Hausärzt:in extra
„Der Grad der Erschöpfung steigt“
Foto: © Elisabeth Potzmann, privat
Die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflege verbandes (ÖGKV) über die Herausforderungen der vierten Corona-Welle
Mag.a Elisabeth Potzmann im HAUSÄRZT:IN-Interview.
HAUSÄRZT:IN: Wie heftig trifft die vierte Corona-Welle den Bereich der Pflege? Mag.a POTZMANN: Die Situation ist nicht einfacher geworden. Einige Kolleginnen und Kollegen haben das System bereits verlassen, andere sind – nicht zuletzt aufgrund der enormen Belastungen – im Krankenstand. Dem Pflegemanagement stehen immer weniger Pflegekräfte zur Verfügung, um den Betrieb zu gewährleisten. Dieser wird im Akutbereich derzeit durch Leistungsverschiebungen aufrechterhalten.
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Dezember 2021
Im Langzeitbereich gibt es Bettensperren und in der Mobilen Pflege können Klientinnen und Klienten teilweise nicht in die Betreuung übernommen werden.
ich dafür dankbar, zum anderen sehr stolz darauf, Teil dieser Berufsgruppe zu sein. Wir sollten gerade auch die Menschen im Pflegeberuf ins Blickfeld rücken.
Welche Auswirkungen auf die Psyche des Pflegepersonals sind in der Praxis bemerkbar? Dazu zitiere ich aus „unserer“ Studie der Geschwister Gferer („Gesundheits- und Krankenpfleger*innen während der COVID-19-Pandemie in Österreich“): „41 % der Gesundheits- und Kranken pfleger*innen im Krankenhaus fühlen sich psychisch stark bis sehr stark aufgrund der COVID-19-Pandemie belastet. Dies beinhaltet Symptome wie beispielsweise Ängste, Sorgen, Gedankenkreisen, Schlaflosigkeit, das Nichtabschalten-Können und Ähnliches. Mittelmäßig belastet fühlen sich 44 % und gar nicht bis kaum belastet fühlen sich lediglich 15 %. Weiters fühlen sich Gesundheits- und Krankenpfleger*innen zu 49 % körperlich stark bis sehr stark aufgrund der COVID-19-Pandemie belastet. Dies beinhaltet Symptome wie beispielsweise das Sich-erschöpft-und-ausgelaugtFühlen, zusätzliche oder verstärkte Schmerzen sowie andere körperliche Beschwerden. Mittelmäßig belastet fühlen sich 37 % und gar nicht bis kaum belastet fühlen sich lediglich 15 %.“
Und welche Meinung haben Sie zur Impfpflicht, die Anfang Februar in Kraft treten soll? Die Verkündigung der Impfpflicht hat uns überrascht. Das war nicht unser Weg, denn wir haben auf Information und Dialog gesetzt. Die Entscheidung ist gefallen, wenn auch ohne unsere Zustimmung. Wir müssen nun konstruktiv damit umgehen. Grundsätzlich sind wir für die Impfung und unterstützen auch die Initiative „Österreich impft“. Wir werden unseren Weg der Aufklärung aber konsequent weitergehen. Welche sind Ihre wichtigsten gesundheitspolitischen Forderungen? Nummer eins: Beginn eines strukturierten Prozesses zur Umsetzung der in der Taskforce Pflege erarbeiteten Punkte. Es muss endlich ein Anfang gemacht werden. Nummer zwei: Dazu benötigen wir Geld, welches im aktuellen Budget nicht berücksichtigt ist. Das Problem muss gelöst werden. Nummer drei: Der erste Schritt muss erstens rasch erfolgen und zweitens eine deutliche Erleichterung für die Pflegekräfte bringen. Das Gespräch führte Anna Schuster, BSc.
Was ist diesmal anders als während der ersten Welle(n)? Der Grad der Erschöpfung nimmt zu. Das fehlende Personal macht sich deutlich bemerkbar. Pflegende sind zunehmend haltloser Kritik ausgesetzt. Allerdings ist auch ein bewundernswerter Zusammenhalt zu beobachten. Ganz viele Kolleginnen und Kollegen schöpfen aus ihrer täglichen Arbeit immer noch sehr viel Motivation. Sie gehen ihrer grundsätzlich sehr schönen Aufgabe aus Überzeugung nach. Zum einen bin
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