marie 52/ September 2020

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Mittendrin in V

„DIE SCHULE BRENNT UNS AUS“ Kommentar: Leonie Feurstein* Foto: Daniela Rusch

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ine Frage an das österreichische Bildungsministerium: Wie viel Gesundheit ist euch Leistung wert? Chronische Gastritis aufgrund von Stress in der Schule – von der Ärztin bestätigt. Das ist leider kein erfundenes Märchen, sondern eine echte Geschichte und die bittere Realität von mir, einer 18-jährigen Schülerin aus Vorarlberg. Doch damit bin ich lange nicht alleine. Immer mehr Jugendliche leiden unter psychischen Problemen und Krankheiten, die durch die Schule verursacht oder auch verschlimmert werden und Leistungsdruck gehört heutzutage genauso zum Alltag wie das tägliche Pausenbrot. In einem System für Leistungsdruck und gegen das Wohlbefinden ist es mehr als an der Zeit, die Meinung von uns Schüler*innen hörbar zu machen und unsere Forderungen endlich an die Politik zu tragen. Wenn wir die Schule abschließen, haben wir fast unser ganzes Leben in einem System verbracht, welches uns nicht nur die Freude am Lernen nimmt, sondern weswegen einem wortwörtlich die Haare vom Kopf fallen, man teilweise Panikattacken vor Schularbeiten bekommt und man Nächte lang aufbleiben

muss, um sich für Tests und Prüfungen gut genug vorzubereiten. Doch wenn einem dann irgendwann alles zu viel wird, gibt es kaum qualifizierte Ansprechpersonen, denen man wirklich vertrauen kann. Für mich ist daher klar: gut ausgebildete Schulpsycholog*innen an allen Schulen müssen endlich Realität werden! Doch auf dem Weg zu einem lebenswerten und stressfreieren Schulalltag müssen auch andere bestehende Strukturen hinterfragt werden. Denn Leistungsdruck ist mittlerweile schon normal geworden. Kritisch zu hinterfragen sind dabei die gängigen Ziffernnoten von 1 bis 5, welche den individuellen Leistungen von uns Schüler*innen niemals gerecht werden. Noten können nicht wirklich etwas über uns aussagen. Zum einen nicht, wie viel Energie wir in ein Fach gesteckt haben, zum anderen werden aber auch wichtige Kompetenzen abseits von Schulfächern komplett ausgeklammert. Von Anfang an war immer klar: Lehrpersonen sollen und dürfen nicht mit Sternchen bewertet werden. Doch wir Schüler*innen werden das schon unser ganzes Leben lang. Es braucht daher ein ausformuliertes und

„Wie viel Gesundheit ist euch Leistung wert?“

*Zur Person Name: Leonie Feurstein Alter: 18 Wohnort: Höchst Schule: HLW Sacre Coeur Riedenburg (5. Jhg)

ausführliches Feedback, welches uns ganz genau zeigt, wo unsere Schwächen aber auch besonders unsere Stärken liegen. Denn wir sind Menschen und bestimmt keine Zahlen im System. Für die Zukunft ist es unumgänglich, dass wir Schüler*innen selbst eine laute Stimme bekommen und endlich in der Politik gehört werden. Wir sollten und müssen mehr in bildungspolitische Diskussionen miteinbezogen werden, denn: Wir sind diejenigen, die jeden Tag in der Schule sitzen und wissen, wo der Schuh drückt!

Laut einer österreichweiten Studie der Arbeitsgemeinschaft für Präventivpsychologie zerbrechen immer mehr Schüler*innen am Leistungsdruck, welcher ihnen in der Schule zugemutet wird. So waren 2010 bereits fünf Prozent aller Schüler*innen Österreichs einem Burn-Out nahe, während 13 Prozent zeitweise belastet waren und im Allgemeinen auf jede*n Dritte*n ab dem zehnten Lebensjahr enormer Stress durch die Schule und die damit verbundenen Pflichten ausgeübt wird. Diese Belastung ist in den letzten Jahren aber noch weiter gestiegen.


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