122 SO LÄUFT’S SPASS
„Dieser Laden ist wie eine Fernsehsendung“ Mit einer guten Portion Humor und einer nicht zu kurz geratenen Prise Selbstironie bespielt Christoph Tophinke seinen Laden Chelsea Farmers Club in Berlin wie eine gut gemachte Fernsehshow. Kein Wunder, denn der gelernte Herrenschneider arbeitete nach seiner Ausbildung am Hamburger Schauspielhaus jahrelang für Fernsehsender und TV-Produktionsfirmen. Interview: Kay Alexander Plonka. Foto: Chelsea Farmers Club
Schnitte, Preisgefüge und Look Ihrer Kollektionen sind seit über zehn Jahren nahezu unverändert. Was ist das Geheimnis des Erfolgs?
Wir wollen nicht jeden glücklich machen, das können wir auch gar nicht. Aber in unseren Anzügen kann man sich mit geschlossenen Knöpfen ins Auto setzen und losfahren. Versuchen Sie das mal mit einem Anzug von Tom Ford! Wenn das Gefühl richtig ist, dann: machen, machen, machen. Und wenn du dir nicht sicher bist, fährst du vor die Wand – was soll denn passieren? Alles Erwartbare und mit Excel-Tabellen zusammengetragene, das bekommen die Menschen ja überall en masse. Dass irgendwo immer noch etwas Unerwartetes lauert, das ist ganz, ganz wichtig bei allen Dingen. Ob das die Produkte, der Laden oder die Events sind – scheißegal, es geht immer darum, Leidenschaft, Neugierde und die Lust darauf zu wecken, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ihr Claim „Britische Gesellschaftsmode, Reisegepäck
und Gin“ klingt bierernst, Ihre fiktive Filiale in Timbuktu lässt aber doch jede Menge Spaß bei der Sache vermuten.
Es geht gar nicht anders. Damals wusste ich überhaupt nicht, auf was ich mich eingelassen hatte, als ich den ersten Laden eröffnete. Mir wurde aber sehr schnell klar, dass der deutsche Einzelhändler klagen muss. Denn, wenn er nicht klagt, geht’s ihm angeblich zu gut. Aber Klagen ist so überhaupt nicht meins und da ist es ja auch wirklich leicht, dagegen zu stänkern. Und deswegen haben wir alles immer sehr rough, einfach und stets aus der Hüfte heraus gemacht. Sicher ist da auch mal was schiefgegangen, aber das ist letztendlich egal. Das wir gute Smokings und Anzüge haben hat sich so schnell rumgesprochen, dass es mir dabei schon fast schwindelig geworden ist. Eigentlich würde man sagen, eine Marke aufzubauen, dauert normalerweise mindestens zehn Jahre und kostet unglaublich viel Geld – das ist Schwachsinn! Ich glaube, es sind wenige einfache Hebel, die man drücken
muss, und in Berlin ist es dann noch viel einfacher gewesen. Dieser Laden funktioniert wie eine Fernsehsendung: Drehe ich an den dramaturgischen Schrauben, reagiert das Publikum darauf und damit meine ich nicht die Beleuchtung oder die Schaufensterdeko, sondern Inspiration anstelle von verstaubter grauer Masse. Musik ist ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts von Chelsea Farmers Club, richtig?
Das stimmt. Freddy Fischer und Friedrich Lichtenstein sind quasi unsere Haus- und Hofmusiker und Freddy ist nebenbei bemerkt auch mein Schlagzeuglehrer. Er ist quasi der Nachfolger von El Kartell, bekannt als die zwölfköpfige Hausband aus der Bar 1000, die damals in unserem Laden in der Veteranenstraße und auch bei unseren jährlichen Doppeldeckerbustouren gespielt haben. Freddy Fischer und seine Band spielen, ohne mit der Wimper zu zucken, auf dem Oberdeck des Busses während der Fahrt durch Berlin mit einem Diesel Aggregat im Rücken, genauso wie hier im Laden bei jeder nur denkbaren Gelegenheit. Und Friedrich Lichtenstein macht einfach unfassbar gute Sachen, die seit geraumer Zeit auch auf Tele5 zu sehen sind. Für die erste Ausgabe des CFC-Kundenmagazins gab es den Lead Award und eine Auszeichnung vom Art Directors Club. Was hat es mit dem Seifenkistenrennteam auf sich?
Das (vermeintliche) Seifenkistenrennteam und sein Rennstalleiter Christoph Tophinke (kniet vorne links) bei der ironischen Gelegenheit, den Künstler Friedrich Lichtenstein im Smoking in Szene zu setzen.
117 style in progress
Das Kundenmagazin habe ich gemeinsam mit unserer Grafikerin, einem Kumpel aus Madrid, der die Texte geschrieben hat, und der damals 16-jährigen Illustratorin auf die Beine gestellt. Das Foto mit der Seifenkiste ist entstanden, weil ein befreunde-
ter Fotograf meinte, ich müsse die Kunden über den Umzug in den neuen Laden zwei Häuser weiter informieren. Die Seifenkiste ist eigentlich nur zu Dekozwecken gedacht gewesen. Ein Rennteam haben wir gar nicht. Kurzerhand wurde das Foto von einer namhaften Wodka-Marke aufgegriffen und als Citybanner zwei Meter hoch und zehn Meter lang für vier Wochen am Alexanderplatz, in Schöneberg und an der Großbaustelle an den Treptower Towers hier in Berlin plakatiert. Die Zugriffszahlen auf unsere Website sind explodiert und es kamen tatsächlich Leute in den Laden, die fragten, ob man die Tischlerkittel kaufen kann. Was macht Chelsea Farmers Club bei der Kundenansprache anders?
Wir nehmen uns selbst nicht zu ernst und kommunizieren gerne mit einem zwinkernden Auge und manchmal ist auch ein Tritt in die Kniekehle nicht ganz unwichtig. Man muss die Leute nicht nur gut behandeln, sondern ihnen auch deutliche Führung geben und man muss genauso hart dafür arbeiten, mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Vor sechs Jahren haben wir ganz nach Lust und Laune mit einem kleinen Newsletter angefangen. Erst nur ein paar Bilder und Reviews von den Events, die wir gemacht haben, und später regelmäßig eben auch immer die Neuigkeiten. Als der Newsletter dann krankheitsbedingt mal ausfallen musste, bekam ich zahlreich E-Mails von Kunden, die den Newsletter einforderten. So was hab ich noch nicht erlebt, das ist doch einigermaßen absurd, oder? Es zeigt einem aber auch, dass die Leute das, was wir tun, eben wirklich mögen und bestärkt uns, weiterhin neben der breiten Straße den kleinen Pfad zu laufen.