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Es rattert und knattert auf den Straßen
Auto- und Motorrad-Pioniere in Vorarlberg: Jahre lang war Eugen Zardetti der einzige Autofahrer im Ländle.
Text: Gerhard Thoma Fotos: Archiv
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„Miserable Straßen + auch Fahrt miserabel – bleibt oft stecken. Alle Augenblicke Zünder wechseln etc.“ So beschreibt Eugen Zardetti im Februar 1893 in seinem Tagebuch die Autofahrt von Konstanz nach Bregenz. Das Gefährt mit der Fabrikatsnummer 24 hatte er direkt bei seinem Erfinder, Carl Benz, in Mannheim gekauft. Der dreirädrige „Patent-Motorwagen Modell III“ wurde ihm mit der Eisenbahn von Mannheim nach Konstanz geliefert. Von dort steuerte der erst 17-jährige Mathias Bender, ein Techniker der Firma Benz, das Auto Richtung Bregenz. Zardetti saß neben ihm auf dem Beifahrersitz. Was Zardetti nicht ahnen konnte: Er befand sich auf einem historischen „road trip“. Zum ersten Mal war ein industriell gebautes Auto offiziell in Österreich unterwegs. Die zirka 15 Kilometer lange Fahrt dauerte zwei Tage. Auf der gesamten Strecke bestaunten Menschenmassen die seltsame Kutsche, die ohne Pferde fuhr, Zeitungen berichteten von „einer Droschke, die durch einen Benzin-Motor betrieben wird“. Die Geschwindigkeit betrug wohl zirka 15 km/h. Eine Nichte Zardettis, Lilly Braumann-Honsell, erinnert sich an die Ankunft in Bregenz: „In der Villa Mirador wartete die Gattin schon ängstlich – endlich ratterte der Wagen in kühnem Bogen durch das Parktor. Etwas gerädert, aber glücklich stieg Onkel Eugen aus.“
Bender blieb acht Tage als Fahrlehrer bei Zardetti in Bregenz, erklärte ihm auch die technischen Feinheiten des 2,5 PS starken Motors. Aus dem jungen Bender wurde später ein führender Benz-Wagenbauer und Rennfahrer. Eugen Zardetti wurde 1849 in Rorschach geboren, maturierte an der Stella Matutina in Feldkirch und studierte Philosophie und Architektur. Seine großen Leidenschaften waren jedoch die Porträt- und Marinemalerei sowie die Technik. So leistete er sich die erste private Dampfyacht am Bodensee. Um 1885 verlegte er seinen Wohnort in die Villa Mirador nach Bregenz. Über jede Autofahrt führte Zardetti penibel Buch: Uhrzeit, Witterung, Mitfahrer, Zielort, technische Probleme, „nudelfudelweiche“ Straßen etc. Zardetti notiert auch, wie Leute von gesellschaftlichem Rang beim Vorbeifahren reagieren: wer wie grüßt, wer ihn scheel und neidisch anblickt, wer mit dem Kopf nickt oder freundlich zuwinkt. Wo immer er parkt, muss er sein Auto bewachen lassen, weil Neugierige das Fahrzeug beschädigen könnten. Von 1893 bis 1896 war Eugen Zardetti der einzige Autofahrer in Vorarlberg, bis sich im Jahr 1896 auch der Apotheker Karl Kofler in Dornbirn ein Auto zulegte. Kofler war ein begeisterter Radfahrer – Mitbegründer des Dornbirner Radvereins 1886. Als solcher radelte er nach seiner Apothekerausbildung von Wiesbaden nach Dornbirn, anstatt mit dem Zug zu fahren. Aber nach einer
Der Dornbirner Karl Kofler (18631939) fuhr von 1896 bis 1910 einen „Benz-Victoria“ und war der zweite Autofahrer Vorarlbergs. Den Treibstoff mixte sich der Apotheker selbst.
Probefahrt mit Zardettis Vehikel war er so begeistert, dass er sich selbst ein Automobil kaufte. Koflers Neuwagen war ein Benz-Victoria und hatte vier Räder. Das 5 PS starke Gefährt mit der Fabrikationsnummer 284 wurde ihm am 17. April 1896 direkt vor die Haustüre gefahren – von Monteurmeister Schwenzer höchstpersönlich. Nach Zardetti und dem böhmischen Baron Theodor von Liebig war Kofler der dritte Österreicher, der einen benzinbetriebenen Motorwagen besaß.
Keine Tankstelle, keine Werkstatt
Damals gab es noch keinen Führerschein, geschweige denn Autokennzeichen, Verkehrszeichen, Tankstellen, Werkstätten und Automechaniker. „Selbst ist der Mann“, lautete das Motto. Zardetti bezog sein Benzin bei einem Seifenfabrikanten und aus dem „Consum“ in Lindau. Der als spärig stadtbekannte Kofler stellte den Treibstoff in seiner Apotheke selbst her: Anfangs verwendete er Wundbenzin, später kaufte er Rohöl, destillierte es und tankte das so gewonnene Benzin. Als Nebenprodukt gewann er Petroleum, das er an die Stadt Dornbirn verkaufte, welche es für Straßen-Petroleumlampen brauchen konnte. Sowohl Zardetti als auch Kofler waren technisch versiert und flickten mit mehr oder weniger Hilfe selbst an ihren Fahrzeugen herum. 1898 baute Zardetti sein dreirädriges Benz-Modell III in einen vierrädrigen „Victoria“ um.