Zurich Pride Magazin 2022

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Die Gesprächsrunde:

«Lesbisch, trans und stolz darauf!» Das Wort «lesbisch» hat viele Bedeutungen: Kampfbegriff, Pornokategorie, Lieblingslabel und Schimpfwort. Zum Glück gibt es viele, die es mit Stolz und Freude verwenden, nicht zuletzt trans Frauen und nicht-binäre Menschen. Die LOS hat vier von Ihnen zu einer Gesprächsrunde gebeten.

Welches Lesbenklische erfüllt ihr? Ray: Bei mir sind es die kurzen Fingernägel, und die Docs! Franziska: Alle Frauen in meiner Umgebung haben Angst, dass ich etwas von ihnen will, und das ist auch nicht immer ganz unberechtigt. Joh: Ich habe seit 5 Jahren fast durchgehend einen Buzzcut. Stephenie: Ich gerade auch – aber ich oszilliere immer ein wenig zwischen chapstick lesbian und femme. Was bedeutet das Wort «Lesbe» für euch? Franziska: Bis vor kurzem hat es für mich bedeutet: Als Frau auf Frauen zu stehen. Mittlerweile musste ich das für mich revidieren. Der Hauptaspekt ist für mich auf jeden Fall die romantische Zuneigung. Ray: Lesbisch-Sein hat für mich auch mega viel mit Zärtlichkeit zu tun. Liebe ist immer ein grosses Wort. Aber für mich ist «Lesbe» eine Identität, mit der ich nach aussen zeigen kann, wie ich mich innen fühle. Stephenie: Auch als ich mit 42 eingesehen habe, dass ich trans bin, habe ich mich immer noch mehrheitlich zu Frauen hingezogen gefühlt. Früher hiess es, du bist hetero, aber jetzt: du bist lesbisch. Darum finde ich den Begriff für mich eher schwierig, ich mag eher das Wort frauenliebend oder «gynophil». Joh: Wenn ich das Wort Lesbe höre oder sagen darf, ist es immer so warm, und es fühlt sich gut an. Seit ich dieses Wort habe und für mich benutze, fühle ich mich sicher. Lesbisch sein hat für mich mit Geschlecht, Sexualität und Anziehung zu tun. Und es beschreibt eine Sicht auf die Welt, die

Männer nicht zentriert. Ray: Für mich war das Wort früher sehr negativ besetzt: Du bist als Lesbe entweder ein Lustobjekt oder eine wütende Feministin. Ich musste mich an den Begriff annähern. Seit ich mich als nicht-binär geoutet habe, will ich den Begriff noch viel mehr für mich zurückgewinnen. Weil der Begriff eben so viel Zärtlichkeit beinhaltet und ich finde es schade, dass er von dieser patriarchalen Welt so fremdbesetzt wird. Stephenie: Wie geht ihr mit der Konnotation um, dass nur cis Frauen, die auf Frauen stehen, Lesben sind, was uns ja alle ausschliesst? Ray: Ich finde es hat niemand das Recht, dir ein Label zu geben mit einer eigenen Interpretation. Identität ist schlussendlich, was ich mir selber gebe, mit meinem eigenen Verständnis. Joh: Ich habe für mich die Regel, dass ich mich anderen Leuten gegenüber nicht rechtfertige, was meine Identität und mein Geschlecht, und auch das Wort «Lesbe» angeht. Es ist wichtig zu sehen, dass «Lesbe» nicht immer nur auf Sexualität fokussiert war – das haben vor allem feministische cis Frauen so geprägt. Ich rechtfertige mich anderen gegenüber nicht, warum ich als nicht-binäre Person das Wort Lesbe benutze. Ray: Wir wollen uns gar nicht auf Diskussionen einlassen, es geht darum, diese Labels selbst zu setzen. Franziska: Unbedingt. Und manchmal sind sie auch nicht relevant: Ich möchte das Label trans zum Beispiel gar nicht so viel sehen. Es gibt ganz wenige Kontexte, wo dieses Adjektiv wirklich relevant ist – eigentlich sollte es das oft gar nicht sein!


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