nicht die Lösung“ , gibt Dr.in Sator zu bedenken. Mit diversen Übungen kann der Teufelskreis von negativem Stress und seinen Auswirkungen auf das körperliche und seelische Gleichgewicht unterbrochen werden. Zusätzlich zu den medikamentösen Therapien sind sie sehr erfolgversprechend. Psychosomatische Therapieoptionen gibt es viele. Etwa das Autogene Training, bei dem durch an sich selbst gerichtete „Befehle“ , also durch Autosuggestion, das vegetative Nervensystem beeinflusst wird. Dabei wird die Gehirnaktivität verändert und Stress abgebaut. Auch andere mentale Techniken, Meditation oder spezielle Bewegungsformen wie Qigong oder Tai-Chi können unseren Körper entspannen und den Stress mindern. Interessant ist auch die progressive Muskelentspannung nach Jacobson – dabei empfinden viele Patienten den Wechsel von Anspannung und LockerEXPERTIN: lassen als hilfreich, weil Herzschlag und Dr.in Lea Sator, MSc MBA Fachärztin für Lungenerkrankungen, Atmung ruhiger werden und damit die innere Ausgeglichenheit steigt. Auch 1110 Wien Hypnose hat sich als hilfreich erwiesen – ebenso wie die Führung eines AntiAllergie-Tagebuchs, in dem festgehalten wird, in welcher psychischen Verfassung die Symptome am schwächsten bzw. am stärksten sind. Damit kann – langfristig gesehen – eine Strategie entwickelt werden, um „negative“ Situationen zu vermeiden. Auch ein stressfreier Umgang mit der Allergie, also wenn den auslösenden Faktoren entspannt gegenübergetreten wird, kann die Auswirkungen positiv beeinflussen.

Gabriella Mühlbauer

Fortbildung Allergiediagnostik in der allgemeinmedizinischen Praxis

Trotz hohen Erkrankungsraten und teils erheblichen Einbußen an Lebensqualität werden allergische Erkrankungen in ihren patientenindividuellen, gesellschaftlichen und ökonomischen Auswirkungen immer noch häufig bagatellisiert, obwohl sie chronifizieren und sogar tödlich verlaufen können.

Allergien im Vormarsch

Laut der österreichischen Gesundheitsbefragung 2019 ist rund ein Viertel der Österreicher ab 15 Jahren durch irgendeine Form von Allergie beeinträchtigt, wobei jüngere Bevölkerungsgruppen häufiger betroffen sind als ältere (15–59 Jahre: 25,1%; 75+ Jahre: 13,4%)1. Ein Anstieg allergischer Erkrankungen ist jedoch weltweit zunehmend auch bei Kleinkindern und älteren Menschen jenseits des 70. Lebensjahres mit immer schwereren und komplexeren Krankheitsverläufen zu beobachten2 .

Risikofaktoren und Symptome

Für die Entstehung allergischer Erkrankungen sind neben genetischen Faktoren auch Umwelt- und Lebensstileinflüsse von Bedeutung. Die wichtigsten Risikofaktoren sind Rauchen und Passivrauchen, intensive Allergenexposition, Schimmel oder Luftschadstoffe wie Dieselruß oder Ozon sowie virale Infekte. Die Symptome einer Allergie können mild (z. B. Urtikaria) oder schwer (z. B. Asthma) ausgeprägt und manchmal sogar lebensbedrohlich (z. B. Anaphylaxie) sein. Bei folgenden Symptomen sollte im Zuge der Anamnese immer auch eine allergische Erkrankung in Betracht gezogen werden: • Haut: Ekzem, Juckreiz, Erytheme, Urtikaria • Magen/Darm: Diarrhoe, Abdominalgie,

Erbrechen, Kolik, Obstipation, Flatulenz,

Blutstühle • Augen/Nase/Mund: Juckreiz im Rachen und am Gaumen, Schwellung von Lippen, Zunge und Augenlidern, Augenrötung (rezidivierend), nasale Obstruktion,

Niesen und nasale (klare) Sekretion • Lunge: rezidivierendes Giemen/Brummen, Husten (meist trocken-unproduktiv speziell bei Belastung, beim Herumtollen, durch emotionale Stimuli), Atemnot,

Thoraxengegefühl • Gedeih- oder Entwicklungsstörung beim

Kleinkind

Frühzeitige Diagnosestellung essenziell

Eine frühzeitige Diagnose und Einleitung einer adäquaten Behandlung sind essenziell, um eine Chronifizierung der Beschwerden zu vermeiden. Dabei kommt Ärzten für Allgemeinmedizin eine Schlüsselfunktion zu, da sie als die meist ersten Ansprechpartner bei allergischen Beschwerden die gezielte Anamnese und Symptomabklärung einleiten. Das diagnostische Prozedere umfasst neben Anamnese, Hauttests und/oder In-vitro-Verfahren (z. B. CAP-Test) sowie Provokationstests zur Relevanzprüfung, wobei letztere in allergologisch spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Auch Vorsorgeuntersuchungen sollten unbedingt zur Frage nach allergischen Erkrankungen oder Symptomen genutzt werden.

Molekulare Allergiediagnostik – CRD

Wird mit Routinemethoden, d. h. Allergenextrakten kein eindeutiges Ergebnis erzielt, ermöglicht die molekulare Diagnostik mittels Tests mit spezifischen Allergenkomponenten (Component-Resolved Diagnostics/CRD) in manchen Fällen eine präzisere Diagnostik, die individuelle Sensibilisierungsmuster erfasst. Dabei werden einzelne, meist rekombinant hergestellte allergene Proteine, sogenannte Allergenkomponenten, eingesetzt, welche die Bestimmung von spezifischen IgE-Antikörpern gegen Haupt-, Neben- und Pan-Allergene und die Ermittlung von Kreuzreaktionen mit einem anderen Allergen ermöglichen. In der Hand von Allergieexperten dienen sie zur Abschätzung des Risikos eines Patienten für eine systemische Reaktion oder eine mildere Reaktion3 .

AM PLUS Online Webinar

„Allergiediagnostik in der allgemeinmedizinischen Praxis“ 17. März 2022 | 18:00 –19:00 Uhr

Dr. Erwin Rebhandl, Präsident von AM PLUS, Arzt für Allgemeinmedizin, Haslach Prim. i.R. Dr. Gert Wurzinger, Facharzt für Lungenkrankheiten, Graz Anmeldelink: https://allergiediagnostik.eventbrite.at

Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldeschluss: 16. März 2022

Mit freundlicher Unterstützung von Grundsätzlich ist es empfehlenswert, selbst kurz dauernde allergische Situationen abklären zu lassen, da die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten weiterer Allergien groß ist.

Weiterführende Informationen bietet das Experten-Statement „Diagnostik und Therapie von Allergien in der Primärversorgung – Nahtstellenmanagement zwischen Primärversorgung und allergologisch spezialisierten Fachärzten“ von AM PLUS – Initiative für Allgemeinmedizin und Gesundheit, das unter der Faxnummer 01/402 13 41-18 oder E-Mail: office@update.europe.at kostenfrei angefordert werden kann.

Referenzen: 1 Statistik Austria: Österreichischer Gesundheitsbericht 2019 (2020). 2 Schwarz B, et al. Aktuelle Versorgungssituation allergischer

Atemwegserkrankungen und Ausblick zur allergenspezifischen Immuntherapie in Österreich, 2019. 3 Canonica GW, et al. A World Allergy Organization Journal 2013;6(1):1-17. BEZAHLTE ANZEIGE

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