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Gender-Aspekte im Praxisalltag
Frauen sprechen anders als Männer auf Analgetika an
Serie SCHMERZ
Foto: © shutterstock.com/InfinitumProdux

Frauen und Männer nehmen Schmerzen unterschiedlich wahr. So klagen Männer öfter über Clusterkopfschmerzen und Schmerzen im Lendenwirbelbereich, während bei Frauen Spannungskopfschmerzen, Migräne, Schmerzen im Hüftgelenk, in der Hals- und Brustwirbelsäule, aber auch Bauchschmerzen dominieren. Das differenzierte Schmerzempfinden von Frauen und Männern ist im Wesentlichen auf eine unterschiedliche Aktivierung schmerzrelevanter Areale im Gehirn zurückzuführen. Frauen aktivieren Schmerz über das limbische System, über die Emotionen. Von Männern hingegen wird der Schmerz kognitiv aktiviert und wahrgenommen. Ursächlich für die unterschiedliche Wahrnehmung des Schmerzes kann eine hormonelle Differenz sein: Hohe Östrogenspiegel aktivieren Schmerz. Die unterschiedliche Ansprechbarkeit von Frauen und Männern bei Opioiden belegt diese These. Der chronische Bauchschmerz tritt vorwiegend bei Frauen auf. Hier wurden Zusammenhänge zwischen Schmerzwahrnehmung und sozialem Status festgestellt. So empfinden Frauen mit geringerer Schulbildung und niedrigerem Einkommen Lebensbeeinträchtigungen durch Bauchschmerz stärker als andere Betroffene. In Bezug auf den Reizdarm – der häufigsten gastroenterologischen Diagnose in westlichen Ländern – sind die Auswirkungen auf Frauen und Männer unterschiedlich: Frauen geben häufiger Obstipation an, bei Männern überwiegt die Diarrhoe. Hier ist die Entwicklung unterschiedlicher Therapieansätze für Frauen und Männer geboten, nicht nur, weil sie die Lebensqualität beeinflussen, sondern auch, weil sie einen beträchtlichen Kostenfaktor darstellen. Bei Migräne – 14 Prozent der Frauen, aber nur sieben Prozent aller Männer sind davon betroffen – ist die Wirksamkeit von Medikamenten wahrscheinlich hormonell bedingt. So hat sich menstruationsassoziierte Migräne häufig als therapieresistent gegenüber Schmerzmitteln und schwächeren Triptanen erwiesen. Idealerweise sollten stark wirksame Triptane und langanhaltende Schmerzmittel gegeben werden. An Fibromyalgie – einer Erkrankung, die durch chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen gekennzeichnet ist, leiden besonders viele Frauen. In den westlichen Industriestaaten betrifft sie 3,4 Prozent aller Frauen, von Männern nur 0,5 Prozent. Auch hier wurden hormonbedingte Aspekte festgestellt. So klagen Patientinnen prä- und peri menstruell über mehr Schmerzen als nach der Menstruation. Ein niedriger Spiegel von Östrogen und Progesteron scheint eine höhere Schmerzempfindlichkeit hervorzurufen. Rehapatient:innen mit Erkrankungen des Haltungs- und Bewegungsapparates geben häufiger als Männer Schmerzsymptome und chronische Schmerzen an. Sie nehmen öfter Rehamaßnahmen in Anspruch, stehen aber den dort erbrachten schmerzlindernden Leistungen kritischer gegenüber. Dennoch sind sie aufgeschlossener gegenüber Schulungen und Ernährungsempfehlungen als männliche Rehabilitanten.
Der unübersichtliche Schmerzmittel-
markt und die ständigen „Neuentwicklungen“ der Pharmahersteller erschweren die Therapie von Schmerzpatienten. Unkontrollierbare Werbung kann im schlechtesten Fall Suchtverhalten und Abhängigkeit fördern. Gerade Mischanalgetika bergen ein hohes Missbrauchspotenzial. Hier sind mehr und bessere Patienteninformationen erforderlich. Den Beipackzettel lesen laut Umfragen nur 60 Prozent der Frauen. <