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Thromboembolische Ereignisse im Fokus

Ausgewählte Risikofaktoren für venöse Thromboembolien und deren Management

In Hinblick auf das Auftreten venöser Thromboembolien (VTE) sind zahlreiche Risikofaktoren bekannt (siehe Tabelle). Aus der Kombination mehrerer Risikofaktoren können sich additive Effekte ergeben – etwa bei Alter und Adipositas –, aber auch synergistische Effekte, bei denen das Gesamtrisiko die Summe der einzelnen Risiken übersteigt. Ein Beispiel hierfür wäre die erhöhte Gefährdung von Frauen mit Faktor-VLeiden-Mutation bei Verwendung oraler Kontrazeptiva. Allerdings sind die angeborenen Risikofaktoren weitaus seltener in der klinischen Praxis anzutreffen als die erworbenen. Bei Letzteren stehen chirurgische Eingriffe und Traumata an der Spitze.1 Beispielhaft sollen einige dieser Risikofaktoren sowie Hinweise zur Prävention und Langzeittherapie thromboembolischer Erkrankungen vorgestellt werden.

Prophylaxe bei operativen Eingriffen

Ohne prophylaktische Antikoagulation kann die Prävalenz tiefer Venenthrombosen (TVT) nach einer Operation – je nach Art des Eingriffs – auf bis zu 80 % ansteigen. Bei einer Rückenmarksverletzung entwickeln ohne Prophylaxe 60 bis 80 % der Patienten eine TVT, nach einem multiplen Trauma sind es 40 bis 80 % und in der Intensivmedizin 10 bis 80 %. Auch Hüftfrakturen sowie ein Hüft- oder Kniegelenkersatz gehen ohne Prophylaxe mit einer TVT-Prävalenz von immerhin 40 bis 60 % einher. Für die medikamentöse VTE-Prophylaxe stehen Heparine, Fondaparinux, neue bzw. direkte orale Antikoagulantien (NOAK/DOAK) und Vitamin-KAntagonisten (VKA) zur Verfügung. Zumeist werden die Patientinnen und Patienten heute früh wieder aus dem Krankenhaus entlassen – hierbei ist im niedergelassenen Bereich speziell zu beachten, dass beim Übergang von der stationären zur poststationären Behandlung keine Lücken in der Prophylaxe entstehen dürfen.2

Krebs: Autopsie ergibt bei 50 Prozent Thrombosen

Gegenüber Patienten ohne Tumorerkrankungen weisen Malignom-Patienten ein etwa siebenfach erhöhtes relatives Risiko einer VTE auf. Autoptisch können bei ca. 50 % der Patientinnen und Patienten mit malignen Erkrankungen Thrombosen gefunden werden.1

X Risikofaktoren in Bezug auf eine venöse Thromboembolie (VTE)

Erworbene Risikofaktoren Angeborene Risikofaktoren Gemischte Risikofaktoren

„ Alter „ St. p. Thrombose „ Immobilisation „ Chirurgische Eingriffe (v. a. große und orthopädische

Eingriffe) „ Maligne Erkrankungen „ Orale Kontrazeptiva „ Hormonersatztherapie „ Adipositas „ Anti-Phospholipid-

Antikörper „ Traumata „ Antithrombin-Mangel „ Protein-C-Mangel „ Protein-S-Mangel „ FV-Leiden-Mutation „ Prothrombin-Mutation „ Hyperhomocysteinämie „ Hoher FVIII-Spiegel

Modifiziert nach Pilger, 2004

Übrigens kommen auch arterielle Thromboembolien bei Krebspatienten gehäuft vor. Eine Studie mit mehr als 370.000 Krebspatienten über 67 Jahre zeigte auf, dass das Risiko eines Myokardinfarkts oder eines Insults in den 150 Tagen vor der Erstdiagnose eines Malignoms kontinuierlich zunimmt, mit dem höchsten Risiko in den 30 Tagen vor der Diagnosestellung.3 Zurück zu den VTE: Bei tumorassoziierten Thromboembolien mehren sich aktuell die Empfehlungen für NOAK. Faktor-Xa-Inhibitoren, insbesondere Edoxaban, erzielen laut Kearon und Kahn eine bessere Wirkung als das häufig eingesetzte niedermolekulare Heparin. Allerdings gilt es, bei den Krebspatienten gastrointestinale Läsionen auszuschließen, um ein erhöhtes Blutungsrisiko zu vermeiden.4

