Zurich Pride Magazin 2022

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Warum Pausen als Aktivist auch wichtig sind Text: Max Appenroth, Foto: Sophia Emmerich

Hätte mir vor Jahren jemand gesagt, dass ich irgendwann meinen Beruf als trans Aktivist betiteln würde, hätte ich vermutlich nur gelacht. Dass ich heute mit meiner Leidenschaft mein Geld verdienen kann, zeigt aber auch, wie wichtig und notwendig diese Arbeit noch ist. Trotzdem sag ich mit Freude und Stolz heute: ich bin Max und bin von Beruf trans Aktivist.

Max Appenroth

Mein queerer Aktivismus geht schon in meine Schulzeit zurück als ich 14 Jahre alt war. Der trans Aktivismus selbst kam mit meinem Outing als trans vor 13 Jahren hinzu. Alles begann in der Schule als ich zum Welt-AIDS-Tag eine Spendensammelaktion gestartet habe. Als hätte ich es damals geahnt, bin ich heute ein international anerkannter Experte für die HIV-Prävention in trans Communities. Neben meiner Arbeit im Bereich Public Health, darf ich mich auch stolz Mr. Gay Germany 2022 nennen und bin die erste trans Person, die diesen Titel gewonnen hat. Und egal ob Titelgewinn, oder die Arbeit in der Wissenschaft, beide haben das Ziel die Sichtbarkeit von trans Menschen zu erhöhen und die Akzeptanz gegenüber uns zu steigern.

Auch ich bin nicht von mentalen Challenges verschont geblieben. 2013 hatte ich ein Burn-Out und musste mein Leben radikal ändern, um aus dieser Spirale von Stress, Angst und Niedergeschlagenheit auszubrechen. Ich war damals zum Glück in guter medizinischer Behandlung und konnte aus eigener Kraft wieder Energie schöpfen. Das Zauberwort, das ich damals lernte, war SELFCARE.

Meine Arbeit erfüllt mich, aber ich bin auch schwierigen Situationen ausgesetzt, da mir persönlich und bei der Arbeit nicht alle Menschen immer positiv aufgrund meiner Identität begegnen. Strukturelle gesellschaftliche Hürden kommen noch hinzu, mit denen trans Menschen konfrontiert sind. Aufgrund dieser Umstände leiden sehr viele trans Menschen (und auch andere, die gesellschaftliche Ausschlüsse und Diskriminierung erfahren) an Depressionen, Angstzuständen, bis hin sogar zu einer gesteigerten Suizidalität.

Ich musste lernen, mich nicht nur um andere, sondern mich ganz besonders auch um mich selbst zu kümmern. Mir immer wieder etwas Gutes tun, Pausen einlegen, auf mein Inneres hören. Mir nicht einzureden, dass es egoistisch ist, wenn ich mir Zeit für mich nehme, das bereitet mir damals wie heute immer noch grösste Schwierigkeiten. «Ich selbst bin mir am wichtigsten», ist ein Mantra, das ich immer wieder zu wiederholen versuche und noch lerne, dass dies absolut ok ist.

Festival Co-Moderation am 18.06.2022


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