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Wenn Schlafstörungen den Atem rauben
Die funktionelle Druckluftschienung der oberen Atemwege während des Schlafes mittels Continuous Positive Airway Pressure (CPAP) stellt seit über 30 Jahren die Goldstandardtherapie beim OSAS dar. Allerdings beträgt die Therapieadhärenz und Compliance aus medizinischen und psychologischen Gründen meist nur 30–70 Prozent.1,2 So rücken alternative operative und nicht operative Therapien des obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS) in den Fokus weltweiter Forschungsaktivitäten, um die allnächtliche CPAP-Maskennutzung zu umgehen. Seit 1994 wird an der Entwicklung einer Hypoglossus-Schrittmacher-Technologie gearbeitet, welche in der Lage ist, atemsynchron den N. hypoglossus zu stimulieren, ohne die Schlafqualität zu beeinträchtigen. Um als Therapie für OSAS-Patienten in Frage zu kommen, musste ein Zungenschrittmacher-System entwickelt werden, welches voll-implantierbar durch Hals-NasenOhren-Ärzte sowie vom Schlaflabor einzustellen ist und vor allem vom Patienten leicht bedient werden kann. Eines dieser Stimulationssysteme ist das der Firma Inspire Medical Systems, Minneapolis, Minnesota, USA. Es setzt sich aus Atemsensor, Schrittmacheraggregat und Stimulationselektrode zusammen und erfüllt die besagten Anforderungen (siehe Abb. 1).
Aufzeichnung der Druckschwankungen der Atemzyklen
Nach operativer Platzierung der Stimulationselektrode an Protrusorästen des N. hypoglossus und nach Überprüfung der gewünschten Zungenbewegung unter Stimulationsbedingungen erfolgt die Implantation eines Piezo-Atemsensors im Interkostalraum. Dieser zeichnet die Druckschwankungen eines jeden Atemzyklus (Inspiration und Exspiration) auf, um die elektrische Nervenstimulation zu synchronisieren. Sowohl das Elektrodenkabel als auch das Sensorkabel werden mit einem Führungsdraht unter der Haut getunnelt und bis zur rechten Brustseite geführt, wo sie am dort platzierten Schrittmacher (Impulsgenerator) fixiert werden. Durch die muskulöse Verbindung von Zunge und Weichgaumen über den M. palatoglossus wird bei Stimulation nicht nur eine Protrusion der Zunge, sondern auch eine Öffnung des Atemweges auf Höhe des Velopharynx erreicht. Seit 2015 werden auch an der Univ.-HNOKlinik der Med Uni Innsbruck Behandlungen mit der Hypoglossusnerv-Stimulation durchgeführt. Die Zuweisung erfolgt hauptsächlich durch das Schlaflabor der Uniklinik für Neurologie. Bisher haben in Tirol zwanzig Patienten diese Therapie erhalten. Nach vorheriger Prüfung der Einschlusskriterien mittels Polysomnographie und Schlafvideoendoskopie wird die rund dreistündige Operation vorgenommen. Von leichten Wundheilungsstörungen abgesehen, wurden postoperative Komplikationen nur sehr selten beobachtet. Nach einer Einheilungsphase von vier bis acht Wochen wird das System aktiviert und nach einer weiteren Testphase schließlich im Schlaflabor therapeutisch im Rahmen einer Polysomnographie titriert.
© Birte Bender

Abbildung 1: Eine postoperative Röntgen-Thorax-Aufnahme zeigt die implantierten Systemkomponenten (Stim = Stimulationselektrode, Sens = Sensorelektrode). Abbildung 2: Planung der Inzisionen submental für die Stimulationselektrode, infraklavikulär für den implantierbaren Pulsgenerator und an der rechten Thoraxwand für die Atemsensorelektrode.