Angeborenes Risiko medikamentös reduzieren

Thrombophilie im Sinne eines Antithrombin-, Protein-C-, Protein-SMangels, einer homozygoten FV-Leiden-Mutation, einer homozygoten FII-G20210A-Mutation oder einer kombinierten heterozygoten Mutation von FV und FII bringt ein hohes Thromboserisiko mit sich. Klassischerweise werden die Patientinnen und Patienten mit VKA behandelt, unter anderem, weil Leitlinien bislang keine klaren Empfehlungen für Thrombophilie-Patienten gegeben haben. Allerdings zeigen erste Studien, dass NOAK auch bei diesem Kollektiv effizient wirken, sie sicher sind und das Wiederauftreten einer VTE ebenso eingedämmt werden kann wie durch die bereits länger am Markt befindlichen VKA.5,6 Die Wirksamkeit der NOAK im Vergleich mit VKA und Heparin konnten weitere Studien bestätigen. Es kam zwar vermehrt zu Blutungen, jedoch traten schwere Blutungsereignisse nur in der VKA-/Heparin-Gruppe auf. Zwei Jahre nach Beendigung der Therapie war das Wiederauftreten von VTE in der NOAK-Gruppe signifikant geringer.7

Therapieentscheidungen nach Thrombose

Nach stattgehabter VTE wird in der Regel eine Antikoagulation für drei Monate angesetzt. Handelt es sich um eine TVT oder eine Lungenembolie (LE), die durch einen reversiblen Risikofaktor hervorgerufen wurde – z. B. eine östrogenassoziierte VTE –, oder um Patienten mit einer isolierten TVT, die ohne ersichtliche Gründe aufgetreten ist, kann die Antikoagulation zumeist nach diesen drei Monaten gestoppt werden. Handelt es sich um eine ausgedehnte TVT oder LE, bei welcher sehr viele proximale Venen betroffen waren oder es zu einer moderaten rechtsventrikulären Dysfunktion gekommen ist, kann die Antikoagulation auf sechs Monate ausgedehnt werden. Allerdings kann bei einigen Patientenkollektiven eine zeitlich unbegrenzte Antikoagulation angezeigt sein. Dazu zählen etwa Patientinnen und Patienten mit VTE und Krebserkrankung oder einem anderen persistierenden Risikofaktor sowie Personen, bei denen eine zweite TVT oder LE ohne einen ersichtlichen Grund aufgetreten ist. Die Präferenzen der Betroffenen sind dabei immer zu berücksichtigen: Zeigen sie Skepsis in Bezug auf eine andauernde Antikoagulation, kann auch vereinbart werden, dass die Antikoagulation ausgesetzt wird und nach einem Monat D-Dimer-Werte und Anti-Phospholipid-Antikörper erhoben werden. Patienten sollten die Antikoagulation fortsetzen, wenn die Laborergebnisse positiv sind. Zur Therapie eignen sich NOAK, VKA und niedermolekulare Heparine – jene Antikoagulantien weisen eine Risikoreduktion einer erneuten VTE von mindestens 80 % auf. Wiederum zeitigen die NOAK Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban und Dabigatran hier gute Ergebnisse: Sie sind in der Lage, die Gefahr schwerer Blutungen im Vergleich mit VKA (in diesem Fall: Warfarin) um ein Drittel zu reduzieren.4

Mag.a Marie-Thérèse Fleischer, BSc

Quellen: 1 Pilger E, Venöse Thromboembolie, 2004; Stuttgart:

Georg Thieme Verlag. 2 Encke A et al., S3-Leitlinie: Prophylaxe der venösen

Thromboembolie (VTE), Stand: 10/2015. 3 Navi BB et al., Blood 2019; 133(8): 781-789. 4 Kearon C & Kahn SR, Blood 2020; 135(5): 317-325. 5 Serrao A et al., Mediterr J Hematol Infect Dis 2019; 11(1): e2019044. 6 Elsebaie MAT et wal., J Thromb Haemost 2019; 17: 645-56. 7 Campello E et al., JAHA 2020; 9: e018917.

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