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Fehlendes X-Chromosom

Lebenslange Begleitung von Mädchen und Frauen mit Turner-Syndrom

In etwa eines von 2.500 Mädchen wird mit einem teilweise oder vollständig fehlenden X-Chromosom geboren. Damit stellt das TurnerSyndrom (TS) bzw. UllrichTurner-Syndrom eine Seltene Erkrankung, jedoch gleichzeitig die häufigste angeborene Geschlechtschromosomenanomalie dar. Die Kombination von Wachstumsstörung und Ovarialinsuffizienz wurde erstmals von Dr. Henry Turner und Dr. Otto Ullrich beschrieben, daher der Name. Der oft gebrauchte Begriff Monosomie X bezieht sich auf den typischen genetischen Befund bei Mädchen mit TS. Diesen Karyotyp haben ca. die Hälfte der Betroffenen, der Rest weist ein Mosaik oder eine strukturelle Veränderung eines der XChromosomen in allen Körperzellen auf. Die phänotypische Ausprägung variiert stark und ein engmaschiges Monitoring des Verlaufes ist erforderlich.

Diagnostische Wegweiser

„Meist wird die Diagnose nach der Geburt oder im Kleinkindalter gestellt“ , erklärt Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Häusler, Leiterin der Ambulanz für Pädiatrische Endokrinologie und Osteologie, Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, MedUni Wien, Vienna Bone and Growth Center. Bei Neugeborenen gelten dorsale Lymphödeme der Hände und Füße als Anzeichen für ein TS. Mädchen mit Turner-Syndrom können durch häufig vorkommende Merkmale wie ein Pterygium colli oder eine weite Brust mit weit auseinanderstehenden Mamillen und eingezogenen Brustwarzen auffallen. „Red Flags“ , die Haus- oder Kinderärztinnen und -ärzte jedenfalls an ein Turner-Syndrom denken lassen sollten, sind laut Prof.in Häusler eine Wachstumsstörung sowie eine ausbleibende Pubertätsentwicklung bei Mädchen. Bestehe ein starker Verdacht, solle eine direkte Zuweisung zur Chromosomenuntersuchung (Zytogenetik) oder an eine Spezialambulanz für Pädiatrische Endokrinologie erfolgen.

Vielzahl von Komorbiditäten

„Prinzipiell werden Mädchen und Frauen mit Turner-Syndrom an spezialisierten Zentren betreut“ , schildert die Expertin. Die Anforderungen an den endokrinologischen und internistischen Bereich sind komplex. Zwar besteht bei Mädchen mit TS kein Wachstumshormonmangel, jedoch kann die Behandlung mit Wachstumshormon die Endgröße positiv beeinflussen. Um die Pubertät einzuleiten, bedarf es in den meisten Fällen einer Östrogenersatztherapie. Zudem ist das TS in hohem Maße mit Komorbiditäten vergesellschaftet (siehe Infobox). Die entsprechenden Kontroll- oder ScreeningUntersuchungen müssen nicht nur im Kindes-, sondern auch im Erwachsenenalter regelmäßig durchgeführt werden. Ein multidisziplinäres Patientenmanagement durch Ärztinnen und Ärzte an spezialisierten Kliniken und im niedergelassenen Bereich sowie durch therapeutische Berufe ist gefordert.

EXPERTIN: Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Häusler

Leitung Ambulanz für Pädiatrische Endokrinologie und Osteologie, MedUni Wien

Psychosoziale Faktoren

„Die Patientinnen müssen neben vielen körperlichen Schwierigkeiten auch psychosoziale Einschränkungen mit Auswirkungen auf ihre zukünftige Lebensqualität bewältigen“ , so Dr.in Caroline Culen, Dr.in Diana-Alexandra Ertl und Prof.in Häusler in einem Fachartikel zum Thema.1 Beispielsweise sei das Risiko erhöht, neuropsychologische Symptome, etwa Aufmerksamkeitsdefizite oder eine Hyperaktivität, zu entwickeln. Damit einhergehen könnten Lernschwierigkeiten und Schulprobleme. Später rücken oftmals Themen wie Sexualität, unerfüllter Kinderwunsch sowie Ausbildung und Beruf in den Vordergrund der Betreuung.

Anna Schuster, BSc

Literatur: 1 Culen C, Ertl AD & Häusler G, J. Klin. Endokrinol. Stoffw. 11, 27–29 (2018).

INFO

Zu häufigen Komorbiditäten des TurnerSyndroms – neben Wachstumsstörung und Ovarialinsuffizienz – gehören:

„ angeborene Herzfehler, z. B. Aortenisthmusstenose und bikuspidale Aortenklappe „ Fehlbildungen an Nieren und Nierengefäßen „ Hashimoto-Thyreoiditis „ Zöliakie „ Hörstörungen „ Diabetes mellitus Typ 2 „ Osteoporose bei ungenügender Östrogensubstitution

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