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Neues Vorgehen bei Morbus Crohn
Die aktualisierte S3-Leitlinie umfasst Empfehlungen für die Diagnostik sowie die Therapie im akuten Schub und zum Erhalt der Remission*
Starke Bauchschmerzen, Durchfall und Gewichtsabnahme sind die Hauptsymptome von Morbus Crohn. Bis die richtige Diagnose gefunden ist, dauert es häufig lange, da andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen ausgeschlossen werden müssen. Der Leidensdruck der Betroffenen ist dementsprechend hoch. Die überarbeitete S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) berücksichtigt den aktuellen Wissensstand der Forschung, Klinik und Praxis, um allen an Diagnose und Therapie Mitwirkenden fundierte Empfehlungen geben zu können.
Die S3-Leitlinie umfasst 162 Empfehlungen in sieben Bereichen zu Diagnostik und Therapie. Diese wurden auf ihre weitere Gültigkeit hin überprüft und, sofern notwendig, adaptiert oder neu erstellt. „Neu an dieser Leitlinie ist, dass wir die künstliche Trennung zwischen Chirurgie und Innerer Medizin aufgehoben haben. Chirurgische Therapien sind keinesfalls das letzte Mittel der Wahl. Sie sind vielmehr integraler Bestandteil. Das verdeutlichen wir auch in der aktualisierten Leitlinie, in der internistische und operative Behandlungen gleichberechtigt nebeneinanderstehen“ , erklären die beiden Koordinatoren der Leitlinie, Prof. Dr. Andreas Stallmach (Uniklinikum Jena) und Prof. Dr. Andreas Sturm (DRK Klinikum Westende Berlin), in einer Aussendung.
Ultraschall bekommt mehr Gewicht
Wichtige Neuerungen in der Leitlinie stellen die Empfehlungen hinsichtlich der Sonografie dar. „Der Ultraschall des Darms hat sich nicht nur bei der Erstdiagnose, sondern auch bei Verlaufskontrollen fest etabliert. Für Patientinnen und Patienten ist diese Untersuchungsmetho- >
de nicht belastend und sie lässt sich – anders als die Koloskopie – ohne spezielle Vorbereitung durchführen. Studien haben gezeigt, dass die Sonografie und andere bildgebende Verfahren wie Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) gleichwertig sind“ , erläutert Prof. Sturm.
Treat-to-Target-Steuerung der Therapie
Eine wichtige Empfehlung betrifft die sogenannte Treat-to-Target-Steuerung der Behandlung. Das bedeutet, dass sich die Therapie auch an objektiven Parametern wie Entzündungswerten im Blut oder an dem in einer Koloskopie darstellbaren Entzündungszustand der Darmschleimhaut ausrichtet. Diese objektiven Krankheitszeichen können vorhanden sein, auch wenn die Patientin oder der Patient selbst beschwerdefrei ist. „Studien konnten bisher keinen eindeutigen Nutzen für diese Art der Therapiesteuerung finden. Somit ist eine endoskopische Kontrolle nur sinnvoll, wenn Patientinnen und Patienten Beschwerden äußern und sich aus dem Befund Konsequenzen ergeben“ , erklärt Prof. Stallmach. Für die Betroffenen soll das die Zahl der Kontrollendoskopien verringern.
Bedeutung der Mukosaheilung
Ziel der Therapie ist – laut der Leitlinie – nicht die alleinige klinische Remission, sondern eine steroidfreie Remission, eine normale Lebensqualität und eine Reduktion von Komplikationen. Zwar spiele die Mukosaheilung hierbei eine wichtige Rolle, da sie mit einer geringeren Zahl von Klinikeinweisungen und Operationen einhergehe. Jedoch bestehe derzeit Uneinigkeit in Hinblick auf deren Definition, das erforderliche Ausmaß der Mukosaheilung und die hierfür erforderlichen therapeutischen Maßnahmen, heißt es im Leitlinienkommentar. Studienergebnisse zu dieser Fragestellung würden für die nahe Zukunft erwartet.
Vorgehen bei akutem Schub
Keine Empfehlung gibt die Leitlinie für die Therapie eines akuten Schubes mit leichter Krankheitsaktivität in Bezug auf das seit Jahrzehnten eingesetzte Mesalazin. Einzelne Studien belegten zwar eine Wirksamkeit in der Remissionsinduktion, jedoch wird diese im Vergleich zu Placebo als klinisch nicht signifikant angesehen. Aktuelle Übersichtsarbeiten fanden keine signifikanten Effekte. Bei hoher Krankheitsaktivität sollen – je nach betroffenem Abschnitt – systemisch oder lokal anwendbare Steroide, gegebenenfalls zusammen mit einem Biologikum wie Infliximab (gegebenenfalls in Kombination mit einem Thiopurin), Ustekinumab oder Vedolizumab, eingesetzt werden. Letztere kommen auch zur Anwendung, wenn Steroide nicht ausreichend wirken bzw. nicht vertragen werden. Werden die leitliniengerechten Therapien nicht oder schlecht vertragen, kann der Patient im akuten Schub über eine Sonde enteral ernährt werden. Auch während der Schwangerschaft sollte ein akuter Schub ohne Verzögerung therapiert werden. Die Leitlinie empfiehlt hierfür bevorzugt Steroide. Die Anwendung von TNF-α-Antikörpern kann in Erwägung gezogen werden.
Erhalt der Remission
Anders als beim akuten Schub spielen Steroide für den Erhalt der Remission keine Rolle. Je nach Vorbehandlung und Krankheitsvorgeschichte werden hier Azathioprin/6-Mercaptopurin, Methotrexat, TNF-α-Antikörper, Ustekinumab oder Vedolizumab eingesetzt. Auch hier kann bei mildem Verlauf zunächst abwartend auf eine Therapie verzichtet werden.
PA/KaM
* Zur Leitlinie: dgvs.de/wp-content/uploads/2021/08/LeitlinieLL-MC_25.08.2031_final.pdf
Quellen: E F Stange, S Schreiber, A Raedler, A Stallmach, J
Schölmerich, K Loeschke, M Starlinger, W Fischbach,
W F Caspary. Therapy of Crohn diseases--results of a Consensus Conference of the German Society of
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