Entwicklungen der letzten Jahre
Seit Juni 2017 steht das neue Modell Inspire IV™ zur Verfügung, welches deutlich kleiner, flacher und somit leichter ist und eine MRT-Kompatibilität besitzt. Auch die Implantationstechnik wurde weiterentwickelt und seit Mai 2021 sind statt der üblichen drei Inzisionen (siehe Abb. 2) nur noch zwei Inzisionen notwendig, da die Sensorelektrode im Bereich des Pulsgenerators im zweiten bis dritten Interkostalraum positioniert wird. Daraus resultieren kürzere OP-Zeiten und für

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© Peter Bauer den Patienten eine bessere Wundheilung durch den Wegfall der oft als schmerzhaft empfundenen thorakalen Inzision.
Leitlinien-Empfehlungen
In Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Therapie in der Routineanwendung liegen u. a. Veröffentlichungen zu Untersuchungen an großen Kohorten bis 1.800 Patienten und zu einem Kontrollzeitraum von drei Jahren vor.3,4 Alle Studien belegen konsistent, dass die Methode nachhaltig den Schweregrad der Schlafapnoe verringert und die Lebensqualität der Betroffenen anhaltend verbessert sowie exzessive Tagesschläfrigkeit signifikant reduziert.5,6 Vergleichende Studien zeigen eine deutliche Überlegenheit gegenüber klassischen chirurgischen Verfahren, die bislang bei CPAP-Intoleranz angewandt wurden.7-9 Eine 2020 veröffentlichte Studie, in der die Stimulationstherapie mit Nichtbehandlung verglichen wurde, wies erhebliche positive Effekte auf den OSAS-Schweregrad wie auch auf die Lebensqualität über einen Nachsorgezeitraum von zwölf Monaten nach.10 Der vorhandenen klinischen Evidenz zur Hypoglossusnerv-Stimulation folgend, hat die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin die Methode 2017 in die S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen – Kapitel Schlafbezogene Atmungsstörungen“ aufgenommen.11 Das Behandlungsverfahren wird hiernach für die Therapieoptimierung bei geeigneten Patienten mit OSAS empfohlen, wenn die Erstlinientherapie CPAP nicht toleriert wird oder keine ausreichende Reduktion des OSASSchweregrades bzw. der klinischen Symptomatik erzielt werden kann.
Fazit
Die selektive Hypoglossusnerv-Stimulation mit dem Inspire-System stellt ein zuverlässiges chirurgisches Verfahren mit einer niedrigen Nebenwirkungsrate dar, das für ausgewählte Patienten mit OSAS bei CPAP-Versagen und -Intoleranz geeignet ist. Die nachhaltige OSAS-Kontrolle spiegelt sich auch in den patientenrelevanten Endpunkten einer normalisierten Tagesschläfrigkeit und verbesserten Tagesaktivität wider.
AUTORIN: OÄ Dr.in Birte Bender
Univ.-HNO-Klinik, Med Uni Innsbruck
Referenzen: 1 Rotenberg BW et al., J. Otolaryngol. – Head Neck Surg 2016; doi: 10.1186/s40463-016-0156-0. 2 Schoch OD et al., Respiration 2014; doi: 10.1159/000354186. 3 Suurna MV et al., Laryngoscope 2021; doi: 10.1002/ lary.29755. 4 Steffen A et al., Sleep Breath. Schlaf Atm. 2019; doi: 10.1007/s11325-019-01933-0. 5 Kompelli AR et al., World J. Otorhinolaryngol. – Head
Neck Surg 2019; doi: 10.1016/j.wjorl.2018.04.006. 6 Costantino A et al., Sleep Breath. Schlaf Atm 2019; doi: 10.1007/s11325-019- 01923-2. 7 Huntley C et al., Ann. Otol. Rhinol. Laryngol. 2020; doi: 10.1177/0003489420953178. 8 Huntley C et al., The Laryngoscope 2019; doi: 10.1002/ lary.27484. 9 Yu JL et al., The Laryngoscope 2019; doi: 10.1002/ lary.27487. 10 Mehra R et al., Ann. Am. Thorac. Soc. 2020; doi: 10.1513/AnnalsATS.202001-015OC. 11 Mayer G et al., Somnologie 2017; doi: 10.1007/s11818017-0136-2.